TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 W213 2225713-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch



W213 2225713-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Mario ZÜGER, 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 24.10.2019, Zl. 1084102305-190832652, betreffend Anerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

2. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 03.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX , als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger stellte am 25.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.06.2016 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

I.3. Am 03.06.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein.

I.4. Der Beschwerdeführer wurde am 14.08.2019 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens niederschriftlich einvernommen wobei ihm die damaligen Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht wurden. Ferner wurde ihm eröffnet, sich seine subjektive Lage im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe. Es sei keine reale Gefahr für sein Leben oder die Gesundheit feststellbar. Es bestehe für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Weder lasse sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und im Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung seiner Person ableiten. Es sei festzuhalten, dass ihm eine Rückkehr nach Afghanistan zuzumuten sei, da er insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif, Sicherheit erlangen könne und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfände. Zudem sei festzuhalten, dass es ihm zuzumuten sei, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr als er auch auf die Unterstützung seiner in Pakistan lebenden Familie zurückgreifen könne.

In Anbetracht der Kürze seines Aufenthaltes sowie auch fehlender (enger) familiärer oder privater Bindungen in Österreich sei nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde.

Der Beschwerdeführer hielt dem entgegen, dass er sich im Falle einer Rückkehr in sein 100 Land vor den Taliban und dem Tod fürchte. Dies gelte auch für Herat und Mazar –e- Sharif. Kabul käme nicht infrage, weil sein Vater dort als Polizist gearbeitet habe.

I.5. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hatte:

„I. Der Ihnen mit Bescheid vom 29.06.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBI I Nr. 10012005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.

II. Ihr Antrag vom 03.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

VI. gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und als Verfahrensidentität den Namen XXXX , führe. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Ghazni und habe auch einige Zeit in Kabul gelebt. Er sei gesund und arbeitsfähig, spreche Dari, Paschtu, Englisch und ein wenig deutsch. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Daher verfüge über Arbeitserfahrung in Österreich und habe Schulbildung in Afghanistan aufzuweisen. In Österreich stelle sich der Beschwerdeführer als eine Person mit rascher Auffassungsgabe dar, sei anpassungsfähig sowie anpassungswillig. Er überzeuge mit seiner Flexibilität, sowie Aufgeschlossenheit.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen aktuell nicht vor. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan habe er nicht glaubhaft machen können. Die oben genannten (positiven) persönlichen Eigenschaften seien zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vorgelegen, seinen der Behörde allerdings nicht bekannt gewesen.

Es liegt im Fall des Beschwerdeführers eine Gefährdungslage in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz — nicht aber Afghanistan allgemein - vor. Er könne IFA (innerstaatliche Fluchtalternative) mit den Städten Mazar-e-Sharif und Herat in Anspruch nehmen und würde eben dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.

Der Beschwerdeführer habe keine zum dauernden Aufenthalt berechtigten Verwandten in Österreich. Er arbeite bei der XXXX und spreche ein wenig Deutsch.

Hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat wurden die für den gegenständlichen Fall relevanten und zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides aktuellen Auszüge aus der BFA­ Staatendokumentation Afghanistan angeführt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Z.1 AsylG aus, dass einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen sei, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht oder nicht mehr vorliegen. Im Fall des Beschwerdeführers habe dieser auch auf Nachfragen nichts vorbringen können, das eine aktuell vorliegende Gefährdung seiner Person im gesamten Herkunftsstaat annehmen ließe.

Zwar sei für die Herkunftsprovinz Ghazni eine reale Gefahr im Sinne einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts zu erkennen. Allerdings stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 entsprechend, bedürfe es keiner externen Unterstützung, um für alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen, eine IFA in den Städten Mazar-e Sharif und Herat in Anspruch nehmen zu können. Auch entspreche es der Rechtsprechung des VwGH, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei.

Der Beschwerdeführer stehe daher eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif und Herat offen, zumal in seinem Fall auch keinerlei besondere Gefährdungsfaktoren hervorgekommen seien.

Der Beschwerdeführer erfülle daher derzeit nicht die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG, weshalb auch gemäß § 9 Abs. 1 Z 1, erster Fall des AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen sei.

Da dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 AsylG aberkannt wurde, war auch sein Verlängerungsantrag nach § 8 Abs. 4 AsylG mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung abzuweisen.

