Entscheidungsdatum
24.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W 176 2153431-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 06.03.2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine selbständige Masseurin, wurde mit Ladung vom 12.12.2016 als Schöffin zur der im zu Zl. XXXX vor dem Landesgericht Wiener Neustadt geführten Verfahren durchgeführten Hauptverhandlung am 21.02.2017 (8 Uhr 45) geladen. Gleichzeitig wurde die für den 14.12.2016 vorgesehene Hauptverhandlung abberaumt. Die Ladung, die auch die Abberaumung enthielt, wurde der Beschwerdeführerin am 16.12.2016 zugestellt.
1.2. Für die Teilnahme an der Verhandlung am 21.02.2017 von 9 bis 10 Uhr machte die Beschwerdeführerin zunächst (offenbar am Tag der Verhandlung) Reisekosten von 15,40 Euro geltend. Sodann beantragte sie mit E-Mail (das ihr Ehemann übermittelte) vom 27.02.2017 eine Entschädigung für Zeitversäumnis für die abberaumte Hauptverhandlung vom 14.12.2016, da es ihr nicht möglich gewesen sei, derart kurzfristig Kundentermine zu vergeben, und für die Hauptverhandlung vom 21.2.2017. Beigelegt waren zwei „Rechnungen“ vom 27.2.2017 über jeweils „4 Stunden Verdienstentgang“, und zwar über 216,-- EUR für jeden der beiden Tage (für 14.12.2016: „Kurzfristige Termin-Absage“, für 27.2.2017: „Anwesenheit & Wegzeit“). Weiters beigelegt war eine Preisliste der Massagepraxis der Beschwerdeführerin, aus der sich ua. ein Preis von 54 EUR je Stunde ergibt.
1.3. Mit E-Mail vom 03.03.2017 wies die Kostenbeamtin des Landesgerichts Wiener Neustadt, die namens der Präsidentin dieses Gerichtshofes tätig wurde, die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die vorgelegte Preisliste nicht ausreiche und die Terminausfälle für den 21.02.2017 von 8 Uhr 45 bis 11 Uhr bestätigt werden müssten.
1.4. Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihren Ehemann ein E-Mail, in dem sie darauf hinwies, dass Termine nicht nachgewiesen werden könnten, die nicht vereinbart worden seien. Vielmehr habe sie den Vormittag (des 21.02.2017) im Kalender blockiert und somit keine Kundentermine vergeben. Vorlegen könne sie nur anonymisierte Kalenderauszüge, die ihr „Buchungsniveau“ nachwiesen. Es folgte ein Beispiel für die damals laufende Woche (vom 27.02.2017 bis zum 05.03.2017). Zuletzt wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass es (für den 21.02.2017) nicht nur um den Zeitraum von 8 Uhr 45 bis 11 Uhr gehe, da auch die Wegzeit einen Verdienstentgang verursache.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid bestimmte die belangte Behörde die Gebühren der Beschwerdeführerin „für die Teilnahme als Schöffin an der Verhandlung am 21.02.2017 und kurzfristige Abberraumung des 14.12.2016“ (sic) mit insgesamt 185,80 EUR; das weitere Begehren der Beschwerdeführerin wurde abgewiesen. Im Spruch des Bescheides sind zwei Posten tabellarisch aufgeschlüsselt, die Gebühr für den Posten „1. Reisekosten (§§ 6 – 12)“ wird mit 15,40 EUR bestimmt. Die Gebühr für den Posten „2. Entschädigung für Zeitversäumnis (§§ 17 – 18) [...] Pauschalentschädigung (§ 18 (1) Z 1“ Gebührenanspruchsgesetz, BGBl. 136/1975 (GebAG), wird mit 2 x 4 Stunden zu je 21,30 EUR, sohin insgesamt mit 170,40 EUR, bestimmt.
Begründend führt die belangte Behörde aus, die im Bescheid festgesetzten Gebühren fänden in den angegebenen Bestimmungen des GebAG ihre Deckung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für das tatsächlich entgangene Einkommen (den tatsächlich entgangenen Verdienst) nicht auf ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen, sondern auf den konkret eingetretenen Vermögensschaden abzustellen. Ein tatsächlicher Einkommensentgang liege nur vor, wenn während der durch die Erfüllung der Schöffenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Schöffen Einkommen gebracht hätten, das verloren gegangen sei. Letzteres sei nicht der Fall, wenn Tätigkeiten versäumt worden seien, die später nachgeholt werden könnten (Hinweis auf „Krammer/Schmidt, E22, 24, 37ff zu § 18 GebAG; Krammer, Neuerungen im Gebührenanspruchsrecht, SV1989/3, 3f“).
