TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 G315 2245228-1

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G315 2245228-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ungarn, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2021, Zahl XXXX , betreffend Aufenthaltsverbot, Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:

A)       

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 30.07.2021 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes ebenfalls vom 30.07.2021 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von drei Jahren verhängt (Spruchpunkt I.), der Beschwerdeführerin weiters gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, gegen die Beschwerdeführerin habe bereits einmal für den Zeitraum von 2009 bis 2014 ein Aufenthaltsverbot in Österreich bestanden. Nach Verhängung der Untersuchungshaft Anfang Juni 2021 im Bundesgebiet sei die Beschwerdeführerin im Juli 2021 wegen mehrerer Vergehen der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung sowie des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe vor ihrer Festnahme nur in einer Obdachlosenunterkunft gelebt und über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügt. Ebenso wenig habe sie über eine Anmeldebescheinigung, eine Arbeitsstelle noch eine begründete Aussicht auf Arbeit verfügt. Es lägen auch sonst keine ausreichenden Unterhaltsmittel oder eine Krankenversicherung in entsprechendem Umfang vor, sodass der Beschwerdeführerin kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 ff NAG zukomme. Ihr Ehemann, von dem sie in Trennung lebe, lebe in Ungarn, ebenso die beiden minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin und ihre Schwester. In Österreich verfüge die Beschwerdeführerin weder über relevante familiäre oder private Bezüge. Die Beschwerdeführerin habe ihr vorübergehendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zur Begehung von Straftaten missbraucht. Sie sei auch erst am Tag vor der Erlassung des gegenständlichen Bescheides aus der Justizanstalt entlassen worden, sodass von einem Wegfall der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung noch nicht gesprochen werden könnte. Es liege jedenfalls eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr vor, welche die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes in der festgelegten Dauer rechtfertige. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich auch keine maßgeblichen persönlichen Verhältnisse zu regeln und bestehe ein öffentliches Interesse an der sofortigen Ausreise. Es hätten sich auch keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden, sodass der Beschwerdeführerin kein Durchsetzungsaufschub zuerkannt und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 30.07.2021 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

Der gegenständliche Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch persönliche Übergabe am 30.07.2021 zugestellt.

3. Am 02.08.2021 wurde die Beschwerdeführerin am Landweg aus dem Bundesgebiet nach Ungarn abgeschoben. Sie reiste jedoch zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen 02.08.2021 und 07.08.2021 wieder in das Bundesgebiet ein.

4. Gegen den oben im Spruch angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihrer bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 06.08.2021, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben; in eventu eine mündliche Verhandlung zur Klärung des Sachverhalts durchführen; in eventu den Bescheid aufheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen; in eventu das gegenständliche Aufenthaltsverbot verkürzen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das Recht der Beschwerdeführerin auf Parteiengehör durch das Bundesamt verletzt worden sei. Zwar sei sie mit Schreiben vom 01.06.2021 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt worden, doch sei eine solche schriftliche Verständigung zur Beurteilung der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich und zur Feststellung des Vorliegens ausreichender Existenzmittel nicht ausreichend. Vor der Verhängung der Schubhaft sei die Beschwerdeführerin kurz einvernommen worden. Dabei habe sie aber keine ausführlichen Angaben machen können, welche für die Beurteilung des Sachverhalts jedoch maßgeblich wären. Der Freund der Beschwerdeführerin würde in Österreich für die Mietkosten des gemeinsamen Wohnsitzes aufkommen und auch ihre täglichen Lebenserhaltungskosten finanzieren, welche aufgrund des besonders sparsamen Lebensstils der Beschwerdeführerin vom Freund jedenfalls gedeckt werden könnten. Die Beschwerdeführerin erachte eine Übersiedelung nach Ungarn als unzumutbar, insbesondere wegen ihrer Lebenspartnerschaft und der besonderen sozialen und familiären Verankerung in Österreich. Bei der Beschwerdeführerin liege ein schützenswertes Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK vor und würden ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls die öffentlichen Interessen überwiegen. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde lägen bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes über drei Monate gemäß §§ 51 ff NAG vor. Sie bereue zudem die von ihr begangene Straftat sehr. Von einer gegenwärtigen Gefahr könne weiters nicht mehr ausgegangen werden. Ebenso habe sie seit ihrer Verurteilung keine weiteren Straftaten mehr in Österreich begangen und würde ihren Aufenthalt in Österreich auch nicht weiter dadurch gefährden wollen. Die Beschwerdeführerin habe zwar vorübergehend Grundinteressen der Gesellschaft durch ihr strafbares Verhalten gefährdet, es liege diesbezüglich jedoch keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung mehr vor. Die Zukunftsprognose hätte daher zu ihren Gunsten ausfallen müssen. Auch erweise sich die Dauer des Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig. Die Beschwerdeführerin habe ihren Lebensmittelpunkt in Österreich und spreche perfekt Deutsch. Hingegen verfüge sie über keinerlei Anknüpfungspunkte mehr in Ungarn.

