TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/10 W203 2242313-1

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Entscheidungsdatum

10.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
Prüfungsordnung BMHS §52 Abs1
SchOG §68a Abs2
SchUG §11 Abs6
SchUG §3 Abs1

Spruch


W203 2242313-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , als Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch ihre erziehungsberechtigte Mutter XXXX als Zweitbeschwerdeführerin, beide wohnhaft in XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 09.04.2021, GZ. Präs/3a-708-1/0003-allg/2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Aufnahme an der XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass XXXX die Voraussetzungen für die Aufnahme an der XXXX , erfüllt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin meldete sich am 25.02.2021 an der XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule) um einen Schulplatz an.

2. Mit Entscheidung vom 25.02.2021 teilte der Schulleiter der gegenständlichen Schule gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin mit, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht aufgenommen werden könne. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 68 a Abs. 2 SchOG im Hinblick auf die Erreichung der lehrplangemäßen Bildungsziele im Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“ für eine erfolgreiche Aufnahme eine entsprechende Abweichung vom Lehrplan durch die zuständige Schulbehörde festzulegen sei. Eine generelle Befreiung durch den Schulleiter sei gemäß § 11 Abs. 6 SchUG aufgrund der typenprägenden Bedeutung des Gegenstandes nicht möglich. Im Falle einer entsprechenden Zustimmung/Festlegung durch die zuständige Schulbehörde würde seitens der Schule ein Schulplatz zur Verfügung stehen.

3. Mit Schriftsatz vom 26.02.2021 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Widerspruch gegen die Entscheidung des Schulleiters. Begründend wurde ausgeführt, dass die Anmeldung aufgrund der Grunderkrankung der Erstbeschwerdeführerin abgelehnt worden sei, da noch nicht festgelegt sei, ob diese für den gewünschten Schulzweig einen Abschluss bekommen könne. Es werde eine Befreiung von der Teilnahme am Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“ erbeten.

4. Aus einem Schreiben einer mobilen Lehrerin für körperbeeinträchtigte Schülerinnen vom 31.10.2019 geht hervor, dass bei der Erstbeschwerdeführerin XXXX ) diagnostiziert worden sei. Sie sei sehr selbständig und selbstbewusst, brauche aber Hilfe beim Wechsel der Sitzposition und beim Hantieren mit schweren Büchern (z.B. Wörterbuch) bzw. Ordnern. Sie arbeite in der Klasse meist eigenständig und habe ihren Arbeitsplatz gut strukturiert. Sie könne mit dem Arbeitstempo gleichaltriger Kinder ohne Beeinträchtigung nicht mithalten, obwohl sie gute kognitive Voraussetzungen habe. Sie zeige gute Ausdauer und Aufmerksamkeit. Aufgrund der Beeinträchtigung benötige die Erstbeschwerdeführerin einen Rollstuhl. Sie könne auch einige Schritte gehen, wenn sie an der Hand geführt werde.

5. Mit ärztlichem Gutachten vom 23.03.2021 stellte die Schulärztin fest, dass die XXXX -jährige Erstbeschwerdeführerin an XXXX leide. Sie wiege derzeit XXXX kg und sei XXXX cm groß. Sie trage eine Brille, mit der sie gut lesen könne. Die Erstbeschwerdeführerin wirke selbstbewusst und möchte möglichst alles eigenständig machen. Aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung sei sie jedoch auf umfangreiche Hilfe angewiesen. Eine Fortbewegung sei fast nur mit Rollstuhl möglich. Sie benötige Unterstützung beim Platzwechsel und beim Hantieren mit schweren Gegenständen wie Ordnern und Wörterbüchern. Die kognitiven Fähigkeiten würden nicht eingeschränkt erscheinen, der Besuch einer höheren Schule sei durchaus vorstellbar. Da sie an Naturwissenschaften, Gesundheit und Ernährung interessiert sei, habe sie den Gesundheitsmanagementzweig der gegenständlichen Schule ausgewählt. Das Benützen der dort vorhandenen Lehr- und Betriebsküchen sei aber für die Erstbeschwerdeführerin zu gefährlich und ihr daher nicht zumutbar. Auch das Servieren der Speisen sei nicht vorstellbar. Aus Sicht der Schulärztin sei der Besuch dieses Schulzweiges nur möglich, wenn die Erstbeschwerdeführerin vom Kochen und Servieren, somit vom fachpraktischen Unterricht „Küchen- und Restaurantmanagement“, befreit werden könne. Darüber hinaus sei eine Befreiung vom Sportunterricht nötig.