Gemäß § 57 AsylG sei im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 46a Abs. 1 Z 1 od. Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen weiterhin vorlägen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder sei wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Eine Erteilung sei ferner vorgesehen zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Die Aufenthaltsberechtigung werde auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei. Da keine der drei genannten Voraussetzungen vorliege, sei ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen gewesen.

Unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 AsylG, § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG, § 9 Abs. 1 und drei BFA -VG sowie Art. 8 Abs. 2 EMRK) wurde ausgeführt, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schütze. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Verwandtschaft, die zum dauernden Aufenthalt berechtigt sei. Es bedürfe einer Bezugsperson (eines Familienmitgliedes) mit einem dauernden Aufenthaltsrecht, um eine Bindung im Sinne des Art. 8 EMRK anzeigen zu können. Mit der Rückkehrentscheidung werde daher nicht in sein Familienleben ungerechtfertigt eingegriffen

Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichere dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen könne. Der Beschwerdeführer verfüge über wenige Deutschkenntnisse, und arbeite (zum Entscheidungszeitpunkt) bei der XXXX als Kommissionierer. Weiters verfüge der über keinerlei enge Kontakte in Österreich und dies lasse somit keine besondere Bindung oder ein Abhängigkeitsverhältnis erkennen, die einen Verbleib in Österreich unabdingbar erfordern würden. Es sei daher nichts feststellbar gewesen, was einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan entgegenstehen könne.

Im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK sei zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt sei und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolge. Eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen habe ergeben, dass im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgekommen seien, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden, zumal der weder ausreichend Deutsch spreche, noch über nennenswerte private Kontakte verfüge, die ihn an Österreich binden könnten.

Die Abwägung seiner persönlichen Interessen mit jenen der Öffentlichkeit falle gegen ihn und zugunsten der Öffentlichkeit aus, zumal keine nennenswerten Bindungen an Österreich zum Vorschein gekommen seien.

Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei (§ 58 Abs. 2 AsylG).

Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, sei gem. § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Gem. § 52 Abs. 9 FPG sei mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig sei. Dies gelte nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat sei gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Wie bereits dargelegt, ergebe sich für den Beschwerdeführer keine derartige Gefährdung. Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft nicht zu. Ebenso wenig bestehe bezüglich des Beschwerdeführers eine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Bezug auf Afghanistan. Es sei daher auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist.

Gem. § 55 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festzusetzen.

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung festgestellt wird, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden. Derartige Gründe seien im vorliegenden Fall nicht festgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei daher ab Rechtskraft der gegenständlichen Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet.

Unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen, z.B. wenn der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise nicht zeitgerecht nachkomme, könne er zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung).

Die gegenständliche Rückkehrentscheidung werde nach ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist oder — im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde — mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig.

I.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und brachte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs vor, dass die bloße Behauptung, die Rechtsprechung zur Rückkehrsituation entwurzelter Afghanen hätte sich geändert, für eine Aberkennung nicht ausreichend sein könne. Einerseits da hier andere Kriterien anzuwenden seien, als bei der Frage einer Zuerkennung subsidiären Schutzes, und andererseits die Behörde nicht von der Verpflichtung entbunden sei, die aktuelle Lage in Afghanistan zu untersuchen, und eventuell mit der Lage zum Zeitpunkt der letztmaligen Verlängerung zu vergleichen.

Im Fall des Beschwerdeführers sei dies besonders gravierend, da er bereits seit bald fünf Jahren legal in Österreich lebe, hier intensive soziale Bindungen aufgebaut, sich stets wohlverhalten habe, dass er selbsterhaltungsfähig sei, und zu Afghanistan jeglichen Bezug verloren habe.

Die belangte Behörde mache dem Beschwerdeführer sogar seine Integration in Österreich zum Vorwurf, wenn sie meine, die von ihm erworbene Fähigkeiten könnten ihm eine Wiederansiedlung in Afghanistan erleichtern, was überhaupt nicht nachvollziehbar sei.

In Afghanistan sei im letzten Jahr in keiner Weise eine Verbesserung der allgemeinen Situation, der Sicherheitslage oder der wirtschaftlichen Situation eingetreten und auch die behördlichen Berichte zeigten nichts dergleichen. Auch habe sich hinsichtlich des sozialen/familiären Netzes des Beschwerdeführers bzw. des Fehlens eine solchen nichts geändert.