Unter einem wurde eine Einstellungszusage vom 26.07.2021 für den Freund der Beschwerdeführerin, eine Kopie seines befristeten ungarischen Personalausweises und eine Meldebestätigung des Freundes der Beschwerdeführerin mit einem Nebenwohnsitz in Österreich vorgelegt.

5. Am 07.08.2021 wurde die Beschwerdeführerin ein weiteres Mal auf dem Landweg aus dem Bundesgebiet nach Ungarn abgeschoben.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 12.08.2021 ein.

Im Zuge der Beschwerdevorlage führte das Bundesamt zudem ergänzend und zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben in der Einvernahme nach über einen Ehemann in Ungarn verfüge, von dem sie getrennt lebe und auch ihre beiden minderjährigen Kinder in Ungarn leben würden. Sie habe in der Einvernahme zwar ihren Freund angeführt, habe mit diesem aber noch nie im gemeinsamen Haushalt in Österreich gelegt. Sie sei lediglich in einer Obdachlosenunterkunft mit einem Wohnsitz gemeldet gewesen. Auch habe sie bisher keine sozialversicherte Erwerbstätigkeit ausgeübt. Durch die Begehung von gerichtlich strafbaren Handlungen habe die Beschwerdeführerin bewusst den Verlust der Möglichkeit in Kauf genommen, ihre Beziehung in Österreich fortsetzen zu können. Es seien auch keine Hinweise dahingehend hervorgekommen, dass es allenfalls nicht möglich oder zumutbar wäre, den Kontakt zum Freund durch Besuche in Ungarn oder diverse Kommunikationsmittel aufrecht zu erhalten.

7. Das Bundesverwaltungsgericht holte daraufhin das noch nicht aktenkundige Strafurteil der Beschwerdeführerin sowie den Verwaltungsvorakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Ungarn (vgl. etwa Auszug aus dem Fremdenregister und Zentralen Melderegister jeweils vom 06.09.2021 sowie dort festgehaltene Ausweisdaten).

Wann und wie oft die Beschwerdeführerin konkret in das Bundesgebiet einreiste, konnte nicht festgestellt werden. Sie reiste jedenfalls im Februar 2021 in das Bundesgebiet ein und wohnte anschließend in einer Obdachlosenunterkunft in Wien, wo sie auch von 11.05.2021 bis 13.07.2021 mit Hauptwohnsitz gemeldet war (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 30.07.2021, AS 83; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 06.09.2021).

Sie verfügte in Österreich bis dato über keine Anmeldebescheinigung, ging bisher keiner sozialversicherten Erwerbstätigkeit nach und verfügte – abgesehen von den kurzen Wohnsitzmeldungen in der Obdachlosenunterkunft und der Justizanstalt – über keine Wohnsitzmeldungen und keine (private) Krankenversicherung im Bundesgebiet (vgl. Fremdenregisterauszug sowie Auszug aus dem Zentralen Melderegister jeweils vom 06.09.2021; Niederschrift Bundesamt vom 30.07.2021, AS 83).

Ihren Lebensunterhalt bestritt die Beschwerdeführerin einerseits durch die Versorgung mit Lebensmitteln in der Obdachlosenunterkunft und andererseits durch Schwarzarbeit in einer Autowäscherei. Zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 30.07.2021 verfügte sie über Barmittel in Höhe von EUR 73,00 (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 30.07.2021, AS 83).

1.2. Zum Verhalten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet:

1.2.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien, Zahl: III-1284630/FrB/09, vom 15.12.2009, wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 86 Abs. 1 und 63 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005 ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der Beschwerdeführerin ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt, weil die Beschwerdeführerin bereits zwei Mal rechtskräftig wegen einem Verstoß gegen das Wiener Prostitutionsgesetz bestraft worden sei (vgl. aktenkundiger Bescheid vom 15.12.2009, AS 23 ff Verwaltungsakt Teil I). Das Aufenthaltserbot war von 30.12.2009 bis 30.12.2014 gültig (vgl. AS 88 Verwaltungsakt Teil I).

