Entscheidungsdatum
10.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G315 2242722-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX (alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ; alias: XXXX , geboren am XXXX ), Staatsangehörigkeit: Deutschland, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2021, Zahl XXXX , betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 15.04.2021 wurde über den sich im Stande der Strafhaft befindenden Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von achteinhalb Jahren verhängt (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer weiters gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des (teils versuchten) gewerbsmäßigen schweren Betruges zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verweisen sowie weiters ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits in Deutschland sechzehn Mal, davon überwiegend einschlägig, vorbestraft sei, er zwar ab dem Jahr 2008 immer wieder im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei, diese Meldungen aber bis 2018 immer nur wenige Monate gedauert hätten und daher ein durchgehender, fünfjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorliege, er in dieser Zeit nur einen einzigen Tag in Österreich sozialversichert erwerbstätig gewesen sei und über keine Anmeldebescheinigung verfüge. Der Beschwerdeführer sei Witwer, Vater von insgesamt fünf Kindern, die bis auf eine Tochter alle volljährig und deutsche Staatsangehörige wären. Es bestünden keine Unterhaltspflichten, die drei Töchter würden in Deutschland leben, die zwei Söhne in Österreich. Der Beschwerdeführer leide an Multipler Sklerose, Steatosis hepatis und Bronchitis, werde in der Haft auch medizinisch behandelt, sei aber dennoch haft- und vernehmungsfähig. Die Erkrankungen könnten zudem jedenfalls in Deutschland behandelt werden. Es läge daher in Österreich kein schützenswertes Privat- und Familienleben vor. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Angesichts der bis ins Jahr 1988 zurückreichenden, überwiegend einschlägigen Vorstrafen könne auch keine positive Zukunftsprognose getroffen werden und sei ein Aufenthaltsverbot in der verhängten Dauer erforderlich. Da der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich auflösen müsse und nicht davon auszugehen sei, dass er binnen einen Monats der Haftentlassung eine neuerliche Straftat begehen werde, sei ihm der Durchsetzungsaufschub zuzuerkennen gewesen.
Mit Verfahrensanordnung vom 19.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.
Der gegenständliche Bescheid sowie die Verfahrensanordnung wurden dem Beschwerdeführer am 20.04.2021 durch persönliche Übernahme zugestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz der nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 17.05.2021, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufheben; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabsetzen; in eventu den Bescheid beheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sehe sich durch die Entscheidung des Bundesamtes in seinem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens verkürzt, da er in regelmäßigem und gutem Kontakt zu seinen Kindern und Enkelkindern stehe. Ein Aufenthaltsverbot würde diesen direkten Kontakt wesentlich erschweren, da den Söhnen die Anreise zum Wohnort des Beschwerdeführers nicht so einfach möglich sei. Der Beschwerdeführer sei schwer krank, seine Ehefrau sei während des Strafverfahrens verstorben und bereue er seine Taten sehr. Er sei – wenngleich aufgrund seiner Erkrankungen eingeschränkt – arbeitsfähig und würde im Fall eines weiteren Aufenthalts in Österreich eine Beschäftigung aufnehmen. Obwohl er seinen Lebensmittelpunkt bisher in Deutschland sähe, würde die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte auf persönlichen Umgang mit den Familienangehörigen darstellen. Darüber hinaus habe das Bundesamt die gesetzliche Dauer eines möglichen Aufenthaltsverbotes fast gänzlich ausgeschöpft. Wenngleich der Beschwerdeführer auch mehrere Verurteilungen in Deutschland aufweise, sei der Beschwerdeführer trotz seiner vielfachen Aufenthalte in Österreich ab dem Jahr 2008 nunmehr im Bundesgebiet erstmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Beschwerdeführer verkenne nicht die Schwere seiner Taten, jedoch seien von § 67 Abs. 2 FPG auch wesentlich schwerwiegendere Taten und Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren erfasst. Auch habe die belangte Behörde nicht detailliert dargelegt, weswegen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 25.05.2021 ein.