Die Aberkennung des subsidiären Schutzes sei in keiner Weise nachvollziehbar, zumal es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handle, die keine zumutbare Existenz in Afghanistan zu führen in der Lage wäre, wie auch schon vom Bundesamt festgestellt worden sei und was durch sein Verhalten in der Folge in Österreich bestätigt sei.

Der Kenntnisstand der Behörde habe sich in keiner Weise verändert. Lediglich die Interpretation der vorliegenden behördlichen Erkenntnisse habe sich im Vergleich zum letzten Verlängerung Bescheid geändert.

Die Situationen Afghanistan habe sich weiter verschlechtert, da der Einfluss der Taliban-Terroristen und die die Anzahl der Terroranschläge weiter gestiegen sei. Ebenso sei die allgemeine Situation unverändert. Die wirtschaftliche Situation sei weiterhin katastrophal. Die afghanische Zentralregierung sei nicht einmal ansatzweise in der Lage eventuelle Rückkehrer zu versorgen, zu unterstützen oder sonst wie eine zumutbare Existenz für eine entwurzelte Person wie den Beschwerdeführer sicherzustellen. Die Annahme Afghanen hätten immer ein familiäres Auffangnetz zur Verfügung sei einerseits spekulativ, andererseits für den Beschwerdeführer nicht anwendbar, da er durch die Änderungen seines Lebenswandels fundamental von der afghanischen Gesellschaft entfremdet sei. Ein Verweis auf angeblich bestehende Clannetzwerke gehe im vorliegenden Fall ins Leere, da der Beschwerdeführer nicht willig und auch nicht in der Lage sei, sich an die traditionelle Stammesgesellschaft anzupassen und sich deren Regeln zu unterwerfen,

Auch die aktualisierten UNHCR Richtlinien zeigten deutlich auf, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative auch oder gerade in den größeren Städten generell nicht bestehe, insbesondere für Personen wie den Beschwerdeführer, die keinen Bezug dorthin und keinen Rückhalt hätten.

Das UNHCR zeige richtigerweise auf, dass eine Rückkehr gegenwärtig nur mehr im Ausnahmefall zulässig sei, sowohl aufgrund der Sicherheitslage, aber auch der katastrophalen Wirtschafts-, Wohnungs- und Versorgungslage, auch aufgrund der hohen Zahl an IDPs, auch in den größeren Städten. Den Erkenntnissen des UNHCR sei diesbezüglich ein hohes Gewicht zuzumessen.

Eine Abweichung von den Schlussfolgerungen des UNHCR erscheine daher sachlich nicht zulässig, insbesondere da eine innerstaatliche Fluchtalternative im hier vorliegenden Einzelfall, wo noch gravierend erhöhte Vulnerabilitäten vorlägen, und keine Anknüpfungspunkte bestünden, auf keinen Fall vorliege. In einem Land, wo die Wahlbeteiligung bei Präsidentenwahlen aus Furcht vor Terroristen unter 20% liege, könne von einer Normalisierung überhaupt keine Rede sein.

Für den Fall einer Abschiebung des Beschwerdeführers bestehe die reale Gefahr, menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der ausgesprochen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan, da er kein familiäres Auffangnetz und keine Existenzmöglichkeit in Afghanistan mehr habe und aus dem Land seiner Staatsbürgerschaft vollständig entwurzelt sei. Beim Beschwerdeführer bestehe im Falle einer Rückkehr intensiv und realistisch die Gefahr, dass er in eine ausweglose Lage geraten und damit eine Verletzung der durch Art 2 bzw 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde.

§ 9 Abs 1 Zl AsylG stehe in Widerspruch zur Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie), da der zweite Absatz des Art 16 nicht beachtet werde.

Nach Art 16 Abs 1 der Statusrichtlinie erlösche der Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein subsidiärer Schutz nicht mehr erforderlich sei. Darüber hinaus müssten sich laut dem zweiten Absatz des Art 16 diese Umstände dauerhaft und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass die Person, der subsidiärer Schutz gewährt worden sei, tatsächlich nicht länger Gefahr laufen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Es sei daher zu hinterfragen, ob §9 Abs 1 AsylG unter Berücksichtigung der Statusrichtlinie in der Weise zu lesen sei, dass der Wegfall der Voraussetzungen die zur Zuerkennung geführt haben, „dauerhaft" zu sein habe, im Sine des Art 16 Abs 2 der Statusrichtlinie und §9 Abs 1 Z 1 AsylG wegen Unvollständigkeit unionrechtswidrig sei.

