TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 I421 2132254-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I421 2132254-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg Außenstelle Salzburg (BFA-S-ASt Salzburg) vom 16.01.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.09.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 30.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheid vom 15.07.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

3.       Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2016 als unbegründet abgewiesen.

4.       Auf Antrag wurde dem BF am 10.10.2016 eine Duldungskarte aus Gründen des § 46a Abs 1 Z 3 FPG ausgestellt. Am 20.09.2017 brachte der BF einen Antrag auf Verlängerung der Duldungskarte ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 14.11.2017 gemäß § 46a Abs 5 iVm Abs 1 Z 3 FPG abgewiesen wurde.

5.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.01.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt. Dieser Bescheid erwuchs mit 13.03.2019 in Rechtskraft I. Instanz, die Zustellung erfolgte mittels öffentlicher Bekanntmachung gem. §25 ZustellG.

6.       Mit Mandatsbescheid des BFA vom 15.11.2019 wurde über den BF gem. §77 Abs. 1 und 3 iVm §76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm §57 Abs 1 AVG das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

7.       Am 29.11.2019 brachte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK ein.

8.       Mit Bescheid vom 16.01.2020, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurück (Spruchpunkt I.).

9.       Dagegen richtet sich die fristgerecht, durch die Rechtsvertretung, eingebrachte Beschwerde vom 04.02.2020. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antrag des BF rechtswidrig zurückgewiesen worden sei, da er gemäß seinem Vorbringen das Recht auf eine inhaltliche Entscheidung habe und die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit durch Verweigerung einer Sachentscheidung belaste. Die Interessenabwägung müsse jedenfalls zugunsten des BF ausgehen und habe die belangte Behörde das Recht des BF auf Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK ungenügend berücksichtigt und wäre ihm ein Aufenthaltsrecht aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG zu gewähren. Beantragt werde daher, das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und den Bescheid des BFA vollinhaltlich zu allen Spruchpunkten aufheben und der gegenständlichen Beschwerde stattgeben und gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen; den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

10.      Am 20.02.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 27.02.2020, legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck den Bescheid samt Verwaltungsakt vor.

11.      Am 10.09.2021 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck in Anwesenheit des BF, seines Rechtsvertreters Mag. Hasan DIYOROV und eines Dolmetschers für die englische Sprache statt. Eine Vertretung der belangten Behörde blieb entschuldigt fern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, ledige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität steht nicht fest. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe Ibo und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Der BF hält sich seit (mindestens) 30.09.2014 in Österreich auf. Der BF war in Österreich von 30.09.2014 bis 19.06.2018 durchgehend mit Hauptwohnsitz melderechtlich erfasst. Seit 28.10.2019 wohnt er in einer Wohngemeinschaft mit XXXX .

Der BF ist trotz der gegen ihn seit 13.03.2019 bestehenden Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF bezieht derzeit keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Der BF ist als Zeitungsverkäufer und seit 02.08.2021 als freiwilliger Mitarbeiter im XXXX tätig. Der BF hat bereits im Jahr 2015 am Projekt Gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerbende beim Stadtmagistrat und am 12.10.2019 an einem internationalen Seminar der „ XXXX “ teilgenommen.

Der BF verfügt über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag des Gastgewerbes XXXX vom 21.08.2021 sowie eine Einstellungsbestätigung, dass ihm dort ab September 2021 eine Anstellung als Allrounder zugesagt wird.

Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Angehörigen, aber über einen Freundes- und Bekanntenkreis. XXXX lebt mit ihrem Sohn in Deutschland. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der BF leiblicher Vater des in Deutschland lebenden XXXX ist. In Nigeria lebt die Mutter und die Schwester des BF, wobei der BF keinen Kontakt zu ihnen hat.

