TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/28 W238 2241690-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

AlVG §66
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §33
ZustG §17

Spruch


W238 2241690-1/16E

W238 2241690-2/14E

W238 2241690-3/15E

Schriftliche Ausfertigung der am 09.09.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisse

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße vom 11.03.2021, XXXX , betreffend Zurückweisung des Vorlageantrags vom 15.02.2021 in Bezug auf die Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid vom 06.11.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 als verspätet gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG sowie gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße vom 11.03.2021, XXXX , betreffend Abweisung des Antrags vom 15.02.2021 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags gemäß § 71 AVG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2021 zu Recht erkannt:

A)       

I.       Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.03.2021 betreffend Zurückweisung des Vorlageantrags vom 15.02.2021 wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.03.2021 betreffend Abweisung des Antrags vom 15.02.2021 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Abweisung auf § 33 VwGVG gestützt wird.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße (im Folgenden: AMS) vom 06.11.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.10.2020 auf Gewährung einer Einmalzahlung zur Abdeckung des Sonderbedarfs aufgrund der COVID-19-Krise gemäß § 66 AlVG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in dem vom Gesetz angeführten Zeitraum vom 01.05.2020 bis 31.08.2020 nur 22 Tage (statt der erforderlichen 60 Tage) Notstandshilfe bezogen habe.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass sie derzeit Notstandshilfe beziehe; vom 20.05.2020 bis 31.08.2020 sei sie krankgemeldet gewesen und habe Krankengeld bezogen. Die Feststellung der belangten Behörde, wonach Zeiträume eines Krankengeldbezuges bei der Gewährung einer Einmalzahlung nicht zu berücksichtigen seien, sei zwar in Anbetracht des Gesetzeswortlauts nachvollziehbar, im Ergebnis aber nicht gerechtfertigt. Die gesetzliche Regelung über die Gewährung einer Einmalzahlung begründe eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe und Beziehern von Krankengeld.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 01.12.2020 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.11.2020 (richtig: 06.11.2020) gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Personen, die in den Monaten Mai bis August 2020 mindestens 60 Tage Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben, zur Abdeckung des Sonderbedarfs aufgrund der COVID-19-Krise gemäß § 66 AlVG eine Einmalzahlung in Höhe von 450,00 Euro erhalten sollen. Die Beschwerdeführerin habe (unstrittig) in der Zeit von 01.05.2020 bis 31.08.2020 insgesamt aber nur 22 Tage Notstandshilfe bezogen. Aus dem Wortlaut des § 66 AlVG gehe eindeutig hervor, dass Zeiträume eines Krankengeldbezuges sowie Zeiträume einer Bezugssperre nicht zu berücksichtigen seien. Es bestehe auch kein Ermessensspielraum im Hinblick auf eine Unterschreitung der Bezugstage im Falle eines Krankengeldbezuges.

4. Nach seitens der Behörde verfügter Übermittlung der Beschwerdevorentscheidung mittels RSb-Briefes und Ausfolgung einer Kopie der Beschwerdevorentscheidung auf Verlangen der Beschwerdeführerin brachte diese am 15.02.2021 einen Vorlageantrag ein, der mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wurde. Die Beschwerdeführerin wiederholte zunächst ihr Vorbringen betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einmalzahlung. Sodann machte sie eine rechtsunwirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung durch Hinterlegung geltend, indem sie bestritt, dass die Verständigung über die Hinterlegung in ihre Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Eine Kopie des Bescheides sei ihr erst am 08.02.2021 persönlich ausgehändigt worden, weshalb sich der Vorlageantrag als rechtzeitig erweise. In eventu wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5. Mit Schreiben vom 17.02.2021 ersuchte die belangte Behörde die Post um Auskunft über den Zustellvorgang betreffend die Beschwerdevorentscheidung. Seitens der Post wurde am 18.02.2021 bekanntgegeben, dass der langjährige, ortskundige Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung – wie am Rückschein dokumentiert – in die Abgabeeinrichtung eingelegt habe. Es seien keine Zustellhindernisse oder Beschwerden des Empfängers oder anderer Bewohner bekannt.

