RS Vfgh 2021/9/28 V148/2021 (V148/2021-12)

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Index

L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Stmk Dienst- und GehaltsO 1956 §37, §144a
B-KUVG §56, §63
KFA-Satzung 2012 §35 Abs1, §35 Abs2
BVA-Satzung 1995 §16
BVA-Satzung 2011 §16, §34
BVAEB-Satzung 2020 §16
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung des Günstigkeitsprinzips durch eine Bestimmung der KFA-Satzung 2012 betreffend Behandlungsbeiträge zur Krankenfürsorge von Beamten der Stadt Graz; Verstoß der Behandlungsbeiträge für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und infolge Krankheit oder Gebrechen erwerbsunfähig sind, gegen eine Bestimmung des B-KUVG; Verbot der Schlechterstellung von Beamten der Stadt Graz gegenüber Beamten des Bundes

Rechtssatz

Aufhebung des §35b Abs1 und Abs2 der Verordnung des Gemeinderates vom 09.02.2012 über die Krankenfürsorge für die Anspruchsberechtigten bei der Krankenfürsorgeanstalt für die Beamten der Landeshauptstadt Graz (ZKFA-K 35/2001-8; KFA-Satzung 2012), Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 2/2012, ab dem 01.05.2013. Im Übrigen: Abweisung des Antrags des Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG).

Vor dem Hintergrund, dass das LVwG Bedenken ausschließlich in Bezug auf die Frage, ob Behandlungsbeiträge dem Grunde nach zu leisten waren, vorbringt und keine Bedenken hinsichtlich der Höhe der geleisteten Behandlungsbeiträge, hinsichtlich der Vorschreibung bzw Einbehaltung oder hinsichtlich dem Absehen von der Einhebung bzw dem Rückerstatten von Behandlungsbeiträgen äußert, ist der im Hauptantrag begehrte Aufhebungsumfang nicht zu eng gefasst. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass im Falle der Aufhebung der Abs1 und 2 des §35b KFA-Satzung 2012 in der angefochtenen Fassung die Bezugnahmen in den Abs3, 4 und 5 auf den in den Abs1 und 2 geregelten Behandlungsbeitrag ins Leere gingen, weil dadurch kein sprachlich unverständlicher Torso verbliebe und die Abs3, 4 und 5 damit nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit Abs1 und Abs2 stehen. Der Umstand, dass eine Bestimmung im Fall der Aufhebung einer anderen Regelung unanwendbar wird, vermag für sich allein einen untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmung nicht zu begründen. Bei der Angabe der Stammfassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung ist dem LVwG ein als offenkundiger Schreibfehler zu wertender Zitierfehler unterlaufen, der - vor dem Hintergrund, dass sich anhand der übrigen Angaben die angefochtene Verordnungsbestimmung eindeutig bestimmen lässt - an der ausreichenden Bezeichnung der angefochtenen Verordnungsbestimmung nichts zu ändern vermag.

In §37 Abs1 Stmk Dienst- und GehaltsO 1956 (DGO 1956) ist ein Günstigkeitsprinzip zugunsten der Beamten der Stadt Graz festgelegt, nach dem diese Beamten Anspruch auf mindestens jene Krankenfürsorge haben, die für Bundesbeamte vorgesehen ist. Dieses Günstigkeitsprinzip ist in Abs2 und 2a des §37 DGO 1956 näher präzisiert, zumal Beamten der Stadt Graz danach höchstens jene Kostenbeiträge vorgeschrieben werden dürfen, die den Bundesbeamten nach der landesgesetzlich normierten Fassung des B-KUVG vorgeschrieben werden können. Als Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob diesem Prinzip entsprochen wird, ist daher jene Bundesrechtslage heranzuziehen, auf die in der DGO 1956 in Form einer statischen Verweisung verwiesen wird.

