Entscheidungsdatum
22.09.2021Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W247 2242476-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2021, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2021 und nach Stellung eines Vorlageantrages, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 7 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 4, sowie 8 Abs. 1 Z 2 und § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 04.05.2021 bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe, sowie dem muslimischen Glauben zugehörig.
I. Verfahrensgang:
1. Der BF reiste am 30.05.2005, gemeinsam mit seinen Eltern und seinen (damals) vier Geschwistern, unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte seine Mutter, XXXX , geb. am XXXX , für diesen als seine gesetzliche Vertreterin, einen Asylantrag. Für den BF wurden dabei keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf die seiner Mutter berufen. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 26.09.2005, Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des BF im Familienverfahren gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Der dagegen erhobenen Berufung vom 11.10.2005 wurde mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 10.03.2006, Zl. XXXX , stattgegeben und dem BF im Familienverfahren gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt, sowie festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetztes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Nach den Feststellungen habe der BF im Jahr 2000 mit seinen Eltern und seinem Bruder in XXXX gelebt, da es zu dieser Zeit in XXXX zu gefährlich gewesen sei und seien an deren Hof in XXXX Säuberungen durchgeführt worden. Die Mutter des BF sei nach einem Streit mit einem Offizier wegen gestohlenen Geldes, vergewaltigt worden, nachdem der BF schwer verletzt worden sei, weil er versucht habe seine Mutter zu verteidigen. Der Offizier habe der Mutter des BF Vorhaltungen wegen ihrer Ehe mit einem Tschetschenen gemacht und habe dem BF mit einem Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen, wodurch dieser einen Schädelbruch erlitten habe. Die Mutter des Vaters des BF habe die Vergewaltigung miterlebt. Dem Vater des BF sei von diesem Vorfall, weder von seiner Mutter, noch von seiner Ehefrau berichtet worden. Die Mutter des Vaters des BF sei zwei Wochen nach dem Vorfall verstorben. Die Mutter des BF habe bereits damals Tschetschenien verlassen wollen, habe den Vater des BF davon aber nicht überzeugen können. Im Dezember 2004 sei der Vater des BF nach einer Passkontrolle, die im Haus eines Freundes, bei dem die Familie gelebt habe, durchgeführt worden sei, festgenommen und für 2 bis 3 Stunden in ein verlassenes Haus gebracht worden. Der Vater des BF sei dort befragt worden, ob er etwas über Widerstandskämpfer wüsste. Am 23.04.2005 sei der Vater des BF erneut festgenommen und für 5 bis 6 Stunden festgehalten worden. Bei dieser Anhaltung sei er geschlagen und ihm ein Sack über den Kopf gestülpt worden. Der Vater des BF sei auch mit Waffen bedroht und erst freigelassen worden, nachdem er sich schriftlich verpflichtet habe, mit den Russen zusammenzuarbeiten. Als möglichen Grund für die Festnahme gab der Vater des BF damals an, dass er gemeinsam mit seinem Bruder Widerstandskämpfer mit Geld und Lebensmitteln unterstützt habe, sein Bruder im Jahr 2002 verschleppt worden und seit damals verschwunden sei. Die Tante des BF hat im damaligen Verfahren per Fax eine Bestätigung der russischen Behörden übermittelt, aus der ersichtlich sei, dass der Onkel des BF offiziell als vermisst gelte. Der Onkel des BF sei Kommandant in einem Flüchtlingslager in Inguschetien gewesen und sei auf diese Weise an Lebensmittel herangekommen. Aus Angst vor einer weiteren Festnahme bzw. einer Verschleppung habe der Vater des BF seine Heimat gemeinsam mit seiner Familie verlassen. Aufgrund der Lage ethnischer Tschetschenen bestünde für den BF eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr. Für den Vater des BF, der zweimal festgenommen und einmal misshandelt worden sei, kam die Berufungsbehörde zum Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der Verschleppung seines Bruders, der aktiv Widerstandskämpfer unterstützt habe, und der Festnahme des Vaters des BF nicht ausgeschlossen werden könne. Doch auch die Lage der Mutter des BF habe aufgrund ihrer russischen Ethnie und der Ehe mit einem Tschetschenen, womit sie weder von russischer noch von tschetschenischer Seite akzeptiert wurde, berücksichtigt werden müssen. Dem BF wurde daher im Familienverfahren der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
2. Am 02.03.2018 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses, der mit Bescheid vom 29.05.2018, Zl. XXXX , abgewiesen wurde. Begründend wurde darin ausgeführt, dass der BF aufgrund seiner mehrfachen Straffälligkeit, unter anderem zur Finanzierung seiner Suchtmittelproblematik, wie von ihm selbst gestanden, einen Versagungsgrund zur Ausstellung eines Konventionsreisepasses gesetzt habe. An der Unterbindung des Suchtgifthandels bestünde ein großes öffentliches Interesse und könne dem BF aufgrund seines Fehlverhaltens und der Berücksichtigung, dass Suchtgiftdelikten eine besonders hohe Wiederholungsgefahr innewohne, weshalb die Gefahr bestehe, dass der BF den Konventionsreisepass dazu benutze, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen, keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.
3. Der BF stellte daraufhin am 06.06.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer „Identitätskarte für Fremde gemäß § 94a FPG“, dem mit Schreiben vom 11.06.2018 entsprochen wurde.
4. Aufgrund mehrfacher Straffälligkeit des BF wurde mit Aktenvermerk der belangten Behörde vom 30.12.2020 ein Aberkennungsverfahren gegen den BF infolge geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat eingeleitet.
5.1. Anlässlich der Prüfung seines Aberkennungsverfahrens wurde der BF am 26.01.2021 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und von der Prüfung eines Aberkennungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Im Zuge dessen gab er an, dass er perfekt Deutsch und etwas Russisch spreche. Sein Russisch habe sich jedoch nach den Jahren verschlechtert. Er sei einverstanden die Einvernahme auf Deutsch zu führen. Der BF habe eine Therapie absolviert, weil er in Tschetschenien ein Trauma erlitten hätte. Er habe eine posttraumatische Belastungsstörung, weil ihm von einem russischen Soldaten mit einem Maschinengewähr auf den Schädel geschlagen worden sei. Er hasse dieses Land und habe viel Schlimmes erlebt. Der BF arbeite an sich, um seine posttraumatische Belastungsstörung in den Griff zu bekommen. Er sei drogenabhängig gewesen, um alles zu unterdrücken und habe alles Mögliche genommen, damit er die Flashbacks und Bilder unterdrücke. Der BF habe danach eine Therapie gemacht, doch dauere es bis man alles komplett in den Griff bekommen habe. Er habe die Therapie von 03.09.2018 bis 04.10.2019 absolviert. Der BF fühle sich heute in der Lage der Einvernahme zu folgen. Er habe zwar oft Panikattacken, aber habe sich nun entspannt. Der BF nehme regelmäßig Medikamente und stehe in ärztlicher Behandlung. Nach dem Lockdown, wolle er erneut eine Therapie machen. In 2-3 Jahren könne man eine posttraumatische Belastungsstörung und Panikattacken nicht komplett hinter sich lassen. Der BF wolle noch eine Therapie absolvieren und sei auch derzeit bei einem Psychiater. Es gehe ihm schon viel besser und habe er sich zu früher verändert. Er schäme sich dafür, wie er früher gewesen sei und habe nun auch eine österreichische Lebensgefährtin. Durch sie gehe es dem BF besser und würden sie sich oft besuchen. Seine Freundin wohne auf dem Land, dort sei es sehr schön und hätten sie eine gute Partnerschaft. Der BF habe eine andere Sicht auf das Leben, keine traditionelle. Er habe deswegen oft Streit mit seinen Eltern gehabt, weil sie sehr traditionell seien. Bei ihnen sei es nicht so, dass man händchenhaltend durch die Stadt gehen dürfe. Seine Eltern hätten nun jedoch akzeptiert, dass der BF eine österreichische Freundin habe. Der BF und seine Freundin würden auch heiraten und zusammenleben wollen.