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie sich dagegen wendet, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis mit 170,40 EUR und nicht, wie beantragt, mit 432,-- EUR bestimmt wird. Es treffe nicht zu, dass das Einkommen der Beschwerdeführerin (gemeint: ihr entgangenes Einkommen) fiktiv bzw. nach Durchschnittssätzen errechnet wäre. Sie sei seit Anfang 2015 als Einzelunternehmerin ohne Dienstnehmer tätig und müsse ihre Massagepraxis somit im Falle ihrer Abwesenheit geschlossen halten. Die Fixkosten liefen dennoch weiter. Es sei ihr gelungen, einen relativ umfangreichen Kundenstock aufzubauen, und sie sei täglich ausgebucht. Manche ihrer Kunden hätten wöchentlich oder alle 14 Tage einen Fixtermin, andere buchten flexibel, je nach Terminverfügbarkeit. Daraus ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin auch an den Verhandlungstagen Kundentermine gehabt hätte, die ausgefallenen Fixtermine könnte sie auf Grund ihres Terminkalenders und der daraus ersichtlichen Frequenz der betreffenden Kunden (etwa in anonymisierter Form) nachweisen. Die Termine, die sie auf Grund der Ladung als Schöffin nicht habe vergeben können, seien natürlich nicht nachweisbar. Sie sei nicht auf den Gedanken gekommen, Terminanfragen, die sie ablehnen müsse, in den Kalender einzutragen. Dass sie ihren Fix-Kunden rechtzeitig Bescheid gebe, wenn sie einen Termin nicht einhalten könne, sei selbstverständlich. Weiters wolle sie anführen, dass sie ihren Verdienstentgang für die Verhandlungen am 14.12.2016 (abgesagt) und am 21.02.2017 genauso abgerechnet habe, wie ihr nach der Verhandlung am 05.10.2016 aufgetragen worden sei, und dass die Abrechnung für den 05.10.2016 anstandslos akzeptiert und beglichen worden sei. Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf die Anfangsinvestitionen, mittlerweile notwendige Zusatzanschaffungen und ihre Fixkosten.
4. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
5. In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15.05.2020, Zl. W199 2153431-1/2E, den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, dieser wolle das Wort „tatsächlich“ in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG als verfassungswidrig aufheben, wobei es seine Bedenken im Wesentlichen wie folgt darlegte:
Die gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG führe dazu, dass ein Einkommensentgang eines selbständig Erwerbstätigen, der zwar wahrscheinlich ist, jedoch nicht im Einzelnen nachgewiesen werden könne, nicht entschädigt werden könne. Somit könnten etwa Einkommensentgänge, die mittels Prognosen über das Verhalten von Laufkundschaft errechnet wurden oder die wegen der Verschiebung eines Termins entstanden sind, nicht als entschädigungsfähig anerkannt werden. Hinsichtlich der Verschiebung eines Termins sei aber zu berücksichtigen, dass dadurch bzw. durch die Nachholung des Termins zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen eine weitere sichere Einkommenschance verloren gehe (etwa wenn der Termin eben nicht nachgeholt werde, sondern – bis zum nächsten regulären Termin – ausfalle oder weil der Ersatztermin – bei einem „ausgebuchten“ Betrieb – wiederum nicht für andere Termine zur Verfügung stehe). Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Zudem führe die Regelung zu einer Ungleichbehandlung zwischen unselbständig und selbständig Erwerbstätigen. Der entgangene Verdienst eines unselbständig Erwerbstätigen könne vergleichsweise einfach mittels einer Bestätigung des Dienstgebers darüber nachgewiesen werden, in welcher Höhe er dem Zeugen einen Verdienst ausgezahlt hätte, hätte er in der betreffenden Zeit gearbeitet. Zudem reiche hinsichtlich möglicher Überstunden bereits die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass der Zeuge „im Fall seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Leistung der in Rede stehenden Überstunden herangezogen worden wäre“ (VwGH 22.2.1999, 98/17/0225) und der Dienstgeber diese Überstunden in Geld abgegolten hätte (VwGH 26.2.2001, 2000/17/0209). Von einer Verlegung von Arbeitsstunden in andere Zeiten sei in diesem Zusammenhang nicht die Rede.