4. Am 10.06.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Mittelung ein, dass der Beschwerdeführer am 11.06.2021 zur weiteren Strafvollstreckung gemäß § 42a EU-JZG nach Deutschland ausgeliefert wird und der Heimatstaat die Strafvollstreckung übernommen hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Deutschland (vgl. etwa Kopie des deutschen Reisepasses, AS 39 ff; Auszug aus dem Fremdenregister vom 24.06.2021; Niederschrift Bundesamt vom 15.02.2021, AS 165).
Er verfügte in Österreich bis dato über keine Anmeldebescheinigung. Das Verfahren über einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers vom 05.07.2012 über die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer wurde am 22.07.2014 eingestellt (vgl. Fremdenregisterauszug vom 24.06.2020).
In Österreich war der Beschwerdeführer bisher nur einen einzigen Tag am 08.06.2012 sozialversichert als Arbeiter erwerbstätig (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug vom 24.06.2020).
Aus dem Zentralen Melderegister ergeben sich nur nachfolgende Wohnsitzmeldungen (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 24.06.2021):
03.06.2008-12.06.2008
Hauptwohnsitz
11.06.2012-24.07.2012
Hauptwohnsitz
07.03.2013-24.06.2013
Hauptwohnsitz
22.01.2014-05.06.2014
Hauptwohnsitz
03.12.2018-07.02.2020
Hauptwohnsitz
28.07.2020-11.06.2021
Hauptwohnsitz Justizanstalt
Wann der Beschwerdeführer konkret erstmals in das Bundesgebiet einreiste, konnte nicht festgestellt werden. Er verfügte jedoch vor dem 03.12.2018 nur über kurze Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet, die durch wesentliche Abwesenheitszeiten unterbrochen sind, in welchen der Beschwerdeführer in Deutschland war (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 24.06.2021 iVm Niederschrift Bundesamt vom 15.02.2021, AS 166).
1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet am 09.07.2020 festgenommen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.07.2020, Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt (vgl. Mitteilung über die Verhängung der Untersuchungshaft, AS 21; Verständigung der Fremdenbehörde von der Aufnahme in die Untersuchungshaft, AS 37; Haftauskunft, AS 127).
Hinsichtlich eines von der Bezirksanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens wegen Betruges gemäß § 146 StGB zur Zahl XXXX wurde per 15.09.2020 vorläufig von der Verfolgung zurückgetreten (vgl. Verständigung der Behörde vom Rücktritt von der Verfolgung, AS 119).
Mit Urteilen des Landesgerichtes XXXX vom 20.10.2020, XXXX , und des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig am 12.01.2021 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall sowie 15 StGB schlussendlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) gemeinsam mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau mit dem Vorsatz, sich durch die wiederkehrende Begehung nach § 147 Abs. 2 StGB wertqualifizierter Taten längerer Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, indem er durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die Zahlungsfähigkeit und –willigkeit, teils zudem auch unter Verwendung eines falschen Beweismittels, nämlich eines abgestempelten Zahlscheines, welcher den Anschein einer getätigten Kaufpreisüberweisung stützen sollte, jeweils Verfügungsberechtigte zur Herausgabe von Fahrzeugen verleitet bzw. zu verleiten versuchte, wodurch diese in einem Gesamtbetrag von EUR 187.520,00 in ihrem Vermögen geschädigt wurden bzw. geschädigt werden sollten, und zwar zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem 15.08.2019 Verfügungsberechtigte eines Autohaues zur Herausgabe eines PKWs der Marke Jeep Cherokee im Wert von EUR 75.500,00, zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem 22.08.2019 Verfügungsberechtigte eines Autohauses zur Ausfolgung eines PKWs der Marke Audi A6 3,0 TDI im Wert von EUR 43.990,00 samt dazu bestellter Sonderausstattung im Wert von EUR 3.540,00, gesamt daher EUR 47.530,00, wobei die Tat beim Versuch blieb, sowie zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem 30.08.2019 Verfügungsberechtigte eines Autohauses zur Ausfolgung eines PKWs der Marke Audi Q7 3,0 TDI Quattro, im Wert von EUR 54.990,00 samt bestellter Sonderausstattung im Wert von EUR 9.500,00, somit insgesamt EUR 64.449,00, wobei auch diese Tat beim Versuch blieb.
