TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W233 2144613-2

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2

Spruch


W233 2144613-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2020, Zl. 1075024401-200575332, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. betreffend die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 AsylG und gegen Spruchpunkt II. betreffend die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß § 56 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

I.1. Mit Schriftsatz vom 08.07.2020 beantragte der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen. Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2020 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

I.2. Dagegen brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 03.12.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein.

I.3. Mit Schriftsatz vom 19.08.2021 brachte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag ein.

I.4. Am 09.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in Zuge dessen auch eine Zeugin gehört wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen.

Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet hat er am 24.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Diesen Antrag wies die belangte Behörde bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI). Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2019, GZ: W261 2144613-1/34E als unbegründet abgewiesen.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer unter Verwendung eines Formblattes am 08.07.2020 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthalts in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen. Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2020 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mai 2015, somit seit sechs Jahren und vier Monaten im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1, einen Pflichtschulabschluss sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit mehrmals als Saisonarbeiter im Hotel XXXX in XXXX beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeverfahren einen (hinreichend) konkreten Arbeitsvorvertrag mit dem Hotel XXXX in XXXX vorgelegt, wo er unter der Bedingung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Arbeiter (Zimmerbursche/Abwäscher) mit einem vereinbarten Bezug von € 1.575,- brutto, arbeiten könnte. Somit ist der Beschwerdeführer mit der Aufnahme der ihm vertraglich zugesicherten Erwerbstätigkeit pflicht- und somit auch krankenversichert. Er verfügt zudem über eine rechtsverbindliche Zusage einer ortsüblichen unentgeltlichen Unterkunft in XXXX .

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet durchgehend polizeilich gemeldet und für die Behörden greifbar. Dass der Beschwerdeführer nach der rechtskräftig negativen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz entgegen seiner Verpflichtung weiterhin im Bundesgebiet der Republik Österreich verblieb, ist ihm zwar zu seinen Ungunsten anzurechnen. Auf der anderen Seite ist dem Verwaltungsakt des Beschwerdeführers zu entnehmen, dass die belangte Behörde offensichtlich seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen negativen Asylantrag keine Schritte gesetzt hat, um die rechtskräftige Rückkehrentscheidung aus Mai 2019 zu effektuieren. Selbst nachdem der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einbrachte, kann das Bundesverwaltungsgericht keine Maßnahme der belangten Behörde erkennen, um den Beschwerdeführer außer Landes zu bringen. Vielmehr findet sich im Akt des Beschwerdeführers ein Schreiben der Landespolizeidirektion XXXX wonach beim dortigen Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung über den Beschwerdeführer keine iSv § 60 Abs. 3 Z 1 AsylG negativen Erkenntnisse vorlägen. Aus diesem Verhalten der belangten Behörde kann aber geschlossen werden, dass sie in Vorbereitung einer Erteilung eines Aufenthaltstitels ein allfälliges Naheverhältnis des Beschwerdeführers zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung überprüft haben wollte. Eine solche Vorgangsweise ist allerdings nur dann zielführend, wenn zumindest die Absicht der belangten Behörde vorliegt, für den Fall des Nichtvorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 60 Abs. 3 Z 1 AsylG, einem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels statt zu geben. Dem Beschwerdeführer ist daher jedenfalls nicht vorzuwerfen, dass er verfahrensobstruierende Handlungen gesetzt habe.

Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich. Er hat jedoch zahlreiche österreichische Freunde und engagiert sich ehrenamtlich im Rahmen von gemeinnützigen Diensten in XXXX .

In Afghanistan verfügt der Beschwerdeführer über eine Schwester, zu der er jedoch im Moment keinen Kontakt hat.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

II.2. Beweiswürdigung
Beweis wurde erhoben durch die Befragung des Beschwerdeführers als auch einer Zeugin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 09.09.2021, weiters durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde zur Zahl 1075024401, sowie insbesondere in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2019 zur Zahl W261 2144613-1/34E, durch Vorlage eines Deutschzertifikates im Niveau B1, eines Zeugnisses über die Pflichtschulabschlussprüfung, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, eines Versicherungsdatenauszugs, einer Erklärung der unentgeltlichen Überlassung einer Unterkunft, einer Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs sowie eines Dienstvertrages mit dem Hotel XXXX in XXXX und schließlich durch Einsichtnahme in den Strafregister.