6. Die Bildungsdirektion für Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) teilte der Erstbeschwerdeführerin in einem Schreiben vom 26.03.2021 mit, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei und übermittelte gleichzeitig die Stellungnahme der Schulleitung und des Abteilungsleiters der Bildungsregion sowie die schulärztliche Begutachtung mit der Möglichkeit zur Einbringung einer Stellungnahme durch die Beschwerdeführer.

7. In ihrer Stellungnahme vom 29.03.2021 teilte die Erstbeschwerdeführerin mit, dass sie gerne im biomedizinisch-analytischen Bereich berufstätig sein möchte, deshalb habe sie sich für diesen Schulzweig entschieden. Aufgrund ihrer Erkrankung sei es für sie nicht möglich, an dem Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“ teilzunehmen, da die Betriebsküche zu gefährlich und nicht für ihre Körpergröße eingerichtet sei. Ein Schulplatz sei nur im Falle einer Befreiung von dem genannten Pflichtfach möglich.

8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.04.2021, GZ. Präs/3a-708-1/0003-allg/2021 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der Widerspruch der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung an der HLW umfasse die Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung verpflichtend die Prüfungsgebiete „Küchenmanagement“ (300 Minuten einschließlich Arbeitsplanung und Vorarbeiten, praktisch) und „Restaurantmanagement“ (210 Minuten einschließlich Vorarbeiten, praktisch). Aufgrund ihrer Beeinträchtigung sei die Erstbeschwerdeführerin auf umfangreiche Unterstützung angewiesen.

Aufgrund der Grunderkrankung der Erstbeschwerdeführerin könne das Bildungsziel im fachpraktischen Unterricht der angestrebten Schulart bzw. des Zweiges von dieser nicht erfüllt werden. Eine Befreiung vom genannten Pflichtgegenstand sei gemäß § 11 Abs. 6 SchUG nicht zielführend, da der Pflichtgegenstand als Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung verpflichtend vorgesehen sei und somit dieser auch über die Jahre des Schulbesuches besucht und positiv abgeschlossen sein müsse (§ 52 Abs. 1 PrüfOrd. BMHS). Es sei zwar eine Lehrplananpassung möglich, jedoch sei der Gegenstand dennoch als Vorprüfung zur Reife- und Diplomprüfung verpflichtend vorgesehen und abzulegen. Trotz möglicher Einschränkung der Vorprüfung müsse noch immer eine Gleichwertigkeit zu einer nicht eingeschränkten Prüfung vorhanden sein, dies sei aufgrund der Grunderkrankung der Erstbeschwerdeführerin in diesem Prüfungsgegenstand aber definitiv nicht möglich. Zusammenfassend sei festzustellen, dass trotz der Befreiung vom Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“ sowie einer Anpassung des Lehrplanes ein Abschluss in Form einer Reife- und Diplomprüfung im gewünschten Schulzweig nicht möglich ist.

9. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Begründend führten sie aus, dass aufgrund der Covid-19-Krise bereits in zwei Lehrgängen keine Vorprüfung stattgefunden habe und die Schüler dennoch die „erforderliche Berechtigung für den besagten Schwerpunkt“ erhalten hätten. Es werde in diesem Zusammenhang auf die von Österreich ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention sowie die UN-Behindertenkonvention verwiesen. Die Behörde sei aufgrund der Rechtsvorschriften aufgefordert, den Lehrplan bzw. den Schulzweig „Gesundheitsmanagement“ so auszugestalten, dass auch Menschen mit Behinderung diesen Zweig absolvieren können. Die Möglichkeit der Absolvierung des genannten Gegenstandes mit Hilfe einer persönlichen Assistenz, die der Erstbeschwerdeführerin zustehen würde, habe die Behörde bislang nicht in Betracht gezogen, erscheine aber dringend geboten.

10. Einlangend am 10.05.2021 legte die belangte Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene Erstbeschwerdeführerin ist durch XXXX beeinträchtigt.

Aufgrund dieser Beeinträchtigung ist die Erstbeschwerdeführerin auf die Benützung eines Rollstuhls sowie auf umfangreiche Hilfe im Alltag sowie eine persönliche Assistenz im Schulbetrieb angewiesen. Die kognitiven Fähigkeiten der Erstbeschwerdeführerin sind nicht eingeschränkt, sodass der Besuch einer höheren Schule möglich ist.

Am 25.02.2021 beantragte die Erstbeschwerdeführerin die Aufnahme an der gegenständlichen Schule ab dem Schuljahr 2021/22.

Am selben Tag entschied die Schulleitung der gegenständlichen Schule, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht aufgenommen werden kann.

Der gegen diese Entscheidung eingebrachte Widerspruch wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.