Im Rahmen der Strafbemessung wurden insgesamt als mildernd gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, als erschwerend wurde hingegen das Vorliegen von neun (zählbaren) einschlägigen Vorstrafen, die die Wertgrenze von EUR 5.000,00 mehrfach übersteigende Schadenshöhe, das Vorliegen der Rückfallvoraussetzungen nach § 39 Abs. 1 StGB vor BGBl I 2019/105 und die Begehung mit einem Mittäter gewertet. Das Oberlandesgericht erachtete eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren (statt in der vom Landesgericht ursprünglich verhängten Dauer von vier Jahren) als tat- und schuldangemessen (vgl. aktenkundiges Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck, AS 141 ff).
Aufgrund des zitierten strafgerichtlichen Urteils wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die im genannten Urteil festgestellten strafbaren Handlung begangen und er das jeweils umschriebene Verhalten gesetzt hat.
Der Beschwerdeführer wurde am 11.06.2021 zum weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe gemäß § 42 f EU-JZG in sein Heimatland Deutschland überstellt (vgl. entsprechende Mitteilung vom 10.06.2021; Strafregisterauszug und Auszug aus dem Zentralen Melderegister jeweils vom 24.06.2021).
Aus dem aktenkundigen ECRIS-Auszug des Beschwerdeführers vom 07.08.2020 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer noch weitere 16 mal in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt wurde (vgl. AS 77 ff):
1. Amtsgericht Kassel, XXXX , vom 21.09.1988 (rechtskräftig am 21.09.1988); Betrug bei öffentlichen Leistungen sowie bei Sozial- oder Familienleistungen (Beförderungserschleichung in drei Fällen); Datum der letzten Tathandlung: 04.12.1987; Strafe: Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je DM 20,00;
2. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 07.06.1989 (rechtskräftig am 07.06.1989); Betrug; Datum der letzten Tathandlung: 01.08.1988; Strafe: Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je DM 30,00;
3. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 21.03.1990 (rechtskräftig am 29.03.1990); Betrug; Datum der letzten Tathandlung: 01.02.1989; Strafe: Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je DM 25,00;
4. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 03.04.1990 (rechtskräftig am 24.04.1990); vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis; Datum der letzten Tathandlung: 08.08.1989; Strafe: Gelstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je DM 60,00;
5. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 19.06.1990 (rechtskräftig am 21.07.1990); Fahren ohne Fahrerlaubnis; Datum der letzten Tathandlung: 17.11.1988; Strafe: Gelstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen zu je DM 20,00;
6. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 13.08.1990 (rechtskräftig am 21.08.1990); Betrugsdelikte – Missbrauch einer Kreditkarte in Tatmehrheit mit vier sachlich zusammentreffenden Fällen des Betruges, in einem Fall in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug, in Tatmehrheit mit zwei sachlich zusammentreffenden Fällen des versuchten Betruges und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Datum der letzten Tathandlung: 04.05.1990; Strafe: Freiheitsstrafe neun Monate auf Bewährung ausgesetzt, Probezeit zwei Jahre; Bewährungszeit verlängert bis 20.08.1993; Strafe erlassen am 28.09.1993;
7. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 07.11.1991 (rechtskräftig am 07.11.1991); Betrugsdelikte – Versuchter Betrug in fünf sachlich zusammenhängenden Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in drei sachlich zusammentreffenden Fällen, davon ein Fall fortgesetzt handelnd; Datum der letzten Tathandlung: 22.11.1990; Strafe: Freiheitsstrafe ein Jahr und drei Monate auf Bewährung ausgesetzt, Probezeit vier Jahre sowie Bestellung eines Bewährungshelfers; Strafe erlassen am 03.01.1996;
8. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 20.11.2000 (rechtskräftig am 28.11.2000); Betrugsdelikte – Betrug in zwei Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 26.07.1999; Strafe: Freiheitsstrafe fünf Monate auf Bewährung ausgesetzt, Probezeit vier Jahre sowie Bestellung eines Bewährungshelfers; Strafaussetzung widerrufen; Strafe vollzogen am 08.08.2005;
9. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 03.04.2003 (rechtskräftig am 11.04.2003); Betrugsdelikte – Betrug durch Unterlassen in Tatmehrheit mit Untreue in zwei tatmehrheitlichen Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 31.03.2002; Strafe: Freiheitsstrafe ein Jahr; Strafe vollzogen am 18.06.2005;
10. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 23.03.2005 (rechtskräftig am 03.05.2005); vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis; Datum der letzten Tathandlung: 14.09.2004; Strafe: Gelstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je EUR 10,00;
11. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 26.10.2005 (rechtskräftig am 03.11.2005); Betrugsdelikte; Datum der letzten Tathandlung: 24.05.2003; Strafe: Freiheitsstrafe drei Monate auf Bewährung ausgesetzt, Probezeit zwei Jahre bis 02.11.2007 sowie Bestellung eines Bewährungshelfers; Strafaussetzung widerrufen; Strafe vollzogen am 15.03.2011;
12. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 26.10.2006 (rechtskräftig am 03.11.2006); Betrugsdelikte – Betrug in neun Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 23.07.2003; Strafe: Freiheitsstrafe elf Monate auf Bewährung ausgesetzt, Probezeit zwei Jahre bis 02.11.2009 sowie Bestellung eines Bewährungshelfers; Strafe erlassen am 29.07.2015;
13. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 08.10.2008 (rechtskräftig am 16.10.2008); Betrugsdelikte – Betrug in zwei Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 15.08.2006; Strafe: Freiheitsstrafe ein Jahr und acht Monate;
14. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 08.10.2009 (rechtskräftig am 16.10.2009); Betrugsdelikte – Betrug in vier tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem Betrug in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichem Betrug; Datum der letzten Tathandlung: 09.07.2008; Strafe: Freiheitsstrafe ein Jahr und acht Monate; Strafe vollzogen am 24.04.2012;
15. Landgericht XXXX , XXXX , vom 18.05.2011 (rechtskräftig am 11.07.2011); Betrugsdelikte – versuchter Betrug und Betrug in fünf Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 03.09.2008; Strafe: Freiheitsstrafe zwei Jahre und drei Monate sowie Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bis 03.03.2016 samt Führungsaufsicht nach Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung bis 06.04.2018; Strafe und Führungsaufsicht vollzogen am 05.04.2018;
16. Amtsgericht XXXX , XXXX , vom 11.08.2015 (rechtskräftig am 19.08.2015); Betrugsdelikte – Betrug in acht tatmehrheitlichen Fällen; Datum der letzten Tathandlung: 22.02.2015; Strafe: Freiheitsstrafe zwei Jahre und fünf Monate; Strafe vollzogen am 05.04.2018; Führungsaufsicht bis 04.04.2023
Demnach verbüßte der Beschwerdeführer in Deutschland bereits mehrmals mehrmonatige bis mehrjährige Haftstrafen, zuletzt von 2015 bis 05.04.2018, wobei er bis 03.03.2016 auch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war (vgl. ECRIS-Daten vom 07.08.2020, AS 77 ff, iVm Urteil des Oberlandesgerichtes, AS 147).
1.3. Der Beschwerdeführer ist in Deutschland geboren, aufgewachsen und hat dort das Abitur gemacht. Er war dort als selbstständiger Steinmetz und Bildhauermeister sowie im Bereich von Altbausanierungen, Skulpturen und Grabsteinen erwerbstätig und verdiente monatlich zwischen EUR 900,00 und EUR 3.000,00. Er war bereits drei Mal verheiratet. Seine erste Frau verunglückte tödlich. Aus dieser Ehe hat der Beschwerdeführer zwei volljährige Töchter (jeweils deutsche Staatsangehörige). Von seiner zweiten Ehefrau wurde der Beschwerdeführer geschieden. Aus dieser Ehe stammen zwei volljährige Söhne und eine noch minderjährige Tochter (jeweils deutsche Staatsangehörige). Die drei Töchter leben in Deutschland, der minderjährigen Tochter gegenüber bestehen keine Sorgepflichten. Die zwei Söhne leben in Österreich, wobei ein Sohn bereits verheiratet ist und zwei Kinder hat. Ein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen Söhnen konnte nicht festgestellt werden. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in Österreich keine nahen Verwandten oder Angehörigen. In Deutschland leben noch die Mutter, eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers. Mit diesen sowie den drei Töchtern hat er regelmäßig Kontakt (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 15.02.2021, AS 165 ff; Urteil des Oberlandesgerichtes, AS 145 ff).
