Index
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan TirolNorm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. des Arch. DI Dr. L S und 2. der Dr. A S, beide in L und vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20. August 2018, LVwG-2018/42/0035-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: W Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dwyer Embacher Lechner Rechtsanwälte, 6370 Kitzbühel, St. Johanner Straße 49a/15; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 17. November 2017, mit dem der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zum Neubau von zwei Wohnhäusern mit insgesamt drei Wohneinheiten und gemeinsamer Tiefgarage auf Grundstück Nr. X, KG K., erteilt und die Einwände der revisionswerbenden Parteien (Miteigentümer des unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundstücks Nr. Y, KG K.) gegen das Bauvorhaben als unzulässig zurückgewiesen sowie deren Einwand betreffend das Fehlen eines Bebauungsplanes abgewiesen worden waren, abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für unzulässig.
2 Das LVwG hielt im angefochtenen Erkenntnis unter anderem fest, der Bauplatz befinde sich in der Flächenwidmungskategorie „Bauland-Wohngebiet“ gemäß § 38 TROG 2016, für den Bauplatz bestehe kein Bebauungsplan. Die 1. Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes der Stadtgemeinde K. sei am 15. Juli 2015 in Kraft getreten. Die Erlassung eines Bebauungsplanes für das Siedlungsgebiet „S./S.“, in welches das Baugrundstück falle, sei darin nicht normiert. Der höchste Punkt der geplanten Gebäude liege weniger als 20 m über dem anschließenden Gelände.
3 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das LVwG zu der von den revisionswerbenden Parteien bemängelten Abstandnahme von der Erlassung eines Bebauungsplanes für den gegenständlichen Bauplatz nach Beschreibung der anzuwendenden Rechtslage aus, aus der planlichen Darstellung der 1. Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes der Stadtgemeinde K. ergebe sich, dass zwar im Gemeindegebiet Festlegungen nach § 31 Abs. 5 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) bestünden, jedoch nicht für den Bereich „S./S.“, in welchem das streitgegenständliche Baugrundstück liege. Daraus ergebe sich sohin, dass gegenständlich keine Pflicht zur Erlassung eines Bebauungsplanes gemäß § 54 Abs. 2 TROG 2016 bestehe.
4 Zudem lägen nach den Plänen (insbesondere dem Lageplan) des beantragten Vorhabens die höchsten Punkte der beantragten Gebäude bei weitem nicht mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände, sondern sie wiesen Höhen unter 10 m auf.
5 Daraus ergebe sich bereits aufgrund des eindeutigen Wortlautes der geltenden Rechtslage, dass für das gegenständliche Grundstück weder nach § 54 Abs. 2 TROG 2016 noch nach § 54 Abs. 5 leg. cit. eine Bebauungsplanpflicht bestehe. Es sei daher die beantragte Einholung einer Stellungnahme aus dem Bereich der Raumordnung nicht geboten und dem diesbezüglichen Beweisantrag keine Folge zu geben gewesen.
6 Darüber hinaus - so führte das LVwG unter Zitierung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weiter aus - sei im Zusammenhang mit der von den revisionswerbenden Parteien kritisierten Abstandnahme von der Erlassung eines Bebauungsplanes für den verfahrensgegenständlichen Bauplatz zu beachten, dass einem Nachbarn gemäß § 33 Abs. 3 lit. f Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) nur ein Mitspracherecht hinsichtlich des Fehlens „...eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist...“, nicht jedoch zu den Ausschlussgründen des § 55 Abs. 2 TROG 2016 zukomme. Die aufgezeigte Reichweite des Mitspracherechtes eines Nachbarn im Bauverfahren zum Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes für einen Bauplatz korrespondiere damit, dass Fragen des Orts- und Straßenbildes sowie der Baudichte keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte begründeten. Angesichts dieser Umstände habe es nicht der Einholung der in der Beschwerde beantragten raumordnungsfachlichen Stellungnahme bedurft.
7 Soweit hinsichtlich der Ausführungen der belangten Behörde, warum gegenständlich keine Bebauungsplanpflicht bestehe, von den revisionswerbenden Parteien ein Begründungsmangel geltend gemacht worden sei, wäre ein allfälliger Begründungsmangel durch die vorstehenden rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis saniert und es wären die revisionswerbenden Parteien damit nicht (mehr) in ihren Rechten verletzt.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 2.4.2019, Ra 2017/17/0328, 0338 und 0339; 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, jeweils mwN).
