TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/25 W251 2204778-1

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Veröffentlicht am 25.10.2021
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Entscheidungsdatum

25.10.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W251 2204778-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018, Zl. 831753500-180702620 und die Anhaltung in Schubhaft von 25.07.2018 bis 06.08.2018, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018 wird stattgegeben und der Bescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 25.07.2018 bis 06.08.2018 werden für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG abgewiesen.

III. Der Bund (Bunderminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG Aufwendungen in Höhe von € 737,60 (Schriftsatzaufwand) und € 30,- (Eingabengebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.06.2011 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2011 abgewiesen und der Beschwerdeführer aus Österreich ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes abgewiesen.

2. Nach einem Aufenthalt im Vereinigten Königreich wurde der Beschwerdeführer am 28.11.2013 nach Österreich rücküberstellt und er stellte am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17.12.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer nach Afghanistan aus (Spruchpunkt II.).

Mit Schriftsatz vom 03.01.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verband diesen Antrag mit einer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid vom 17.12.2013, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis vom 29.06.2015 ebenfalls abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufhob.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wegen entschiedener Sache zurück, hinsichtlich der Rückkehrentscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und verwies die Sache zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt zurück. Das Bundesamt erlies in weiterer Folge keine neue Rückkehrentscheidung.

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamts vom 25.07.2018 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in der bis 31.08.2018 gültigen Fassung iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer hat sich von 25.07.2018 bis 06.08.2018 in Schubhaft befunden.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer führte darin im Wesentlichen aus, dass seine Lebensgefährtin und seine Tochter in Österreich leben und er sich in der Wohnung seiner Lebensgefährtin habe melden wollen. Dies sei jedoch nach Abklärung mit dem Caritas Asylzentrum nicht gestattet worden, da er sich in Traiskirchen habe melden müssen. Dem Beschwerdeführer sei kein Schubhaftbescheid ausgehändigt worden, er habe erst durch ein Gespräch mit der Rechtsberatung erfahren, dass er sich in Schubhaft befinde. Eine Rückkehrentscheidung aus dem Jahr 2012 habe zwischenzeitlich ihre Wirksamkeit verloren, da der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit Vater geworden sei und daher sein Familienleben einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe. Folglich habe weder zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides noch während der Anhaltung ein gültiger Titel bestanden. Der Beschwerdeführer habe stets am Verfahren mitgewirkt, eine Schubhaft sei daher unverhältnismäßig.

5. Am 13.03.2018 wurde der Beschwerdeführer aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt.

6. Nach Auftrag des Gerichts gab das Bundesamt in einer Stellungnahme vom 03.10.2018 im Wesentlichen an, dass der Beschwerdeführer die Übernahme des Schubhaftbescheides am 25.07.2018 verweigert habe. Am 26.07.2018 bzw. 27.07.2018 haben Rechtsberatungen des Beschwerdeführers durch den Verein Menschenrechte Österreich und die ARGE Rechtsberatung stattgefunden, zudem sei dem Beschwerdeführer am 26.07.2018 die Verfahrensanordnung Schubhaft ausgehändigt worden. Hinsichtlich seiner Integrationsschritte müsse festgehalten werden, dass sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes stets habe Bewusstsein müssen. Die Lebensgemeinschaft und die Besuche bei seiner Tochter seien dem Beschwerdeführer offensichtlich nicht so wichtig gewesen, da sich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich nach Frankreich abgesetzt habe.

7. Mit Schreiben vom 25.03.2019 und 29.09.2019 brachte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers vor, den Beschwerdeführer geheiratet zu haben und mit ihm in eine gemeinsame, neue Wohnung gezogen zu sein. Sie legte diverse Bestätigungen bei.

8. Nach Aufforderung des Gerichts erstattete das Bundesamt eine weitere Stellungnahme und gab an, dass zum Zeitpunkt des 25.07.2018 keine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar gewesen sei, da seitens des Bundesamtes seit dem 02.03.2017 keine neue Rückkehrentscheidung erlassen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.06.2011 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2011 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus Österreich ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.10.2012 abgewiesen (Asylakt Teil 3, Erkenntnis vom 02.03.2017, W199 1421179-3).

Der Beschwerdeführer setzte sich in weiterer Folge im Vereinigten Königreich ab, wo er den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX angab (Erkenntnis 02.03.2017). Österreich erklärte sich am 07.11.2013 gemäß der Dublin-Verordnung bereit, den Beschwerdeführer zu übernehmen, woraufhin dieser am 28.11.2013 nach Österreich rücküberstellt wurde.

1.2. Am 28.11.2013 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. In seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er, dass er sich in Italien, Frankreich und London aufgehalten habe.

Mit Bescheid vom 17.12.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer nach Afghanistan aus.

