TE Vwgh Beschluss 2021/10/27 Ra 2021/10/0156

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Veröffentlicht am 27.10.2021
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Index

L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
NatSchG NÖ 2000
NatSchG NÖ 2000 §35 Abs2
NatSchG NÖ 2000 §6
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1
NatSchG NÖ 2000 §8
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision des C A in S, vertreten durch Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 39, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. Juli 2021, Zl. LVwG-AV-378/001-2021, betreffend einen naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 27. Jänner 2021 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Tulln gemäß §§ 6 bis 8 und 35 Abs. 2 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000) den Revisionswerber, den auf einem bestimmt bezeichneten Grundstück in K aufgestellten Wohnwagen und das „Vorzelt“ innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen und den früheren Zustand dieses Grundstückes wiederherzustellen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. Juli 2021 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass im Spruch die Wortfolge „und den früheren Zustand dieses Grundstückes wiederherzustellen“ entfalle. Eine ordentliche Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG sei gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wendet sich der Revisionswerber gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die verfahrensgegenständliche Liegenschaft befinde sich „außerhalb vom Ortsbereich“, also nicht in einem baulich und funktional zusammenhängenden Teil eines Siedlungsgebietes. Dabei habe das Verwaltungsgericht nicht begründet, wie verschiedene Industrieanlagen und Distanzen zu Ortsgebieten in die Entscheidung miteingeflossen wären. Insofern erweise sich die Beurteilung als völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar. Daneben habe der Verhandlungsleiter die essenzielle Frage, was als Distanz noch für die Herstellung eines Zusammenhangs „ausreichend“ wäre, nicht zugelassen und damit einen wesentlichen und schweren Verfahrensmangel begangen, der den Revisionswerber in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletze. Bei Vermeidung der geltend gemachten Ermittlungs- und Begründungsmängel hätte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Voraussetzungen der Anwendung des NÖ NSchG 2000 nicht gegeben seien, weil sich das Grundstück innerhalb des Ortsbereichs befinde.

7        Das verfahrensgegenständliche Grundstück sei weder natürlich noch baulich vom Ortsgebiet abgegrenzt und es sei sowohl durch die Bundesstraße als auch die unmittelbar angrenzende Industrieanlage funktional in das Siedlungsgebiet eingebunden. Mit der gegenteiligen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes sei es von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des „Ortsbereichs“ abgewichen.

8        Der naturschutzfachliche Amtssachverständige hat bei der Verhandlung ausgeführt, dass die gegenständliche Parzelle 280 m vom nächstgelegenen Ortsgebiet und 260 m bzw. 350 m von den vom Revisionswerber ins Treffen geführten „landwirtschaftlichen Industrieanlagen“ entfernt liege und ein funktionaler Zusammenhang mit diesen Einrichtungen nicht bestehe. Eine entsprechende Luftbildaufnahme ist Teil des angefochtenen Erkenntnisses. Es kann keine Rede davon sein, dass die darauf gestützte Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die gegenständliche Parzelle keinen „baulich und funktional zusammenhängenden Teil eines Siedlungsgebietes“ bilde und damit „außerhalb vom Ortsbereich“ im Sinn von § 6 Abs. 1 NÖ NSchG 2000 liege, nicht nachvollziehbar sei.

9        Der Behauptung eines wesentlichen und schweren Verfahrensmangels aufgrund der Nichtzulassung der Frage, ab welcher Distanz ein (funktionaler) Zusammenhang gewährleistet wäre, ist die hg. Judikatur entgegenzuhalten, wonach selbst bei unmittelbarem Angrenzen eines Grundstücks eines Dritten an ein als Bauland (im konkreten Fall: Bauland-Sondergebiet-Deponie) gewidmetes Grundstück der geforderte funktionale Zusammenhang nicht schon allein wegen der Lage des Grundstücks gegeben wäre (VwGH 19.3.2002, 2001/10/0138, zur Bewilligungspflicht von „außerhalb vom Ortsbereich“ liegenden Vorhaben nach § 7 Abs. 1 NÖ NSchG 2000). Vor diesem Hintergrund ist die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ersichtlich.

10       Die Zulässigkeitsbegründung vermag mit der Behauptung der Abweichung von Rechtsprechung zum Begriff „Ortsbereich“ nicht aufzuzeigen, dass die ausführlich begründete, einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach sich das verfahrensgegenständliche Grundstück nicht in einem baulich und funktional zusammenhängenden Teil des Siedlungsgebietes befindet, unvertretbar wäre.

11       Des Weiteren wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, das Verwaltungsgericht weiche hinsichtlich der rechtlichen Einstufung des „Vorzeltes“ als „mobiles Heim“ im Sinne des NÖ NSchG 2000 von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Unter dem Begriff der „mobilen Heime und Wohnwagen“ seien alle Objekte zu verstehen, die nach ihrer Ausstattung dem Aufenthalt oder der Unterkunft von Personen dienen könnten und ortsbeweglich ausgestaltet seien. Zwar komme es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf an, ob die mobilen Heime oder Wohnwagen tatsächlich benützt würden oder nicht, sehr wohl aber, ob sie in ihrem jetzt zu beurteilenden Zustand hiezu geeignet seien. Unter „Aufenthalt“ könne nur ein solcher im Sinne des gewöhnlichen Aufenthalts verstanden werden, sodass von einem andauernden Aufenthalt im Sinn eines „Bewohnens“ auszugehen sei, andernfalls faktisch jeder Ort umfasst und damit keinerlei Abgrenzung mehr vorhanden wäre.

12       Der Begriff des „mobilen Heimes“ wird im NÖ NSchG nicht näher definiert. Nach dem Wortsinn ist darunter eine Anlage zu verstehen, die geeignet ist, dem Aufenthalt von Menschen zu dienen und die beweglich (mobil) ist. Ein bestimmter Mindeststandard ist für das Vorliegen eines mobilen Heimes nicht gefordert (vgl. VwGH 29.5.1995, 95/10/0055, zur insoweit gleichen Rechtslage nach dem NÖ NSchG). Das sogenannte „Vorzelt“, welches nicht direkt am Wohnwagen befestigt ist, sondern selbständig stehen kann, hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes eine Größe, die den Aufenthalt von Menschen ermöglicht. In dem Vorzelt sind Sachen abgelagert, unter anderem Gartenmöbel und ein Regal mit Geschirr. Zudem befindet sich eine Wasserleitung und eine Abwasch in diesem Zelt. Unstrittig ist auch, dass dieses Vorzelt beweglich ist. Angesichts des Umstandes, dass das „Vorzelt“ des Revisionswerbers alle Tatbestandsmerkmale eines mobilen Heimes aufweist, kann eine Abweichung von der hg. Judikatur zum Begriff des „mobilen Heimes“ nicht erkannt werden. Soweit der Revisionswerber von einer zwingenden Eignung zum „andauernden Aufenthalt“ ausgeht, legt er nicht gleichzeitig offen, weshalb eine solche vorliegend zu verneinen wäre. Es ist somit nicht ersichtlich, inwiefern das Schicksal der Revision von der Frage, ob ein „mobiles Heim“ zum andauernden Aufenthalt geeignet sein muss, abhängt.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. Oktober 2021

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021100156.L00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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