5.2. Der BF heiße XXXX , sei russischer Staatsangehöriger und am XXXX in XXXX , Tschetschenien, geboren. Er bekenne sich zum Islam, halte sich jedoch an nichts und lebe neutral. Seine Freundin sei römisch-katholisch, jedoch auch nicht religiös. Sie würden neutral leben. Der BF sei seit Jahren in keiner Moschee mehr gewesen. Seine Mutter heiße XXXX , geb. am XXXX , sein Vater heiße XXXX , geb. am XXXX und habe der BF fünf Geschwister: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX . Insgesamt seien sie 6 Kinder, die Geburtsdaten wisse der BF leider nicht auswendig. Er selbst lebe in einer Lebensgemeinschaft und habe seine Lebensgefährtin nach muslimischen Recht geheiratet, damit seine Eltern Ruhe geben. Der BF habe keine Kinder und wohne alleine in XXXX , XXXX . Sein Vater habe einen Bruder, der entführt worden sei. Dessen Frau und Kinder würden in Österreich leben. Der BF habe in Österreich mit der zweiten Hauptschule begonnen. Danach habe er in die polytechnische Schule gehen wollen, dort sei er jedoch nur 2-3 Monate gewesen. Danach habe er Alkoholprobleme bekommen, er sei süchtig gewesen. Damals sei er 15 Jahre alt und traumatisiert gewesen, er habe versucht es mit Alkohol zu dämpfen. Der BF sei mit falschen Leuten zusammengekommen und ins Gefängnis gekommen. Er erinnere sich nicht gerne daran, es sei ein Schandfleck in seinem Leben und habe er sich persönlich verändert. Der BF wolle Feuerwehrmann werden, oder etwas Soziales machen. Er könne das alles jedoch nicht machen, weil er diese Vorstrafen hätte. Der BF bereue es sehr und habe in Haft eine Gastronomielehre begonnen. Er sei dann entlassen worden und habe nicht weitergemacht, weil es nicht wirklich sein Beruf gewesen sei. Der BF sei zweimal in Haft gewesen, kurze Zeit später habe er mit Drogen „zu spielen“ begonnen, dann sei er erneut 2 ½ Jahre in Haft gewesen. Als er entlassen worden sei, habe der BF Gelegenheitsjobs gemacht und einen Wifi-Kurs absolviert. Dann hätten die Probleme mit den Drogen richtig begonnen, weil das Gefängnis das Trauma von Tschetschenien noch verstärkt hätte. Der BF habe Hilfe bekommen und versuche seither sich davon fernzuhalten. Es sei kein Leben und falle es ihm schwer darüber zu sprechen. Auch die Persönlichkeit verändere sich mit Drogen und mache man Sachen, die man sonst nicht machen würde. Als er entlassen worden sei, habe er Probleme mit den Drogen gehabt und habe er 2018 einen Therapieplatz bekommen. 2019 habe der BF die Therapie positiv abgeschlossen und gehe es ihm seither viel besser. Er sei ein anderer Mensch, nehme jedoch noch Medikamente, weil es dauere bis man komplett geheilt sei. Derzeit lebe der BF von AMS-Geld und der Mindestsicherung. Er habe bei XXXX als Leiharbeiter etwa ein halbes Jahr in der Produktion gearbeitet und hätten sie ihn übernehmen wollen. Nachdem sie das Leumundszeugnis des BF gesehen hätten, hätten sie ihn jedoch gekündigt. Es sei schwer einen Job zu finden, wenn man kein reines Leumundszeugnis habe, deshalb bereue er auch was er gemacht habe. Die Freundin des BF habe einen Job. Die Gutachter hätten zum BF gesagt, dass er arbeitsunfähig sei und solle er zuerst versuchen wieder vollständig gesund zu werden. Der BF habe auch schon mit seiner Freundin bezüglich Selbständigkeit gesprochen, damit er sich selbst etwas aufbauen könne. Sein Bewährungshelfer habe ihm auch gesagt, dass man mit Panikattacken nicht wirklich arbeitsfähig sei. Der BF hoffe aber, mit der erneuten Therapie, dass es ihm bessergehe und er eine Arbeit finde. Tschetschenien habe ihn psychisch fertiggemacht. Er sei blond, spreche die Sprache nicht sehr gut, weshalb er auch gehänselt worden sei und Probleme gehabt habe. Der BF habe seinen Eltern gesagt, dass er mit diesem Land nie wieder etwas zu tun haben wolle. Bei dem Anschlag habe der BF einen Schädelbasisbruch erlitten. Es gäbe Menschen, die dieses Leid ein Leben lang verfolgt, wenn sie es sehen. Der BF versuche alles, um ein „sauberer“ Bürger zu sein, er wolle sozial sein und schäme sich gegenüber dem Staat Österreich, dass er solche Dinge getan habe. Wenn der BF seine Freundin geheiratet habe, würden sie ein Grundstück am Land haben wollen und Tieren helfen. Der BF wolle dem Land etwas zurückgeben. Man könne nicht nur nehmen, sondern müsse auch etwas zurückgeben. Das monatliche Nettoeinkommen des BF seien EUR 671,- an Sozialhilfe und EUR 240,- vom AMS. Früher habe er viel Sport gemacht. Aufgrund seiner Krankheit habe der BF in letzter Zeit viel Zeit zu Hause verbracht. Seine Freundin habe ihn aus diesem Loch geholt, auch seine Therapeutin. Der BF liebe Sport, Fahrradfahren etc. Lange habe der BF auch mit seiner Familie keinen Kontakt gehabt, weil sie seine Freundin nicht akzeptiert hätten. Wenn der Lockdown vorbei sei, wolle der BF eine neue Therapie beginnen. Beruflich wolle er auch etwas erreichen, es sei jedoch nicht einfach mit den Panikattacken und den Flashbacks. Was früher mit den Drogen unterdrückt worden sei, stoße heute wieder hoch. Der BF sei nicht in einem Verein aktiv und habe er derzeit nicht wirklich einen Freundeskreis. Er habe einen Freund in Graz, der verheiratet sei. Mit den Leuten, mit denen er früher unterwegs gewesen sei, wolle er nichts mehr zu tun haben. Freunde oder Verwandte habe er im Herkunftsstaat nicht wirklich. Auch zu seiner Familie habe er keine gute Beziehung und die Politik in Tschetschenien interessiere den BF überhaupt nicht. Er verfüge über keinen russischen Reisepass und habe lediglich die gelbe Karte. Der BF sei nicht im Besitz russischer Personaldokumente. Er glaube, dass seine Mutter seine russische Geburtsurkunde habe, diese habe der BF allerdings nicht dabei. Mit den russischen Behörden habe der BF noch nie Kontakt gehabt. Seitdem er in Österreich lebe, sei er nie in Russland gewesen. Er sei nur in Deutschland bei seiner Tante gewesen. Nach Russland habe er nie gewollt. Wenn einem ein Land so viel zufüge, wolle man damit nichts mehr zu tun haben. Das Leben des BF sei wieder in Ordnung, er habe eine Wohnung und eine Freundin. Es gehe bergauf. Zuletzt habe sich der BF im Jahr 2005 im Herkunftsstaat aufgehalten und sei er seit dem Jahr 2006 in Österreich asylberechtigt. Sie seien Kriegsflüchtlinge gewesen. Der Vater des BF habe große Probleme im Herkunftsstaat gehabt, dann seien sie geflohen. An gute Zeiten könne sich der BF nicht erinnern, man sei wie Müll behandelt worden. Der BF habe die Gewalt selbst mitbekommen, er sei selbst auch schwer verletzt worden. Eigene Fluchtgründe habe der BF nicht.