Dennoch reiste die Beschwerdeführerin immer wieder in das Bundesgebiet ein, wo sie etwa am 12.05.2010 (vgl. AS 40 Verwaltungsakt Teil I), am 10.06.2010 (vgl. AS 72 Verwaltungsakt Teil I), 11.07.2010 (vgl. AS 122 Verwaltungsakt Teil I) wegen rechtswidrigem Aufenthalt im Bundesgebiet von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, festgenommen und angezeigt wurde.

Mit Straferkenntnis vom 13.05.2010, Zahl: XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen Rückkehr in das Bundesgebiet trotz des bestehenden Aufenthaltsverbots zu einer Verwaltungsstrafe in Höhe EUR 1.000,00 bzw. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfalle von fünf Tagen bestraft (vgl. Straferkenntnis vom 13.05.2010, AS 64 ff Verwaltungsakt Teil I).

Mit Bescheid der BPD Wien vom 21.06.2010, Zahl: XXXX , wurde gegen die Beschwerdeführerin die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt (vgl. AS 93 ff Verwaltungsakt Teil I).

Mit Straferkenntnis vom 21.06.2010, Zahl: XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen Rückkehr in das Bundesgebiet trotz des bestehenden Aufenthaltsverbots zu einer Verwaltungsstrafe in Höhe EUR 1.000,00 bzw. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfalle von 3 Tagen bestraft (vgl. Straferkenntnis vom 21.06.2010, AS 98 ff Verwaltungsakt Teil I).

Die Beschwerdeführerin wurde am 24.06.2010 aus dem Bundesgebiet nach Ungarn abgeschoben (vgl. AS 106 Verwaltungsakt Teil I), reiste kurz darauf aber neuerlich in das Bundesgebiet ein.

Mit Straferkenntnis vom 11.07.2010, Zahl: XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen Rückkehr in das Bundesgebiet trotz des bestehenden Aufenthaltsverbots zu einer Verwaltungsstrafe in Höhe EUR 5.000,00 bzw. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfalle von 14 Tagen bestraft (vgl. Straferkenntnis vom 11.07.2010, AS 146 ff Verwaltungsakt Teil I).

Mit Bescheid der BPD Wien vom 11.07.2010, Zahl: XXXX , wurde gegen die Beschwerdeführerin die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt (vgl. AS 148 ff Verwaltungsakt Teil I).

Die Beschwerdeführerin wurde am 10.08.2010 aus dem Bundesgebiet wieder nach Ungarn abgeschoben (vgl. AS 171 Verwaltungsakt Teil I).

1.2.2. Die Beschwerdeführerin wurde am 28.04.2021 im Bundesgebiet von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion (LPD) Wien kontrolliert. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht über die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von über drei Monaten verfügt. Dieser Umstand wurde der Beschwerdeführerin mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.04.2021 vorgehalten und ihr dazu unter Anführung konkreter Fragen die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt. Eine Stellungnahme wurde von der Beschwerdeführerin nicht abgegeben (vgl. angefochtener Bescheid, AS 95; Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.04.2021, AS 3 ff).

1.2.3. Mit Bescheid der LPD Wien vom 18.05.2021, Zahl: XXXX , rechtskräftig am 02.06.2021, wurde über die Beschwerdeführerin ein bis 26.05.2026 gültiges Waffenverbot verhängt (vgl. Personeninformation Auskunft vom 30.07.2021, AS 51).

1.2.4. Die Beschwerdeführerin wurde am 28.05.2021 festgenommen. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.05.2021, XXXX , wurde über die Beschwerdeführerin die Untersuchungshaft verhängt (vgl. Vollzugsinformation vom 31.05.2021, AS 33; Verständigung der Behörde von der Verhängung der Untersuchungshaft vom 01.06.2021, AS 25).

1.2.5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 01.06.2021 wurde die Beschwerdeführerin über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie in eventu eines Schubhaftbescheides gemäß § 76 FPG in Kenntnis gesetzt und ihr – unter Anführung konkreter Fragen – die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von zehn Tagen schriftlich Stellung zu nehmen (vgl. Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 01.06.2021, AS 41 ff).

1.2.6. Das Verfahren des Bundesamtes zur Erlassung einer Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin wurde infolge der Verhängung der Untersuchungshaft über die Beschwerdeführerin mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 11.06.2021 vorerst ausgesetzt (vgl. Aktenvermerk, AS 31).