In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan gravierenden Risiken ausgesetzt wäre, sei vor diesem Hintergrund aber umso mehr unverständlich worin die Voraussetzungen der Aberkennung gegeben sein sollten. Von einer Dauerhaftigkeit der Verbesserung der Verhältnisse für Personen wie dem Beschwerdeführer könne keine Rede sein, insbesondere da nicht einmal irgendeine auch nur oberflächliche Verbesserung vorhanden sei.

Es sei nicht nachvollziehbar, die Sicherheitslage unter Verweis auf obsolete Dokumente zu beschönigen, um nicht auf die offenkundige Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Abschiebung eingehen zu müssen.
Für den Fall einer Abschiebung des Beschwerdeführers bestehe die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der ausgesprochen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und weil er keine Familienangehörige habe, die ihn effektiv bei einer Rückkehr unterstützen könnten.

Dies sei beim Beschwerdeführer der Fall, da er keinerlei familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan mehr habe, und die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil sei und es aktuell auch in den Jahren 2018 und 2019 zu einer steten Zunahme von sicherheitsrelevanten Vorfällen gekommen sei. Auch habe sich die Zahl der Inlandsvertriebenen in Afghanistan und die Zahl der zwangsweise aus Pakistan zurückgeführten afghanischen Flüchtlinge massiv erhöht, was zu einer noch größeren Anspannung der wirtschaftlichen und humanitären Situation geführt habe. Und darüber hinaus sei auch die Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung Afghanistans als sehr negativ anzusehen, da die internationale Staatengemeinschaft offenbar dabei sei, vor den Taliban zu kapitulieren.

Eine sachliche Rechtfertigung für die Aberkennung des subsidiären Schutzes sei daher nicht erkennbar.

Ferner sei festzustellen, dass auch angesichts der Integration des Beschwerdeführers eine Abschiebung nicht zulässig wäre. Der Beschwerdeführer spreche bereits sehr gut Deutsch, er sei selbsterhaltungsfähig, und er habe intensive Anstrengungen um eine Anpassung an die Gesellschaft in Österreich unternommen, er würde bei einem weiteren Aufenthalt in Österreich keine Belastung für die Gebietskörperschaft darstellen. Er sei schon intensiv integrationsverfestigt.

Beim Beschwerdeführer sei insbesondere auch zu beachten, dass sein Aufenthalt in Österreich zur Gänze legal gewesen sei, und zum überwiegenden Teil auf einer subsidiären Schutzberechtigung basiere, weshalb er wegen der von ihm entwickelten Integration in erhöhtem Maße schützenswürdig sei

Auch die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei daher keiner adäquaten Beurteilung, insbesondere keiner aktuellen Beurteilung, unterzogen worden und die Ausweisung stelle daher einen Widerspruch zu Art 8 und ebenso Art 2 bzw. 3 EMRK dar.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erfüllen nicht die Mindestkriterien für eine überzeugende Argumentation und sei nicht in sich konsistent.

Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen. Dadurch, dass sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation der Beschwerdeführer auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich gewesen.

Es werde daher beantragt,

a) den angefochtenen Bescheid aufzuheben;

b) festzustellen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtig weiterhin zukomme;

c) die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zu bewilligen;

d) allenfalls das Verfahren zur neuerlichen Beurteilung zurückzuverweisen;

e) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen;

f) allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;

g) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;

h) allenfalls die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen;

i) allenfalls eine Karte für Geduldete auszustellen.

Ferner wurde der in der Beschwerde angesprochene Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers mit XXXX in Kopie vorgelegt.

I.7. Mit hg. Schreiben vom 08.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt, wobei im aktuelle Informationen über die Lage in Afghanistan übermittelt wurden. Der Beschwerdeführer brachte in weiterer Folge durch seinen anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 22.07.2021 unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde mit der Aberkennung eine Neubewertung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erreichen und die Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides — mit dem implizit, aber dennoch bindend, festgestellt worden sei, dass dem Beschwerdeführer keine IFA offenstehe — durchbrechen wolle. Keiner der beiden Tatbestände des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG bilde eine taugliche Grundlage dafür:

Die Heranziehung des ersten Tatbestandes würde voraussetzen, dass eine IFA bereits im Zuerkennungszeitpunkt vorgelegen hätte, der belangten Behörde damals aber nicht bekannt gewesen wäre — der Aberkennungsbescheid führe aber keine neu hervorgekommenen Tatsachen an, die neu zu berücksichtigen wären; ein Vergleich der im Aberkennungsbescheid enthaltenen Länderinformationen mit jenen im Zuerkennungsbescheid zeige vielmehr, dass keine wesentlichen neuen Erkenntnisse hervorgekommen seien, die in Bezug auf die IFA eine Neubewertung erforderlich machen würden.