1.3. Mit Schriftsatz vom 03.01.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verband diesen Antrag mit einer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid vom 17.12.2013, die das Bundesamt abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis vom 29.06.2015 ebenfalls abgewiesen.

1.4. Der Beschwerdeführer erhob gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Entscheidung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes mit Erkenntnis vom 08.03.2016 aufhob.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 05.04.2016 die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wegen entschiedener Sache zurück, hinsichtlich der Rückkehrentscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und verwies die Sache zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt zurück. Das Bundesamt erlies in weiterer Folge keine neue Rückkehrentscheidung (Erkenntnis vom 02.03.2017; OZ 15).

1.5. Das Bundesamt erließ am 24.07.2018 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer.

1.6. Mit Mandatsbescheid vom 25.07.2018 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in der bis 31.08.2018 gültigen Fassung zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger.

In Österreich führt er den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX (Asylakt Teil 3; OZ 1).

2.2. Der Beschwerdeführer war während der Anhaltung in Schubhaft haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

2.3. Der Beschwerdeführer wurde vom 25.07.2018 bis zum 06.08.2018 in Schubhaft angehalten. Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2018 aus der Schubhaft entlassen, da kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte (OZ 15).

2.4. Gegen den Beschwerdeführer bestand zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides und während anhaltender Schubhaft keine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer stellte in Österreich mehrere Anträge auf internationalen Schutz und reiste während seines Aufenthaltes (illegal) in verschiedene Länder Europas, um dort ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz zu stellen. Er wurde mehrmals polizeilich nach Österreich rücküberstellt.

3.2. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 03.05.2021 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger gemäß § 207a Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

3.3. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer wurde eingeleitet. Am 03.08.2018 wurde der Beschwerdeführer der afghanischen Botschaft vorgeführt. Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2018 aus der Schubhaft entlassen, da kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte.

4. Familiäre und soziale Komponente:

4.1. Am 21.05.2016 wurde die Tochter des Beschwerdeführers, XXXX , in Österreich geboren (OZ 1).

Der Beschwerdeführer hat am 28.09.2019 die österreichische Staatsangehörige, XXXX , geheiratet (OZ 10).

4.2. Der Beschwerdeführer ist in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen und hat über kein Einkommen verfügt.

4.3. Der Beschwerdeführer kam seinen Meldeverpflichtungen in Österreich – bis auf wenige Unterbrechungen – nach. Er verfügte zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer war bis zum 21.06.2018 aufrecht gemeldet.

Derzeit lebt der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau in einer privaten Wohnung.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungs- und Gerichtsakten, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister, in das Versicherungsdatenregister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu den Asylantragsstellungen und den damit zusammenhängenden Verfahren sowie den Rücküberstellungen sind allesamt den Verwaltungsakten zu entnehmen. Ebenso verhält es sich mit der Feststellung zum Festnahmeauftrag und dem Schubhaftbescheid vom 25.07.2018.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Angaben zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und dem Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Verfahren.

2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während der Anhaltung in Schubhaft haftfähig war, ergibt sich aus der Tatsache, dass er im Verfahren nichts vorgebracht wurde, was für eine Haftunfähigkeit sprechen würde.

2.3. Dass der Beschwerdeführer vom 25.07.2018 bis 06.08.2018 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Dass der Beschwerdeführer am 06.08.2018 aus der Schubhaft entlassen wurde, ist dem auf den 06.08.2018 datierten Entlassungsschein des Bundesamtes zu entnehmen. Auf diesen ist auch die Feststellung zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Ablehnung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates aus der Schubhaft entlassen wurde (AS 69).

2.4. Dass gegen den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft und während aufrechter Schubhaft keine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestanden hat, ergibt sich aus Folgendem:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.06.2011 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2011 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus Österreich ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.10.2012 abgewiesen.

Im Jahr 2016 wurde die Tochter des Beschwerdeführers in Österreich geboren, weshalb die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) ihre Wirksamkeit verloren hat (siehe Punkt 3. Rechtliche Beurteilung).

Am 28.11.2013 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17.12.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer nach Afghanistan aus. Mit Schriftsatz vom 03.01.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verband diesen Antrag mit einer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid vom 17.12.2013, die das Bundesamt abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis vom 29.06.2015 ebenfalls abgewiesen

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes mit Erkenntnis vom 08.03.2016 aufhob.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 05.04.2016 die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wegen entschiedener Sache zurück, hinsichtlich der Rückkehrentscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und verwies die Sache zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt zurück. Das Bundesamt erlies in weiterer Folge keine neue Rückkehrentscheidung.