5.3. Zu seinen Straftaten befragt, gab der BF an, dass diese mit seinen Suchtproblemen zusammenhängen würden. Er habe gestohlen, um sich Drogen kaufen zu können. Er sei jetzt weg von den Drogen, damals habe er sich nicht unter Kontrolle gehabt und eine schwere Zeit gehabt. Er sei froh, dass das Gericht ihm geholfen habe und er eine Therapie habe absolvieren dürfen. Das Trauma komme jetzt jedoch mehr hoch, wenn er nichts mehr konsumiere. Die Freundin des BF helfe ihm sehr und auch das Verhältnis zu seiner Familie sei besser. Das Leben des BF bessere sich. Für den BF wäre es das Schlimmste wenn er wieder zurück nach Russland müsste. Er spreche die Sprache nicht, sei blond und habe Angst vor diesem Land. Es habe seine Psyche zerstört. Er rede nicht einmal gern über dieses Land. Der BF glaube, dass man dort nie wirklich sicher sein werde. Er sei nicht rückkehrwillig und habe Angst vor diesem Land. Er hoffe, dass Österreich ihm noch eine Chance gebe. Der BF werde versuchen sozial zu helfen, seine Freundin habe ihn verändert und helfe ihm.
6.1. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 03.02.2021 wurde dem BF der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), kein Aufenthaltstitel nach § 57 erteilt (Spruchpunkt III.), und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei. Dem BF wurde gemäß § 58 Abs. 2 und 3 iVm § 55 Abs. 2 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt IV.).
6.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet, zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte aus, dass auch seinen Familienangehörigen, von welchen der BF den Asylstatus abgeleitet bekommen habe, der Asylstatus bereits rechtskräftig aberkannt worden sei. Die Lage im Herkunftsstaat des BF habe sich grundlegend geändert und seien im Zuge seines Aberkennungsverfahrens keine Umstände hervorgekommen, die eine aktuelle Verfolgung des BF oder seinen Familienangehörigen begründen könnten. Stichhaltige Gründe, die gegen eine Rückkehr des BF in die Russische Föderation sprechen würden und die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erforderlich machen würden, seien nicht festgestellt worden, doch verfüge der BF über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich, wobei eine Rückkehrentscheidung einen nicht gerechtfertigten Eingriff darstellen würde, weshalb eine Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig sei.
7.1. Mit eingebrachtem Schriftsatz vom 05.03.2021 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des BF Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 11.02.2021, hinsichtlich Spruchpunkt I. bis III. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, erhoben. Begründend wurde beschwerdeseitig im Wesentlichen zunächst der Sachverhalt und der Verfahrensgang erneut dargelegt, insbesondere ausgeführt, dass der BF mit einer österreichischen Staatsbürgerin, XXXX , eine Lebensgemeinschaft führe und eine standesamtliche Eheschließung für das Jahr 2021 geplant sei. Danach sei auch die Begründung eines gemeinsamen Haushaltes geplant. Der BF spreche kaum Tschetschenisch, er sei nicht in der Lage in dieser Sprache eine Unterhaltung zu führen, weshalb er schon von anderen Tschetschenen gehänselt worden sei. Mit seinen Eltern spreche der BF Russisch, wobei er auch in dieser Sprache immer wieder Schwierigkeiten habe sich richtig auszudrücken und kenne er viele Wörter nicht. Seine Verwandten in Tschetschenien (Onkeln und Tanten) in Tschetschenien kenne der BF nicht mehr und bestehe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu diesen. Der Onkel des BF väterlicherseits sei von russischen Soldaten entführt worden und gelte bis heute als verschollen. Die Mutter des BF sei ethnische Russin, weshalb sie von den Geschwistern des Vaters des BF, welche noch in Tschetschenien leben, abgelehnt würde. Daher könne der BF im Falle einer Rückkehr keinesfalls mit deren Unterstützung rechnen.
7.2. Wenn die belangte Behörde ausführe, dass den Familienangehörigen des BF, von denen der BF den Asylstatus abgeleitet bekommen habe, der Asylstatus rechtskräftig aberkannt worden sei, sei das unrichtig und aktenwidrig, weil der Vater des BF am 11.02.2021 eine Beschwerde gegen seinen Aberkennungsbescheid eingebracht habe, die zu XXXX vor dem BVwG anhängig sei. Aus diesem Grund werde der Antrag gestellt, das Beschwerdeverfahren des BF mit jenem seines Vaters gemäß § 39 Abs. 2 AVG zu verbinden. Weitere Aktenwidrigkeiten würden sich im Bescheid finden: So sei an keiner Stelle der Einvernahme zu entnehmen, dass der BF keine Bedenken gegen eine erneute Ausstellung eines russischen Reisepasses geäußert habe. Vielmehr gehe aus der Niederschrift hervor, dass er noch nie mit den russischen Behörden Kontakt gehabt hätte, seitdem er in Österreich lebe und nie nach Russland wolle. Auch hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit läge eine Aktenwidrigkeit vor, aus dem Abschlussbericht der Bewährungshilfe gehe eindeutig hervor, dass derzeit von keiner Arbeitsfähigkeit ausgegangen werde. In der Beweiswürdigung habe sich die belangte Behörde damit nicht auseinandergesetzt, sondern lege ihrem Bescheid unsubstantiierte Tatsachenfeststellungen zugrunde.