1.2.7. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.07.2021, Zl. XXXX , rechtskräftig am 29.07.2021, wurde die Beschwerdeführerin wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und der Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Unter einem wurde auch der Freund der Beschwerdeführerin wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Freund der Beschwerdeführerin am 28.05.2021 Verfügungsberechtigten eines Supermarktes eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Guacamole Dip, mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Im Zuge dessen hat die Beschwerdeführerin am 28.05.2021 andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar eine Frau durch Versetzen von Schlägen, wodurch diese Kratzspuren und Hämatome am linken Arm erlitt, und einen Mann, indem sie ihm mit einer vollen Plastikflasche gegen den Kopf schlug, wodurch der Mann eine Beule auf der linken Kopfseite erlitt. In weiterer Folge hat die Beschwerdeführerin drei Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Vornahme ihrer Festnahme, zu hindern versucht, indem sie sich wiederholt aus der Fixierung löste und versuchte, eine Beamtin zu beißen und ihr Fußtritte versetzte. Dadurch hat die Beschwerdeführerin Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten am Körper verletzt, und zwar eine Beamtin in Form einer Prellung des linken Handgelenkes mit Beweglichkeitseinschränkung, bzw. zu verletzen versucht, und zwar eine weitere Beamtin und einen Beamten.

Bei der Strafbemessung wertere das Landesgericht als mildernd das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben war und verminderte Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin aufgrund von Alkoholisierung und der bei ihr vorliegenden psychiatrischen Erkrankungen, wenngleich sie zu den Tatzeitpunkten noch stets hinreichend in der Lage gewesen sei, das Unrecht ihres Verhaltens einzusehen und gemäß dieser Einsicht zu handeln. Als erschwerend wurde hingegen eine einschlägige Vorstrafe der Beschwerdeführerin in Ungarn sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Ein diversionelles Vorgehen sei hinsichtlich beider Angeklagten und auch in Hinblick auf die jeweilige Vorstrafenbelastung in Ungarn aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht gekommen. Aufgrund der Notwendigkeit einer langanhaltenden Verhaltenssteuerung, die nur durch die langjährigen Probezeiten gewährleistet werden könne, habe von der Möglichkeit, eine Geldstrafe statt eine Freiheitsstrafe zu verhängen, bei beiden Angeklagten kein Gebrauch gemacht werden können (vgl. aktenkundiges Strafurteil vom 29.07.2021).

1.2.8. Aufgrund des zitierten strafgerichtlichen Urteiles wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die im genannten Urteil festgestellten strafbaren Handlung begangen und sie das jeweils umschriebene Verhalten gesetzt hat.

1.2.9. Im Anschluss an die Untersuchungshaft wurde die Beschwerdeführerin aufgrund des bestehenden Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 4 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen (vgl. Anhalteprotokoll vom 29.07.2021, AS 59 ff; Festnahmeauftrag vom 31.05.2021, AS 67 ff).

Am 30.07.2021 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt niederschriftlich zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Abschiebung einvernommen (vgl. Niederschrift vom 30.07.2021, AS 79 ff).

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 30.07.2021 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet (vgl. Mandatsbescheid, AS 151 ff).

Am 02.08.2021 wurde die Beschwerdeführerin erstmals auf dem Landweg per Bahn aus dem Bundesgebiet nach Ungarn abgeschoben (vgl. Fremdenregisterauszug vom 06.09.2021).

Die Beschwerdeführerin reiste jedoch zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen 02.08.2021 und 07.08.2021 wieder in das Bundesgebiet ein. Am 07.08.2021 erschien die Beschwerdeführerin bei der Polizeiinspektion XXXX und erstattete gegen ihren Freund um 18:05 Uhr Anzeige wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung. Sie sei von ihrem Freund geschlagen worden und habe weiters angegeben, gegen sie bestünde ein Aufenthaltsverbot und müsse sie deswegen verhaftet werden. Daraufhin sei nach Rücksprache mit dem Bundesamt die Festnahme und Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden. Ein Alkoholvortest habe bei der Beschwerdeführerin 0,78 mg/l ergeben. Sie hätte Stimmungsschwankungen gezeigt und gegenüber den herbeigerufenen Sanitäterinnen eine drohende Haltung angenommen, sodass diese ihre Untersuchung nicht hätten beenden können. Auch habe die Beschwerdeführer ihr Mobiltelefon zu Boden geschleudert und ein Durchsichtfenster im Vorraum der Polizeiinspektion beschädigt. Auch der Freund sei später erschienen und auf freiem Fuß angezeigt worden (vgl. Polizeibericht vom 07.08.2021).

Die Beschwerdeführerin wurde am 07.08.2021 auf dem Landweg per PKW neuerlich nach Ungarn abgeschoben (vgl. Polizeibericht vom 07.08.2021; Fremdenregisterauszug vom 06.09.2021).

