Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L502 2178146-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2021, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte in Österreich am 29.12.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.10.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 AsylG abgewiesen wurde. Unter einem wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 05.08.2020, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom 07.10.2020 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 05.02.2020 wurde die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
3. Am 19.03.2021 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der darauffolgenden Einvernahme vor dem BFA am 15.04.2021 stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.
4. Sein Folgeantrag vom 19.03.2021 wurde mit Bescheid des BFA vom 05.05.2021 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Ihm wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gemäß § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG ein einjähriges Einreiseverbot gegen ihn verhängt.
5. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.06.2021 mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt VII zu lauten hat: „Gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 FPG, wird gegen Sie ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.“
6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 15.06.2021 wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 15.04.2021 gemäß § 58 Abs. 9 Z. 2 AsylG zurückgewiesen.
7. Mit Information des BFA vom 17.06.2021 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
8. Gegen den ihm durch Hinterlegung am 23.06.2021 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 06.07.2021 binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Unter einem wurden mehrere Beweismittel in Vorlage gebracht.
9. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 12.07.2021 beim BVwG ein und wurde das Beschwerdeverfahren der nun zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.
10. Mit Eingabe vom 05.08.2021 brachte seine Vertretung mehrere Beweismittel in Vorlage.
11. Am 18.08.2021 folgten weitere Unterlagen sowie ein ergänzendes Beschwerdevorbringen.
12. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde im gg. Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes und durch die Einsichtnahme in die Entscheidungen des BVwG im ersten und zweiten Verfahrensgang.
2.2. Der gg. Verfahrensgang stellt sich im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes in Zusammenschau mit den Entscheidungen des BVwG im ersten und zweiten Verfahrensgang als unstrittig dar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1.1. § 55 AsylG idgF lautet:
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
§ 58 AsylG idgF lautet:
(1) – (8) ...
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) – (12) …
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) …
1.2. In Abschnitt E) des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer wegen des beim BVwG anhängigen Beschwerdeverfahrens über ein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet verfüge, dessen Ausgang abzuwarten sei, weshalb sein Antrag nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 9 Z. 2 AsylG zurückzuweisen sei.
Dem wurde in der Beschwerde im Wesentlichen entgegengehalten, dass der Folgeantrag des BF vom 19.03.2021 vom BFA wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei und der Beschwerde dagegen keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei bzw. diese in weiterer Folge mit Erkenntnis des BVwG vom 24.06.2021 abgewiesen worden sei, weshalb ihm zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde über den Antrag nach § 55 AsylG kein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zugekommen sei und sein Antrag daher zulässig gewesen sei.
1.3. In einem vergleichbaren Verfahren hat der VwGH festgehalten, dass einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Asylfolgeantrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, gemäß § 16 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG 2014 (von Gesetzes wegen) keine aufschiebende Wirkung zukommt, was gemäß § 16 Abs. 4 erster Satz BFA-VG 2014 zur Folge hat, dass die Entscheidung durchsetzbar ist. Demnach endet das dem Fremden zugekommene Aufenthaltsrecht nach § 13 Abs. 1 AsylG 2005 mit der Erlassung des den Folgeantrag zurückweisenden Bescheides des BFA, sofern die aufschiebende Wirkung in der Folge vom VwG gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG 2014 nicht zuerkannt wird (VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0174).
1.4. Der Folgeantrag des BF vom 19.03.2021 wurde unstrittiger Weise mit Bescheid des BFA vom 05.05.2021 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde kam von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu und wurde diese auch nicht vom BVwG zuerkannt, weshalb sein Aufenthaltsrecht nach § 13 Abs. 1 AsylG mit 05.05.2021 endete. Entgegen der Einschätzung der belangten Behörde kam dem BF daher zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über den gegenständlichen Antrag nach § 55 AsylG vom 15.06.2021 keine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG mehr zu, weshalb auch der Tatbestand des § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG nicht erfüllt war.
2. In Erledigung der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher aufzuheben.
3. Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
In Anwendung dieser Bestimmung konnte die beantragte Verhandlung entfallen.
4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall entschiedene Sache FolgeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L502.2178146.3.00Im RIS seit
24.11.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021