Dieser Vergleich mache auch deutlich, dass in Bezug auf die IFA keine wesentlichen Veränderungen seit der Zuerkennung des Schutzstatus eingetreten seien, weshalb auch der zweite Fall von § 9 Abs 1 Z 1 AsylG nicht einschlägig sei; was sich zwischenzeitlich geändert habe, sei die Rechtsprechung in Bezug auf die Zumutbarkeit der Verweisung auf eine IFA. Rechtsänderungen bzw. Änderungen in der rechtlichen Beurteilung oder unterschiedliche Beweiswürdigungen eines — unveränderten — Sachverhalts berechtigten aber zu keiner Aberkennung nach dem zweiten Fall von § 9 Abs 1 Z 1 AsylG.

Was schließlich die von der belangten Behörde für die Aberkennung herangezogenen (positiven) persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers betreffe, sei der Behörde zu entgegnen, dass diese irrelevant seien, weil unter Zugrundelegung der im Zuerkennungszeitpunkt von der Behörde herangezogenen rechtlichen Beurteilung — diese Eigenschaften, wären sie der Behörde im Zuerkennungszeitpunkt bekannt gewesen, nichts am Inhalt der Statusentscheidung geändert hätten. Es handle sich somit nicht um entscheidungswesentliche neu hervorgekommene Tatsachen, und sie berechtigten nach der oben zitierten Judikatur die belangte Behörde nicht zu der von ihr gewünschten Neubeurteilung des Sachverhaltes.

Da somit keiner der Aberkennungstatbestände des § 9 AsylG erfüllt sei, entbehrten die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten — und damit auch die Folgeaussprüche im angefochtenen Bescheid — einer Rechtsgrundlage und würden daher ersatzlos zu beheben sein. Als Folge davon verliere auch die Abweisung des Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ihre Grundlage, und es werde dem Verlängerungsantrag stattzugeben sein.

Der Beschwerdeführer teilte sich seit August 2015 — und damit seit fast sechs Jahren — ununterbrochen im Bundesgebiet auf und sei dabei vollkommen unbescholten geblieben. Als er Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt habe, sei er nach Vorarlberg gezogen, wo sich eine bessere Arbeitsmarklage geboten habe, und sei seit April 2018 bei XXXX als Kommissionierer im Frischedienst (= Kühlhaus) beschäftigt. Sein Arbeitgeber sei mit seinen Leistungen „außerordentlich" zufrieden. Durch die Erwerbstätigkeit bestehe volle Selbsterhaltungsfähigkeit; der Beschwerdeführer könne — was ihm selbst sehr wichtig ist — „auf eigenen Beinen stehen" und sich seine Unterkunft mit einer Nutzfläche von ca 37 Quadratmeter selbst finanzieren.

In Vorarlberg habe er Freunde und Bekannte gefunden und sich beruflich und sozial integriert. Auch hält er nach wie vor Kontakt zu Frau XXXX , die er in XXXX kennen gelernt habe und die für ihn wie eine „Patin" geworden seine. Seine Bekannten beschrieben ihn als sehr fleißig, hilfsbereit, freundlich und zuverlässig; er sei sehr an der heimischen Kultur sowie der österreichischen Küche, den Traditionen und Werten interessiert, könne bereits gut Deutsch und habe sich gut in das Arbeitsteam bei XXXX integriert.

Mündlich habe der Beschwerdeführer ein sehr hohes Deutschniveau erreicht und können flüssig und beinahe fehlerfrei kommunizieren; schriftlich habe er jedoch — aufgrund der fehlenden Schulbildung — noch Mängel, weil er nur einen A1 Kurs absolviert und danach sofort zu arbeiten begonnen habe. Aufgrund der ungünstigen Arbeitszeiten (nur Samstag als freier Tag) sei es ihm bislang noch nicht möglich gewesen, einen passenden Sprachkurs zu besuchen, um auch seine schriftlichen Kenntnisse zu perfektionieren und den A2 und B1 Kurs abzulegen.

