TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/19 W254 2221827-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W254 2221827-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenloser Palästinenser aus Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit §§ 7, 8, 10, 57 AsylG 2005, §§ 52 f, 55 FPG 2005, § 9 BFA-VG, stattgegeben und der Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz „BF“ genannt) stellte am XXXX 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX 2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt, bei der er angab, am XXXX in XXXX , Syrien, geboren, ledig und Moslem zu sein. Er sei syrischer Staatsbürger und gehöre der Volksgruppe der palästinensischen Syrer an. Er habe eine Grundschule in XXXX von 2003 bis 2009 besucht. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF im Wesentlichen an, Syrien aufgrund des Krieges und des bevorstehenden Wehrdienstes verlassen zu haben.

2. Mit Schreiben vom 30.03.2015 bevollmächtigte die Bezirkshauptmannschaft XXXX als örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH zur Vertretung des minderjährigen BF.

3. Am XXXX 2016 wurde der BF im Beisein seiner Vertretung von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2015, Zahl XXXX , wurde dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

5. Aufgrund der Volljährigkeit des BF endete am XXXX die Vertretungstätigkeit der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft XXXX .

6. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 4. und 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Als mildernde Umstände wurden dabei die Unbescholtenheit des BF, sein Alter unter 21 Jahren, die Sicherstellung und der Verfall herangezogen. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und gewinnsüchtige Motive herangezogen.

7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB 83 und wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX keine Zusatzstrafe verhängt. Als mildernde Umstände wurden dabei die Unbescholtenheit des BF, das teilweise Geständnis, der teilweise Versuch sowie die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit gewertet. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Vergehen herangezogen.

8. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.

9. Mit Aktenvermerk vom 21.11.2018 hielt die belangte Behörde fest, dass derzeit kein Aberkennungsverfahren einzuleiten ist, da die vermeintlich begangenen Straftaten nicht als besonders schwere Verbrechen einzustufen seien.

10. Mit Aktenvermerk vom 01.04.2019 leitete die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Es hätten sich Anhaltspunkte ergeben, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

11. Am 29.05.2019 wurde der BF zum Aberkennungsverfahren niederschriftlich einvernommen. Darin gab er an, keine Medikamente zu nehmen und auch in keiner ärztlicher Behandlung zu stehen. Der BF wurde weiters zu seinen Deutschkenntnissen, Arbeits- und Integrationsbemühungen, und zu seiner allgemeinen Situation in Österreich befragt. Auf seine strafgerichtlichen Verurteilungen angesprochen führte der BF aus, dass es ihm leidtue. Er habe keine Familie mehr und sei psychisch durcheinander gewesen. Er werde keine Strafe mehr begehen und habe aus den Fehlern gelernt. Eine Rückkehr nach Syrien sei lebensgefährlich. Zudem habe er keine Familie mehr dort. Er habe in Österreich sein Leben gestartet und er habe nun eine Frau.

12. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dem BF mit Bescheid vom XXXX 2015, Zl. XXXX , zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Schlussendlich wurde gegen den BF ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

In den Feststellungen ging die belangte Behörde zunächst davon aus, dass der BF aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens als Gefahr für die Sicherheit in Österreich anzusehen sei. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde in diesem Zusammenhang aus, dass die begangenen Straftaten eine maßgebliche Auswirkung auf die allgemeine Sicherheit von Menschen hätten, zumal die mehrfache Begehung von Straftaten einen inneren Wertewandel völlig ausschließe. Daher sei jedenfalls von einer permanenten und zukünftigen Gefahr seitens des BF auszugehen. Der Weiterverkauf von Drogen sei deshalb als schwerwiegend anzusehen, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert. Der BF sei im höchsten Maße sozialschädlich, da durch seine Handlungen eine Gesundheitsgefährdung im großen Ausmaß entstehen könne. Sein Fehlverhalten sei daher außerordentlich gravierend und gefährde massiv öffentliche Interessen wie die öffentliche Ordnung und Sicherheit und sei damit als besonders schwer zu klassifizieren. Sein schwerwiegendes Fehlverhalten und das sich daraus ableitbaren Persönlichkeitsbild lasse auf eine sozialschädliche Neigung zur Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften schließen. Deshalb könne auch für sein zukünftiges Verhalten nur eine schlechte Prognose erstellt werden und sei davon auszugehen, dass durch seinen weiteren Aufenthalt in Österreich die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. Der BF habe daher einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gegeben und dringend geboten seien.