Der BF hat am 30.05.2017 die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 gut bestanden und ist in der Lage an einfachen Alltagsgesprächen teilzunehmen. Seine Deutschkenntnisse haben sich nicht erheblich verbessert. Der BF hat am Bildungsprogramm „Sprachcafe“ der Flüchtlingsinitiative MORE by students – MORE bei refugees für das Studienjahr XXXX teilgenommen und hat der BF seine Bereitschaft zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse am XXXX am 19.11.2019 gezeigt.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Änderung des Sachverhaltes seit der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde am 13.03.2019:

Aus dem begründeten Antragsvorbringen des BF geht im Vergleich zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 13.03.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung erforderlich machen würde, nicht hervor.

Auch der vorgebrachte arbeitsrechtliche Vorvertrag und die Einstellungsbestätigung sind nicht ausreichend um eine Sachverhaltsänderung im Vergleich zum Sachverhalt, der der rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 13.03.2019 zugrunde lag, zu begründen.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Stellungnahme vom 23.12.2019, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes samt den vorgelegten Urkunden. Darüber hinaus wurden Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, der Grundversorgung und dem Strafregister eingeholt, zudem auch ein Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF.

Des Weiteren fand am 10.09.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck statt, in dessen Zuge der BF einvernommen wurde und sich der erkennende Richter einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen konnte.

2.3.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Person, seinen Lebensumständen, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit basieren auf dem Bescheid, dem Beschwerdeschriftsatz und dem Verwaltungsakt, insbesondere den im Erkenntnis vom 13.08.2016 zu XXXX getroffenen Feststellungen.

Der BF konnte den Behörden im Verfahren keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen, weshalb seine Identität nicht zweifelsfrei feststeht.

Aus dem Geburtenregister (AS 29) geht nicht hervor, dass der BF der leibliche Vater von XXXX ist und konnte der BF dem erkennenden Richter auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keine Nachweise seiner Vaterschaft vorlegen, weshalb die Negativfeststellung zu treffen war.

Dem Zentralen Melderegister war zu entnehmen, dass der BF ledig ist und brachte der BF keine in Österreich geschlossene Ehe vor. Den Angaben des BF, er sei mit seiner Frau in Deutschland nach traditionellen Eherecht in Nigeria verheiratet, erscheinen nicht nachvollziehbar und erweisen sich als unglaubhaft:

Rl: Wo wurde die Ehe geschlossen?

BF: Im Haus ihres Vaters in Nigeria. Sie hat einen Vertrag abgeschlossen. Ich war nicht dort, ich

war in Österreich.

Rl: Wann wurde dieser Vertrag geschlossen?

BF: Vor zwei Jahren.

Rl: Wo und wann haben Sie die Frau kennengelernt?

BF: In Salzburg, 2015.

Rl: Und dann ist die Frau wieder zurück nach Nigeria?

BF: Nein, sie ist nicht zurück nach Nigeria. Der Vertrag wurde über das Telefon geschlossen. (Protokoll vom 10.09.2021, S 5).

Die Angaben zu seinem Aufenthalt und seiner Wohnsitznahme im Bundesgebiet gründen auf dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister und den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Auch gab er vor dem erkennenden Richter zu Protokoll, Österreich aufgrund des Bescheides vom 13.03.2019 nicht verlassen zu haben (Protokoll vom 10.09.2021, S 4 f).

Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, gesund zu sein und haben sich auch aus dem unstrittigen Akteninhalt keine gegenteiligen Hinweise ergeben. Ob des Gesundheitszustandes des BF in Zusammenschau mit dem erwerbsfähigen Alter desselben war auf die Arbeitsfähigkeit des BF zu schließen.

Der Sozialversicherungsdatenauszug weist keine Erwerbstätigkeiten des BF in Österreich auf und geht aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem hervor, dass er derzeit keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung bezieht. Die Feststellung, dass der BF als Zeitungsverkäufer tätig ist, basiert auf den Angaben des BF vor dem erkennenden Richter und geht dies bereits aus dem Asylverfahren hervor. Die freiwillige Mitarbeit im XXXX wurde durch einen Nachweis der XXXX vom 20.08.2021 belegt (Beilage ./D) und die gemeinnützige Beschäftigung im Jahr 2015 durch eine Bestätigung des Stadtmagistrats (AS 31, 33). Auch wurde das „Certificate of Excellence“ der XXXX vorgelegt (AS 35). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der arbeitsrechtliche Vorvertrag sowie die Einstellungsbestätigung (Beilage ./A und ./B) vorgelegt und zum Akt genommen.