Der Beschwerdeführer sei der Ansicht, dass sich seine Verwurzelung im Bundesgebiet bereits derart verdichtet habe, dass fallbezogen unter Würdigung der nach § 9 Abs 2 BFA-VG zu berücksichtigenden Kriterien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in Österreich zur Aufrechterhaltung und Fortsetzung seines in Österreich gutgläubig erworbenen und schutzwürdig aufgebauten Privatlebens iSv Art 8 EMRK mittlerweile höher zu veranschlagen seien als die gegenständlich berührten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens (im Besonderen der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen und der Verhinderung des ungeregelten Zuzugs), sodass sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bereits gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG als auf Dauer unzulässig erweise.

Der Beschwerdeführer bringe aus seiner erlaubten Erwerbstätigkeit einen Nettolohn ins Verdienen, der deutlich über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze des ASVG (Wert für 2021: EUR 475,86) liegt. Damit liege die Voraussetzung für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus" nach der zweiten Alternative von § 55 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 vor.

Die Beschwerdeanträge blieben daher vollinhaltlich aufrecht.

Ferner wurden nachstehend angeführte Integrationsunterlagen vorgelegt:

1.       Rent Agreement Deed

2.       Persönliches Schreiben des Beschwerdeführers vom 13.07.2021

3.       Werte- und Orientierungskurs vom 02.12.2016

4.       Workshop „Demokratie in Österreich" vom 01.06.2016

5.       ÖSD Certifikat A1 vom 17.05.2016

6.       Versicherungsdatenauszug vom 12.07.2021

7.       Einkommensteuerbescheid 2018

8.       Einkommensteuerbescheid 2019

9.       Einkommensteuerbescheid 2020

10.      Konvolut an Lohn/Gehaltsausweisen XXXX von Jänner bis Juni 2021

11.      Zwischenzeugnis XXXX vom 26.04.2021

12.      Zwischenzeugnis XXXX vom 14.07.2021

13.      Mietvertrag vom 25.05.2019

14.      Empfehlungsschreiben XXXX vom April 2021

15.      Empfehlungsschreiben XXXX vom Juni 2021
16. Empfehlungsschreiben XXXX vom 13.05.2021

17. Fotodokumentation, die den Beschwerdeführer mit österreichischen Arbeitskollegen, Freunden und Bekannten zeigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen:

Zur Person des BF:

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 24.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Ghazni und habe auch einige Zeit in Kabul gelebt. Der Beschwerdeführer spricht - neben Dari, Paschto und Englisch - deutsch auf A1 Niveau, wobei er sich mündlich gut verständigen kann.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.06.2016, Zahl: 1084102305-151173216, wurde sein Asylantrag abgewiesen, dem Beschwerdeführer jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Am 03.06.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

Der Beschwerdeführer ist seit 23.04.2018 durchgehend bei der XXXX , als Kommissionierer im dortigen Frischedienst-Lager beschäftigt. Seine Hauptaufgaben bestehen im

?        Kommissionieren der Ware,

?        Bestücken und Schlichten der Combitainer und dem

?        Nachfüllen von Regalplätzen.

Die von ihm erzielten Jahreseinkommen stellen sich wie folgt dar (basierend auf den entsprechenden Einkommenssteuerbescheiden):

2018

€ 17.324,68

2019

€ 21.553,40

2020

€ 22.954,34

Der Beschwerdeführer ist seit 25.05.2018 Hauptmieter einer Wohnung in XXXX Die Wohnung weist eine Nutzfläche von 37 m² auf. Der Mietzins beträgt € 575,00. Der Beschwerdeführer ist unbescholten, ledig und hat keine Sorgepflichten.

Zur Lage in Afghanistan:

Quelle: Sonderkurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen Lage in Afghanistan vom 17.08.2021

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani ist angesichts des Vormarsches der Taliban auf Kabul außer Landes geflohen. Laut al-Jazeera soll das Ziel Taschkent in Usbekistan sein. Inzwischen haben die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernommen. Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte an irgendjemanden zu begehen (tagesschau.de 15.8.2021).

Am 15.08.21 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land sei ruhig verlaufen. Chaotische Szenen hätten sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurde als auch viele Afghanen versuchten, außer Landes zu gelangen. Den Taliban war es zuvor gelungen, innerhalb kürzester Zeit fast alle Provinzen sowie alle strategisch wichtigen Provinzhauptstädte wie z.B. Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Kunduz einzunehmen. In einigen der Städte seien Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit worden (BAMF 16.8.2021; vgl. bbc.com o.D., orf.at 16.8.2021).