13. Gegen den im Spruch genannten Bescheid richtet sich die im Wege seiner Rechtsvertretung erhobene Beschwerde, welche bei der belangten Behörde fristgerecht am 23.07.2019 einlangte. Darin wird – soweit hier wesentlich – ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus Unüberlegtheit und aufgrund falscher Freunde in Probleme geraten sei. Er habe aus seiner Verurteilung gelernt und möchte keinesfalls mehr straffällig werden. Er spreche schon sehr gut Deutsch, habe österreichische Freunde und gehe darüber hinaus einer geregelten Arbeit nach. Er habe eine eigene Wohnung und gehe oft ins Fitnessstudio. Mittlerweile habe er eine Frau und einen Beruf, weshalb er ein ordentliches Leben führe. Diese Umstände seien von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden, was jedoch für die Zukunftsprognose von erheblicher Bedeutung gewesen wäre. Die belangte Behörde habe sich weiters mit den vorgelegten Beweismitteln nur unzureichend auseinandergesetzt. Die Annahme der belangten Behörde, der BF stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, könne nicht nachvollzogen werden. Der BF habe keine schwere Straftat begangen und gehe von ihm auch keine besondere Gefahr für die Bevölkerung von ihm aus. So sei die Strafe, zu der er verurteilt worden sei, nicht besonders hoch gewesen. Zudem sei er bemüht, nie mehr straffällig zu werden und ein ordentliches Leben zu führen. Die belangte Behörde habe ebenso nicht berücksichtigt, dass der BF in Haft einen Wertewandel vollzogen habe und nun ein anderer Mensch sei. Schon aufgrund der langen Zeit, die seit der Begehung seiner Tat aus dem Jahr 2016 vergangen sei, sei die Aberkennung seines Asylstatus nicht rechtmäßig. Dass für den BF für das zukünftige Verhalten nur eine schlechte Prognose erstellt werden könne, habe die belangte Behörde überhaupt nicht begründet. Unter Anführung der Rechtsprechung zum Vorliegen eines Ausschlussgrundes gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 führte der BF u.a. aus, dass unter Berücksichtigung der Milderungs- und Erschwernisgründe das vom BF begangene Verbrechen in seiner Gesamtheit keinesfalls als subjektiv besonders schwerwiegend anzusehen sei. Die Prüfung der Gemeingefährlichkeit des BF und der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung habe nur in unzureichendem Ausmaß stattgefunden. Bei der Beurteilung ob der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, hätte auch sein Verhalten während der Haft, eine frühere Haftentlassung etc. miteinbezogen werden müssen.

14. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 30.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

15. Am 03.03.2021 übersandte die Justizanstalt XXXX einen den Beschwerdeführer betreffenden Führungsbericht sowie ein Straferkenntnis und zwei Meldungen aus seiner Zeit im Strafvollzug.

16. Am 09.03.2021 langte die den Beschwerdeführer betreffende gekürzte Urteilsausfertigung zu XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens folgende Beweismittel der Beurteilung zugrunde gelegt:

-        der Akt der Behörde, insbesondere darin die Erstbefragung vor der Polizei, die niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde, sämtliche Bescheide, die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid,

-        sämtliche vorgelegte Beweismittel,

-        Einsichten in den Datenbanken (Zentrales Melderegister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregisterauskunft etc.).


1.1. Zum Verfahrensgang:

Der BF hat am XXXX 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Dem BF wurde mit rechtskräftigem Bescheid vom XXXX 2015, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der dem BF mit Bescheid vom XXXX 2015, Zl. XXXX , zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem BF nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien für unzulässig erachtet. Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Schlussendlich wurde gegen den BF ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.2 Zur Situation des BF in Österreich und in Syrien:

Der BF ist ein männlicher, volljähriger, staatenloser Palästinenser aus Syrien und sunnitischer Moslem. Er führt den im Spruch genannten Namen und ist am XXXX geboren.