Dass der BF in Österreich über keine familiären Angehörigen verfügt und XXXX mit ihrem Sohn in Deutschland lebt, gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Protokoll. Auch führte er an, dass in Nigeria seine Mutter und Schwester leben, er aber zu diesen keinen Kontakt hat (Protokoll vom 10.09.2021, S 4, 6).

Ob der Einvernahme des BF im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte sich der erkennende Richter ein eigenes Bild von den Deutschkenntnissen des BF machen. Zwar wollte der BF anfangs die Verhandlung in deutscher Sprache führen, allerdings war er sodann auf die Unterstützung des Dolmetschers angewiesen. Aus diesem Grund erachtet der erkennende Richter, dass der BF wohl an einfachen Alltagsgesprächen in deutscher Sprache teilnehmen kann, jedoch keinesfalls mehr und haben sich seine Deutschkenntnisse nicht erheblich verbessert haben. Die bestandene ÖSD Prüfung auf dem Niveau A2 wurde durch das Zertifikat belegt (AS 13). Dass der BF am Bildungsprogramm „Sprachcafe“ teilgenommen hat und beim XXXX war, geht aus den im Akt befindlichen Bestätigungen hervor (AS 23, 37).

Im eingeholten Strafregisterauszug vom 31.08.2021 scheint keine Verurteilung des BF in Österreich auf.

2.4.    Zur Änderung des Sachverhaltes seit der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde am 13.03.2019:

Aus dem gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, den Angaben des BF in der Stellungnahme vom 23.12.2019 und dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche Änderung des Privat- und Familienlebens seit der zuletzt erlassenen Rückkehrentscheidung.

Der Großteil der vorgelegten Nachweise betreffend die Integration des BF lag bereits der Entscheidung vom 29.01.2019, rechtskräftig seit 13.03.2019, zu Grunde und konnte damit kein maßgeblich veränderter Sachverhalt festgestellt werden.

So, lag das mit 30.05.2017 datierte ÖSD Zertifikat Niveau A2 bereits der Entscheidung der belangten Behörde, rechtskräftig seit 13.03.2019, zugrunde. Zwar hat der BF eine Bestätigung des XXXX über die Bereitschaft zur Verbesserung der Deutschkenntnisse und eine Bestätigung seiner Teilnahme am Bildungsprogramm „Sprachcafe“ vorgebracht, jedoch beherrscht der BF die deutsche Sprache nach wie vor am Niveau A2. Nach eigenen Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hat er den Deutschkurs Niveau B1 noch nicht abgelegt (Protokoll vom 10.09.2021, S 6).

Weiters stammen die Bestätigungen über die gemeinnützige Beschäftigung beim Stadtmagistrat XXXX aus dem Jahr 2015 (AS 31, 33) und hat der BF seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer bereits im Asylverfahren vorgebracht.

Auch haben sich im Bezug auf das Familienleben keine neuen maßgeblichen Sachverhalte ergeben. So verfügt der BF nach wie vor über keine familiären Angehörigen in Österreich und wird in der Beschwerde nicht bestritten, dass XXXX und ihr Sohn in Deutschland leben. Zudem gab der BF vor dem erkennenden Richter an, XXXX bereits im Jahr 2015 in Salzburg kennengelernt zu haben (Protokoll vom 10.09.2021, S 5) und führt in der Stellungnahme aus, dass er bis 2018 eine Lebensgefährtin gehabt habe, welche als Asylwerberin mit ihrem gemeinsamen Kind nach Deutschland übersiedelt sei (AS 49).