7.3. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, sich mit dem Vorbringen des BF in der Einvernahme vom 26.01.2021 zu beschäftigen. Der BF habe sehr wohl angeführt, eine aktuelle und individuelle Verfolgung in Tschetschenien zu befürchten und verweise die belangte Behörde diesbezüglich auf S. 4 des angefochtenen Bescheides. Aus den Angaben des BF gehe klar hervor, dass er einen Schädelbasisbruch erlitten habe, weshalb der BF bis dato an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung und Panikattacken leide. Ihm falle es schwer alleine überhaupt das Haus zu verlassen. Insgesamt habe der BF eine schwere Abneigung gegen Tschetschenien entwickelt und halte sich nicht an die islamischen Vorschriften. In einer Moschee sei er seit Jahren nicht gewesen. Die posttraumatische Belastungsstörung sei für die belangte Behörde leicht zu erkennen gewesen, da der BF bereits zu Beginn der Einvernahme am 26.01.2021 an deutlichen Angstzuständen gelitten habe und dies auch aus den vorgelegten Unterlagen hervorgehe. Selbst wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass posttraumatische Belastungsstörungen in der Russischen Föderation behandelbar seien, müsse berücksichtigt werden, woher die Erkrankung stamme. Es sei allgemein bekannt, dass derartige Erkrankungen im Erleben einer lebensbedrohlichen Situation gründen. Damit habe sich die belangte Behörde jedoch gar nicht auseinandergesetzt. Aufgrund der extremen Abneigung des BF gegenüber seinem Heimatland, in Verbindung mit seinen psychischen Problemen würde der BF bei einer Rückkehr Gefahr laufen, in den Fokus der staatlichen Behörden zu geraten. Aufgrund seiner schweren psychischen Beeinträchtigungen wäre es dem BF nicht möglich sich „unauffällig“ zu verhalten und würde er staatlichen Behörden verdächtig vorkommen. Auch die Drogensucht des BF, derzeit befinde er sich in Substitutionstherapie, welche durch eine Retraumatisierung durch eine Abschiebung in sein Heimatland mit hoher Wahrscheinlichkeit reaktiviert werden könnte, würde zu einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat führen. Mit seiner Drogensucht eng verbunden, seien die psychischen Erkrankungen des BF. Hinzukomme, dass der BF eine Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin führe, welche sich zum christlichen Glauben bekenne. Aus diesem Grund habe der BF bei einer Rückkehr mit Diskriminierungen zu rechnen. Jedenfalls werde er deshalb von seinen in Tschetschenien lebenden Familienangehörigen abgelehnt. Die belangte Behörde ignoriere, dass der BF kaum Tschetschenisch spreche und lediglich der russischen Sprache auf mittelmäßigem Niveau mächtig sei. Aufgrund der Kumulation seiner Eigenschaften sei damit zu rechnen, dass der BF in den Fokus staatlicher Behörden gerate und mit einer asylrelevanten Verfolgung zu rechnen habe. Zum Beleg seiner psychischen Probleme im Alltag und seiner familiären Schwierigkeiten beantrage der BF die zeugenschaftliche Einvernahme seiner österreichischen Lebensgefährtin.
7.4. Hätte die belangte Behörde die Aussagen des BF in seiner Einvernahme gewissenhaft ausgewertet, so hätte sie feststellen müssen, dass er eigene, aktuelle Verfolgungsgründe vorzuweisen habe. Stattdessen habe sich die belangte Behörde damit begnügt, auf die Aberkennungsgründe im Familienverfahren mit seinen Eltern hinzuweisen, ohne auf seine eigenen Fluchtgründe einzugehen.
7.5. Die belangte Behörde habe seiner Entscheidung mangelhafte Länderfeststellungen zugrunde gelegt und werde diesbezüglich auf Entscheidungen des VfGH verwiesen. Es sei vom VfGH gefordert, dass Länderfeststellungen nicht nur allgemein gehalten sein dürfen, sondern müssten sie sich mit der allgemeinen Situation des BF befassen. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde in casu nicht genügt und habe sie es unterlassen Ermittlungen hinsichtlich der Probleme psychisch Erkrankter und drogenabhängiger Personen durchzuführen. Es werde daher ausschnittsweise auf einen näher genannten NGO-Bericht zur Menschenrechtslage verwiesen, aus welchem hervorgehe, dass die von der WHO empfohlene Opioid-Substitutionstherapie, auf welche der BF angewiesen sei, in Russland verboten sei. Die Länderberichte seien auch in Hinblick auf die Lage von im Westen aufgewachsenen jungen Tschetschenen ohne Netzwerk und Tschetschenischkenntnisse mangelhaft, weshalb auf mehrere ACOORD-Anfragebeantwortungen verwiesen werde: 1.) Tschetschenien: Lage von im Westen aufgewachsenen jungen Tschetschenen ohne Netzwerk und Tschetschenischkenntnissen; 2.) Lage von jungen Tschetschenen ohne Netzwerk und ohne Russischkenntnisse (außerhalb Tschetscheniens); Behandlung durch Behörden, wenn sie keine Erwerbsmöglichkeiten finden; 3.) Tschetschenien: Zwangsrekrutierung zu militärischen/paramilitärischen/polizeilichen oder bewaffneten Kräften/Einheiten (nicht Armee); Auslandseinsatz, Tätigkeiten, Folgen einer Weigerung.
7.6. Tatsächlich gehöre der BF zu den Ausnahmen, die tatsächlichen so gut wie kein Tschetschenisch mehr sprächen, weil seine Mutter ethnische Russin sei und in seiner Familie zu Hause immer Russisch gesprochen worden sei. In Tschetschenien sei der BF das letzte Mal im Alter von 12 Jahren gewesen – der BF habe mit seit etwa 16 Jahren kein Tschetschenisch mehr gesprochen und sei dieser Sprache „entfremdet“. Zu seinen in Tschetschenien lebenden Onkeln und Tanten habe der BF kein gutes Verhältnis und sei ihm nicht bekannt, wer von ihnen noch lebe. Bei einer Rückkehr könne er nicht mit der Unterstützung seiner Verwandten rechnen.
7.7. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig, tendenziös und teilweise unrichtig. Die belangte Behörde beschränke sich auf die Feststellung, dass heute im Allgemeinen nicht mehr von einer Verfolgung von Kämpfern (und deren Angehörigen) des ersten oder zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund der Teilnahme an Kriegshandlungen auszugehen sei, ohne sich mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen. Die belangte Behörde habe auch keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der Verfolgung ehemaliger Widerstandskämpfer und deren Angehörigen getroffen. Diesbezüglich werde ausschnittsweise auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 31.01.2020 verwiesen. Daraus sei zu entnehmen, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsstaat des BF keineswegs geändert hätten und auch außerhalb Tschetscheniens keine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative bestünde. Da weder der BF, noch seine Familie eine Regierungsamnestie akzeptiert hätten und es zu keiner Versöhnung gekommen sei, sei er immer noch von der gleichen staatlichen Verfolgung betroffen. Aus dem Bericht Russland/Inguschetien: Gefährdung Verwandter von Terrorverdächtigen (staatliche Verfolgung, Blutrache)“ vom 24.05.2018 gehe hervor, dass staatliche Behörden auch gegen unliebsame Zivilpersonen mit aller Härte vorgehen würden. Hätte die belangte Behörde die zitierten Länderberichte in ihre Entscheidung einfließen lassen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verfolgungsgründe des BF noch immer aufrecht seien.