1.3. Die Beschwerdeführerin ist in Ungarn geboren und aufgewachsen. Sie ist mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet, lebt von diesem jedoch getrennt und hat mit ihm zwei gemeinsame, minderjährige Kinder im Alter von neun und sechzehn Jahren. Die Tochter wohnt beim Kindesvater und der Sohn bei der Schwester der Beschwerdeführerin, beide jeweils in Ungarn. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist bereits verstorben, ihren Vater kennt sie nicht. Sie hat mehrere Halbgeschwister und Verwandte mütterlicherseits, die in Ungarn leben. Zu diesen hat sie jedoch nur Kontakt über soziale Medien. In Österreich leben keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 30.07.2021, AS 83).

Mit Herrn XXXX , geboren am XXXX , ungarischer Staatsangehöriger, führt die Beschwerdeführerin eine Beziehung, lebte mit ihm in Österreich aber bisher nie im gemeinsamen Haushalt. Auch der Freund der Beschwerdeführerin ist bereits in Ungarn und Österreich vorbestraft. Er ging in Österreich bisher lediglich für drei Tage von 09.08.2021 bis 11.08.2021 einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit nach und war von 27.07.2021 bis 20.08.2021 mit einem Nebenwohnsitz und von 11.05.2021 bis 27.07.2021 mit Hauptwohnsitz in einer Obdachlosenunterkunft gemeldet. Zum Entscheidungszeitpunkt verfügt der Freund der Beschwerdeführerin über keinen Wohnsitz in Österreich. Auch gegen den Freund der Beschwerdeführerin wurde vom Bundesamt ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet (vgl. Fremdenregisterauszug, Auszug aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie den Sozialversicherungsdaten des Freundes vom jeweils vom 06.09.2021).

Maßgebliche private oder familiäre Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet liegen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin nimmt regelmäßig Medikamente wegen psychiatrischer Erkrankungen und zwar: Mirtazapin Hex Ftbl 30 mg, Olanzapin Ftbl 10 mg, Pantoprazol Act Msr Tbl 40 mg, Quetiapin + Ph Ftbl 100 mg, Quetiapin G.L. Ret 50 mg, Lactulose Gen Konz Or Lsg 500 ml, Anxiolit Tbl Fte 50 mg (vgl. AS 163). Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer Erkrankung leidet, die in Ungarn nicht behandelbar ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht holte den Verwaltungsvorakt, einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister, dem Schengener Informationssystem, den Sozialversicherungsdaten sowie des Strafregisters der Beschwerdeführerin und ihres Freundes ein.

Das genannte strafgerichtliche Urteil ist aktenkundig. Die vom Landesgericht für Strafsachen Wien in dessen Urteil getroffenen Feststellungen werden dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Es ergibt sich lediglich aus dem Akteninhalt, dass die Beschwerdeführerin wohl an psychiatrischen Erkrankungen leidet und entsprechende Medikamente einnimmt. Eine nur in Österreich mögliche Behandlung derselben oder eine darüber hinausgehende Erkrankung der Beschwerdeführerin, die in Ungarn nicht behandelbar wäre, wurde im Verfahren zu keiner Zeit vorgebracht und haben sich auch sonst keine Hinweise darauf ergeben.

Es leben keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in Österreich. Auch hat sie keinerlei substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass sie in Österreich über maßgebliche persönliche Bindungen verfügen würde. Der Verweis darauf, dass der Freund bzw. Lebensgefährte ungarischer Staatsangehörigkeit in Österreich leben und für die Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin aufkommen würde, wird schon durch Einsicht und Abfrage der Sozialversicherungs- und Meldedaten des Freundes der Beschwerdeführerin widerlegt. Außerdem wurde auch gegen den besagten Freund ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeleitet, ist er ebenfalls in Österreich und Ungarn vorbestraft und scheint es in der Beziehung zumindest am 07.08.2021 zu Gewalt zwischen der Beschwerdeführerin und dem Freund gekommen zu sein, sodass die Beschwerdeführerin, die entgegen des bereits erlassenen und vollziehbaren Aufenthaltsverbotes neuerlich ins Bundesgebiet eingereist war, bei der Polizei um ihre Festnahme und um Schutz vor dem Freund ersuchte. Von einer besonders engen bzw. festen Beziehung oder einem Abhängigkeitsverhältnis zum Freund ist schon aus diesem Grund nicht auszugehen.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin am 30.07.2021 von der Behörde zu ihrem Aufenthalt in Österreich und einer möglichen Abschiebung befragt wurde, anlässlich derer sie ihren Freund erwähnte und von einer Wohnung sprach, die dieser anmieten wollte, sodass sie sich dann dort ebenfalls melden könne. Wiewohl davon auszugehen ist, dass derartige Bemühungen unternommen wurden, obwohl diesbezügliche Nachweise unterblieben, so ist jedoch auch festzuhalten, dass letztendlich doch kein gemeinsamer Haushalt bestand. Im Übrigen ist noch darauf zu verweisen, dass auch der weitere Aufenthalt des Freundes der Beschwerdeführerin in Österreich aufgrund des gegen ihn eingeleiteten fremdenrechtlichen Verfahrens von Unsicherheit geprägt ist.