6. Nach Einräumung von Parteiengehör mit Schreiben des AMS vom 18.02.2021 erstattete die Beschwerdeführerin am 01.03.2021 eine Stellungnahme. Darin führte sie u.a. zahlreiche Zustellvorgänge an, die – mit Ausnahme der in Rede stehenden Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 – problemlos verlaufen seien. Weiters stellte sie Termine und Schriftverkehr mit dem AMS dar. In einer weiteren Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 25.03.2021 machte sie Zustellprobleme an ihrer Wohnadresse geltend.

7. Mit Bescheid des AMS Wien Schönbrunner Straße vom 11.03.2021 wurde der Vorlageantrag der Beschwerdeführerin vom 15.02.2021 gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 nach einem Zustellversuch am 04.12.2020 und anschließender Hinterlegung der Sendung bei der Post mit Beginn der Abholfrist am 07.12.2020 als zugestellt gelte. Der Vorlageantrag sei erst am 15.02.2021 und somit nach Ablauf der zweiwöchigen Frist in der Postbox des AMS Wien Schönbrunner Straße deponiert worden.

8. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, dass die Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung nicht rechtswirksam erfolgt sei. Diesbezüglich wurde auf Zustellprobleme im Wohnhaus der Beschwerdeführerin verwiesen. Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung sei erst am 08.02.2021 durch Ausfolgung einer Bescheidkopie erfolgt. Der Vorlageantrag sei daher rechtzeitig.

9. Mit Bescheid des AMS Wien Schönbrunner Straße vom 11.03.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.02.2021 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags gemäß § 71 AVG abgewiesen. Begründend wurde unter Bezugnahme auf die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am 07.12.2020 und das Einlangen des Vorlageantrags am 15.02.2021 ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags versäumt habe. Da eine im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig sei, wenn die Hinterlegungsanzeige beschädigt oder entfernt worden sei, würden die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG nicht vorliegen.

10. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin nach neuerlicher Darstellung von Zustellproblemen an ihrer Wohnadresse im Wesentlichen vor, dass die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags durch die belangte Behörde rechtlich verfehlt sei, da gerade die Unkenntnis von einem Zustellvorgang etwa wegen Beschädigung oder Entfernung der Hinterlegungsanzeige einen Anwendungsfall der Wiedereinsetzung darstelle.

11. Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 21.04.2021 vorgelegt.

12. Am 08.09.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin per E-Mail eine Stellungnahme samt umfangreichem Unterlagenkonvolut an das Bundesverwaltungsgericht.

13. Am 09.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die Beschwerdeführerin und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Ein Mitarbeiter der Post wurde als Zeuge einvernommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung der im Spruch wiedergegebenen Erkenntnisse.

14. Mit am 20.09.2021 zur Post gegebener Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidungen.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des AMS vom 06.11.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.10.2020 auf Gewährung einer Einmalzahlung zur Abdeckung des Sonderbedarfs aufgrund der COVID-19-Krise abgewiesen.

Nach fristgerechter Einbringung einer dagegen gerichteten Beschwerde wurde diese mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 01.12.2020 abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung enthält eine korrekte Rechtsmittelbelehrung.

Die Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 wurde mittels RSb-Briefes an den Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin gesandt. Nach einem Zustellversuch am 04.12.2020 wurde die Sendung ab 07.12.2020 (Beginn der Abholfrist) beim zuständigen Postamt hinterlegt. Der Zusteller legte eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin ein.

Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Hinterlegung nicht ortsabwesend. Sie hielt sich regelmäßig an der Abgabestelle (Hauptwohnsitz) auf.

Die Frist für die Einbringung des Vorlageantrags begann am 07.12.2020 und endete am 21.12.2020.

Der Beschwerdeführerin wurde am 08.02.2021 auf Verlangen vom AMS eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung ausgefolgt. Sie wurde von der Behörde darauf hingewiesen, dass dadurch der Lauf der Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Gang gesetzt werde.

Am 15.02.2021 stellte die Beschwerdeführerin – nach Ablauf der zweiwöchigen Frist – einen Vorlageantrag, den sie mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verband.

