Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art2, Art3Leitsatz
Verletzung im Recht auf Leben und im Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an einen Staatsangehörigen von Afghanistan; Verkennung der spätestens seit 20.07.2021 erkennbaren extremen Volatilität der Sicherheitslage begründet eine reale Gefahr der Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch die später ergangene EntscheidungRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) legt seinen Feststellungen zur Lage in Afghanistan einen "Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.12.2020 in den Aktualisierungen vom 02.04.2021 und 16.06.2021" zugrunde und geht im angefochtenen Erkenntnis vom 03.08.2021 weiterhin davon aus, dass für den Beschwerdeführer in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine (Neu-)Ansiedlungsmöglichkeit gegeben sei, weil das Niveau an willkürlicher Gewalt so gering sei, dass für Zivilisten keine Gefahr erheblicher Eingriffe in ihre psychische oder physische Unversehrtheit bestehe.
Damit verkennt das BVwG seine aus Art2 und 3 EMRK folgende Verpflichtung zu beurteilen, ob für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die vom BVwG in Betracht gezogenen Orte in seinem Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung der genannten Grundrechte, insbesondere eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde:
Im Länderinformationsblatt vom 11.06.2021 wird bereits nicht nur von einer vielfach befürchteten massiven Verschlechterung der Sicherheitslage im Falle des Abzuges internationaler Truppen berichtet, sondern auch darüber, dass sich die Sicherheitslage nach dem erfolgten Truppenabzug tatsächlich stetig verschlechtert hat. Dieser negative Trend wird auch in der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 berichtet.
Der VfGH ist der Auffassung, dass auf Grundlage der im angefochtenen Erkenntnis abgedruckten länderberichtlichen Informationen vom 11.06.2021, der in der Entscheidung nicht behandelten Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 sowie der zum Entscheidungszeitpunkt des BVwG verfügbaren, breiten medialen Berichterstattung spätestens ab 20.07.2021, dh auch zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des BVwG, von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen war, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, die den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2 und 3 EMRK aussetzt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E3513.2021Zuletzt aktualisiert am
26.11.2021