13 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision befasst sich mit der Frage eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Nachbarn, das Fehlen eines nach raumordnungsrechtlichen Bestimmungen zu erlassenden Bebauungsplanes relevieren zu können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes räume § 26 Abs. 3 lit. f TBO 2011, dem § 33 Abs. 3 lit. f TBO 2018 wortgleich entspreche, dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht ein, welches diesem erlaube, Widersprüche des Bauvorhabens zu raumordnungsrechtlichen Vorschriften vorzubringen. Dem Nachbarn stehe eine Berechtigung zum Aufzeigen des Fehlens eines Bebauungsplanes unabhängig davon zu, in welchen raumordnungsrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung zur Erlassung eines solchen angeordnet sei, weshalb die Geltendmachung subjektiver Rechte aus § 33 Abs. 3 lit. f TBO 2018 nicht auf die Gründe des § 55 Abs. 1 TBO (gemeint wohl: TROG) 2016 beschränkt sei, sondern jedenfalls auch auf die in § 31 Abs. 5 zweiter Satz TBO (gemeint wohl: TROG) 2016 festgelegten zwingenden Gründe zur Erlassung von Bebauungsplänen (welche sich zudem in § 55 Abs. 2 TBO (gemeint wohl: TROG) 2016 wiederfänden) erstreckten. Die vom LVwG herangezogene Rechtsprechung eigne sich nicht zur Stützung seiner Ansicht, dass § 33 Abs. 3 lit. f TBO 2018 kein Mitspracherecht betreffend § 55 Abs. 2 TROG 2016 gewähre.
14 Weiters verbiete sich (aus näher dargelegten Gründen) eine vom LVwG in unzutreffender Weise angenommene Sanierbarkeit eines allfälligen Begründungsmangels des Bescheides der belangten Behörde durch das angefochtene Erkenntnis mit der darin enthaltenen Begründung.
15 Ferner wird in den Zulässigkeitsausführungen bemängelt, dass das LVwG kein neues Sachverständigengutachten zur Frage, ob im Sinn des § 33 Abs. 3 lit. f TROG 2016 (gemeint wohl: TBO 2018) ein Bebauungsplan zu erlassen sei, eingeholt habe.
16 Damit wendet sich die - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebliche (vgl. dazu VwGH 25.4.2018, Ra 2017/06/0101; 9.4.2021, Ra 2021/22/0006, jeweils mwN) - gesonderte Zulässigkeitsbegründung zwar gegen die rechtliche Begründung des LVwG betreffend die Frage des Mitspracherechts von Nachbarn im Zusammenhang mit der Abstandnahme von der Erlassung eines Bebauungsplanes sowie betreffend die Frage der Sanierung allfälliger Begründungsmängel des Baubewilligungsbescheides. Hingegen zeigen die Zulässigkeitsausführungen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der rechtlichen (inhaltlichen) Beurteilung des LVwG, es bestehe gegenständlich keine Pflicht zur Erlassung eines Bebauungsplanes, auf. Mit ihrem Vorwurf, ein Nachbar könne sich im Bauverfahren auch auf die Regelung des § 31 Abs. 5 zweiter Satz TROG 2016 berufen, verkennen die revisionswerbenden Parteien, dass dieser eine Anordnung betreffend den Inhalt des örtlichen Raumordnungskonzepts enthält und sich insofern an den Verordnungsgeber richtet. Das nach der hg. Rechtsprechung aus § 55 Abs. 1 TROG 2016 ableitbare Recht des Nachbarn geht (entsprechend dem Wortlaut der Regelung) nur dahin, das Fehlen eines nach § 54 Abs. 2 TROG 2016 gebotenen Bebauungsplanes geltend zu machen. § 54 Abs. 2 TROG 2016 betrifft (nur) die nach § 31 Abs. 5 erster Satz TROG 2016 festgelegten Gebiete. Das Gesetz knüpft insofern an den positiven Inhalt der örtlichen Raumordnungskonzepte an, nicht auch an allenfalls darüber hinaus nach der gesetzlichen Grundlage mögliche Inhalte der örtlichen Raumordnungskonzepte. Die Revision bleibt auch nähere sachverhaltsmäßige Angaben schuldig, die Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des hier maßgeblichen örtlichen Raumordnungskonzeptes wecken könnten.
17 Angesichts dessen erweist sich die Lösung der aufgeworfenen Rechtsfragen im vorliegenden Fall als von theoretischer Natur. Zur Klärung von bloß theoretischen Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht berufen (VwGH 1.8.2019, Ra 2019/06/0102 und 0103; 18.2.2021, Ra 2018/07/0347, jeweils mwN).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. Oktober 2021
Schlagworte
Baurecht Nachbar Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019060014.L00Im RIS seit
22.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022