Der BF stammt aus XXXX , dieses Gebiet befindet sich derzeit in der Hand des syrischen Regimes. Er hat Syrien wegen des Krieges verlassen. Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Syrien die Einziehung zum Wehrdienst.

Aus dem LIB Syrien (Stand: 11.02.2021): Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 12.8.2020; vgl. FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). […]

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (STDOK 8.2017). Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure (DIS 5.2020) und Wehrdienstverweigerer Ziel der umfassenden Anti-Terror-Gesetzgebung (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (AA 4.12.2020; vgl. DIS 5.2020).

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF gab an, eine österreichische Staatsbürgerin nach „islamischem Recht“ geheiratet zu haben. Er ist derzeit von ihr getrennt, trifft diese aber regelmäßig und plant mit ihr die gemeinsame Zukunft. Ansonsten verfügt er über keine Familienangehörigen in Österreich.

Er hat den Kranführerschein gemacht und arbeitet nunmehr bei „ XXXX “. Er hat freundschaftliche Kontakte in Österreich und besucht regelmäßig ein Fitnessstudio. Der BF spricht – wenn auch etwas gebrochen - Deutsch.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 4. und 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Als mildernde Umstände wurden dabei die Unbescholtenheit des BF, sein Alter unter 21 Jahren, die Sicherstellung und der Verfall herangezogen. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und gewinnsüchtige Motive herangezogen.

Der Beschwerdeführer befand sich von XXXX 2016 bis XXXX 2016 in Haft. Seine Führung war zunächst mangelhaft, besserte sich aber und entsprach sodann der Hausordnung bis zum Entlassungsstichtag. Mit Straferkenntnis vom XXXX 2016 wurde der BF gemäß §§ 109 Z 5 und 114 StVG mit der Ordnungsstrafe des strengen Hausarrests mit Beschränkung der künstlichen Beleuchtung in der Dauer von drei Tagen bestraft, weil er während einer Amtshandlung mehrere Strafvollzugsbediensteten körperlich angriff und einem in den Unterarm biss, sodass dieser eine Bissverletzung davontrug. Unter der Auflage der Bewährungshilfe wurde der BF schließlich bedingt entlassen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2, 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , keine Zusatzstrafe verhängt. Als mildernde Umstände wurden dabei die Unbescholtenheit des BF, das teilweise Geständnis, der teilweise Versuch sowie die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit gewertet. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Vergehen herangezogen.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Als mildernd wurde kein Umstand gewertet. Als erschwerend wurde das Vorliegen einer einschlägigen Vorstrafe herangezogen. Darüber hinaus wurde mit Beschluss vom Widerruf der bedingten Entlassung zu XXXX des Landesgerichts XXXX abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Für die mit gegenständlichen Urteilen bestraften Tathandlungen übernimmt der BF formal die Verantwortung, die Taten würden ihm leidtun, er redet sich aber auf seine seinerzeitige schlechte psychische Verfassung und insbesondere eine fehlende Gesetzeskenntnis in Österreich aus, die seinem delinquenten Verhalten zugrunde gelegen sei. Eine umfassende Verantwortungsübernahme war nicht feststellbar, auch wenn einzuräumen ist, dass der BF sich derzeit bemüht, von solchen Handlungen Abstand zu nehmen. Der BF zeigt positive Entwicklungstendenzen in der allgemeinen Lebensführung, da er nunmehr einer geregelten Beschäftigung nachgeht und die Termine mit der Bewährungshilfe zuverlässig einhält.

2. Beweiswürdigung:

2.1      Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF, seinem Asylaberkennungsverfahren sowie der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Dass bzw. aus welchen Gründen dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2015, Zahl XXXX . Dass dieser zuerkennende Bescheid rechtskräftig wurde, ergibt sich daraus, dass kein Rechtsmittel erhoben wurde. Der Bescheid ist somit für die Parteien bindend.

