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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrags auf finanzielle Vergütung einer Gesellschaft nach dem EpidemieG 1950 für deren Verdienstentgang durch die Schließung von Seilbahn- und Beherbergungsbetrieben auf Grund der Verordnung einer Vorarlberger Bezirkshauptmannschaft; Verdienstentgänge durch Betriebsschließungen für öffentliche Verkehrsanstalten nach dem EpidemieG 1950 sind einem Vergütungsanspruch nach dem EpidemieG 1950 zugänglichRechtssatz
§26 Abs1 EpiG sieht vor, dass für den "Betrieb öffentlicher Verkehrsanstalten (Eisenbahnen, Binnenschiffahrtsunternehmungen, Flöße usw) und für den Verkehr auf denselben [...] durch Verordnung bestimmt [wird], in welcher Weise und durch welche Organe die in diesem Gesetze bezeichneten Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten in Anwendung zu bringen sind". Diese Bestimmung erfasst alle Verkehrsanstalten, die der Allgemeinheit zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie von privater oder öffentlicher Hand betrieben werden.
Die Sonderregelung des §26 EpiG trägt zunächst der (auch historischen) Sonderstellung öffentlicher Verkehrsanstalten (wie Eisenbahnen) Rechnung, indem sie diese einerseits von "gewerblichen Unternehmen" (§20 EpiG) abhebt. Anderseits determiniert §26 EpiG die auf seiner Grundlage zu ergreifenden Maßnahmen nicht selbst, sondern verweist auf die an anderer Stelle des EpiG bereitgestellten Befugnisse (arg.: "in welcher Weise und durch welche Organe die in diesem Gesetze bezeichneten Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten in Anwendung zu bringen sind") und ermächtigt damit in Verbindung mit §20 leg cit jedenfalls auch die Bezirksverwaltungsbehörden (§43 Abs 4 EpiG) insbesondere zu Betriebsbeschränkungen und Betriebsschließungen.
Betriebsschließungen für öffentliche Verkehrsanstalten nach dem Epidemiegesetz 1950, mag sich die Behörde auch förmlich nur auf §26 leg cit berufen, sind damit Eingriffe iSv §20 iVm §26 EpiG und sohin einer Vergütung nach §32 Abs1 Z (4 und) 5 EpiG zugänglich. Die gegenteilige Auffassung, wonach bei Vergütungsansprüchen nach §32 EpiG zwischen Betriebsschließungen nach §20 und solchen nach §26 leg cit zu unterscheiden wäre, würde dem Gesetz zudem einen verfassungswidrigen, nämlich gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen.
Die BH Feldkirch hat mit §1 Abs1 ihrer auf §26 EpiG gestützten Verordnung ABl Vlbg 13/2020 die Einstellung des Betriebes von Seilbahnen mit Wirkung vom 15.03.2020, 17:00 Uhr (vgl §3 Abs1 der Verordnung) verfügt und diese Betriebsschließung mit Ablauf des 27.03.2020 wieder aufgehoben. Damit hat sie eine Betriebsschließung iSv §20 iVm §26 EpiG angeordnet, ohne dass dem die am 16.03.2020 in Kraft getretene COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 entgegengestanden wäre, die nämlich den "öffentlichen Verkehr" von ihrem Betretungsverbot ausgenommen hat.
Indem das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) den Vergütungsanspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft nach §32 EpiG für diesen Zeitraum schon dem Grunde nach mit der Begründung verneint hat, dass auf §26 EpiG gestützte Betriebsschließungen schlechthin nicht vergütungsfähig seien, hat es dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Im weiteren Verfahren wird das LVwG insbesondere zu prüfen haben, welche Vermögensnachteile der beschwerdeführenden Gesellschaft auf die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ABl Vlbg 13/2020 zurückzuführen sind.
Schlagworte
COVID (Corona), Entscheidungsbegründung, EinkünfteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E848.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2022