Die Taliban zeigten sich am Sonntag gegenüber dem Ausland unerwartet diplomatisch. „Der Krieg im Land ist vorbei“, sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender al-Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen (orf.at 16.8.2021a).

Schätzungen zufolge wurden seit Anfang 2021 über 550.000 Afghanen durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben, darunter 126.000 neue Binnenvertriebene zwischen dem 7. Juli 2021 und dem 9. August 2021. Es gibt zwar noch keine genauen Zahlen über die Zahl der Afghanen, die aufgrund der Feindseligkeiten und Menschenrechtsverletzungen aus dem Land geflohen sind, es deuten aber Quellen darauf hin, dass Zehntausende von Afghanen in den letzten Wochen internationale Grenzen überquert haben (UNHCR 8.2021).

Der Iran richtete angesichts des Eroberungszugs der militant-islamistischen Taliban im Nachbarland Pufferzonen für Geflüchtete aus dem Krisenstaat ein. Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- sowie Südosten des Landes sollen afghanischen Geflüchteten vorerst Schutz und Sicherheit bieten. Indes schloss Pakistan am Sonntag einen wichtigen Grenzübergang zu seinem Nachbarland. Innenminister Sheikh Rashid verkündete die Schließung des Grenzübergangs Torkham im Nordwesten Pakistans am Sonntag, ohne einen Termin für die Wiedereröffnung zu nennen. Tausende Menschen säßen auf beiden Seiten der Grenze fest (orf.at 16.8.2021b).

Mittlerweile baut die Türkei an der Grenze zum Iran weiter an einer Mauer. Damit will die Türkei die erwartete Ankunft von afghanischen Flüchtlingen verhindern (Die Presse 17.8.2021).

Medienberichten zufolge haben die Taliban in Afghanistan Checkpoints im Land errichtet und sie kontrollieren auch die internationalen Grenzübergänge (bisherige Ausnahme: Flughafen Kabul). Seit Besetzung der strategischen Stadt Jalalabad durch die Taliban, wurde eine Fluchtbewegung in den Osten (Richtung Pakistan) deutlich erschwert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen aus dem westlichen Teil des Landes oder aus Kabul nach Pakistan gelangen ist gegenwärtig eher gering einzuschätzen. Es ist naheliegender, dass Fluchtrouten ins Ausland über den Iran verlaufen. Es ist jedoch auch denkbar, dass die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung Afghanistans (statt einer Route über den schiitisch dominierten Iran) stattdessen die nördliche, alternative Route über Tadschikistan oder auch Turkmenistan wählt. Bereits vor zwei Monaten kam es laut EU-Kollegen zu einem Anstieg von Ankünften afghanischer Staatsbürger in die Türkei. Insofern ist davon auszugehen, dass eine erste Migrationsbewegung bereits stattgefunden hat. Pakistan gibt laut Medienberichten an, dass der Grenzzaun an der afghanisch-pakistanischen Grenze halte (laut offiziellen Angaben sind etwa 90 Prozent fertiggestellt) (VB 17.8.2021). Laut Treffen mit Frontex, kann zur Türkei derzeit noch keine Veränderung der Migrationsströme festgestellt werden. Es finden täglich nach Schätzungen ca. max. 500 Personen ihren Weg (geschleust) vom Iran in die Türkei. Dies ist aber keine außergewöhnlich hohe Zahl, sondern eher der Durchschnitt. Der Ausbau der Sicherung der Grenze zum Iran mit Mauer und Türmen schreitet immer weiter voran, und nach einstimmiger Meinung von Mig VB und anderen Experten kann die Türkei mit ihrem Militär (Hauptverantwortlich für die Grenzsicherung) und Organisationen (Jandarma, DCMM) jederzeit, je nach Bedarf die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem Iran kontrollieren. Die Türkei ist jedoch - was Afghanistan angeht - mit sehr hohem Interesse engagiert. Auch die Türkei möchte keine neunen massiven Flüchtlingsströme über den Iran in die Türkei (VB 17.8.2021a).

IOM muss aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen. Die Aussetzung der freiwilligen Rückkehr erfolgt bis auf Widerruf (IOM 16.8.2021).