2.2 Zu den Feststellungen zur Person des BF und seiner Situation in Österreich:

Die Identität und das Geburtsdatum des BF sowie seine Staatenlosigkeit stützen sich auf die Feststellungen der belangten Behörde.

Die Feststellungen zur Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Herkunft, seinem Gesundheitszustand und seiner daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des BF und der Aktenlage. Die vom BF in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren weitestgehend gleichbleibend, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen zu den Fluchtgründen ergeben sich aus den gleichbleibenden und diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF. Hinsichtlich der Feststellungen zum Herkunftsort ergeben sich die aktuellen Machtverhältnisse in XXXX aus einer am 14.07.2021 durchgeführten Nachschau auf https://syria.liveuamap.com/. Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat – Syrien – die Einziehung zum Wehrdienst droht, ergibt sich aus den einschlägigen Länderberichten.

Die Feststellungen zu seiner Familiensituation sowie zu seinem Leben in Österreich ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des BF, dem Beschwerdeschriftsatz und den eingeholten Auszügen.

Die Feststellungen betreffend die Straffälligkeit des BF gründen auf die im Verwaltungsakt aufliegenden Urteilsausfertigungen und der Einsichtnahme in das Strafregister am 19.08.2021.

Die Feststellungen zu seiner Zeit im Strafvollzug und dem Straferkenntnis folgen aus der Dokumentenvorlage der Justizanstalt XXXX (OZ 10).

Die Feststellungen zur Verantwortungsübernahme für die gegenständlichen Urteile und den Entwicklungstendenzen des BF ergeben sich insbesondere aus dem Aussageverhalten des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (vgl. OZ 1 AS 268: „A: Wie kann ich Ihnen das mitteilen. Es tut mir leid. Ich habe die 12 Monaten gemacht. Ich habe keine Familie mehr. Psychisch war ich durcheinander und mir war nicht gut. Die letzte Strafe habe ich bekommen. Seit dort habe ich keine Strafe mehr bekommen und werde auch keien mehr machen bzw. bekommen. Ich werde es nie mehr in meinem Leben machen.“; vgl. zur fehlenden Gesetzeskenntnis OZ 1 AS 268: „A: Ich habe aus den Fehlern gelernt. Ich habe auch durch den Integrationskurs viel über die Gesetze in Österreich gelernt. Ich wusste auch nicht, dass das strafbar war was ich gemacht habe.“). Aus dem Führungsbericht der Justizanstalt XXXX ist ersichtlich, dass der BF die Termine bei der Bewährungshilfe einhält. Gleichwohl ist dem Bericht darüber hinaus zu entnehmen, dass der BF Schwierigkeiten hat sich an Regeln und Normen zu halten. Dieser Umstand erhellt auch aus dem Verhalten des BF während der Haft, wo er einen Wachebeamten ohne ersichtlichen Grund angegriffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zudem nicht, dass der BF nach seiner bedingten Entlassung aus der Haft trotz der verordneten Bewährungshilfe neuerlich einschlägig straffällig wurde. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass der BF sich seither wohlverhalten hat und kein weiteres delinquentes Verhalten setzte. Daher waren gesamt betrachtet, positive Entwicklungstendenzen des BF festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1      Zur Behebung des Aberkennungsbescheides:

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 (Z 1) vorliegt, einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3) oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. 60/1974, entspricht (Z 4).

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die Aberkennung des dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX 2015 zuerkannten Status des Asylberechtigten spruchmäßig auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 – sohin auf die Bestimmung, dass der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß Art. 33 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.

Nach Art. 33 Z 2 GFK kann der Vorteil dieser Bestimmung jedoch von einem Flüchtling dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Flüchtling aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der Flüchtling, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend. Allerdings stellt die „Sache“ des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. zu allem VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, Rn. 23, mwN).