Zuletzt reiste der Beschwerdeführer im Dezember 2018 nach Österreich ein. Zuvor lebte er in Deutschland (wo er mehrere Haftstrafen verbüßte). Am 14.06.2019 heiratete er in Österreich seine dritte Ehefrau, XXXX , geboren am XXXX , kroatische Staatsangehörige, welche ursprünglich gemeinsam mit dem Beschwerdeführer als Mittäterin in Österreich strafgerichtlich verurteilt wurde, jedoch am XXXX .2020 verstorben ist (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 24.06.2021 sowie Auszug aus dem Personenstandsregister vom 24.06.2021 hinsichtlich der verstorbenen Ehefrau; Niederschrift Bundesamt vom 15.02.2021, AS 165 ff).
Der Beschwerdeführer leidet an Multipler Sklerose, Steatosis hepatis (Fettleber) und Bronchitis. Er wurde deswegen in der Haft medikamentös behandelt (vgl. angefochtener Bescheid, AS 191). Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die in Deutschland nicht behandelbar wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Aktenkundig ist weiters eine Kopie des deutschen Reisepasses des Beschwerdeführers.
Das Bundesverwaltungsgericht holte einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister, dem Schengener Informationssystem, den Sozialversicherungsdaten sowie des Strafregisters des Beschwerdeführers ein.
Das genannte strafgerichtliche Urteil sowie der ECRIS-Auszug sind aktenkundig. Die vom Oberlandesgericht bzw. Landesgericht getroffenen Feststellungen werden dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt.
Weder in der Einvernahme vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde machte der Beschwerdeführer konkrete Angaben zu seinen Erkrankungen, es wurde lediglich auf das Vorliegen schwerer Erkrankungen verwiesen. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nach liegen beim Beschwerdeführer die festgestellten Erkrankungen vor. Dem wurde nicht entgegengetreten. Und es wurde auch zu keiner Zeit vorgebracht, dass diese Erkrankungen in Deutschland nicht behandelt würden oder behandelt werden könnten und ergibt sich das auch nicht aus dem Amtswissen des Bundesgerichtes oder auch sonstigen Hinweisen.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, er habe zu seinen beiden in Österreich lebenden Söhnen und Enkelkindern schon vor seiner Inhaftierung im Bundesgebiet überwiegend nur telefonischen Kontakt gehabt bzw. über WhatsApp. Bis auf sporadische Besuche an Wochenenden wurde kein maßgeblicher persönlicher Kontakt vorgebracht, zumal sich der Beschwerdeführer bereits seit Juli 2020 in Haft befindet. Dass der Beschwerdeführer in der Haft in Österreich regelmäßig von den Söhnen besucht wurde, wurde nicht vorgebracht. Ebenso wenig kamen sonst Hinweise auf ein besonderes Nahe- und/oder Abhängigkeitsverhältnis hervor.
Eine maßgebliche Integration in sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht wurde nicht vorgebracht und hat ließ sich eine solche auch nicht aus dem Akteninhalt ableiten.
Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit bestritten wurden, sowie den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und in der Beschwerde, welche der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A.):
§ 67 FPG lautet:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Da vom Beschwerdeführer, der aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von §§ 66 und 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.
Bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367 mwN).
Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.
Bei der vom Beschwerdeführer zu erstellenden Gefährdungsprognose steht seine strafgerichtliche Verurteilung und das dieser zugrundeliegende Verhalten im Mittelpunkt.
So wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßig schweren Betruges verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er mit seiner damals noch lebenden Ehefrau als Mittäterin drei Verfügungsberechtigten von Autohäusern unter der Vorgabe, zahlungswillig und zahlungsfähig zu sein, zur Herausgabe von drei hochpreisigen Fahrzeugen (dabei einmal vollendet, zwei Mal versucht) täuschte, dies mit dem Vorsatz, diese dadurch am Vermögen zu schädigen und sich eine fortlaufende, nicht geringfügige Einnahme zu verschaffen. Der Gesamtbetrag des (versuchten) Schadens betrug dabei EUR 187.520,00. Dazu verwendete er auch gefälschte Zahlscheine, um Vorzugeben, den Kaufpreis für das Fahrzeug überwiesen zu haben.