Die Beschwerdeführerin brachte weiters nicht vor, dass sie sich bereits fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte und ergibt sich dies auch weder aus den Melde- noch Sozialversicherungsdaten der Beschwerdeführerin in Österreich.

Eine maßgebliche Integration in sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht wurde nicht vorgebracht und haben sich auch sonst keine Hinweise darauf ergeben, zumal sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nur völlig unsubstantiiert darauf beruft, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zulässig wäre.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln, welche jeweils in Klammer zitiert und von der Beschwerdeführerin zu keiner Zeit bestritten wurden, sowie den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren und in der Beschwerde, welche der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.):

3.1. Vorweg ist zur Rüge in der gegenständlichen Beschwerde, die Beschwerdeführerin wäre durch die belangte Behörde in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, da neben schriftlichem Parteiengehör nur eine kurze persönliche Einvernahme stattgefunden habe, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu verweisen, wonach Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) sanierbar sind. Weiters führt eine behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, was der Beschwerdeführer durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen hat. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides kann aber dann nicht Platz greifen, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt hat, einen Verfahrensmangel aufzuzeigen, ohne konkret darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn der behauptete Verfahrensmangel nicht vorgelegen wäre (vgl. VwGH vom 29.01.2009, 2007/09/0033).

Ein solches Vorbringen hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht erstattet. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin am 30.07.2021 zu ihrem Aufenthalt in Österreich und einer möglichen Abschiebung gehört wurde, wo sie auch Angaben in Bezug auf ihren Freund und eine Wohnung, die dieser anmieten wollte, machte. Die Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt sowie das Beschwerdevorbringen werden im gegenständlichen Verfahren auch gewürdigt. Unter Verweis auf die beweiswürdigenden Ausführungen zu der im Inland geführten Beziehung und die Situation des Freundes der BF in Österreich konnte die Relevanz der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs in Bezug auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin jedoch nicht festgestellt werden.

3.2. Zum Aufenthaltsverbot:

§ 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei-und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Da von der Beschwerdeführerin, die aufgrund ihrer ungarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von §§ 66 und 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diese der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

Bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367 mwN).

Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.

Bei der von der Beschwerdeführerin zu erstellenden Gefährdungsprognose stehen ihre strafgerichtliche Verurteilung und das dieser zugrundeliegende Verhalten im Mittelpunkt.

So wurde die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet im Juli 2021 rechtskräftig strafgerichtlich wegen der Vergehen der mehrfachen Körperverletzung, darunter auch der Vergehen der teils versuchten und teils vollendeten schweren Körperverletzung sowie des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Auch wenn im Zuge der Strafbemessung das Landesgericht das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben war und verminderte Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin aufgrund von Alkoholisierung und der bei ihr vorliegenden psychiatrischen Erkrankungen, wenngleich sie zu den Tatzeitpunkten noch stets hinreichend in der Lage gewesen sei, das Unrecht ihres Verhaltens einzusehen und gemäß dieser Einsicht zu handeln, als mildernd wertete, so wurde hingegen als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe in Ungarn sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Ein diversionelles Vorgehen wurde vom Landesgericht wegen der Vorstrafenbelastung in Ungarn und der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht gezogen. Ebenso wenig erachtete das Landesgericht eine Geldstrafe als geeignet, die Beschwerdeführerin künftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Das von der Beschwerdeführerin gesetzte Verhalten zeigt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie offenbar auch schon in Ungarn einschlägig vorbestraft ist, sie trotz benötigter Psychopharmaka Alkohol konsumiert und dann nicht davor zurückschreckt, Personen wiederholt (teilweise schwer) am Körper zu verletzen, dass von ihr eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insbesondere an der Verhinderung Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen. Dass die Beschwerdeführerin eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbots zum Trotz neuerlich in das Bundesgebiet einreiste und inzwischen bereits ein zweites Mal abgeschoben werden musste, zeigt auch, dass sie nicht gewillt ist, Gesetze und behördliche Anordnungen zu befolgen.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des
§ 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und Tatsächlichkeit vorliegen muss.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 04.06.2009, 2006/18/0102; 24.02.2011, 2009/21/0387).

Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin erst am 29.07.2021 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, sie auch in Ungarn schon einschlägig vorbestraft ist, wie das Strafgericht feststellte, sowie aufgrund der beharrlichen Negierung eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes kann in Anbetracht der inzwischen verstrichenen kurzen Zeit von etwas über einem Monat, von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der Gefährdung durch die Beschwerdeführerin nicht ausgegangen werden, weshalb auch die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen an einer Verhinderung weiteren (schweren) Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit gegeben ist. Die Beschwerdeführerin vermochte auch nicht aufzuzeigen, dass sie aufgrund ihrer sozialen Bindungen oder ihrer Lebenssituation in Österreich einen Rückhalt finden würde, der ihr ein künftiges Wohlverhalten erleichtern würde.

Der Umstand, dass gegen die Beschwerdeführerin bereits von 2009 bis 2014 ein Aufenthaltsverbot bestanden, an welches sie sich zumindest über das Jahr 2010 hinweg nicht gehalten hat, gegen sie ein bis 2026 gültiges Waffenverbot in Österreich erlassen wurde, sie eingestanden hat, in Österreich „Schwarzarbeit“ nachgegangen zu sein, bisher keine ordentliche Unterkunft aufweisen konnte und entgegen dem bereits durchsetzbaren Aufenthaltsverbot neuerlich ins Bundesgebiet einreiste und hier schließlich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt wurde, macht viel mehr deutlich, dass die Beschwerdeführerin bisher keine Bemühungen unternahm, sich gesetzeskonform zu verhalten, sondern ihr Fehlverhalten auf vielschichtige Weise über einen langen Zeitraum fortsetzte und in seiner Gravität steigerte, weshalb im Ergebnis zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls keine positive Zukunftsprognose getroffen werden konnte. Angesichts dieses Gesamtfehlverhaltens und des Umstandes, dass bei der Beschwerdeführerin offenbar psychiatrische Erkrankungen vorliegen, die zwar medikamentös behandelt werden, sie aber dennoch Alkohol konsumiert, kann der belangten Behörde auch in Summe nicht entgegengetreten werden, wenn sie annahm, von der Beschwerdeführerin gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG aus, die ein massives Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen, zumal die Beschwerdeführerin keine familiären Bindungen im Bundesgebiet hat und auch ein maßgebliches und berücksichtigungswürdiges Privatleben der Beschwerdeführerin iSd Art. 8 EMRK nicht hervorgekommen ist. Die beiden Kinder und der Ehemann der Beschwerdeführerin, von dem sie getrennt lebt, sowie auch ihre Schwester leben in Ungarn. Weiters ergibt sich aus den Feststellungen, dass sich wohl der Freund der Beschwerdeführerin nicht mehr in Österreich aufhält bzw. gegen ihn ebenfalls ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme geführt wird. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich bisher keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen und hat ihren Lebensunterhalt hier einerseits durch Zuwendungen in der Obdachlosenunterkunft und andererseits durch Ausübung illegaler Beschäftigungen erwirtschaftet. Sie verfügt auch nie über eine Anmeldebescheinigung. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin liegt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nach wie vor in Ungarn.

Die aus seinem Aufenthalt ableitbare Integration des Fremden ist in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende Fehlverhalten wesentlich reduziert ist (vgl. etwa VwGH vom 28.09.2004, 2001/18/0221).

Ein maßgebliches schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich liegt daher gegenständlich nicht vor.

Angesichts des besagten wiederholten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch die Beschwerdeführerin, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die (allenfalls vorliegenden) gegenläufigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist auch die Bemessung der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden und einer Reduktion nicht zugänglich:

Die Beschwerdeführerin hat trotz eines bereits einmal gegen sie in Österreich erlassenen Aufenthaltsverbotes bei einem neuerlichen Aufenthalt in Österreich wieder strafbares Verhalten gesetzt. Wenngleich das Strafgericht mit einer bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden hat, so handelte es sich um dennoch um eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, obwohl es sich um die erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich gehandelt hat. In Anbetracht der konkreten Straftaten der Beschwerdeführerin und basierend auf der im konkreten Fall derzeit negativen Zukunftsprognose bei bestehenden und behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankungen der Beschwerdeführerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von drei Jahren angemessen und erforderlich, um einen allfälligen Sinneswandel der Beschwerdeführerin herbeiführen zu können, zumal bei der Beschwerdeführerin keine besonders berücksichtigen privaten oder familiären Bindungen im Bundesgebiet vorliegen, die eine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würden.