Zwar konnte der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 21.08.2021 und eine Einstellungsbestätigung vom 26.08.2021 vorlegen, jedoch kann trotz dieser Bemühungen nicht von einem maßgeblich veränderten Sachverhalt die Rede sein.

Zwischen dem rechtskräftigen Bescheid vom 13.03.2019 und der angefochtenen Entscheidung vom 16.01.2020 liegt nur knapp ein Jahr und die bloße Verlängerung des Aufenthalts um diesen Zeitraum stellt für sich allein keine relevante Änderung dar, zumal der BF verpflichtet war, Österreich zu verlassen (siehe dazu Ra 2017/22/0196).

Dass gegen den BF eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 13.03.2019. Da er laut aktuellem Auszug aus dem zentralen Melderegister und seinen eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung weiterhin einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz in Österreich hat und nicht ausgereist ist, kam er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.    Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Der mit Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK betitelte § 55 AsylG lautet:

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Die Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG besagt, dass Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

Da das Verfahren nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 jenem der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildet ist, ist Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG die Frage, ob das BFA zu Recht den Antrag auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zurückgewiesen hat, die belangte Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts (in Hinblick auf das begründete Antragsvorbringen) zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zur rechtskräftig entschiedenen Rückkehrentscheidung keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände im Hinblick auf Art. 8 EMRK eingetreten ist.

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207). Der dahin gerichtete Beschwerdeantrag blieb daher unberücksichtigt.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall wurde gegen den BF mit rechtskräftigen Bescheid vom 13.03.2019 unter anderem eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen und war er somit angehalten, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen. Der BF verblieb jedoch weiterhin in Österreich. Am 29.11.2019 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Art 8 EMRK und hatte das BFA daher zu prüfen, ob sich seit der am 13.03.2019 eingetretenen Rechtskraft des zuletzt genannten Bescheides eine maßgebliche Änderung im Privat- und Familienleben des BF gemäß Art 8 EMRK ergab.

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Frage, ob die Zurückweisung des Antrags nach § 58 Abs. 10 AsylG zu Recht erfolgte.

Gegen den BF besteht seit dem 13.03.2019 eine aufrechte Rückkehrentscheidung und hat sich eine maßgebliche Änderung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben weder im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde noch vor dem erkennenden Gericht ergeben.

Eine Sachverhaltsänderung ist dann wesentlich, wenn sie den Schluss zulässt, dass nunmehr - unter Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen - eine andere Beurteilung jener Umstände, die den Grund für die seinerzeitige rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheids muss zumindest möglich sein (vgl. VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten. In einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0102; 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, mwN).

Gegenständlich wird in der Beschwerde allerdings nicht aufgezeigt, inwieweit in den neu vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.

Ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, ist im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

Wie bereits in der Beweiswürdigung aufgezeigt wurde, hat sich im Hinblick auf das Familienleben im Vergleich zum Sachverhalt, der der damaligen Entscheidung der belangten Behörde zugrunde lag, keine wesentliche Änderung ergeben und verfügt der BF nach wie vor über keine familiären Bindungen in Österreich, zumal XXXX und ihr Sohn in Deutschland leben.

In Bezug auf den vorgebrachten arbeitsrechtlichen Vorvertrag und die Einstellungsbestätigung ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094 zu verweisen, wonach weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse oder eine Einstellungszusage eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass einer etwaigen Einstellungs- oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323).

Damit weisen der arbeitsrechtliche Vorvertrag und die Einstellungsbestätigung keine solche Bedeutung auf, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten können. Auch konnte der BF - wie bereits ausgeführt - im Vergleich zur rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 13.03.2019 keine erheblich verbesserten Deutschkenntnisse nachweisen.

In einer Gesamtschaut sind hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des BF seit der letzten Rückkehrentscheidung keine relevanten Änderungen eingetreten. Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK durch die belangte Behörde nach § 58 Abs. 10 AsylG erfolgte daher zu Recht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata wesentliche Änderung wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I421.2132254.2.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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