Im Rahmen der Strafbemessung wurden insgesamt als mildernd, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, berücksichtigt, als erschwerend hingegen das Vorliegen von neun (zählbaren) einschlägigen Vorstrafen, die die Wertgrenze von EUR 5.000,00 mehrfach übersteigende Schadenshöhe, das Vorliegen der Rückfallvoraussetzungen nach § 39 Abs. 1 StGB vor BGBl I 2019/105 und die Begehung mit einem Mittäter. Dabei zeigte sich der Beschwerdeführer insbesondere dem erstinstanzlichen Landesgericht gegenüber als nicht geständig und leugnend.
Dass der Beschwerdeführer sein Verhalten nachhaltig und tatsächlich bereut, ist im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen, zumal er vor dem Bundesamt auf entsprechenden Vorhalt nur angab, er wisse nicht, was er dazu sagen solle.
Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten zeigt, dass von diesem eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insbesondere an der Verhinderung von Vermögensdelikten, zumal auch das Strafgericht fast ausschließlich Erschwerungsgründe und nur einen Milderungsgrund berücksichtigen konnte.
Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des
§ 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und Tatsächlichkeit vorliegen muss.
Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 04.06.2009, 2006/18/0102; 24.02.2011, 2009/21/0387).
Angesichts des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Strafhaft befindet, wenngleich diese nunmehr im Heimatstaat Deutschland vollzogen wird, ist von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der Gefährdung nicht auszugehen, weshalb auch die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen an einer Verhinderung schweren Eigentums- bzw. Vermögensdelikten gegeben ist.
Diesbezüglich hat im gegenständlichen Fall auch besondere Berücksichtigung zu finden, dass zur Person des Beschwerdeführers dem eingesehenen ECRIS-Auszug zufolge in Deutschland bereits beginnend ab September 1988 sechzehn strafgerichtliche Verurteilungen (zuletzt vom August 2015 mit Haft bis 05.04.2018 und Führungsaufsicht bis 04.04.2023) verzeichnet sind, wobei dem Urteil des Oberlandesgerichtes zufolge neun zählbar (wegen des Verhältnisses zu Zusatzstrafen) und einschlägig zu der in Österreich bestehenden Verurteilung sind. Der Beschwerdeführer wurde auch in Deutschland bereits mehrmals zu mehrjährigen unbedingten Haftstrafen wegen diversen Betrugsdelikten, dabei oft in mehreren Angriffen, teilweise auch nur versucht, verurteilt. Er wurde unter anderem auch einmal in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Hinweise auf eine mangelnde Dispositionsfähigkeit kamen im Verfahren nicht hervor und wurde das auch vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Dass sich der Beschwerdeführer – wie in der Beschwerde vorgebracht – in Österreich bis zu seiner Verurteilung immer wohlverhalten hätte, schein eher dem Umstand geschuldet, dass er sich bis zum Jahr 2018 immer nur sehr kurze Zeit in Österreich aufgehalten hat und zwischenzeitig in Deutschland Haftstrafen verbüßte. Von der Verfolgung einer weiteren Straftat (Betrug gemäß § 146 StGB) wurde in Österreich zudem von der zuständigen Bezirksanwaltschaft vorläufig abgesehen. Die der in Österreich vorliegenden Verurteilung zugrundeliegenden Taten hat der Beschwerdeführer auch bei der nach deutschem Recht gewährten „offenen Führungsaufsicht“ begangen.