Nach der mit VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255 (ergangen zur Vorgängerregelung des § 44 Abs 4 NAG idF BGBl. I Nr. 29/2009), begonnenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Gesetzeszweck (nunmehr des § 56 AsylG 2005) die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen "Altfällen" unter isolierter Bewertung allein des faktischen - notwendigerweise in näher bestimmtem Umfang rechtmäßigen - Aufenthaltes sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt, können die (nunmehr) in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten, bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte einfließen, und zwar in dem Maße, als sie auf den Integrationsgrad des betreffenden Fremden Auswirkungen haben. Jedoch spielen - mangels Bedeutung für den Integrationsgrad - allfällig vorhandene, aber auch fehlende Bindungen zum Heimatstaat (iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG) oder die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus (iSd § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG) keine Rolle (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0032).
Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. zu Letzterem neuerlich VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255). Unabdingbare Voraussetzung (arg.: "jedenfalls") ist allerdings, dass der Aufenthalt in einem Zeitraum, der mindestens die Hälfte der gesamten durchgehenden Aufenthaltsdauer beträgt, rechtmäßig war; bei einem Aufenthalt bis zur Antragstellung zwischen fünf und sechs Jahren muss dessen Rechtmäßigkeit zumindest drei Jahre gegeben gewesen sein (vgl. abermals VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0032).
Wie festgestellt hält sich der Beschwerdeführer iSv § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG seit Mai 2015 durchgängig im Bundesgebiet auf. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung auf einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Fällen am 08.07.2020 hat sich der Beschwerdeführer somit seit fünf Jahren und 14 Tagen im Bundesgebiet aufgehalten. Sein Aufenthalt war iSv § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2019 mehr als zur Hälfte rechtmäßig. Der Beschwerdeführer verfügt iSv § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 Abs. 4 Z 1 und § 11 IntG auch über den Nachweis der Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung, da er über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Niveau B1 verfügt. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt nun auch über einen unter der Bedingung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung geschlossenen Arbeitsvorvertrag, sodass er selbsterhaltungsfähig ist. Wenn auch der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen verfügt, hat er sich jedoch während der Zeit seines Aufenthalts einen Freundeskreis aufgebaut. Zudem engagiert sich ehrenamtlich in seiner Aufenthaltsgemeinde und hat in der Vergangenheit mehrmals als Saisonarbeitskraft gearbeitet. Wenn auch diese Integrationsschritte während des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers begründet worden sind, so sind diese doch nicht durch Folgeanträge erzielt worden. Auch kann dem Beschwerdeführer nicht zu Vorwurf gemacht werden, dass sein Asylverfahren lange gedauert habe. So hat sein Verfahren von der Antragstellung auf internationalen Schutz am 24.06.2015 bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Verfahrens durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2019 immerhin vier Jahre und vier Monate gedauert. Dass der Beschwerdeführer diese Zeit seines Verfahrens schuldhaft verzögert hätte, ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer – wenn auch schwache – Bindungen in Afghanistan in Form seiner dort noch aufhältigen Schwester hat bzw. der Umstand der Unsicherheit seines Aufenthalts im Bundesgebiet, spielt nach der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Rolle (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0032).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A. I.

Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

Gemäß Abs. 2 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vorliegen.

Gemäß Abs. 3 hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 60 Abs. 2 AsylG dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 einen Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. Der Drittstaatsangehörige über eine alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte.

Gemäß § 9 Integrationsgesetz, der wiederum auf § 11 Integrationsgesetz verweist, wird die Erfüllung des Moduls 1 bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

Gemäß § 11 Abs. 2 umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- als auch über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Die Voraussetzung des mehr als fünf Jahre durchgängigen Aufenthaltes in Österreich, davon mehr als drei Jahre rechtmäßig, als auch das Erfordernis der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung hat auch schon die belangte Behörde als erfüllt angenommen (siehe Seite 134 des angefochtenen Bescheides). Allerdings findet die Feststellung der belangten Behörde auf Seite 134 des angefochtenen Bescheides, dass aufgrund einer aufrechten Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers ihm ein Aufenthaltsrecht iSv § 56 AsylG verwehrt wäre, keine Deckung im Gesetz, da ein solches Ausstellungshindernis nur für den Fall einer Rückkehrentscheidung mit einem nach § 53 Abs. 2 und abs. 3 FPG ausgesprochenem Einreiseverbot greift, welches im Fall des Beschwerdeführers jedoch nicht ausgesprochen wurde. In Bezug auf das Argument des Bundesamtes, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig sei, ist darauf zu verweisen, dass er im Beschwerdeverfahren einen (mit der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aufschiebend bedingten) Dienstvertrag mit einem weit über die Geringfügigkeitsgrenze hinausreichenden Mindestlohn vorgelegt hat. Diesbezüglich ist anzumerken, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 15.12.2011, 2008/21/0002) eine hinreichend konkrete Aussicht für eine näher konkretisierte Erwerbstätigkeit ausreicht. Damit hat der Beschwerdeführer seine Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Aufgrund des für die Zukunft vereinbarten Bruttomonatslohnes von Euro 1.575,- ist auch gewährleistet, dass der Aufenthalt des Fremden in Zukunft zu keiner finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führt, zumal auch - in Hinblick auf die rechtsverbindliche Zusage einer unentgeltlichen Unterkunftsnahme - keine besonderen weiteren Belastungen des Beschwerdeführers bestehen.

Schließlich ist auch noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer als unbescholten anzusehen ist und auch keinerlei Hinweise darauf bestehen, dass der Beschwerdeführer irgendein Naheverhältnis zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen aufweist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 56 AsylG sind daher im gegenwärtigen Zeitpunkt als erfüllt anzusehen.

Es war dem Beschwerdeführer somit gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen.

Der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975. Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 leg.cit. für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Beschwerdeführern die Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ auszufolgen (§ 58 Abs. 7 AsylG 2005).

Zu A. II.

Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III und IV.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung und die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, waren die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH vom 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt II.3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

II.4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.


Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W233.2144613.2.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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