Die Beschwerdeführerin war nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – etwa dadurch, dass sie von der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangte – daran gehindert, die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags einzuhalten.


2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Akteninhalt und die in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise, insbesondere die Parteien- und Zeugenaussagen.

Der festgestellte Gegenstand des Bescheides vom 06.11.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 ergibt sich aus den Verwaltungsakten. Die Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit der Einbringung eines Vorlageantrags ist Bestandteil der Beschwerdevorentscheidung.

Die Feststellungen über den Zustellvorgang der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 beruhen auf dem vorliegenden unbedenklichen und gut lesbaren RSb-Rückschein und der Zeugenaussage des vom Gericht einvernommenen Zustellers.

Der RSb-Rückschein bezüglich der Beschwerdevorentscheidung stellt als Zustellschein eine öffentliche Urkunde dar, welche die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. dazu auch die nachfolgende rechtliche Beurteilung). Aus dem Rückschein ergeben sich ein Zustellversuch des Schriftstücks am 04.12.2020 sowie die Hinterlegung der Sendung beim Postamt XXXX . Der Beginn der Abholfrist wurde am Rückschein vom Zusteller mit 07.12.2020 vermerkt. Dem Rückschein ist zu entnehmen, dass eine Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin eingelegt wurde.

Soweit die Beschwerdeführerin den Zustellversuch am 04.12.2020 in Abrede zu stellen versuchte, indem sie vorbrachte, dass sie an diesem Tag nachweislich bei der Behörde angerufen habe, ist festzuhalten, dass ein Telefonat von einem Mobiltelefon aus nicht zu beweisen vermag, dass die Beschwerdeführerin am 04.12.2020 zur exakten Zeit des Zustellversuchs tatsächlich gerade zu Hause war.

Dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum des Zustellversuchs am 04.12.2020 sowie der Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung am 07.12.2020 regelmäßig an ihrer Abgabestelle (Hauptwohnsitz) aufhältig war, ergibt sich aus ihren Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdeführerin brachte im Lauf des Verfahrens Zustellprobleme vor: Konkret gab sie an, dass einmal eine Hinterlegungsanzeige in ihrem Briefkasten eingelegt worden sei, ohne dass der Zusteller geläutet habe, obwohl sie zu Hause gewesen sei; auch sei eine falsche, allerdings ohnehin durchgestrichene Abholadresse angeführt worden (Schreiben AMS, RSb 22.02.2021). Weiters hätten Zusteller ihr Sendungen persönlich übergeben, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen (Schreiben AMS RSb 09.03.2021 und 11.03.2021). Auch seien Mietvorschreibungen aus 2017, 2019 und 2020 nicht bei der Beschwerdeführerin eingelangt bzw. an einer anderen Adresse zugestellt worden. Am 03.02.2020 sei eine persönliche Übergabe eines RSb-Schreibens durch den Zusteller auf unfreundliche Weise (mit den Worten: „schneller sein“) erfolgt. Ein an eine andere Hausnummer adressierter Brief sei offenbar von einem Mitbewohner für den Postboten im Gang zwecks richtiger Zustellung aufgestellt worden (17.03.2021). Ein Kuvert mit Werbeprospekten habe gefehlt (März 2021). Am 18.06.2021 habe sie eine Hinterlegungsanzeige erhalten, auf dem alle Angaben gefehlt hätten. Schließlich sei eine Mietvorschreibung für Juli 2021 nicht eingelangt.