7.8. Der BF sei im Kindesalter von einem russischen Soldaten schwer misshandelt worden, indem dieser ihm mit einem Maschinengewehr derart hart auf den Kopf geschlagen habe, dass dieser einen Schädelbasisbruch erlitten habe. Aufgrund dieser schweren Misshandlungen, die zu einer potentiell tödlichen Verletzung geführt hätten, sei der BF immer noch schwer traumatisiert und beeinträchtigt, dass er seinen Alltag nicht bewältigen könne. Regelmäßige Panikattacken, die generelle Angst seine Wohnung zu verlassen und vor alltäglichen Begebenheiten seien die Folge. Da der BF Opfer von Gewalt durch staatliche Behörden in seinem Heimatland gewesen und er immer noch schwer traumatisiert sei, treffe die Ausnahme von der Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK auf ihn zu. Gegenständlich sei es aber ohnehin zu keinem Wegfall der Umstände gekommen, weil die belangte Behörde die Judikatur des VwGH, wonach es bei der Aberkennung des Status des Asylberechtigten aufgrund eines Endigungsgrundes iSd Art. 1 Abschnitt C GFK im Familienverfahren auf die Fluchtgründe der Bezugsperson abzustellen sei, nicht ausreichend beachtet habe. Die belangte Behörde übersehe, dass der BF den Status des Asylberechtigten von seinem Vater abgeleitet erhalten habe und sich dieser noch im laufenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG befinde. Für die Beurteilung, ob die Fluchtgründe seiner Bezugsperson tatsächlich nicht mehr bestünden, werde der rechtskräftige Abschluss des Beschwerdeverfahrens des Vaters des BF abzuwarten sein. Auch habe die belangte Behörde verkannt, dass der BF mehrere eigene Fluchtgründe vorgebracht habe und dieser losgelöst von den Verfolgungsgründen seiner Eltern in Russland einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Dem BF drohe Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu mehreren sozialen Gruppen – nämlich all jener „Personen, die gegen die traditionellen Werte und Normen verstoßen“, indem er einerseits Tschetschenien und die islamische Glaubensausübung ablehne und andererseits eine Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin führe, welche der christlichen Konfession angehöre. Der BF gehöre auch der sozialen Gruppe der „Kriegstraumatisierten“ und „Drogenabhängigen bzw. auf Substitutionsthearpie angewiesenen Personen“ an. Wie aus den Länderberichten hervorgehe, drohe dem BF aus diesen Gründen asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat. Gerade auch aufgrund der Kumulation seiner Eigenschaften (junger Tschetschene, der nach jahrelanger Abwesenheit als Asylberechtigter in sein Heimatland zurückkehre, dem von einem russischen Soldaten ein Schädelbasisbruch zugefügt worden sei, sodass er an einer schweren PTBS und daraus folgend eine Drogenabhängigkeit entwickelt habe, Panik vor staatlichen Organen und Autoritätspersonen, Abneigung gegen den Herkunftsstaat, der BF spreche kaum Tschetschenisch, halte sich nicht an religiös-kulturelle Gepflogenheiten, geplante Eheschließung mit einer Österreicherin, was bereits zu familiären Streitigkeiten geführt habe) sei es äußerst wahrscheinlich, dass der BF wieder in den Fokus staatlicher Behörden gerate und mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen habe. Das Kumulationsprinzip finde sich in Art. 9 Abs. 1 lit. b der Status-Richtlinie. Für den BF bestünde die Gefahr einer Festnahme und weiterer Misshandlungen, weil er bzw. seine Familie bereits ins Blickfeld der Behörden geraten seien und dem BF, wie seinem Vater, ein Naheverhältnis zu Widerstandskämpfern unterstellt werde. Durch seine Flucht sei der BF zusätzlich in Gefahr und eine Rückkehr nach Tschetschenien bzw. Russland sei keinesfalls möglich, weil er im Falle dessen aufgrund der zu befürchtenden Verfolgungshandlungen einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, in eine aussichtslose und lebensbedrohliche Lage zu geraten. All dies lasse für den BF die Definition eines Flüchtlings iSd GFK zutreffen.
7.9. Dem BF drohe im Falle einer Rückkehr jedenfalls eine Verletzung seiner in Art. 2 und Art. 3 EMRK garantierten Rechten, aufgrund seines schlechten gesundheitlichen/psychischen Zustands, der fehlenden Bereitschaft der in Tschetschenien lebenden Familienangehörigen den BF zu unterstützen, seiner mangelnden Tschetschenischkenntnisse und seiner allgemein ablehnenden Haltung seiner Heimat gegenüber. Darüber hinaus sei auf die volatile Situation hinsichtlich der allgemeinen Menschrechtslage zu verweisen.
7.10. Sollte das BVwG nicht antragsgemäß entscheiden, beantrage der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme seiner Person, sowie der genannten Zeugin zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts. Nachdem die belangte Behörde den Sachverhalt mangelhaft ermittelt habe, sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens des BF, zur Beurteilung seines gesundheitlichen Zustandes, unvermeidlich sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des VfGH zu verwiesen.
7.11. In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den angefochtenen Bescheid – im angefochtenen Umfang – beheben und aussprechen, dass die Aberkennung des Status des Asylberechtigten zu Unrecht erfolgt sei; 2.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung (unter Verbindung des Beschwerdeverfahrens des BF mit jenem seines Vaters und Ladung seiner Lebensgefährtin als Zeugin, anberaumen; 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid – im angefochtenen Umfang – ersatzlos beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.
7.12. Da sich die Beschwerde lediglich ausdrücklich gegen die Spruchpunkte I. bis III. richtete, erwuchs Spruchpunkt IV. in Rechtskraft.
8. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 04.05.2021 wurde die eingebrachte Beschwerde gemäß § 14 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
8.1. Darin traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für die Aberkennung seines Asylstatus, zu den Gründen für die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Situation im Falle einer Rückkehr, zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.
8.2. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde hinsichtlich der Gründe für die Asylaberkennung des BF zusammenfassend aus, dass der BF mehrfach straffällig geworden sei, weshalb eine Aberkennung seines Asylstatus möglich sei. Den Bezugspersonen des BF, sei der Asylstatus ebenfalls bereits aberkannt worden. Die Gründe für die Asylgewährung des BF und seiner Familie seien im Wesentlichen auf die Umstände des zweiten Tschetschenienkrieges zurückzuführen und hätten sich die Umstände im Herkunftsstaat des BF mittlerweile derart geändert, dass mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass dem BF keine Verfolgung in seinem Herkunftsstaat mehr drohe und auch künftig nicht drohen werde. Der Kriegszustand in Tschetschenien sei überwunden worden und der Wiederaufbau eingeleitet worden. Die russischen und tschetschenischen Behörden würden sich bei der Strafverfolgung mittlerweile auf IS-Kämpfer/Unterstützer konzentrieren. Hinweise auf Verfolgung von Veteranen der Tschetschenienkriege nach 2011 könnten nicht gefunden werden. Der BF sei im Herkunftsstaat selbst an keinen bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt gewesen und sei persönlich nie mit den Heimatbehörden in Konflikt geraten. Aus den Länderfeststellungen lasse sich eine deutliche Verbesserung der Lage in der Russischen Föderation feststellen und sei von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund der Teilnahme an Kriegshandlungen nicht mehr auszugehen. Insgesamt betrachtet würden daher die Eltern und Geschwister des BF sämtliche Voraussetzungen für eine Asylaberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG erfüllen, weil diese es genauso wenig wie der BF selbst ablehnen könnten, sich unter den Schutz des Herkunftslandes zu stellen. Eine aktuelle oder immer noch bestehende Verfolgungsgefahr der gesamten Familie im Herkunftsstaat könne daher ausgeschlossen werden. Der BF habe im Rahmen seiner Einvernahme am 26.01.2021 keine individuellen Fluchtgründe vorgebracht und verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.
