TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/2 W174 2131977-2

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Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

AsylG 2005 §56
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W174 2131977-2/5Z

TEILERKENNTIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2021, Zl. 1046491907/201168298, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI.), zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 BFA-VG insoweit stattgegeben, als Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 144 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer – er führt den Namen XXXX – geb. XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, spätestens am 26.11.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am nächsten Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt oder belangte Behörde) vom 15.06.2016, Zl. 1046491907 – 140216939 vollumfänglich abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2019, Gz. W177 2131917-1/34E als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass eine Rückkehr-entscheidung auf Dauer unzulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie dem Beschwerdeführer gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel plus für die Dauer von 12 Monaten erteilt (Spruchpunkt III.). Der von der belangten Behörde gegen diese Entscheidung erhobene Revision wurde im angefochtenen Umfang stattgegeben und die Spruchpunkte II. und III. des genannten Erkenntnisses aufgehoben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.2020, Gz. W177 2131977-1/42E wurde in der Folge die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15.06.2016 als unbegründet abgewiesen, diese Entscheidung blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

2. Am 23.11.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs 1 AsylG 2005, legte eine auf seinem Namen ausgestellte E-Card in Kopie bei und machte insbesondere Angaben zu seiner bisherigen Integration.

Mit Schreiben vom 03.03.2021 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Verbesserung des gestellten Antrages gemäß § 56 AsyG 2005 binnen 14 Tagen auf, indem sie ausdrücklich feststellte, dass dieser Antrag die Voraussetzungen von § 56 Abs. 3 AsylG 2005 nicht erfülle und der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, in eventu den Antrag in Hinsicht auf die Stellung eines Antrages gemäß § 55 AsylG 2005 zu modifizieren und im Falle, dass dieser Aufforderung nicht nachgekommen werde, geplant sei, den Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 ohne weitere Anhörung als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Schreiben 21.04.2021 teilte der Beschwerdeführer durch seine spätere Rechtsvertretung (siehe Vollmachtsbekanntgabe vom 28.04.2021) mit, dass für ihn ein Antrag auf Geschäftsbewilligung als Saisonarbeitskraft im Gastgewerbe gestellt worden sei und im Falle eines positiven Bescheides der Beschwerdeführer von Herrn XXXX einen fixen Arbeitsplatz in seinem Betrieb „ XXXX “ bekomme.

Am 30.04.2021 erteilte die belangte Behörde, diesmal adressiert an die Rechtsvertretung, erneut einen Verbesserungsauftrag mit demselben Inhalt wie bereits zuvor am 03.03.2021.

Mit Schreiben vom 25.05.2021 langte unter Bezugnahme auf diesen Verbesserungsauftrag ein Ersuchen um Fristerstreckung um 7 Tage bei der belangten Behörde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass ehestmöglich eine notariell beglaubigte Patenschaftserklärung samt Einkommensnachweis betreffend den Beschwerdeführer vorgelegt werde.

Am 28.05.2021 wurde eine notariell beglaubigte Patenschaftserklärung des Herrn Jamil HAQANI vom 26.05.2021 für den Beschwerdeführer in Kopie vorgelegt, verbunden mit dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer ab 01.06.2021 die Möglichkeit habe, an der Pizzeria „ XXXX “ als Geschäftsführer und Gesellschafter teil zu haben und mit diesem Verdienst seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Am 08.06.2021 langte diese Patenschaftserklärung im Original beim Bundesamt ein.

Am 09.06.2021 wurde ein an das Landesgericht gerichteter Antrag auf die Eintragung einer offenen Gesellschaft für die Firma „ XXXX “ samt Anlagen vom 25.05.2021 und ein Zeugnis der Neuen Mittelschule XXXX vom 07.07.2017 über den Erwerb der Pflichtschulabschlussprüfung durch den Beschwerdeführer vorgelegt.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.06.2021, Zl. 1046491907/201168298 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), erließ ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

Zu Spruchpunkt VI. verwies die belangte Behörde zunächst begründend auf ihre Ausführungen zu Spruchpunkt IV., wonach das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisungen in der gewährten Frist das Bundes- bzw. Schengengebiet zu verlassen geeignet sei, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und auch den Interessen des Art. 8 EMRK zuwiderzulaufen. Weiters wurde ausgeführt, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich deshalb eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und es wegen dessen beharrlicher Weigerung das Bundesgebiet zu verlassen, zu befürchten sei, dass er weiterhin in dieser Rechtswidrigkeit des Aufenthalts verharren und versuchen werde, die Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes zu verhindern. Auch stellte das Bundesamt fest, dass für den Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 15.07.2021, welche am 29.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.

Darin wurde ua. beantragt, den erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze aufzuheben. Der Beschwerde ist ein den Beschwerdeführer betreffender Einkommensnachweis 2020/2021 der XXXX vom 20.05.2021 beigeschlossen.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer hält sich seitdem das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.2020 rechtskräftig wurde, unrechtmäßig in Österreich auf.