Das Benützen einer Lehr- oder Betriebsküche ist für die Erstbeschwerdeführerin gefährlich und nicht zumutbar, das Servieren von Speisen und Getränken ist für die Erstbeschwerdeführerin nicht möglich.

Gemäß der „Stundentafel“ für die von der Erstbeschwerdeführerin an der gegenständlichen Schule angestrebte Ausbildung umfasst die Ausbildung insgesamt 173 Wochenstunden. Davon entfallen insgesamt 14 Stunden auf den Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Die Feststellungen zu den körperlichen Beeinträchtigungen sowie zur Nichtbeeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus einem ärztlichen Gutachten der Schulärztin vom 23.03.2021 sowie den damit übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Stattgabe der Beschwerde)

3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 3 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) ist als ordentlicher Schüler nach Maßgabe des § 5 aufzunehmen, wer

a)       die gesetzlichen Aufnahmsvoraussetzungen für die betreffende Schulart und Schulstufe erfüllt,

b)       die Unterrichtssprache der betreffenden Schule soweit beherrscht, daß er dem Unterricht zu folgen vermag, und

c)       die Eignung für die betreffende Schulart besitzt, zu deren Feststellung im Zweifelsfalle ein Gutachten des Schularztes oder des Amtsarztes einzuholen ist.

Gemäß § 11 Abs. 6 SchUG hat auf Ansuchen des Schülers oder der Schülerin oder von Amts wegen der Schulleiter oder die Schulleiterin einen Schüler oder eine Schülerin von der Teilnahme an einzelnen Pflichtgegenständen und verbindlichen Übungen ohne oder mit Auflage von Prüfungen zu befreien, wenn dieser oder diese aus gesundheitlichen Gründen daran nicht teilnehmen kann. Der Schulleiter oder die Schulleiterin kann im Zweifelsfall hiefür die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen.

Gemäß § 68a Abs. 2 Schulorganisationsgesetz (SchOG) hat die zuständige Schulbehörde für körperbehinderte und sinnesbehinderte Schüler unter Bedachtnahme auf die Behinderung und die Förderungsmöglichkeiten sowie die grundsätzliche Erfüllung der Aufgabe der betreffenden Art und Fachrichtung der berufsbildenden höheren Schule Abweichungen vom Lehrplan festzulegen, sofern nicht mit der Befreiung von Pflichtgegenständen gemäß § 11 Abs. 6 des Schulunterrichtsgesetzes das Auslangen gefunden wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Prüfungsordnung BMHS umfasst die Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe die Prüfungsgebiete

1.       „Küchenmanagement“ (300 Minuten einschließlich Arbeitsplanung und Vorarbeiten, praktisch) und

2.       „Restaurantmanagement“ (210 Minuten einschließlich Vorarbeiten, praktisch).

3.2.2. Im gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass die Erstbeschwerdeführerin die Aufnahmevoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. a und b SchUG erfüllt.

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin deswegen nicht an der gegenständlichen Schule aufgenommen werden könne, weil diese aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung die „Eignung für die betreffende Schulart“ nicht besitze. Sie führte dazu näher aus, dass die Erstbeschwerdeführerin auf Grund der faktischen Unmöglichkeit, den Pflichtgegenstand „Küche- und Restaurantmanagement“ zu absolvieren, das Bildungsziel der angestrebten Schulart bzw. des Schulzweiges nicht erreichen könne. Es komme auch weder eine Befreiung von diesem Pflichtgegenstand im Sinne des § 11 Abs. 6 SchUG noch eine Lehrplananpassung iSd § 68a SchOG in Betracht, weil der Pflichtgegenstand als Vorprüfung für die Diplom- und Reifeprüfung verpflichtend vorgesehen sei.

Diesen von der belangten Behörde getroffenen Schlussfolgerungen schließt sich das erkennende Gericht nicht an, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Die Regelung des § 3 Abs. 1 lit. c SchUG ist immer im Zusammenhang mit der Befreiung von der Teilnahme an Pflichtgegenständen gemäß § 11 Abs. 6 SchUG sowie die lehrplanmäßige Berücksichtigung von körperlichen Beeinträchtigungen zu sehen (vgl. Jonak – Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 6a zu § 3 SchUG [Seite 532] mit Verweis auf RV 1166 BlgNR, XXII. GP). Daraus geht hervor, dass die körperliche Eignung jedenfalls – und nicht nur im Zweifel – festzustellen ist, wenn dies nach speziellen Aufnahmebedingungen vorgeschrieben ist. Eine derartige Konstellation liegt verfahrensgegenständlich nicht vor, sodass schon alleine deshalb die Möglichkeit bzw. Zulässigkeit einer Befreiung von der Teilnahme an einem Pflichtgegenstand nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint.