3.2. Zum Durchsetzungsaufschub und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid weiters gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Im Zuge der Nichtzuerkennung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat das Bundesamt entgegen der ständigen Rechtsprechung des VwGH lediglich auf die Gründe verwiesen, die zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes geführt haben.

Zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 70 Abs. 3 FPG 2005, nämlich § 86 Abs. 3 FPG 2005 in der bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2011 am 1. Juli 2011 geltenden Stammfassung, judizierte der VwGH, dass die ausnahmsweise Nichtgewährung des einem Fremden zustehenden Durchsetzungsaufschubes einer besonderen, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Erwägungen hinausgehenden Begründung bedarf, verlangt doch die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose, der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (vgl. VwGH 31.3.2008, 2008/21/0127). Allgemein auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmende Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes daher keinesfalls zu ersetzen (siehe VwGH 23.10.2008, 2008/21/0325). In Bezug auf § 70 Abs. 3 FPG 2005 (in der seit 1. Juli 2011 unverändert geltenden Fassung des FrÄG 2011) vermögen Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes keinesfalls zu ersetzen (vgl. VwGH vom 16.01.2020, Ra 2019/21/0360, mit Verweis auf VwGH vom 12.09.2013, 2013/21/0094).

Demnach ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom BFA abzuerkennen, wenn - wie bei der Versagung eines Durchsetzungsaufschubs nach
§ 70 Abs. 3 FPG 2005 - die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Dafür genügt es nicht, auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG 2014 mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - erforderlich ist (vgl. VwGH vom 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid weder hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Durchsetzungsaufschubes noch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthalten.

Im Ergebnis jedoch wurde dem Beschwerdeführer zu Recht kein Durchsetzungsaufschub zuerkannt: Sie verfügt in Österreich über keine maßgeblichen Bindungen und keine nachweisliche Unterkunft. Vielmehr war er ein einziges Mal (abgesehen von der Zeit der Untersuchungshaft) in Österreich mit einem Wohnsitz in einer Obdachlosenunterkunft gemeldet. Sie ging keiner sozialversicherten Beschäftigung nach und kehrte – entgegen dem bereits durchsetzbaren Aufenthaltsverbot kurz nach ihrer Abschiebung neuerlich ins Bundesgebiet zurück. Sie hat keine persönlichen Verhältnisse in Österreich zu regeln. Weiters hat die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten im Bundesgebiet – auch nach der neuerlichen Einreise auf der Polizeiinspektion, besonders gegenüber den herbeigerufenen Sanitäterinnen – dargelegt, dass sie offenbar nicht gewillt bzw. aufgrund ihrer psychiatrischen Erkrankungen eventuell gar nicht in der Lage ist, sich an die (österreichische) Rechtsordnung zu halten. Im Ergebnis wurde der Durchsetzungsaufschub zu Recht nicht zuerkannt.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin nicht davor zurückschreckt, Gewalt gegenüber Menschen anzudrohen oder anzuwenden, insbesondere unter Alkoholeinfluss. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass es bei der Beschwerdeführerin nicht jederzeit wieder zu einer Gewaltausübung gegenüber einem Menschen kommen könnte, sodass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung daher auch im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war, zumal die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Verletzung ihrer Rechte iSd EMRK, insbesondere jene des Art. 2 und Art. 3 EMRK nicht behauptet hat und für das erkennende Gericht keine Gründe ersichtlich gewesen sind, dass dem tatsächlich der Fall gewesen wäre.

Schließlich hält sich die Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt in Ungarn auf, sodass darauf nicht mehr näher einzugehen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch hinsichtlich der für die Abwägung nach Art. 8 EMRK sonst relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt, daraus aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten ist. Eine beantragte mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Umstände auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen (allenfalls positiven) persönlichen Eindruck verschafft (vgl VwGH 26.01.2017, Ra 2017/21/0233).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Eine weitere Herabsetzung oder ein Entfall des Aufenthaltsverbotes bei Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung käme selbst bei einem von der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht hinterlassenen positiven Eindruck nicht in Betracht, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben konnte.

In der Beschwerde wird auch nicht ausgeführt, was bei einer neuerlichen persönlichen Anhörung (das bei der Behörde erstattete Vorbringen, sowie der Verlauf der Einvernahme wurde in einer entsprechenden Niederschrift, der die Beweiskraft des § 15 AVG unwiderlegt zukommt, festgehalten) konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können.

So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies – so wie im gegenständlichen Fall – unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme iSe hier Beschwerdeverhandlung.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Aufenthaltsverbotes und zur Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G315.2245228.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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