§144a DGO 1956 in der jeweils geltenden Fassung ist verfassungskonform so zu interpretieren, dass er jeweils einen statischen Verweis auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Fassungen der Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes anordnet. Demnach ordnet §144a DGO 1956 idF LGBl 65/2000 einen statischen Verweis auf die zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung im Steiermärkischen Landtag geltenden Fassungen der Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes und §144a DGO 1956 idF LGBl 43/2013 einen statischen Verweis auf die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens geltenden Fassungen der Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes an; in §144a DGO 1956 idF LGBl 90/2020 wird ausdrücklich statisch auf Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes in ihrer am 01.07.2020 geltenden Fassung verwiesen.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KFA-Satzung 2012 am 01.04.2012 hat §37 Abs2 iVm §144a DGO 1956 daher auf §56 B-KUVG idF BGBl I 142/1998 und auf §63 B-KUVG idF BGBl 764/1996 sowie auf die BVA-Satzung 1995 idF 38/2000 verwiesen. §16 BVA-Satzung 1995 idF 38/2000 sah Regelungen über den bei der Inanspruchnahme von ärztlicher Hilfe oder gleichgestellten Leistungen zu entrichtenden Behandlungsbeitrag vor. Ausnahmen von der Pflicht zur Entrichtung von Behandlungsbeiträgen fanden sich darin nicht. Damit war §35b KFA-Satzung 2012, der eine Ausnahme von der Entrichtung von Behandlungsbeiträgen für Leistungen für Anspruchsberechtigte, die das 18. Lebensjahr zu Beginn des Abrechnungszeitraumes noch nicht vollendet haben, vorsah und damit sogar eine Besserstellung der Beamten der Stadt Graz gegenüber den Bundesbeamten anordnete, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KFA-Satzung 2012 am 01.04.2012 nicht gesetzwidrig.

Mit dem Inkrafttreten der Novelle des §144a DGO 1956 idF LGBl 43/2013 am 01.05.2013 wurden auch die in §37 DGO 1956 enthaltenen Verweise auf bundesrechtliche Bestimmungen entsprechend geändert; demnach bezogen sich die Verweise auf §56 B-KUVG idF BGBl I 86/2013 und auf §63 B-KUVG idF BGBl I 35/2012 sowie auf §16 BVA-Satzung 2011 idF 41/2012. §16 Abs1 BVA-Satzung 2011 idF 41/2012 bestimmte am 01.05.2013, dass bei der Inanspruchnahme von ärztlicher Hilfe oder gleichgestellten Leistungen Behandlungsbeiträge zu entrichten sind. Gemäß (dem am 01.07.2012 in Kraft getretenen) Abs2 Z2 litb leg cit waren aber von der Anwendung des Abs1 Leistungen für die in §56 Abs2 Z2 bis 6, Abs3 und 4 B-KUVG genannten Angehörigen ausgenommen. Gemäß §56 Abs3 Z2 lita B-KUVG idF BGBl I 86/2013 gelten Kinder nach der Vollendung des 18. Lebensjahres als Angehörige, wenn und solange sie seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in (§56 Abs3) Z1 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig sind. Anders als §16 BVA-Satzung 2011 idF 41/2012 iVm §56 Abs3 Z2 lita B-KUVG idF BGBl I 86/2013 sieht §35b KFA-Satzung 2012 hingegen seit seinem Inkrafttreten bloß eine Ausnahme von der Entrichtung von Behandlungsbeiträgen für Leistungen nur für jene Anspruchsberechtigten vor, die das 18. Lebensjahr zu Beginn des Abrechnungszeitraumes noch nicht vollendet haben; damit sind die Beamten der Stadt Graz seit 01.05.2013 gegenüber den Bundesbeamten schlechter gestellt. §35b Abs1 und Abs2 KFA-Satzung 2012 widerspricht daher dem in §37 DGO 1956 enthaltenen Verbot der Schlechterstellung von Beamten der Stadt Graz gegenüber Beamten des Bundes; §35b Abs1 und Abs2 KFA-Satzung 2012 ist daher seit 01.05.2013 gesetzwidrig.

Dass sich die §§37 und 144a DGO 1956 durch die Novelle LGBl 90/2020 erneut geändert haben und §37 DGO 1956 idgF nunmehr auf aktuellere Fassungen der §§56 und 63 B-KUVG sowie die BVAEB-Satzung 2020 verweist, ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles unerheblich, weil sich die für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage in diesen bundesrechtlichen Normen nicht geändert hat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Krankenversicherung, Beiträge, Günstigkeitsprinzip, VfGH / Gerichtsantrag, Eventualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Verweisung Landes- auf Bundesrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V148.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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