Aus der Formulierung „hat […] zu befreien“ in § 11 Abs. 6 erster Satz SchUG geht hervor, dass eine Befreiung von der Teilnahme an einem Pflichtgegenstand keine Ermessensentscheidung darstellt, sondern dass diese jedenfalls zu erfolgen hat, wenn gesundheitliche Gründe die Teilnahme daran verhindern. Andererseits lässt die Beschränkung auf „einzelne Pflichtgegenstände“ darauf schließen, dass eine unbegrenzte Befreiung von der Teilnahme an mehreren – im Extremfall an sämtlichen – Pflichtgegenständen nicht möglich ist. Es ist daher der belangten Behörde insofern beizupflichten, als eine Befreiung von der Teilnahme an einem Pflichtgegenstand oder auch an mehreren Pflichtgegenständen nur insoweit sinnvoll erscheint, als dadurch die Erreichung des Bildungszieles einer bestimmten Schulart bzw. eines bestimmten Schulzweiges noch gewährleistet ist. Um beurteilen zu können, ab welchem Zeitpunkt – im Falle einer Befreiung von der Teilnahme an Pflichtgegenständen – die Erreichung des Bildungszieles einer bestimmten Ausbildung nicht mehr gewährleistet erscheint, ist es in einem ersten Schritt unumgänglich, eben dieses Bildungsziel zu definieren. In diesem Zusammenhang gelangt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass gegenständlich das Bildungsziel nicht erreicht werden könne, weil der Pflichtgegenstand, von dessen Teilnahme die Erstbeschwerdeführerin zu befreien wäre, verpflichtend als Vorprüfung zur Diplom- und Reifeprüfung vorgesehen sei. Ein alleiniges und ausschließliches Abstellen auf dieses Kriterium erscheint aus Sicht des erkennenden Gerichts aber nicht zulässig. Vielmehr bedarf es dazu (auch) einer inhaltlichen Betrachtung der Lehrinhalte der Ausbildung sowie einer Auseinandersetzung damit, wozu die Ausbildung in weiterer Folge befähigen soll. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass der hier maßgebliche Pflichtgegenstand – bezogen auf die dafür vorgesehenen Wochenstunden – nur etwa acht Prozent der gesamten Ausbildung darstellt. Außerdem werde gemäß den Informationen der gegenständlichen Schule, die diese auf ihrer XXXX (abgefragt am 08.09.2021) zu der von der Erstbeschwerdeführerin angestrebten Fachrichtung „Gesundheitsmanagement“ anbietet, der besondere Fokus der Ausbildung auf „die Stärkung der Personal- und Sozialkompetenz, den Erwerb von wirtschaftlichen Fähigkeiten, Fremdsprachen sowie auf den praxisnahen Unterricht“ gelegt. Es werde in dieser Fachrichtung unter anderem „mikroskopiert, analysiert, berechnet und seziert“ und es würden „Muskelfunktionen überprüft, die Sensorik geschult, Versuche durchgeführt, Lehrausgänge geplant und Gesundheitsprojekte organisiert“. Vor diesem Hintergrund scheint dem Pflichtgegenstand „Küchen- und Restaurantmanagement“ und innerhalb desselben insbesondere dem – der Erstbeschwerdeführerin auch unter Ausschöpfung sämtlicher Hilfe- und Unterstützungsleistungen nicht möglichen - Servieren von Speisen und Getränken innerhalb der fünfjährigen Ausbildung keine dermaßen hohe Gewichtung zuzukommen, um davon sprechen zu können, dass eine Nichtabsolvierung desselben aus gerechtfertigten Gründen zwingend dazu führen müsste, dass das Ausbildungsziel keinesfalls erreicht werden kann.

3.2.3. Die Voraussetzungen für eine Nichtaufnahme der Erstbeschwerdeführerin an der gegenständlichen Schule liegen somit nicht vor.

3.2.4. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

3.2.5. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 i.d.g.F., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung insbesondere folgender Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

„Schließt der Umstand, dass ein Pflichtgegenstand verpflichtend als Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung vorgesehen ist, die Möglichkeit der Befreiung von der Teilnahme an diesem Pflichtgegenstand iSd § 11 Abs. 6 SchUG jedenfalls aus?“

Da es zu dieser Frage an einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung mangelt und da sich die hier anzuwendenden Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes auch nicht als so klar und eindeutig erweisen (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90), dass sich daraus die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben würden, ist die Revision zuzulassen.
3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Aufnahmevoraussetzung Befreiung gesundheitliche Beeinträchtigung Gesundheitszustand Lehrplan Pflichtgegenstand Reife- und Diplomprüfung Revision zulässig Schulaufnahme Schule

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2242313.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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