TE Vwgh Beschluss 2021/10/29 Ra 2021/22/0137

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Veröffentlicht am 29.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der S G, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. Mai 2021, Zl. VGW-151/053/12233/2019-10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 6. Juni 2019 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag der Revisionswerberin, einer georgischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. Mai 2021 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt und der Revisionswerberin wurde der Ersatz näher bestimmter Barauslagen für die zur mündlichen Verhandlung beigezogene nichtamtliche Dolmetscherin auferlegt.

Das Verwaltungsgericht legte zur Frage der Aufenthaltszeiten der Revisionswerberin in Österreich deren Aussagen in der mündlichen Verhandlung zugrunde, denen zufolge die Revisionswerberin (nach ihrer Antragstellung am 10. Jänner 2019) erst am 2. Februar 2019 und somit einen Tag nach Ablauf der erlaubten 90 Tage aus Österreich ausgereist sei und sich - nach erneuter Einreise - seit Mai 2019 durchgehend hier aufhalte. Die Revisionswerberin habe daher in zwei Fällen die höchstzulässige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet überschritten. Dem - hinsichtlich der ersten Überschreitung erstatteten - Vorbringen der Revisionswerberin, auf Grund ihrer Schwangerschaft wäre von einer Flugreise abzuraten gewesen, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass für den Fall gesundheitlicher Bedenken eine frühere Abreise (als am 1. Februar 2019) naheliegend gewesen wäre. Die ebenfalls vorgebrachte Begründung, es wäre kein früherer Flugtermin verfügbar gewesen, erachtete das Verwaltungsgericht als zu unsubstantiiert. Die (im Zusammenhang mit dem durchgehenden Aufenthalt seit Mai 2019 ins Treffen geführte) Schwangerschaft könne zwar - bei entsprechender medizinischer Indikation - eine nachvollziehbare Begründung für eine unterbliebene Ausreise darstellen; ein weiterer Aufenthalt nach „Wegfall der Indikation“ könne damit aber nicht begründet werden. Gründe, die eine Erteilung des Aufenthaltstitels gestützt auf Art. 8 EMRK rechtfertigen könnten, seien nicht geltend gemacht worden.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Die Revisionswerberin bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Covid-19-Pandemie. Mit Eintritt der Corona-Pandemie sei an Reisen nicht mehr zu denken gewesen. Hinzu komme, dass der Flugverkehr erheblich eingeschränkt gewesen sei.

6        Diesbezüglich genügt der Hinweis, dass eine Überschreitung der Dauer des erlaubten Inlandsaufenthaltes ab August 2019 (selbst unter Berücksichtigung der am 25. August 2019 erfolgten Geburt der Tochter der Revisionswerberin) nicht mit der Covid-19-Pandemie begründet werden kann. Auf die ins Treffen geführte insoweit fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es im vorliegenden Fall somit nicht an. Zudem wird mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in ausreichender Weise dargetan, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre.

7        Des Weiteren macht die Revisionswerberin geltend, dass die Rechtsprechung zu den privaten und familiären Bindungen vom Verwaltungsgericht nicht beachtet worden sei. Nach der Geburt der Tochter wäre es zu risikoreich gewesen, mit dem Baby auszureisen. Auf Grund des Art. 8 EMRK wäre daher ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen.

8        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG bekämpft werden (vgl. VwGH 22.7.2021, Ra 2020/22/0220, Rn. 10, mwN). Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der (wenn auch sehr knapp ausgefallenen) Interessenabwägung des Verwaltungsgerichtes vermag die Revisionswerberin mit ihrem nicht näher substantiierten Vorbringen nicht aufzuzeigen, woran - im Hinblick auf die Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer um etwa ein Jahr und neun Monate - auch der Hinweis auf die Geburt ihrer Tochter nichts ändern kann.

9        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10       Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 29. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220137.L00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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