TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W146 2244024-1

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W146 2244024-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2021, Zahl 1266529101/200632000, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe :

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 22.07.2020 stellte der in Österreich geborene minderjährige Beschwerdeführer durch seinen Vater einen Antrag auf internationalen Schutz im Zuge eines Familienverfahrens gemäß § 34 Abs 1 Z 1 AsylG.

Am 27.08.2020 wurde die Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und brachte im Zuge ihrer Befragung vor, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe.

Ebenfalls am 27.08.2020 wurde der Vater des Beschwerdeführers als gesetzlicher Vertreter zum Antrag des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab dieser an, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom “21.05.2021“ (richtig wohl: 31.05.2021) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Dass Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe handle, dessen Identität feststehe. Er sei im Bundesgebiet geboren und seien für den Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden.

Gegen diesen am 04.06.2021 rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde, welche am 28.06.2021 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.

Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2021 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX , dem mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2003, Zahl 03 31.152-BAT, im Familienverfahren abgeleitet von dessen Vater der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt wurde, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang ergeben sich aus dem gegenständlichen Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Das Verwandtschaftsverhältnis des Beschwerdeführers wurde mit einer im erstinstanzlichen Akt einliegenden Kopie der österreichischen Geburtsurkunde des Beschwerdeführers glaubhaft gemacht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG).

Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(…)

Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs. 5 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind gemäß § 34 Abs. 6 AsylG, nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2020, ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger:

a. der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten;

b. der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

c. ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und

d. der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat.

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für ein Familienleben zwischen dem minderjährigen ledigen Beschwerdeführer und dessen Vater erfüllt. Dem Vater des Beschwerdeführers wurde im Familienverfahren abgeleitet von seinem Vater, mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2003, Zl 03 31.152-BAT, der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gegen ihn ist aufgrund der hg. Entscheidung vom XXXX , GZ XXXX , kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig, weshalb auch dem minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 und Abs. 6 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. (§ 3 Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016).

Gemäß § 3 Abs. 4b AsylG gilt Abs. 4 in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

Da der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige gemäß § 34 Abs. 2 und Abs. 6 Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, von seinem Vater ableitet, der seine Asylgewährung ebenfalls von seinem Vater ableitet und dem auf Grund der (damals geltenden) rechtlichen Bestimmungen keine befristetete Aufenthaltsberechtigung zukommt, ist der Status des Asylberechtigten auch im Fall des Beschwerdeführers nicht befristet zuzuerkennen.

Auf Grund der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten waren die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen Flüchtlingseigenschaft individuelle Verhältnisse Spruchpunktbehebung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W146.2244024.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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