6. Mit Erkenntnis vom 26.11.2020, Zl. G 237/2020-9 ua., wies der Verfassungsgerichtshof den zuvor dargestellten sowie den vom Bundesverwaltungsgericht in einem weiteren Verfahren gestellten Antrag auf Aufhebung des Wortes „tatsächlich“ in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG als verfassungswidrig ab, wobei er begründend im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Mit der Gesetzesnovelle BGBl. Nr. 343/1989 habe eine systematische Anpassung des Gebührenanspruchs von Zeugen stattgefunden. Entsprechend der bis dahin geltenden Rechtslage sollte eine „Entschädigung für eine Zeitversäumnis wiederum nur zustehen [...], wenn der Zeuge durch die Befolgung seiner Zeugenpflicht sonst tatsächlich einen Vermögensnachteil erlitte“. Zudem sei eine zeitgemäße Anpassung der Höhe der Pauschalgebühr nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG erfolgt, damit in erheblich geringerem Ausmaß von der Möglichkeit der höheren (aber bescheinigungspflichtigen) Gebühr Gebrauch gemacht werde, womit wiederum eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung verbunden sei. Mit dieser Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber dem Kostenersatz in Form einer Pauschalentschädigung den Vorrang vor dem erheblich aufwändigeren Ersatz des konkret zu bescheinigenden Verdienst- bzw. Einkommensentganges eingeräumt.
Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Ausgestaltung des Entschädigungsanspruches für einen Vermögensnachteil, der durch die Zeugeneinvernahme entsteht, zu regeln. Dass der Gesetzgeber hiebei in erster Linie – auch auf Grund des geringeren Verwaltungsaufwandes – auf eine pauschalierte Entschädigung abstellt und bloß alternativ die Möglichkeit des Ersatzes eines konkreten Verdienst- oder Einkommensentganges vorsieht, sei nicht unsachlich. Dies gelte auch für die erhöhte Bescheinigungspflicht bei der Geltendmachung des tatsächlichen Verdienst-/Einkommensentganges, wonach – anders als bei der pauschalierten Entschädigung – zusätzlich zum Grund des Anspruches auch dessen Höhe zu bescheinigen ist. Dies sei auch deshalb gerechtfertigt, weil zwar die finanziellen Einbußen des Zeugen ausgeglichen werden sollen, dieser aber nicht entlohnt werden soll. Nicht zuletzt sei damit abgesehen von der Verwaltungsvereinfachung zudem ein Schutz der Verfahrensparteien vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen verbunden.
Es sei auch keine Ungleichbehandlung von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen ersichtlich, zumal § 18 Abs. 1 Z2 lit. a und lit. b GebAG gleichermaßen auf den tatsächlichen (Verdienst- bzw Einkommens-)Entgang abstellten. Dazu führten auch die Erläuterungen aus, dass die Kosten allen Zeugen ohne Unterschied ihrer beruflichen Stellung im gleichen Ausmaß zustehen sollen, daher solle ein unselbständig Erwerbstätiger das, „was er auf die Hand bekommen hätte“ und ein selbständig Erwerbstätiger „das, was er nach Abzug von Auslagen positiv verdient hätte“ ersetzt bekommen. Dass die Art der Bescheinigung verschieden ist oder dass mit der Bescheinigung Schwierigkeiten verbunden sind, mache die Regelung noch nicht unsachlich, sondern liege vielmehr im Unterschied zwischen unselbständigen und selbständigen Tätigkeiten sowie einzelner selbständiger Tätigkeiten und Betriebsführungen.
Anstatt des Ersatzes eines konkreten Verdienst- bzw. Einkommensentganges könnten auch die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise zu bestellende Stellvertretung (bzw Haushaltshilfskraft) geltend gemacht werden. Ob die Bestellung einer Stellvertretung notwendig ist, hänge davon ab, ob dem Zeugen ein tatsächlicher Verdienst- bzw Einkommensentgang entstanden ist. Die in § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG vorgesehene Gebühr solle nämlich jene auf Ersatz des tatsächlich entgangenen Einkommens nach lit. b GebAG substituieren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der rechtlichen Beurteilung wird der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3.1.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.4. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
3.1.5. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnisverbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden. Ebenso steht dem Zeugen nach Z 2 leg.cit. eine Entschädigung für Zeitversäumnis zu, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.
Gemäß § 17 GebAG bezieht sich die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 3 Abs. 1 Z 2 leg.cit. auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss.
18 GebAG lautet wie folgt:
„(1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2. anstatt der Entschädigung nach Z1
a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.