Auf Nachfrage, ob sich die Beschwerdeführerin diesbezüglich bei der Post – etwa über das Kundenportal – beschwert habe, gab diese in der Verhandlung an, dass sie nur zweimal (am 29.03.2021 und am 18.06.2021) Beschwerden bei der Post eingebracht habe, was jedoch für das Gericht angesichts der vorgebrachten zahlreichen Zustellprobleme nicht nachvollziehbar erscheint. Hinzu kommt, dass die Zustellung von RSa-Schreiben und RSb-Schreiben grundsätzlich nicht mit der Zustellung von sonstigen Briefsendungen oder gar Werbematerial vergleichbar ist. Ebenso wenig ist ein vom Empfänger als unfreundlich empfundenes Verhalten eines Zustellers oder das Fehlen eines Mund-Nasen-Schutzes bei der Übergabe einer Sendung geeignet, die Zuverlässigkeit bzw. Verlässlichkeit eines Zustellorgans (insbesondere in Bezug auf Zustellungen nachweislich zuzustellender Sendungen) in Zweifel zu ziehen. Schließlich wird auch mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie bislang alle Sendungen bei der Post behoben habe, bezüglich derer sie eine Hinterlegungsanzeige in ihrem Briefkasten vorgefunden habe, nicht dargetan, dass der Zusteller bezüglich der in Rede stehenden Beschwerdevorentscheidung – entgegen der Beurkundung im RSb-Rückschein – keine Hinterlegungsanzeige im Briefkasten hinterlassen hat.

Der Zusteller, der den in Rede stehenden Zustellschein beurkundete, wurde vom Gericht als Zeuge einvernommen. Bei dem zuständigen Zusteller handelt es sich um einen erfahrenen Mitarbeiter, der seit Februar 1998 bei derselben Zustellbasis der Post tätig ist und bis Juli 2021 für mehrere Jahre Stammzusteller an der Adresse der Beschwerdeführerin war. Er gab in der Verhandlung glaubhaft an, dass er bislang nur mit wenigen Beschwerden von Postkunden konfrontiert gewesen sei. Er bestätigte weiters, dass der von ihm beurkundete Rückschein die tatsächlichen Ereignisse dokumentiere, und schloss auf Nachfrage aus, dass er entgegen seiner Beurkundung keine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin einlegte oder diese irrtümlich in einem anderen Briefkasten deponierte. Dass sich der Zeuge an den konkreten Tag der Zustellung bzw. den Zustellvorgang an sich nicht mehr erinnern konnte, vermag die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht zu erschüttern; vielmehr erscheint dem Gericht ein Erinnerungsvermögen, das keine Details an mehrere Monate zurückliegende Arbeitsschritte umfasst, plausibel.

Für das Bundesverwaltungsgericht haben sich nach Einvernahme des Zustellorgans keine Zweifel an der richtigen Beurkundung des konkreten Zustellvorgangs am Zustellnachweis ergeben. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es (innerhalb eines längeren Zeitraumes) vereinzelt zu Zustellproblemen an der Adresse der Beschwerdeführerin gekommen sein mag und die Beschwerdeführerin hinterlegte Sendungen bei der Post regelmäßig behoben hat.

Hinsichtlich der Bestimmung des Fristenlaufs für die Einbringung des Vorlageantrags wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Dass der Beschwerdeführerin am 08.02.2021 auf Verlangen vom AMS eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung mit dem Hinweis ausgefolgt wurde, dass dadurch der Lauf der Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Gang gesetzt werde, ergibt sich aus der in den Akten einliegenden Niederschrift vom 08.02.2021.

Die Einbringung des Vorlageantrags samt Wiedereinsetzungsantrag am 15.02.2021 durch Einwurf in die Postbox der belangten Behörde war im Verfahren nie strittig.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – etwa dadurch, dass sie von der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangte – daran gehindert war, die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags einzuhalten, stützt sich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Der Wiedereinsetzungsantrag enthält keine Begründung hinsichtlich des Vorliegens eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses. Vielmehr wird darin insbesondere vorgebracht, dass die Zustellung durch Hinterlegung nicht rechtswirksam gewesen sei, sondern erst durch Ausfolgung einer Bescheidkopie am 08.02.2021 erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin machte sohin gar kein Fristversäumnis geltend, sondern beantragte lediglich hilfsweise, jedoch ohne jegliche Begründung, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Beschwerde gegen die Abweisung der Wiedereinsetzungsantrag wurde zwar seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass gerade die Unkenntnis von einem Zustellvorgang etwa wegen Beschädigung oder Entfernung der Hinterlegungsanzeige einen Anwendungsfall der Wiedereinsetzung darstelle. Ein konkretes Vorbringen wurde jedoch erneut nicht erstattet. Auch in der Verhandlung behauptete die Beschwerdeführerin nicht, dass die Hinterlegungsanzeige nach dem Einlegen in ihrer Abgabeeinrichtung entfernt oder beschädigt worden sein könnte. Vielmehr gab sie auf Nachfrage an, dass sie ein verschließbares und gegen den Zugriff Dritter geschütztes Postbrieffach habe, auf das nur sie und der Zusteller zugreifen könnten und welches nie beschädigt worden sei. Insgesamt wurde somit kein Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrags dargetan.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Die im Kopf dieser Erkenntnisse angeführten Beschwerdeverfahren wurden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Beschwerden gegen die Bescheide vom 11.03.2021 sind rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie sind jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

3.2. Zurückweisung des Vorlageantrags

3.2.1. Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 wurde mittels RSb-Sendung angeordnet.

Kann ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen (§ 17 Abs. 1 ZustG).

Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen (§ 17 Abs. 2 ZustG).

Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt (§ 17 Abs. 3 ZustG).

Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden (§ 22 Abs. 1 ZustG).

Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung ist gemäß § 17 Abs. 1 ZustG somit u.a., dass das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Empfänger bzw. ein Vertreter oder Ersatzempfänger nicht angetroffen werden können, sie berechtigt die Annahme verweigern (VwGH 04.10.1996, 96/02/0139) oder ein Zurücklassen an der Abgabestelle nicht möglich ist (§ 20 ZustG). Eine ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen erfolgte Hinterlegung bleibt wirkungslos (s. etwa VwGH 20.09.2005, 2003/05/0081). Voraussetzung einer wirksamen Hinterlegung ist auch, dass der zur Hinterlegung führende Zustellversuch an einer Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG vorgenommen wurde (VwGH 09.09.2009, 2007/08/0227).

Der Beweis, wonach eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. etwa VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237, mwN).

Nach den Beurkundungen des Zustellorgans wurde ein Zustellversuch der Beschwerdevorentscheidung am 04.12.2020 vorgenommen und sodann eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Weiters ist dem Rückschein zu entnehmen, dass die Hinterlegung des Schriftstücks erfolgte. Der Beginn der Abholfrist wurde mit 07.12.2020 vermerkt.

Aus § 17 ZustG ergibt sich, dass ein hinterlegtes Dokument mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gilt. Beginn der Abholfrist war im Fall der Beschwerdeführerin somit der 07.12.2020, sodass die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags auch mit diesem Tag zu laufen begonnen hat.

3.2.2. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, ist es der Beschwerdeführerin im Lichte des unbedenklichen Rückscheines und der Zeugenaussage des Zustellers nicht gelungen, Umstände darzulegen, die begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs oder am Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung aufkommen ließen.

Es wurde im Verfahren erwiesen, dass der Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin eingelegt hat. Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Hinterlegung ihren eigenen Angaben zufolge auch nicht ortsabwesend, weshalb von einer ordnungsgemäßen Zustellung der Beschwerdevorentscheidung durch Hinterlegung am 07.12.2020 (Beginn der Abholfrist) auszugehen ist.

Zur Ausfolgung einer „Bescheidkopie“ durch das AMS am 08.02.2021 ist festzuhalten, dass es der Behörde iSd § 24 ZustG zwar frei steht, dem Empfänger ein Zustellstück sogleich in den Amtsräumen auszuhändigen, sofern ein versandbereites, d.h. formell und inhaltlich vollständiges Dokument bereit liegt. Die Übergabe einer Kopie der Erledigung genügt jedoch nicht (vgl. dazu Wessely in: Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, § 24 ZustG Rz 2; Gitschthaler in: Rechberger, Kommentar zur ZPO, § 24 ZustG Rz 2).

Auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge ist die Aushändigung lediglich einer Kopie der Bescheidausfertigung keine rechtswirksame Zustellung iSd § 24 ZustG an die (einzige) Partei des Verfahrens, weil es sich nicht um die Ausfolgung eines bereits versandbereiten, gemäß einer behördlich erfolgten Zustellverfügung an eine bestimmte Person, den Empfänger, gerichtetes Schriftstück handelt (vgl. VwGH 07.05.1998, 96/20/0187).