Dass das Bundesamt keine neue Rückkehrentscheidung erlies und dieser Spruchpunkt zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft daher noch offen war, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und der Stellungnahme des Bundesamtes vom 15.07.2020, in der angegeben wurde:

„Somit war zum Zeitpunkt des 25.07.2018 keine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar, da seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl seit dem 02.03.2017 keine neue Rückkehrentscheidung erlassen wurde“ (OZ 15).

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Die Feststellungen hinsichtlich der mehrmaligen Antragstellungen, der Reisebewegungen des Beschwerdeführers sowie seiner Rücküberstellungen ergeben sich aus einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

3.2. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers gründet sich auf die Einsichtnahme in das Strafregister.

3.3. Dass ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer eingeleitet, dieser am 03.08.2018 der afghanischen Botschaft vorgeführt und am 06.08.2018 aus der Schubhaft entlassen wurde, da kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte, ergibt sich aus dem Entlassungsschein vom 06.08.2018 sowie der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.10.2018.

4. Familiäre und soziale Komponente

4.1. Dass die Tochter des Beschwerdeführers am 21.05.2016 in Österreich geboren wurde, ergibt sich aus der eingebrachten Beschwerde vom 31.08.2018.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 28.09.2019 die österreichische Staatsangehörige, XXXX , geheiratet hat, ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde des XXXX vom 28.09.2019 (OZ 10).

4.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und über kein Einkommen verfügt hat, ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug und der Tatsache, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.

4.3. Dass der Beschwerdeführer seinen Meldeverpflichtungen in Österreich – bis auf wenige Unterbrechungen – nachgekommen ist, jedoch zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfügt hat, aber bis zum 21.06.2018 gemeldet war, ergibt sich ebenso wie die Tatsache, dass der der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau in einer privaten Wohnung wohnt, aus einer Einsicht in das Zentrale Melderegister sowie der Stellungnahme der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 30.09.2019.

4.4. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG) in der bis 31.08.2018 gültigen Fassung und § 22a Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

„Schubhaft (FPG)

§ 76.

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.1.2. Zur Judikatur betreffend die Schubhaft:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in der bis 31.08.2018 gültigen Fassung angeordnet. Es ist daher zu prüfen, ob eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vorgelegen hat.

Der Beschwerdeführer stellte am 21.06.2011 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2011 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus Österreich ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.10.2012 abgewiesen. Die erlassene Ausweisung erwuchs daher in Rechtskraft, die nunmehr gemäß § 125 Abs. 14 FPG als Rückkehrentscheidung gilt.

Am 21.05.2016 wurde die Tochter des Beschwerdeführers – eine österreichische Staatsangehörige – geboren.

Eine Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen im Hinblick auf die Interessenabwägung nach Art. 8 MRK (nunmehr iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014) maßgeblich zu Gunsten des Fremden geändert haben; gegebenenfalls erwiese sich eine Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen des Fehlens eines durchsetzbaren Titels für die Außerlandesbringung als rechtswidrig (Hinweis E 20. Oktober 2016, Ra 2015/21/0091 und Ro 2015/21/0031).

Die Tochter des Beschwerdeführers, eine österreichische Staatsangehörige, wurde am 21.05.2016 in Österreich geboren. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK maßgeblich zugunsten des Beschwerdeführers geändert hat, da dieser Vater einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person geworden ist. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) hat daher mit der Geburt seiner Tochter ihre Wirksamkeit verloren und konnte nicht mehr als rechtskräftigende aufenthaltsbeendende Maßnahme herangezogen werden.

Am 28.11.2013 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 17.12.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer nach Afghanistan aus. Mit Schriftsatz vom 03.01.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verband diesen Antrag mit einer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid vom 17.12.2013, die das Bundesamt abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis vom 29.06.2015 ebenfalls abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes mit Erkenntniss vom 08.03.2016 aufhob.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 05.04.2016 die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wegen entschiedener Sache zurück, hinsichtlich der Rückkehrentscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und verwies die Sache zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt zurück. Das Bundesamt erlies in weiterer Folge keine neue Rückkehrentscheidung.

Es lag daher zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides keine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, weshalb eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht hätte ergehen dürfen.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt wurde, sind im Verfahren keine hervorgekommen.

Der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 25.07.2018 bis zum 06.08.2018 war daher stattzugeben und der Bescheid sowie die Anhaltung für rechtswidrig zuerklären.

3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. und III.– Kostenersatz

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

Da sowohl der Schubhaftbescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen waren und der Beschwerdeführer daher obsiegende Partei ist, waren ihm gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung die Aufwendungen in Höhe von € 737,60 (Schriftsatzaufwand) und € 30,- (Eingabengebühr, Barauslagen) zuzusprechen.

Dem Bundesamt gebührt als unterlegene Partei kein Kostenersatz.

3.4. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände Folgeantrag illegale Einreise Interessenabwägung Kostenersatz Privat- und Familienleben Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W251.2204778.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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