TE Vfgh Erkenntnis 1994/12/16 B257/94

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Veröffentlicht am 16.12.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z6
B-VG Art15 Abs1
Tir GVG 1983 §3 Abs1 litf
Tir GVG 1983 §3 Abs1 liti
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita

Leitsatz

Keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen die Festlegung einer Genehmigungspflicht für die Begründung von Pfandrechten an Grundstücken für Ausländer im Tir GVG 1983; keine Gleichheitswidrigkeit dieser Bestimmung hinsichtlich der Ausnahme für Kreditinstitute; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Pfandbestellungsvertrags bzw zweier mehr als zehn Jahre dauernder Mietverträge zugunsten von Ausländern aufgrund der Annahme drohender Überfremdung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Erstbeschwerdeführerin - sie besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft - ist Eigentümerin eines Grundstückes in Jochberg samt darauf befindlichem Zweifamilienwohnhaus, das sie - vorbehaltlich der Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung - an die beiden anderen Beschwerdeführer, deutsche Staatsangehörige, mit Vertrag vom 21. Juni 1990 veräußerte. Der Kaufpreis in Höhe von S 3,8 Mio wurde bei Vertragsabschluß bar bezahlt, die Erstbeschwerdeführerin verfügt nach ihren Angaben nicht mehr über diese Summe. Nachdem die Beschwerdeführer laut ihrem Vorbringen zur Überzeugung gelangten, daß es nicht möglich sein werde, die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zu diesem Rechtserwerb zu erlangen, wurde in einem "Aufhebungs- und Pfandbestellungsvertrag" sowie in zwei Mietverträgen vom 24. Juli bzw. 14. August 1992 vereinbart, daß der Erstbeschwerdeführerin der vom Zweit- und Drittbeschwerdeführer erlegte Kaufpreis als - durch Pfandrechte am Grundstück besichertes - Darlehen auf unbestimmte Zeit (aber zu jedem Jahresende unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aufkündbar) gewährt und im Gegenzug den beiden Darlehensgebern das Haus bzw. die beiden darin befindlichen Wohnungen auf unbestimmte Zeit (unter denselben Modalitäten wie das Darlehen kündbar) vermietet werde. Die vereinbarten, jährlich fälligen Darlehenszinsen sollten mit den ebenfalls jährlich fälligen Mietzinsforderungen (monatlich S 12.700,-- für jede der beiden Wohnungen) gegenverrechnet werden; sollten den Mietern infolge Rückzahlung des Darlehens keine Gegenforderungen an Darlehenszinsen mehr zustehen, würden ab diesem Zeitpunkt die Mietzinse zum 1. eines jeden Monats im vorhinein fällig sein. Zugleich verpflichteten sich die Mieter zur Bezahlung sämtlicher auf das Haus entfallender Betriebskosten, Steuern und öffentlicher Abgaben sowie aller zur ordnungsgemäßen Erhaltung notwendiger Aufwendungen und zur Schad- und Klagloshaltung der Vermieterin hinsichtlich sämtlicher Verpflichtungen, die sich aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergeben.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Jochberg vom 25. März 1993 wurde dem Pfandbestellungsvertrag und den beiden Mietverträgen die grundverkehrsbehördliche Zustimmung unter Berufung auf §3 Abs1 und §4 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und der Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), versagt.