8.3. Aus den persönlichen Umständen des BF und den Länderberichten ergebe sich, dass im gesamten Herkunftsstaat keine solchen Verhältnisse herrschen würden, die zu einer Art. 2 oder Art. 3 EMRK Verletzung führen würden. Die Einreise des BF in seinen Herkunftsstaat sei daher möglich und könne er sich allenfalls an einem anderen Ort mit Unterstützung seiner Familienangehörigen vor Ort bzw. aus Österreich aus, aufhalten. Die Sicherheitslage sei für gewöhnliche Bürger stabil, widrigenfalls könnten auch die Verwandten des BF nicht weiterhin in Tschetschenien leben. Es sei nicht ersichtlich, dass der BF soweit gesund und arbeitsfähig sei, um in Russland einer Beschäftigung nachgehen zu können. Der BF könne sich daher auch an einen Ort begeben, an welchem die wirtschaftliche Situation hervorragend sei.
8.4. Rechtlich folge daraus, dass dem BF der Asylstatus abzuerkennen sei und einer Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht erfolge. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG würden nicht vorliegen.
9. Am 12.05.2021 wurde beschwerdeseitig gegen die Beschwerdevorentscheidung des BFA ein Vorlageantrag an das BVwG gestellt und ausgeführt, dass inhaltlich auf die bereits eingebrachte Beschwerde zu verweisen sei, sowie darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung eine falsche Rechtsmittelbelehrung enthalte.
10. Die Beschwerdevorlage vom 12.05.2021 und er Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsbericht (BVwG) am 17.05.2021 ein.
11. Mit Schriftsatz vom 15.06.2021 legte die rechtsfreundliche Vertretung des BF, eine Psychotherapiebestätigung nach.
12. Mit Schriftsatz vom 15.07.2021 übermittelte das BVwG dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, generiert am 11.06.2020, Version 3, und räumte dem BF ein binnen einer Frist von 10 Tagen dazu Stellung zu nehmen.
13. Mit Stellungnahme vom 20.07.2021 wurde beschwerdeseitig im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nach wie vor stark unter der posttraumatischen Belastungsstörung leide und sich derzeit einer Psychotherapie unterziehe. Dem BF drohe aufgrund seiner Substitutionstherapie und seiner posttraumatischen Belastungsstörung in der Russischen Föderation eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK. Dazu werde auf einen Artikel aus Juli 2021 verwiesen, wonach XXXX , auf welches der BF angewiesen ist, in der Russischen Föderation verboten sei. Verwiesen werde auch auf die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 23.03.2020, wonach zurückkehrenden Asylberechtigten aus dem Westen durchaus Verfolgung durch den tschetschenischen Präsidenten und dessen Anhängern drohe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Asylantrages des BF durch seine gesetzliche Vertreterin vom 30.05.2005, des Zuerkennungsbescheides des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) betreffend den BF vom 10.03.2006, Zl. XXXX , des Aberkennungsbescheides seiner Mutter XXXX vom 16.12.2020, rechtskräftig am 16.01.2021, Zl. XXXX , des Aberkennungsbescheides seines Vaters XXXX vom 15.01.2021, Zl. XXXX , der Einvernahme des BF vor dem BFA am 26.01.2021, der eingebrachten Beschwerde vom 05.03.2021 gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2021, der Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 04.05.2021, des eingebrachten Vorlageantrages vom 12.05.2021, sowie der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem, dem Strafregister der Republik Österreich und insbesondere den im Akt einliegenden Strafurteilen, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen und dem muslimischen Glauben zugehörig. Seine Identität steht fest. Er spricht Russisch als Muttersprache und sehr gut Deutsch. Tschetschenisch beherrscht der BF schlecht.
Der BF führt eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, XXXX .
Der BF wurde in XXXX , in Tschetschenien geboren, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2005 gelebt hat. Am 30.05.2005 ist der BF nach Österreich eingereist und stellte er durch seine gesetzliche Vertreterin, seine Mutter, am 30.05.2005 einen Asylantrag. Der BF ist seit seiner Einreise bis zum jetzigen Zeitpunkt in Österreich aufhältig und kam ihm mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenats vom 10.03.2006, XXXX , die Flüchtlingseigenschaft im Familienverfahren zu. Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Vater des BF zweimal festgenommen und mehrere Stunden angehalten worden sei, wobei er bei der zweiten Anhaltung geschlagen worden und mit Waffen bedroht worden sei. Der Vater des BF sei erst freigelassen worden, als er sich verpflichtet habe, mit den Russen zusammenzuarbeiten. Als möglichen Grund dafür habe der Vater des BF angegeben, er habe gemeinsam mit seinem Bruder Widerstandskämpfer mit Geld und Lebensmitteln unterstützt. Der Bruder des Vaters des BF sei im Jahr 2002 verschleppt worden und seitdem verschwunden. Der Onkel des BF sei Kommandant in einem Flüchtlingslager in Inguschetien gewesen, so sei er an Lebensmittel herangekommen. Dem Zuerkennungsbescheid zur Folge, seien diese Vorfälle betreffend den Vater des BF bereits asylrelevant, doch müsse auch die Situation der Mutter des BF berücksichtigt werden. Die Mutter des BF sei zwar in Tschetschenien geboren und aufgewachsen, sei väterlicherseits jedoch russischstämmig und mütterlicherseits deutschstämmig, weshalb sie, aufgrund ihrer Ehe mit einem Tschetschenen, von den Russen als Feindin betrachtet werde. Diese Gesinnung habe auch im Jahr 2000 zu einer Vergewaltigung geführt. Die Mutter des BF werde aufgrund ihrer russischen Abstammung von den Tschetschenen nicht akzeptiert, weshalb die Befürchtungen um ihre Sicherheit, sowie die Sicherheit ihrer Kinder, als nachvollziehbar erscheine. Nach Ansicht des UBAS würden sich daraus ebenfalls klare Anhaltspunkte für die Asylrelevanz des Vorbringens der Mutter des BF ergeben. Dem BF sei daher im Familienverfahren der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen.
