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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Juni 1995, Zl. SD 825/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Juni 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung verfügt.
Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 5. April 1995 - ohne erforderlichen Reisepaß und ohne Sichtvermerk - im Gepäckraum eines Busses versteckt unter Umgehung der Grenzkontrolle - sohin illegal - nach Österreich eingereist. Er halte sich somit seit seiner Einreise unrechtmäßig in Österreich auf.
Daran vermöge auch sein Hinweis, er habe sein Heimatland aufgrund der dort stattfindenden kriegerischen Handlungen verlassen, nichts zu ändern. Wenn der Beschwerdeführer damit seinen Aufenthalt auf die zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangene Verordnung stützen wollte, sei ihm zu erwidern, daß ihm diese Aufenthaltsberechtigung nur dann zukomme, wenn er seine Heimat wegen der bewaffneten Konflikte verlassen habe müssen, anderweitig keinen Schutz gefunden habe, er sich weiters der Grenzkontrolle gestellt habe und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei. Fest stehe allerdings - und dies bleibe vom Beschwerdeführer auch unbestritten -, daß er die Grenzkontrolle bewußt umgangen habe. Demnach lägen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG vor.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so sei im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im gleichen Haus mit seinem Bruder lebe, von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Familienleben auszugehen gewesen.
Dessen ungeachtet sei aber die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies habe zur Folge, daß jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet - dem, wie im Beschwerdefall, nie ein rechtmäßiger vorausgegangen sei - eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstelle, daß die Ausweisung dringend geboten und damit zulässig im Sinne des § 19 FrG sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde werden die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen über die Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich - insbesondere, daß diese unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgte - nicht bestritten. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. besteht dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 einreisenden und eingereisten Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde. Dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, wird nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertrittes des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle kam im Fall des Beschwerdeführers aber auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. das Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 94/18/0529, m.w.H.).
Das Beschwerdevorbringen, daß der Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt habe, einen Reisepaß zu beantragen und deshalb nicht rechtmäßig in Österreich hätte einreisen können, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern.
Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer aus § 1 Abs. 2 der Verordnung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich abzuleiten vermag.
2. Das Vorbringen, aus der Umgehung der Grenzkontrolle könne "nicht zwingend eine Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses abgeleitet werden", ist ebenfalls nicht zielführend, wird doch damit nicht behauptet, daß dem Beschwerdeführer eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich zugekommen wäre (vgl. § 17 Abs. 1 FrG).
Mit diesem Vorbringen wird erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 19 leg. cit. für rechtswidrig hält; überdies bringt er im Lichte des § 19 FrG vor, daß er mit seinem Bruder in Österreich im gemeinsamen Haushalt lebe. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zweifelsfrei zum Ausdruck, daß im Lichte des § 19 FrG die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, welches die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend gebieten würde, zurückzustehen hätten. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn einerseits kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 11. Juni 1996, Zl. 96/18/0035, m.w.H.). Andererseits sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts seines noch keineswegs langen Aufenthaltes in der Dauer von knapp drei Monaten, der zur Gänze als unrechtmäßiger Aufenthalt zu Buche schlägt, nicht so stark ausgeprägt, daß sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse.
3. Soweit sich die Beschwerde im übrigen auf die Erteilung eines "Wiedereinreisesichtvermerkes" bezieht, geht sie ins Leere, weil im angefochtenen Bescheid nicht über die Frage der Erteilung eines Sichtvermerkes, sondern über eine Ausweisung abgesprochen wurde.
4. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995181331.X00Im RIS seit
02.05.2001