2. Die dagegen erhobene Berufung aller drei Vertragsparteien wurde von der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung der abweislichen Entscheidung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Ausländereigenschaft der Gläubiger und Mieter unbestritten und daher die Pfandbestellung jedenfalls gemäß §3 Abs1 liti GVG 1983 einer grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bedürfe; strittig sei dies hingegen hinsichtlich der beiden auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietverträge. Diese Frage sei aber nach Ansicht der belangten Behörde ebenfalls zu bejahen, ergebe sich doch aus der vereinbarten Gegenverrechnung des Mietzinses mit den Darlehenszinsen eine "faktische Mietzinsvorauszahlung" eines jeden Mieters in Höhe von jeweils S 1,9 Mio und sohin eine Bestanddauer von mehr als zehn Jahren. Daher sei von der Genehmigungsbedürftigkeit der Mietverträge gemäß §3 Abs1 litf sowie lith GVG 1983 auszugehen und insgesamt gemäß §4 Abs2 GVG 1983 zu prüfen gewesen, ob die Rechtserwerbe staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen widersprechen. Das Vorliegen eines der besonderen Versagungstatbestände der lita oder b der letztgenannten Bestimmung indiziere eine unwiderlegbare Vermutung eines Widerspruches zu solchen Interessen. Nach dem Ergebnis der im Zuge der Volkszählung 1991 durchgeführten Häuser- und Wohnungszählung stehe fest, daß rund 17% der Wohnungen in der Gemeinde Jochberg im Eigentum ausländischer Staatsangehöriger stehen und daß sich der Anteil ausländischer Grundeigentümer auf 18% belaufe, sodaß bereits von einer Überfremdung dieser Gemeinde gesprochen werden müsse.

3. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der drei Vertragsparteien an den Verfassungsgerichtshof. Darin wird behauptet, die Erstbeschwerdeführerin - wie oben dargelegt eine österreichische Staatsbürgerin - sei durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bzw. alle Beschwerdeführer seien wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des die Kompetenz des Bundes und den Gleichheitssatz verletzenden §3 Abs1 liti GVG 1983) in ihren Rechten verletzt worden, und der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Dazu wird zum einen vorgebracht, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Genehmigungspflicht der beiden vorgelegten Mietverträge angenommen. Zum anderen greife die Bestimmung des §3 Abs1 liti GVG 1983 idF der Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 in die gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG festgelegten Kompetenzen des Bundes ein bzw. verstoße diese gegen Art7 Abs1 B-VG, da sie hinsichtlich der Kreditinstitute unsachlich differenziere. Diesfalls regen die Beschwerdeführer eine amtswegige Normprüfung an.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde (s. §§28 und 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich insbesondere auf §3 Abs1 litf und liti und auf §4 Abs2 lita GVG 1983. Diesen Bestimmungen zufolge bedarf der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde ua. "die Bestandgabe von Grundstücken an Bestandnehmer, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z. 2 (ausländische natürliche und juristische Personen) angehören, wenn der Bestandvertrag in das Grundbuch eingetragen werden soll oder die Bestanddauer mehr als zehn Jahre beträgt" (§3 Abs1 litf) sowie "jede Art der Begründung von Pfandrechten an Grundstücken zugunsten von Personen, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehören, soweit es sich nicht um Kreditinstitute handelt" (§3 Abs1 liti). Diese Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht, insbesondere wenn der betreffenden Gemeinde mit Rücksicht auf das Ausmaß der Zahl der ausländischen Grundbesitzer oder das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes keine Überfremdung droht.

2.1. Das Bedenken der Beschwerdeführer, §3 Abs1 liti GVG 1983 sei insoweit verfassungswidrig, als dem Land keine Zuständigkeit zur Regelung der Genehmigungspflicht für die Begründung von Pfandrechten an Grundstücken für Ausländer zukomme, übersieht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7703/1975. In diesem begründete der Verfassungsgerichtshof, warum er aus der Sicht der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung keine Bedenken gegen derartige Regelungen hegt; insbesondere meinte er, es sei zu berücksichtigen, daß die Verwertung verpfändeter Grundstücke und Bauwerke nicht bloß im Wege der Zwangsversteigerung, sondern auch im Wege der Zwangsverwaltung möglich sei. In seinem weiteren Erkenntnis VfSlg. 10945/1986 hegte der Verfassungsgerichtshof aus kompetenzrechtlicher Sicht keinerlei Bedenken gegen §3 Abs1 lith GVG 1983, der Vorgängerbestimmung zu §3 Abs1 liti GVG 1983 idF des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991. Dabei verschlägt es nichts, daß das Zustimmungserfordernis der Grundverkehrsbehörde nicht mehr darauf beschränkt ist, daß das Pfandrecht der Absicherung einer Forderung im Zusammenhang mit einem Rechtserwerb dient, der nach dem GVG 1983 der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf. Denn für den Schutzzweck der Regelung ist dies gleichgültig. In jedem Fall trifft die schon im Erkenntnis VfSlg. 7703/1975, oben in extenso wiedergegebene Auffassung ebenso zu wie jene im Erkenntnis VfSlg. 10945/1986 unter dem Aspekt des Schutzes des Eigentums vertretene, dem Gesetzgeber sei beizupflichten, daß Pfandrechte die wirtschaftliche Abhängigkeit des Grundeigentümers nach sich ziehen können. Der Verfassungsgerichtshof vermag deshalb den in der Beschwerde vorgetragenen kompetenzrechtlichen Bedenken nicht zu folgen.