Der Mutter des BF wurde der Asylstatus mit Bescheid vom 16.12.2020, IFA-Zl. XXXX , aberkannt. Dieser erwuchs am 16.01.2021 unbekämpft in Rechtskraft. Begründend wurde darin festgehalten, dass die damaligen Flucht- bzw. Verfolgungsgründe mittlerweile weggefallen seien und sich die Beziehungen zum Herkunftsstaat wieder normalisiert hätten. Eine aktuelle Furcht vor Verfolgung in der Russischen Föderation habe die Mutter des BF nicht glaubhaft darlegen können. Auch die Nichtakzeptanz der Mutter des BF durch die Familie des Vaters des BF könne nicht als gegenwärtige Gefahr ausgelegt werden, da die Mutter des BF die Familie ihres Ehemannes in der Ukraine und in Weißrussland besucht habe. Darüber hinaus habe sich die Mutter des BF nach Ihrer Asylgewährung in Österreich im Jahr 2018 einen russischen Reisepass ausstellen lassen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich die Asylgewährung hinsichtlich der Mutter und des Vaters des BF, sowie deren Kinder auf die Gefahr bezogen hätte, die im Rahmen der Tschetschenienkriege geherrscht habe. Mittlerweile hätten sich die Umstände im Herkunftsstaat jedoch geändert, weshalb davon auszugehen sei, dass sowohl der Mutter des BF, als auch ihren Familienangehörigen, keine Verfolgung mehr im Herkunftsstaat drohe. In Tschetschenien habe der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden können. Auch könne (zufolge der Österreichischen Botschaft in Moskau) davon ausgegangen werden, dass sich die russischen und tschetschenischen Behörden bei der Strafverfolgung mittlerweile auf IS Kämpfer/Unterstützer bzw. auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen: So hätten keine Hinweise auf Verfolgung von Unterstützern der Widerstandskämpfer oder sonstiger Personen (z. B. Veteranen) in Zusammenhang mit den Tschetschenien-Kriegen nach 2011 gefunden werden können. Festzuhalten sei außerdem, dass die Mutter des BF sich einen russischen Reisepass ausstellen habe lassen, offenbar mit dem Zweck, sich ungehindert in der Russischen Föderation bewegen zu können, ohne dass es den österreichischen Behörden bekannt würde. Diesen habe die Mutter des BF erhalten. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass es zum Wegfall der Gründe, die zur Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten der Mutter des BF und ihrer Familienmitglieder geführt habe, gekommen sei.
Die Mutter des BF ist nunmehr im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“, gültig von 18.11.2020 bis 18.11.2025.
Dem Vater des BF wurde der Asylstatus mit Bescheid vom 15.01.2021, Zl. XXXX , aberkannt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn jedoch für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm ein der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG erteilt. Demnach seien zufolge der aktuellen Länderfeststellungen die Umstände, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben, nicht mehr gegeben. Aufgrund der Lageänderung in der Russischen Föderation sei im Falle einer Rückkehr von keinerlei Gefährdung mehr auszugehen. Der Kriegszustand in Tschetschenien sei überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet worden. Auch würden sich die russischen und tschetschenischen Behörden bei der Strafverfolgung mittlerweile auf IS-Kämpfer/Unterstützer bzw. auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen: So hätten keine Hinweise auf Verfolgung von Veteranen der Tschetschenien-Kriege nach 2011 gefunden werden können. Der Vater des BF sei überdies im Herkunftsstaat an bewaffneten Auseinandersetzungen selbst nicht beteiligt gewesen und sei persönlich nie mit den Heimatbehörden in Konflikt geraten. Aus den Länderfeststellungen könne von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund der Teilnahme an Kriegshandlungen nicht mehr ausgegangen werden. Der Vater des BF habe selbst im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 05.11.2020 in Bezug auf sein Heimatland keine aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe vorgebracht. Überdies habe sich der Vater des BF am 09.08.2018 einen russischen Auslandsreisepass ausstellen lassen und sich erneut unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ist hg. zu XXXX anhängig.
Mit gegenständlichem Bescheid vom 03.02.2021 wurde dem BF sein Asylstatus ebenfalls gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ebenfalls nicht erteilt (Spruchpunkt III.), doch wurde festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF für auf Dauer unzulässig ist und ihm der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV.). Da sich die gegenständliche Beschwerde lediglich ausdrücklich gegen die Spruchpunkte I. bis III. richtet, ist Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft erwachsen.
Der BF hat in Österreich die Hauptschule besucht, diese jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen. Er hat im Anschluss für 2-3 Monate einen polytechnischen Lehrgang besucht, diesen jedoch ebenfalls nicht abgeschlossen. Einen Beruf hat der BF ebenso wenig erlernt. Der BF hat von 15.04.2009 bis 01.07.2009 am „Start-up-Kurs“ als Einstieg zur Erlangung eines Schulabschlusses in der JA XXXX teilgenommen und von 23.05.2011 bis 22.06.2011 das 12-stündige Seminar „Kommunikation und Konfliktmanagement“ des bfi XXXX ebenfalls in der JA XXXX absolviert. Außerdem hat der BF über das WIFI der WK XXXX das „Technik Center 2017“ Modul 2 bis Modul 4, insgesamt 480 Maßnahmenstunden, besucht, im Rahmen dessen er unter anderem eine Ausbildung zum Staplerführer, zum Kranführer, sowie zum Schweißer und einen Erste-Hilfe-Grundkurs absolviert hat. Der BF hat am 13.09.2018 einen Werte- und Orientierungskurs besucht. In den letzten fünf Jahren war der BF von 16.05.2018 bis 07.06.2018, von 11.07.2016 bis 18.07.2016 sowie von 15.03.2016 bis 15.03.2016 als Arbeiter und von 07.07.2017 bis 09.07.2017, sowie von 28.04.2017 bis 21.06.2017 geringfügig beschäftigt. Die Eltern, 5 Geschwister des BF sowie eine Tante und Cousins bzw. Cousinen leben ebenfalls im Bundesgebiet.
Im Herkunftsstaat leben noch Verwandte des BF, zu denen der BF jedoch nicht in Kontakt steht.