Da der Beschwerdeführerin nach dem Akteninhalt nicht ein versandbereites, gemäß einer behördlich erfolgten Zustellverfügung an sie gerichtetes Schriftstück, sondern lediglich eine von Bediensteten der Behörde hergestellte Kopie einer Bescheidausfertigung ausgefolgt wurde, konnte durch die Aushändigung der Kopie – abgesehen davon, dass eine rechtwirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bereits durch Hinterlegung erfolgte und eine neuerliche Auslösung der Rechtsmittelfrist ohnehin ausgeschlossen war – eine rechtswirksame Zustellung nicht zustande kommen.

In der Rechtsmittelbelehrung der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 wurde die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hingewiesen, dass sie binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der am Bescheid angeführten regionalen Geschäftsstelle einen Vorlageantrag stellen kann.

Ausgehend von der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am 07.12.2020 endete die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags mit Ablauf des 21.12.2020.

Der am 15.02.2021 von der Beschwerdeführerin eingebrachte Vorlageantrag wurde daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

3.3.1. § 33 VwGVG lautet auszugsweise:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung ist und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113; 25.05.2020, Ra 2018/19/0708). Dasselbe muss für die Versäumung von Vorlageanträgen gelten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. betreffend § 33 Abs. 1 VwGVG die Beschlüsse vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113, und vom 08.06.2015, Ra 2015/08/0005, sowie in diesem Sinn auch den Beschluss vom 17.03.2015, Ra 2014/01/0134).

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass das AMS bei der Erledigung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags § 33 VwGVG (und nicht § 71 AVG) anzuwenden hatte.

3.3.2. Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 33 Abs. 1 VwGVG).

Erfolgte die Zustellung – wie im vorliegenden Fall – ordnungsgemäß, hat aber die Partei dennoch keine Kenntnis von diesem Zustellvorgang erlangt, kann diese Unkenntnis von der Zustellung eines Schriftstückes – sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt – geeignet sein, die Wiedereinsetzung zu begründen.

Die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis von einem Zustellvorgang reicht aber – sofern das Schriftstück oder die Hinterlegungsanzeige in die Gewahrsame des Adressaten gelangt sind (und dies ist hier angesichts des ordnungsgemäßen Einlegens der Hinterlegungsanzeige in ein ordnungsgemäß verschließbares und gegen den Zugriff Dritter geschütztes Postbrieffach der Fall) – für eine Wiedereinsetzung nicht aus (VwGH 20.01.1998, 97/08/0545).

Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, jene Umstände aus ihrem persönlichen Lebensbereich konkret darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass sie von dem in ihre Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte. Die „Unerklärlichkeit“ des Verschwindens eines in ihre Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstückes (hier: der Hinterlegungsanzeige) geht zu Lasten der Beschwerdeführerin, der es im Wiedereinsetzungsverfahren obliegt, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist geltend zu machen, der nicht durch ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt wurde (VwGH 20.01.1998, 97/08/0545).

Dies ist der Beschwerdeführerin im Lichte ihres Vorbringens nicht gelungen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde von der belangten Behörde sohin im Ergebnis – wenn auch auf Basis der falschen Rechtsgrundlage und einer unzutreffenden Begründung – zu Recht abgewiesen.

3.4. Aufgrund der Verspätung des Vorlageantrags und der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags erweist sich der Bescheid des AMS Wien Schönbrunner Straße vom 06.11.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2020 (betreffend Abweisung des Antrags vom 15.10.2020 auf Gewährung einer Einmalzahlung) als rechtskräftig, sodass eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache ausscheidet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidungen weichen nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (s. dazu die unter Pkt. II.3. angeführten Judikaturzitate). Die im Einzelfall vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Darüber hinaus hingen die Entscheidungen von bereits ausjudizierten – nicht übermäßig komplexen – Rechtsfragen ab.

Schlagworte

Hinterlegung Rechtsmittelfrist rechtswirksame Zustellung schriftliche Ausfertigung Verspätung Vorlageantrag Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2241690.1.00

Im RIS seit

25.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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