(2) Im Falle des Abs1 Z1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs1 Z2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“
Gemäß § 55 Abs. 1 GebAG haben die Geschworenen und Schöffen haben Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie auf Entschädigung für Zeitversäumnis entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen, wobei sich der im § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG genannte Betrag um die Hälfte erhöht. Wo dieses Bundesgesetz von der Vernehmung des Zeugen oder von der Beweisaufnahme spricht, tritt gemäß § 56 GebAG an die Stelle dieser Begriffe die Teilnahme der Geschworenen oder Schöffen an der Hauptverhandlung oder Sitzung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs – die sich im Wesentlichen auf Zeugengebühren bezieht, aber wegen § 55 Abs. 1, § 56 GebAG auf die Gebühren von Schöffen zu übertragen ist – kann „[v]on einem tatsächlichen Einkommensentgang […] beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging“ (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 20.6.2012, 2008/17/0070, mwN). Dabei ist das tatsächlich entgangene, nicht ein (fiktiv) nach Durchschnittssätzen zu berechnendes Einkommen zu ersetzen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 4.11.2009, 2009/17/0152; 14.12.2011, 2007/17/0124). Die Berufung auf einen mit Zeugeneinvernahmen in der Regel verbundenen Verdienstausfall kann ein konkretes Vorbringen betreffend einen bestimmten Einkommensverlust nicht ersetzen. Es kommt weder auf die Stundensätze nach den Allgemeinen Honorarrichtlinien noch auf die beim selbständig Erwerbstätigen auflaufenden Fixkosten an (VwGH 30.10.1991, 91/17/0105). Jedenfalls ist der selbständig Erwerbstätige für die Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht nach den für ihn sonst geltenden Honorarsätzen oder in Anlehnung an sein sonstiges Einkommen zu entlohnen, sondern lediglich für einen konkreten Einkommensentgang zu entschädigen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der einem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG nicht verschlossen ist (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 8.9.2009, 2007/17/0161). Eine solche Schätzung wäre aber nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097).
Mit der Multiplikation eines durchschnittlichen Stundensatzes mit der Anzahl der Stunden der Zeitversäumnis wird nicht das tatsächlich entgangene, sondern ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen bescheinigt (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097). Die „allgemeine Wiedergabe von Erfahrenstatsachen“ reicht nicht aus (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 28.4.2003, 2000/17/0065; 25.5.2005, 2004/17/0004; 8.9.2009, 2007/17/0161).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verlorenging. Es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern – sollte dies zutreffen – jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329).
3.2.2. Wie vorauszuschicken ist, wendet sich die Beschwerde nur gegen die Bestimmung der Entschädigung für Zeitversäumnis und nicht auch gegen die der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zugesprochenen Reisekosten.
Was nun die Entschädigung für Zeitversäumnis angeht, kann nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Sinne der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bescheinigen konnte, dass sie durch ihre Tätigkeit als Schöffin am 21.02.2017 einen tatsächlichen Einkommensentgang iSv § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b) GebAG erlitten hat:
Denn bringt sie in der Beschwerde auch vor, dass das ihr entgangene Einkommen nicht nach Durchschnittssätzen errechnet worden sei, macht sie mit Ihren Ausführungen, in denen sie den Verdienstentgang – unter Hinweis darauf, dass ihre Praxis täglich ausgebucht sei – anhand ihrer üblichen Stundensätze berechnet, doch (bloß) einen fiktiv errechneten Einkommensverlust geltend, ohne (aufgrund der Tätigkeit als Schöffin unterbliebene) konkrete Dienstleistungen gegenüber konkreten Kunden ins Treffen zu führen.
3.2.3. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin daher zurecht nur die pauschalierte Entschädigung gemäß § 55 Abs. 1, § 18 Abs. 1 GebAG zugesprochen.
3.2.4. Die Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen, zumal (wie sich aus dem unter Punkt I.6. dargestellten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergibt) § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b) GebAG nicht verfassungswidrig ist.
3.2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer keine mündliche Verhandlung beantragt und ist auch der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte daher entfallen.
3.3. Zu Spruchpunkt B):
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der unter Punkt 3.2. dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, an welcher es somit auch nicht fehlt; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
3.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Bescheinigungspflicht Einkommensentgang Schöffe Schöffengebühr selbstständig Erwerbstätiger Zeitversäumnis ZeugengebührEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2153431.1.00Im RIS seit
24.11.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021