Während die radikalislamischen Taliban ihren Feldzug durch Afghanistan vorantreiben, gehören Frauen und Mädchen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Schon in der letzten Regierungszeit der Taliban (1996–2001) herrschten in Afghanistan extreme patriarchale Strukturen, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen sowie strukturelle Gewalt und Hinrichtungen von Frauen. Die Angst vor einer Wiederkehr dieser Gräueltaten ist groß. Eifrig sorgten Kaufleute in Afghanistans Hauptstadt Kabul seit dem Wochenende bereits dafür, Plakate, die unverschleierte Frauen zeigten, aus ihren Schaufenstern zu entfernen oder zu übermalen – ein Sinnbild des Gehorsams und der Furcht vor dem Terror der Taliban (orf.at 17.8.2021). (Quellen dieser Sonderinformation der Staatendokumentation: • BAMF (16.8.2021): Briefing Notes, per Email; • bbc.com (o.D.): Afghanistan: US takes control of Kabul

airport to evacuate staff from countryhttps://www.bbc.com/news/world-asia-58227029, Zugriff 16.8.2021; • Die Presse (17.8.2021): Die Türkei schottet sich mit Mauer gegen Flüchtlinge ab, https://www.diepresse.com/6021855/die-turkei-schottet-sich-mit-mauer-gegen-fluchtlinge-ab, Zugriff 17.8.2021; • IOM (16.8.2021): Aussetzung der Freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, per Email; • orf.at (16.8.2021): Krieg in Afghanistan ist vorbei, https://orf.at/stories/3225020/, Zugriff 16.8.2021; • orf.at (16.8.2021a): Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul, https://orf.at/stories/3225106/, Zugriff 17.8.2021; • orf.at (16.8.2021b): Nachbarländer in großer Unruhe, https://orf.at/stories/3225071/, Zugriff 17.8.2021).

Quelle: UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021:

Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in Kabul unter ihre Kontrolle brachten. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghan*innen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen. Aufgrund des Konflikts sind seit Anfang 2021 Schätzungen zufolge über 550.000 Afghan*innen innerhalb des Landes neu vertrieben worden, davon 126.000 neue Binnenvertriebene allein zwischen 7. Juli und 9. August 2021. Während es bis dato noch keine genauen Zahlen gibt, wie viele Afghan*innen das Land aufgrund der Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen verlassen haben, haben Berichten zufolge zehntausende Afghan*innen in den letzten Wochen die Landesgrenzen überschritten.

Da die Situation in Afghanistan instabil und unsicher bleibt, fordert UNHCR alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes durchgehend sicherzustellen. UNHCR weist auf die Notwendigkeit hin zu gewährleisten, dass das Recht, Asyl zu beantragen, nicht eingeschränkt wird, dass Grenzen offengehalten werden und dass Personen, die internationalen Schutzbedarf haben, nicht in Gebiete innerhalb ihres Herkunftslands zurückgedrängt werden, die möglicherweise gefährlich sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Staaten auch gemäß Völkergewohnheitsrecht verpflichtet sind, die Grenzen für die vor dem Konflikt fliehende Zivilbevölkerung offen zu halten und Flüchtlinge nicht zwangsweise zurückzuführen. Der Non Refoulement-Grundsatz beinhaltet auch die Nicht-Zurückweisung an der Grenze.

Aufgrund der Unbeständigkeit der Situation in Afghanistan hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan internationalen Schutz mit der Begründung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsperspektive zu verwehren

Quelle: Kurzinformation der Staatendokumentation Aktuelle Entwicklungen und Informationen in Afghanistan Stand: 20.8.202:

Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemäß der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a) Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsächlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a). Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nähe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b). Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand

herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c). Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d). Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021). Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SR Verlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021). Exkurs: Die Anführer der Taliban Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen TalibanFührer auch nach außen auf. Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des SchariaGerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird. Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die TalibanEinsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht. Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der TalibanRegierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an. Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c). Stärke der Taliban-Kampftruppen Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).

2. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben im Vorverfahren und im gegenständlichen Verfahren. Die Identität des BF steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest, zumal ihm vordem auch der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt worden war. Die Feststellungen zu seinem Privat-und Familienleben ergeben sich aus der Aktenlage, sowie den vom Beschwerdeführer vorgelegten unbedenklichen Urkunden (Einkommensteuerbescheide, Dienstzeugnisse und Mietvertrag sowie sonstigen vorgelegten Integrationsunterlagen).

Situation in Afghanistan

Die Feststellungen über das Herkunftsland ergeben sich aus den oben zitierten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten