TE Vfgh Beschluss 1994/12/16 B1731/94

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Veröffentlicht am 16.12.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Zurückweisung der Beschwerde wegen Fristversäumnis; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

IV. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem am 17. August 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den ihm am 1. Juni 1994 zugestellten Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Mai 1994, mit dem die Verfügung der Ausweisung gegen den Einschreiter gemäß §17 Abs2 Z4 des FremdenG, BGBl. 838/1992, bestätigt und diese zugleich auch auf §17 Abs1 leg.cit. gestützt wurde.

Mit demselben Schriftsatz wurde die entsprechende Beschwerde sowie die im Spruch unter Pkt. III. und IV. genannten Anträge eingebracht.

2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages bringt der Einschreiter im wesentlichen vor:

Seinem - fristgerecht - beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den nunmehr auch vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid sei mit Beschluß vom 16. Juni 1994 stattgegeben worden. Die daraufhin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellte (und nunmehr von ihm auch für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bevollmächtigte) Rechtsanwältin habe ihm anläßlich einer Besprechung im Zusammenhang mit der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde am 3. August 1994 zur Kenntnis gebracht, daß es in seiner Angelegenheit angezeigt sei, auch den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Es treffe ihn nur ein minderer Grad des Versehens, wenn er innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist nur den Antrag auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellt habe, zumal es ihm unzumutbar sei, die genauen Kompetenzen der österreichischen Höchstgerichte des öffentlichen Rechts zu kennen, umsomehr, als er über keine juristische Ausbildung verfüge und der deutschen Sprache nicht mächtig sei.

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art5 EMRK, dem Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK sowie dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a) Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden: Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß die Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

b) Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht bloß um einen minderen Grad des Versehens im oben dargestellten Sinn:

Es ist nämlich für jeden sorgfältigen Menschen selbstverständlich, daß er sich einen an ihn ergehenden Bescheid, der ihn wie der vorliegende in ganz bedeutender Weise berührt, übersetzen läßt. Der Fremde ist dann nicht schlechter gestellt als österreichische Staatsbürger, deren Rechtsirrtümer auch keine unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisse bilden (vgl. zB VfSlg. 12614/1991).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VerfGG iVm §§146 ff. ZPO).

2.a) Aus den angeführten Gründen erweist sich die am 17. August 1994 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet (§82 Abs1 VerfGG); sie war daher zurückzuweisen.

b) Der unter einem gestellte Antrag, die Beschwerde in eventu an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG und §87 Abs3 VerfGG nur für den - hier nicht gegebenen - Fall vorgesehen ist, daß der Gerichtshof die Behandlung der Beschwerde ablehnt oder in der Sache selbst abweislich erkennt, nicht aber auch für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde.

3. Da somit die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erscheint, mußte sein unter einem mit der Beschwerde gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG).

III. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Fremdenrecht, VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1731.1994

Dokumentnummer

JFT_10058784_94B01731_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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