TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/1 W101 2236125-1

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Veröffentlicht am 01.10.2021
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Entscheidungsdatum

01.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §1
GEG §6 Abs1 Z1
GEG §6 Abs2
GEG §6a Abs1
GEG §7 Abs1
GEG §7 Abs2
GGG Art1 §32 TP1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W101 2236125-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Dr. Johannes GRAHOFER, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes St. Pölten vom 17.08.2020, Zl. Jv 1704/20a-33, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der o.a. Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 11.03.2020, Zl. 30 C 34/16h – 16 – VNR 2, schrieb die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes XXXX (im Folgenden: BG) für den Präsidenten des Landesgerichtes St. Pölten (im Folgenden: LG) dem Beschwerdeführer Pauschalgebühren nach Tarifpost (TP) 1 Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG) in der Höhe von € 6.242,00 sowie eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 idF BGBl. Nr. 61/2018 (GEG), in der Höhe von € 8,00, insgesamt sohin einen Betrag in der Höhe von € 6.250,00 vor. Dieser Mandatsbescheid war dem Beschwerdeführer am 16.03.2020 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 26.03.2020 (zugestellt am selben Tag) erhob der Beschwerdeführer gegen den o.a. Mandatsbescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung.

In weiterer Folge war die Vorstellung dem Präsidenten des LG zur Entscheidung vorgelegt worden.

Mit Bescheid vom 17.08.2020, Zl. Jv 1704/20a-33, entschied der Präsident des LG (im Folgenden belangte Behörde genannt) über die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Zahlungsauftrag vom 11.03.2020 und sprach aus, dass der Beschwerdeführer die in diesem Zahlungsauftrag vorgeschriebenen Gebühren in der Höhe von € 6.250,00 zu begleichen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 11.09.2020 fristgerecht eine Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 06.10.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Spruch des (an den Beschwerdeführer gerichteten) angefochtenen Bescheides lautet wortwörtlich folgendermaßen:

„In der Rechtssache: […] des Bezirksgerichtes XXXX , AZ. 30 C 34/16h, ergeht aufgrund der Vorstellung der klagenden Partei XXXX gegen den Zahlungsauftrag des Landesgerichtes St. Pölten (Dienststelle des Grundverfahrens: Bezirksgericht XXXX ) vom 11.03.2020, AZ. 30 C 34/16h - 16 - VNR 2, über € 6.242,00 nachstehender Bescheid: […]“

Dazu wird festgestellt, dass gegen den Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) des BG vom 11.03.2020 eine Vorstellung erhoben wurde, über die mit dem angefochtenen „Bescheid“ entschieden wurde.

Im gegenständlichen Fall ist maßgebend, dass die belangte Behörde über den mit Erhebung der Vorstellung ex lege außer Kraft getretenen Mandatsbescheid explizit als Vorstellungsbehörde abgesprochen hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.


3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

3.2.2.  Gemäß § 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 idF 61/2018 (im Folgenden nur GEG genannt), hat das Gericht u.a. Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.

Werden die nach § 1 GEG einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs. 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr in Höhe von € 8,00 vorzuschreiben. Der Zahlungsauftrag ist ein Exekutionstitel im Sinn der Exekutionsordnung.

Zuständige Behörde für die Vorschreibung der nach § 1 GEG einzubringenden Beträge aus Verfahren, die im Zeitpunkt der Vorschreibung der Beträge in erster Instanz anhängig sind oder zuletzt in erster Instanz anhängig waren (Grundverfahren), ist nach § 6 Abs. 1 Z 1 GEG der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz für Beträge aus Grundverfahren bei seinem Gericht oder den ihm unterstellten Bezirksgerichten.

Gemäß § 6 Abs. 2 GEG können Kostenbeamte auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren Entscheidungen (Mandatsbescheide) im Namen der Behörde erlassen. Gegen einen vom Kostenbeamten erlassenen Bescheid ist nur das Rechtsmittel der Vorstellung (§ 7 Abs. 1 GEG) zulässig.

Gemäß § 7 Abs. 1 GEG kann, wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheids, der von einem Kostenbeamten (§ 6 Abs. 2) namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde (§ 6 Abs. 1) erheben. In der Rechtsmittelbelehrung des Mandatsbescheids kann auch angeordnet werden, dass die Vorstellung bei der das Grundverfahren führenden Dienststelle einzubringen ist; auch in diesem Fall gilt aber die Einbringung bei der Behörde nach § 6 Abs. 1 als rechtzeitig.

Gemäß § 7 Abs. 2 GEG sind verspätete und unzulässige Vorstellungen von der Behörde zurückzuweisen. Mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung tritt der Mandatsbescheid außer Kraft, soweit sich die Vorstellung nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrags richtet. Die Behörde kann erforderlichenfalls Ermittlungen durchführen und hat mit Bescheid auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht; dabei ist sie nicht an die Anträge der Partei gebunden, sondern kann auch über eine weitergehende Zahlungspflicht absprechen. Liegt dem Mandatsbescheid ein Antrag zu Grunde, so hat die Behörde über diesen abzusprechen; die Frist nach § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit dem Einlangen der Vorstellung. Bescheide nach diesem Absatz dürfen nicht vom Kostenbeamten nach § 6 Abs. 2 im Namen der Behörde erlassen werden.

Das Recht, eine Vorstellung zu erheben, steht der vom Mandatsbescheid betroffenen Partei zu. Als Inhalt der Vorstellung ist lediglich erforderlich, dass der Bescheid bezeichnet wird, gegen den sie sich richtet, und dass zum Ausdruck gebracht wird, dass die Partei Vorstellung erheben will. Ein Begehren oder eine Begründung ist nicht erforderlich (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 583 ff; VwGH 19.12.2005, 2005/03/0053).

3.2.3. Nach § 7 Abs. 2 GEG sind verspätete und unzulässige Vorstellungen zurückzuweisen. Allerdings tritt mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung der Mandatsbescheid außer Kraft.

Im vorliegenden Fall richtet sich der ausdrücklich als Mandatsbescheid bezeichnete Zahlungsauftrag vom 11.03.2020 an den Beschwerdeführer und wurde dieser am 16.03.2020 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26.03.2020 (beim BG eingelangt am selben Tag) erhob der deshalb dazu legitimierte Beschwerdeführer innerhalb der zweiwöchigen Frist eine zulässige Vorstellung dagegen.

Durch die rechtzeitig erhobene und zulässige Vorstellung trat der Zahlungsauftrag gemäß § 7 Abs. 2 GEG ex lege außer Kraft.

Infolge des Außer-Kraft-Tretens des Zahlungsauftrags (Mandatsbescheids) ist kein Verfahren über die Vorstellung anhängig. Die belangte Behörde hätte daher nicht als Vorstellungsbehörde tätig werden dürfen; sie war zur Entscheidung über die Vorstellung unzuständig (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0075 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor Inkrafttreten der Gerichtsgebühren-Novelle 2015 BGBl. I 2015/156). Diese Unzuständigkeit der belangen Behörde ist vom Bundesverwaltungsgericht auch dann aufzugreifen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wird (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren § 27 VwGVG Anm. 4).

Das Bundesverwaltungsgericht hält daher fest, dass dem angefochtenen Bescheid aufgrund der dargelegten Unzuständigkeit eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anlastet und dieser folglich gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG zu beheben ist.

Das Außer-Kraft-Treten des Mandatsbescheids und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids bewirken aber nicht, dass damit die betreffende Verwaltungsangelegenheit zu Gunsten des Beschwerdeführers abgeschlossen ist. Die belangte Behörde wird in der Folge in einem ordentlichen AVG-Verfahren (mit Ermittlungsverfahren) auszusprechen haben, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht des Beschwerdeführers besteht, und einen Zahlungsauftrag als „Vollbescheid“ zu erlassen haben.

3.2.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheidbehebung Einhebungsgebühr ex lege - Außerkrafttreten Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Mandatsbescheid Pauschalgebühren Unzuständigkeit Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W101.2236125.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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