Der BF leidet an einer psychischen Störung und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen, sowie durch Opioide (Abhängigkeitssyndrom). Er leidet außerdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung und traumatischen Neurose. Der BF nimmt die Medikamente XXXX , XXXX , XXXX und XXXX . Aufgrund seiner Drogenabhängigkeit befand sich der BF von 03.09.2018 bis 04.10.2019 beim Verein „ XXXX “ in ambulanter Behandlung. Dabei handelte es sich gemäß einem Beschluss des LG XXXX nach § 39 SMG um eine gesundheitsbezogene Maßnahme nach § 11 SMG. Der BF ist stabil substituiert und frei von Beikonsum. Seit 26.05.2021 befindet sich der BF erneut regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung. Daraus ergibt sich jedoch noch keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des BF, welche ein Rückkehrhindernis in den Herkunftsstaat darstellen würde. Die Erkrankung des BF ist in der Russischen Föderation behandelbar und ergibt sich daraus noch keine Arbeitsunfähigkeit. Der BF ist arbeitswillig.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig, im Strafregister der Republik Österreich sind folgende Verurteilungen ersichtlich:
01) LG XXXX vom 26.05.2008 RK 30.05.2008
PAR 83/1 84 ABS 2/2 241 E/1 PAR 15 146 147 ABS 1/1 StGB
Datum der (letzten) Tat 02.04.2008
Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
Jugendstraftat
Vollzugsdatum 23.02.2013
zu LG XXXX RK 30.05.2008
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX vom 11.12.2008
zu LG XXXX RK 30.05.2008
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG XXXX vom 05.02.2009
02) XXXX vom 11.12.2008 RK 16.12.2008
PAR 127 129/1 125 StGB
Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Jugendstraftat
Vollzugsdatum 23.02.2013
zu XXXX RK 16.12.2008
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG XXXX vom 05.02.2009
03) LG XXXX vom 05.02.2009 RK 10.02.2009
PAR 127 129/1 StGB
PAR 50 ABS 1/2 WaffG
Datum der (letzten) Tat 21.12.2008
Freiheitsstrafe 1 Jahr
Jugendstraftat
Vollzugsdatum 23.02.2013
zu XXXX RK 10.02.2009
zu XXXX RK 16.12.2008
zu XXXX RK 30.05.2008
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 21.12.2009, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG XXXX vom 19.10.2009
zu XXXX RK 10.02.2009
zu XXXX RK 16.12.2008
zu XXXX RK 30.05.2008
Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG XXXX vom 10.12.2010
04) XXXX vom 10.12.2010 RK 10.12.2010
PAR 127 129/1 125 164 (3. FALL) 127 128 ABS 1/4 129/1 U 2 130 (4. FALL) 12 (3. FALL) StGB
Datum der (letzten) Tat 18.08.2010
Freiheitsstrafe 2 Jahre
Jugendstraftat
Vollzugsdatum 23.08.2012
zu XXXX RK 10.12.2010
zu XXXX RK 10.02.2009
zu XXXX RK 16.12.2008
zu XXXX RK 30.05.2008
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 23.02.2013, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG XXXX vom 06.02.2013
zu XXXX RK 10.12.2010
zu XXXX RK 10.02.2009
zu XXXX RK 16.12.2008
zu XXXX RK 30.05.2008
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 23.02.2013, endgültig
LG XXXX vom 24.08.2016
05) BG XXXX vom 06.11.2015 RK 09.11.2015
§ 83 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 12.04.2014
Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
Vollzugsdatum 09.11.2015
zu BG XXXX RK 09.11.2015
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
XXXX vom 16.01.2017
zu XXXX RK 09.11.2015
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 09.11.2015
XXXX vom 10.02.2021
06) XXXX vom 23.06.2016 RK 16.01.2017
§ 88 (1 u 3) (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB
Datum der (letzten) Tat 26.01.2016
Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu XXXX RK 16.01.2017
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX vom 05.10.2017
07) LG XXXX vom 10.05.2017 RK 05.10.2017
§ 15 StGB §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB
Datum der (letzten) Tat 14.12.2016
Freiheitsstrafe 15 Monate
zu LG XXXX RK 05.10.2017
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre
LG XXXX vom 18.10.2019
Der letzten strafgerichtlichen Verurteilung des BF lag zugrunde, dass er im Zeitraum von Dezember 2015 bis Dezember 2016 an zumindest 11 verschiedenen Tagen insgesamt 50 Stück PS4 Spiele aus einem Elektrogeschäft im Gesamtwert von EUR 2.500,-, am 12.12.2016 ein Hantelset aus einem Sportgeschäft im Gesamtwert von EUR 58,- und Anfang Dezember 2016 Werkzeug aus einem Werkzeugfachmarkt weggenommen hat, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Darüber hinaus hat der BF am 14.12.2016 versucht einen Speedometer im Wert von EUR 80,- aus einem Sportgeschäft wegzunehmen, wobei es beim Versuch geblieben ist, weil der BF auf frischer Tat betreten wurde. Der BF hat diese Taten unter Einsatz eines besonderen Mittels, nämlich einer Jacke mit aufgerissenem Innenfutter, begangen, welche eine wiederkehrende Begehung nahelegt. Der BF hat sich somit des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig gemacht.
Gleichzeitig wurde der Beschluss gefasst die mit den Urteilen des BG XXXX vom 06.11.2015, XXXX und vom 23.06.2016, XXXX gewährten bedingten Strafnachsichten, zu widerrufen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Beschluss des OLG XXXX , zu XXXX , keine Folge gegeben, doch der Beschluss gefasst, dass vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten zu XXXX und XXXX abgesehen und die Probezeit im Verfahren XXXX auf 5 Jahre verlängert werde.
Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als mildernd das umfassende, sowie reumütige Geständnis, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und das Diebesgut teilweise zurückgestellt werden konnte, als erschwerend hingegen das Vorliegen vierer einschlägiger Vorstrafen, die Tatbegehung während anhängigem Strafverfahren und offener Probezeit, den raschen Rückfall, der überdies die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StGB begründet, den längeren, ein Jahr dauernden Tatzeitraum und die Tatwiederholung.
Der vorletzten strafgerichtlichen Verurteilung des BF lag zugrunde, dass er als Lenker eines PKW am 26.01.2016 dadurch, dass er unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr geborenen Vorsicht und Aufmerksamkeit das Verkehrszeichen „Vorrang geben“ missachtete, in die Kreuzung einfuhr und mit einem anderen PKW kollidierte, wodurch die Fahrerin Prellungen im linken Schulterbereich, sowie starke Kopfschmerzen erlitt, der BF diese sohin fahrlässig am Körper verletzt hat. Der BF hat sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Gebrauch berauschender Mittel, nämlich XXXX und XXXX , in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt, obwohl er vorhersehen hätte können, dass ihm die Lenkung eines PKW bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen geeignet war. Der BF hat sich somit des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde Folge gegeben, als die Freiheitsstrafe unter Beibehaltung der bedingten Strafnachsicht auf fünf Monate erhöht wurde. Überdies wurde der Beschluss gefasst, dass hinsichtlich der Verurteilung zu 9 XXXX die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde.
Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als mildernd keinen Umstand, als erschwerend jedoch die beiden einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall.
Der BF befand sich von 21.12.2008 bis 21.12.2009 und von 31.08.2010 bis 08.03.2013 in Haft. Hinsichtlich seiner Verurteilung zu XXXX , wurde der Strafvollzug gemäß § 39 SMG zur Unterziehung einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 SMG aufgeschoben. Nachdem der BF die gesundheitsbezogene Maßnahme im Oktober 2019 erfolgreich absolviert hat, wurde die verhängte Freiheitsstrafe in eine bedingte unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren umgewandelt.
1.2. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Lage im Herkunftsstaat des BF hat sich seit Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten maßgeblich und nachhaltig geändert. Der BF unterliegt in der Russischen Föderation keiner aktuellen Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung seitens der Behörden oder privater Personen.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.
Der BF liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.3. Zur entscheidungsrelevanten Situation in der Russischen Föderation
1.3.1. Die Lage im Herkunftsstaat des BF hat sich seit Zuerkennung des Status maßgeblich und nachhaltig geändert.
Auszug aus dem Informationsblatt der Staatendokumentation aus dem COI-CMS vom 10.06.2021, Version 3;
„Politische Lage
Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vi