Zwar wurden die Urteile der deutschen Gerichte nicht beigeschafft, jedoch ergibt sich schon durch die Einsicht in das genannte Strafregister (ECRIS) in Zusammenschau mit dem eingesehenen Urteil des österreichischen Strafgerichtes ein rundes Bild über das Verhalten des Beschwerdeführers. Das beschriebene, über viele Jahre fortgesetzte Fehlverhalten des Beschwerdeführers lässt in einer Gesamtbetrachtung darauf schließen, dass er mit erheblicher krimineller Energie ausgestattet ist und selbst nach mehrmaligem Verspüren des Haftübels nicht davon abgehalten werden konnte, neuerlich Straftaten zu begehen, die auf den selben schädlichen Neigungen – nämlich der mangelnde Respekt vor fremdem Eigentum – beruhen, weshalb im Ergebnis zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls keine positive Zukunftsprognose getroffen werden konnte. Angesichts des Gesamtbildes über sein Fehlverhalten kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie annahm, vom Beschwerdeführer gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG aus, die ein massives Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen, auch wenn der Beschwerdeführer familiäre Bindungen im Bundesgebiet hat. Diese sind jedoch nicht derart ausgestaltet, dass von einem unzulässigen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK auszugehen wäre. Zu den beiden in Österreich lebenden, erwachsenen Söhnen und den beiden Enkelkindern des Beschwerdeführers bestand schon vor seiner Inhaftierung in Österreich nur sporadischer persönlicher Kontakt durch Besuche am Wochenende. Sonst beschränkten sich die Kontakte auch bisher schon auf Telefonate und Textnachrichten. Dass die Söhne des Beschwerdeführers diesen in der Haft in Österreich regelmäßig besucht hätten, ist ebenso nicht hervorgekommen wie eine anzunehmende, maßgebliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers oder der Söhne untereinander. Der Kontakt zu den Söhnen kann daher auch bisher durch Telefonate oder sporadische Besuche der Söhne in Deutschland aufrechterhalten werden. Dass der Anreise nach Deutschland Hindernisse entgegenstünden wurde lediglich in den Raum gestellt, ohne konkrete Gründe dafür zu nennen, weshalb davon auszugehen ist, dass keine Hindernisse gravierender Natur vorliegen. Die drei Töchter, die Mutter, eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers leben zudem nach wie vor in Deutschland und bestand zu ihnen regelmäßig Kontakt. Auch gab der Beschwerdeführer an, dass er freiwillig nach Deutschland zurückkehren und dann bei seinen Familienangehörigen leben würde. Der Beschwerdeführer hat zudem in Österreich nur einen einzigen Tag im Jahr 2012 sozialversichert gearbeitet, er verfügte nie über eine Anmeldebescheinigung und ist seine dritte Ehefrau, eine in Österreich lebende kroatische Staatsangehörige zwischenzeitlich verstorben. Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt daher nach wie vor in Deutschland.
Die aus seinem Aufenthalt ableitbare Integration des Fremden ist in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende Fehlverhalten wesentlich reduziert ist (vgl. etwa VwGH vom 28.09.2004, 2001/18/0221).
Ein maßgebliches schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich liegt daher gegenständlich nicht vor.
Angesichts des besagten wiederholten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.
Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die (allenfalls vorliegenden) gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist auch die Bemessung der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden und einer Reduktion nicht zugänglich:
Wenngleich das Strafgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe im Ausmaß dreieinhalb Jahren durch das Berufungsgericht (bei einer ursprünglichen Freiheitsstrafe von vier Jahren), das Auslangen gefunden hat, so findet sich das Strafmaß bei der in Österreich ersten Verurteilung doch am oberen Ende des Strafrahmens und wurde auch nicht (teil)bedingt verhängt. Wenngleich von § 67 Abs. 2 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind (strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren), so ist in Anbetracht des massiv und einschlägig belasteten Vorlebens des Beschwerdeführers in Deutschland und der sich daraus ergebenden negativen Zukunftsprognose, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von achteinhalb Jahren angemessen und erforderlich, um einen allfälligen Sinneswandel des seit über 30 Jahren einschlägig delinquierenden Beschwerdeführers herbeiführen zu können, zumal beim Beschwerdeführer keine besonders berücksichtigen privaten oder familiären Bindungen im Bundesgebiet vorliegen würden, die eine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Aufenthaltsverbotes und zur Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung UnionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G315.2242722.1.00Im RIS seit
22.11.2021Zuletzt aktualisiert am
22.11.2021