Er ist strafrechtlich unbescholten (vgl. OZ2, Strafregisterauszug vom 29.07.2021).

Er verfügt seit 28.11.2014 durchgehend über eine im Zentralen Melderegister ersichtliche Hauptwohnsitzmeldung, aktuell an der Adresse: XXXX (vgl. OZ2, ZMR vom 29.07.2021).

Er hat zur Zeit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit und wurde von der staatlichen Grundversorgung abgemeldet.

Die letzte Meldung der österreichischen Gesundheitskasse des Beschwerdeführers als geringfügig beschäftigter Arbeiter datiert vom 28.09.2020 bis zum 30.11.2020.

Der Beschwerdeführer hat eine Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 6 AsylG vom 26.05.2021 im Original für die Dauer von 3 Jahren vorgelegt. Demnach kommt für die Erfordernisse des Beschwerdeführers betreffend eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung, eine Unterkunft und entsprechende Unterhaltsmittel Herr Jamil HAQANI auf.

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten des Bundesamtes sowie der vorliegenden Gerichtsakten und den Auszügen aus dem Strafregister, Zentralen Melderegister und dem Betreuungsinfotmationssystem.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

§ 18 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18.
(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.

schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.

der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4.

der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.

das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.

gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.

der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.

der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3.

Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei – als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG – nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und könne es dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig.

Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Mittlerweile hat der Gesetzgeber entsprechend festgelegt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche von Amts wegen zu erfolgen hat; der Beschwerdeführer kann eine Entscheidung aber nach Ablauf dieser Frist mittels eines Fristsetzungsantrags herbeiführen (vgl. § 18 Abs. 5 letzter Satz BFA-VG).

Die Beschwerde richtet sich, wie sich nicht nur aus deren Inhalt, sondern insbesondere aus den gestellten Anträgen ergibt, ausdrücklich auch gegen Spruchpunkt VI. des bekämpften Bescheides des Bundesamtes. Demzufolge richtet sie sich nach der oben zitierten Judikatur zulässigerweise auch gegen den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verfügenden Spruchpunkt VI. des betreffenden Bescheides der belangten Behörde. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher über die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt VI. zu entscheiden.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 BFA-VG ist anders als die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1. BFA-VG zwingend vorgesehen (28.04.2015, Ra 2014/18/0146). Im vorliegenden Fall hat daher das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG vorliegen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht für die zwingend statuierte Aberkennung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. etwa – zum Durchsetzungsaufschub nach § 70 Abs. 3 FPG – VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094, mwN; siehe auch – zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs. 6 FPG –VwGH 3.7.2018, Ro 2018/21/0007, Rn 11; 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 ua.).

Mit der Frage, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat, also die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers erforderlich ist, setzte sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung jedoch nicht entsprechend auseinander. Sie beschränkte ihre Ausführungen einerseits darauf, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliege und leitete dies aus dem Umstand ab, dass sich der Beschwerdeführer trotz des Bestehens einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung beharrlich weigere, Österreich zu verlassen und andererseits, dass deshalb auch zu befürchten sei, dass er versuchen werde dieses Verhalten, seinen unrechtmäßigen Aufenthalt weiter fortzusetzen und sich dessen Beendigung durch die belangte Behörde zu entziehen. Dabei berücksichtigt die belangte Behörde bzw. geht nicht darauf ein, dass der Beschwerdeführer bislang – wie sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergibt – seit 2014 bis zuletzt ohne Unterbrechung über eine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung verfügt, sodass er nicht nur im Wege seiner Rechtsvertretung, sondern auch an seiner Hauptwohnsitzadresse für die belangte Behörde jederzeit greifbar ist. Auch sind im Zuge der bisherigen Verfahren keine Hinweise hervorgekommen sind, dass sich dies in Zukunft ändern wird.

Selbst wenn, wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich feststellt, der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden als solches eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, verfügt der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall der aktuell kein eigenes Erwerbseinkommen erwirtschaftet über eine am 26.05.2021 erklärte und für drei Jahre gültige Patenschaftserklärung. Demzufolge stellt seine derzeitige Arbeits- bzw. Mittellosigkeit keine Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Beschwerdeführer betreffende Risiken in Bezug auf dessen Krankenversicherung, Unterkunft und entsprechende Unterhaltsmittel dar.

Die Notwendigkeit des Vollzugs einer sofortigen Ausreise ohne Aufschub – unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – wurde vom Bundesamt im Sinne der genannten Judikatur somit weder dargelegt, noch ist eine solche trotz Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch den illegalen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

Eine weitergehende inhaltliche Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde kann im vorliegenden Fall innerhalb der relativ kurzen Frist des § 17 Abs. 1 BFA-VG nicht getroffen werden und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG entfallen.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W174.2131977.2.00

Im RIS seit

17.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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