Die behauptete Gleichheitswidrigkeit des §3 Abs1 liti GVG 1983 aber ist offenkundig nicht gegeben, kann doch nicht ernsthaft bestritten werden, daß die Gefahr eines Mißbrauches zur Umgehung der Ziele des GVG 1983 bei Kreditbesicherungen durch Kreditinstitute im Vergleich zu solchen durch Privatpersonen ungleich geringer ist.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich deshalb nicht veranlaßt, gemäß Art140 B-VG in eine Prüfung des §3 Abs1 liti GVG 1983 einzutreten.

2.2. Gegen die übrigen Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerde keine Bedenken vor. Solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden (vgl. zu §3 Abs1 litf GVG 1983 (idF vor der Novelle LBGl. für Tirol 74/1991) VfSlg. 10901/1986 und 13032/1992; zu §4 Abs2 GVG 1983 VfSlg. 11672/1988, 12339/1990, VfGH 21.6.1993, B1841/92).

2.3. Folglich wurden die Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3.1. Die Erstbeschwerdeführerin als österreichische Staatsbürgerin könnte nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei der Unbedenklichkeit der zur Anwendung gelangten Rechtsgrundlagen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt sein, wenn die belangte Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 10413/1985, 12984/1992, 12986/1992).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

3.2. Dies ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes der belangten Behörde nicht anzulasten:

3.2.1. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf, die belangte Behörde sei leichtfertig von der Aktenlage abgegangen und habe sohin willkürlich die grundverkehrsbehördliche Zustimmungsbedürftigkeit der beiden ihr vorgelegten Mietverträge bejaht, ist nicht begründet, konnte diese doch aus dem Vorbringen der Parteien im Verwaltungsverfahren schließen, daß die aus der Rückabwicklung des ursprünglich ins Auge gefaßten Kaufvertrages entstandene und in ein Darlehen umgewandelte Schuld der Erstbeschwerdeführerin in Höhe von insgesamt S 3,8 Mio im Wege der Kompensation durch Vermietung in (zumindest) entsprechender Dauer beglichen werden soll. Unter Zugrundelegung des monatlich ausbedungenen Mietzinses in Höhe von S 12.700,-- für jede der beiden Wohnungen ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Bestandverhältnisse länger als zehn Jahre dauern sollen, zumal auch Vorkehrung für jene Zeit getroffen wurde, zu der die Kompensation nicht mehr stattfinden kann.

3.2.2. Die gemäß dem klaren Wortlaut des §3 Abs1 litf sowie liti GVG 1983 der Überwachung des Grundverkehrs unterliegenden Rechtsgeschäfte waren von der belangten Behörde dahingehend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung vorliegen. Sie konnte auf Grund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens davon ausgehen, daß infolge des über 17% liegenden Anteils ausländischer Wohnungseigentümer in Jochberg bereits Überfremdung iSd. §4 Abs2 lita GVG 1983 eingetreten sei.

3.3. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Der Antrag der Beschwerdeführer, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, da es sich bei der belangten Behörde um eine Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG handelt (vgl. §13 Abs4 und 9 GVG 1983) und eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen ist.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb Kompetenz, Grundverkehrsrecht Kompetenz, Kompetenz Bund - Länder Grundverkehr, Grundverkehrsrecht, Ausländergrunderwerb, Überfremdung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B257.1994

Dokumentnummer

JFT_10058784_94B00257_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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