Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GBefG 1952 §16 Abs1 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des C in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Juni 1994, Zl. 3/24-4/1993, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 26. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 30. März 1993 um ca. 18.00 Uhr ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Sattelkraftfahrzeug vom Zollamt Vils kommend auf der B 314 bis nach Lermoos gelenkt, obwohl er bei der Fahrt die "nach dem Abkommen betreffend die Verwaltungsvereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktesystems, kundgemacht BGBl. Nr. 879/92, erforderlichen Bescheinigungen (Ökokarte)" nicht mitgeführt habe und dem Sicherheitsorgan in Lermoos auf Verlangen nicht vorweisen habe können. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung "nach § 16 Abs. 2 iVm § 16 Abs. 1 Z. 7 und § 7b Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz" begangen, weshalb über ihn gemäß § 16 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juni 1994 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf S 10.000,-- (und entsprechend die Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wurde. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde insofern geändert, als nach dem Wort "Fahrt" die Worte "durch Österreich" ergänzt wurden und nach den Worten "Bescheinigungen (Ökokarte)" die Worte "nicht mitführten" zu entfallen hätten. Ferner wurde der Spruch dahin modifiziert, daß der Beschuldigte durch seine Tat eine Verwaltungsübertretung "nach § 16 Abs. 1 Ziff. 6 in Verbindung mit § 7b Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz" begangen habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer erklärt, durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Nichtbestrafung wegen der ihm zur Last gelegten Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes sowie in seinem Recht auf Anwendung des § 21 VStG verletzt worden zu sein und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging nach der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen davon aus, daß nach dem eingangs erwähnten Abkommen für jeden Lastkraftwagen, der durch Österreich durchfahre, bei jeder Fahrt unter anderem auch eine gültige Ökopunktekarte mitzuführen sei. Wenn der Beschwerdeführer auch vorgebracht habe, daß er kurzfristig als Ersatzfahrer herangezogen worden sei und im Zuge der Auswechslung vergessen worden sei, ihm mitzuteilen, wo sich der Schlüssel zur Mittelkonsole, in der sich die genannten Papiere befunden hätten, befinde, habe er dennoch von Anfang an nicht bestritten, daß er die Ökopunktekarte über Verlangen einem Sicherheitsorgan nicht ausgehändigt habe. Auch das Nichtaushändigen dieser Karte sei unter Strafe gestellt, sodaß der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 7b Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz zu vertreten habe, auch unter der Annahme, daß er diese Karte an und für sich mitgeführt habe. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, daß unter Anwendung des § 20 VStG die Höhe der Geldstrafe auf S 10.000,-- reduziert werden könne. Die Anwendung des § 21 VStG komme nicht in Betracht, weil das Verschulden des Beschwerdeführers nicht gering sei.
Insofern der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde von der zuletzt genannten Bestimmung nicht Gebrauch gemacht habe, ist ihm folgendes zu entgegnen: Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1996, Zl. 94/03/0003, mit weiterem Judikaturhinweis). Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall aber nicht gegeben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe unvorhergesehen und kurzfristig als Ersatzfahrer einspringen müssen und es sei ihm lediglich deshalb nicht bekannt gewesen, wo sich der Schlüssel für die Mittelkonsole befunden habe, in der die Ökopunktekarte aufbewahrt worden sei, ist nicht geeignet, sein Verschulden in einem für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG erforderlichen Maß zu mindern. Es wäre dem Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt berufsgebotener Sorgfaltspflicht oblegen, sich jedenfalls vor dem Fahrtantritt zu versichern, ob alle nötigen Unterlagen vorhanden sind, und sich auch in die Lage zu versetzen, diese Unterlagen gegebenenfalls vorzuweisen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß die Folgen der Übertretung unbedeutend seien, weil er nur mit dem Sattelzugfahrzeug gefahren sei, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG nicht anwendete.
Verfehlt ist auch die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Ausschlaggebend für die Unterbrechung der Verjährung ist, daß sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, auf Seite 929 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesem Erfordernis hat die Aufforderung zur Rechtfertigung an den Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 14. Juni 1993 entsprochen.
Im Ergebnis zu Recht rügt der Beschwerdeführer jedoch, daß er nicht nach den von der belangten Behörde genannten gesetzlichen Bestimmungen hätte bestraft werden dürfen: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11525/A) muß gemäß § 44a Z. 2 VStG im Spruch eines Verwaltungsstrafbescheides die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde, erfolgen. Nach dieser Rechtsprechung kommt es auf die Anführung derjenigen Norm als verletzter Verwaltungsvorschrift an, unter die die Tat zu subsumieren ist, ohne daß es der Zitierung der Vorschrift, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt, bedürfe. Die belangte Behörde legte dem Beschwerdeführer eine Übertretung "nach § 16 Abs. 1 Ziff. 6 in Verbindung mit § 7b Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz" zur Last.
Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, BGBl. Nr. 823/1992 (Transitvertrag) enthält in Art. 15 Ausführungen zur Reduktion der Umweltbelastungen durch ein Ökopunktesytem. Nach Art. 24 Abs. 4 des Transitvertrages werden der Zeitpunkt und die Modalitäten der Einführung des Ökopunktesystemes im Jahre 1992 in einer Verwaltungsvereinbarung festgelegt. Diese Verwaltungsvereinbarung wurde unter BGBl. Nr. 879/1992 kundgemacht und trat nach ihrem Art. 10 mit 1. Jänner 1993 in Kraft. Nach Art. 3 Z. 1 dieses Verwaltungsübereinkommens hat der Lenker eines Lastkraftwagens für jede Transitfahrt ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt gemäß Anhang A der gegenständlichen Vereinbarung (genannt Ökokarte) mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen. Das Formular gemäß Anhang A der gegenständlichen Vereinbarung wird von den zuständigen österreichischen Stellen gegen Entrichtung der bei der Herstellung und dem Versand anfallenden Kosten einschließlich jener für die Ökopunkte ausgegeben. Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 7 des Güterbeförderungsgesetzes idF BGBl. Nr. 453/1992 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu ahnden ist, wer Ge- und Verbote auf Grund von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt.
Die belangte Behörde hat übersehen, daß die Verpflichtung, gegen die im vorliegenden Fall verstoßen wurde, nämlich das Vorweisen der Ökokarte auf Verlangen von Kontrollorganen, nicht in der von der belangten Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides zitierten Bestimmung des § 7b Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz geregelt ist - diese Bestimmung bezieht sich nur auf Kontingenterlaubnisse -, sondern sich in der speziellen Norm des Art. 3 Z. 1 der genannten Verwaltungsvereinbarung findet. Gegen diese Bestimmung wurde somit mit der im Beschwerdefall als erwiesen angenommenen Tat verstoßen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Verletzung dieser Norm nicht in der Z. 6, sondern in der Z. 7 des § 16 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes für strafbar erklärt wird.
Da es die belangte Behörde somit unterlassen hat, im Spruch des angefochtenen Bescheides Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 und die Strafnorm richtig zu zitieren, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beschwerde nach eingegangen werden müßte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994030232.X00Im RIS seit
13.06.2001