Die nach § 7 AsylG 2005 vom BFA zu entscheidende Angelegenheit ist die Aberkennung des Status des Asylberechtigten als solches und umfasst sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehene Aberkennungsgründe. Dementsprechend ist die „Sache“ des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens nicht nur die Klärung der Frage, ob der vom BFA angenommene Aberkennungsgrund (nach § 7 Abs. 1 Z 1 bis 3 AsylG 2005) tatsächlich vorlag, sondern sie umfasst sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehene Aberkennungsgründe. Es ist dem Verwaltungsgericht daher nicht verwehrt, bei Verneinung einer der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 die anderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 zu prüfen (vgl. VwGH 29.6.2020, Ro 2019/01/0014).

Zu oben zitierter Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 führt die Regierungsvorlage 582 XXV. GP (wortwörtlich) Folgendes aus: "Vor dem Hintergrund aktueller Vorkommnisse und Herausforderungen ist zu beachten, dass unter den Tatbestand der Gefahr für die Sicherheit auch extremistische und terroristische Handlungen bzw. das Unterstützen einer extremistischen oder terroristischen Vereinigung fallen können. In dieser Hinsicht stellt auch Erwägungsgrund 37 der Statusrichtlinie klar: `Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt."

Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/10 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse. Gemäß Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie seien Personen vom Genuss des subsidiären Schutzes auszuschließen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (lit. a) bzw. schwere Straftaten (lit. b) begangen hätten oder sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen (lit. c). Angesichts der schweren Natur dieser Ausschluss bzw. Aberkennungstatbestände könne nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation Art. 17 Abs. 1 lit. d leg. cit. (Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit eines Landes) nur dahingehend verstanden werden, dass zur Verwirklichung dieser Bestimmung zumindest die Begehung einer Straftat von vergleichbarer Schwere wie die in lit. a - c der Statusrichtlinie genannten Handlungen vorliegen müsse. Diese Sicht werde auch dadurch bestätigt, dass die Statusrichtlinie selbst bzw. die Materialien zur Statusrichtlinie auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Bezug nehmen würden und sich aus der zu den einschlägigen Bestimmungen der GFK ergangenen Judikatur bzw. Literatur ergebe, dass eine "Gefahr für die Sicherheit oder für die Allgemeinheit eines Landes" nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen.

Sowohl für die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 und 4 AsylG 2005 ist daher die vom Betroffenen ausgehende Gefahr – im Falle der Z 3 für die Sicherheit der Republik Österreich und im Falle der Z 4 für die Allgemeinheit – maßgeblich und nicht für sich alleine – wie dies die Ausschlussgründe des Art. 1 F GFK vorsehen – das Vorliegen eines strafrechtlichen Delikts.

In der Literatur wird zur Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 stets darauf hingewiesen, dass Handlungen durch den Betroffenen vorliegen müssen, die eine Gefahr für den Staat selbst darstellen, also für dessen Bestand und Sicherheit. Bespielhaft wird in diesem Zusammenhang die Gefahr eines Umsturzes, Spionage für einen fremden Staat oder einer Revolution genannt (Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl: § 13 / Rz 453, Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht: § 6 AsyG 2005 / K17).

Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).

Die Gefährdungsprognose (hier: § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005) ist von der Behörde und im Beschwerdeverfahren aufgrund der Pflicht, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, vom VwG als Voraussetzung für die zu prüfende Erlassung der administrativrechtlichen Maßnahme der Aberkennung des Status eines Asylberechtigten eigenständig aus dem Blickwinkel des Asylrechts vorzunehmen. Dabei hat die Asylbehörde (bzw. das VwG im Beschwerdeverfahren) eigenständig konkrete Feststellungen zum Gesamtverhalten des Fremden zu treffen und im Hinblick auf eine allfällige Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich zu beurteilen. Dem steht der Umstand, dass strafgerichtliche Ermittlungen gegen den Fremden bisher zu keiner Anklage geführt haben, ebenso wenig entgegen wie eine allfällige Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens, zumal dies für die Asylbehörde im Aberkennungsverfahren keine Bindungswirkung für die Beurteilung der Gefährlichkeit eines asylberechtigten Fremden für die Sicherheit der Republik Österreich entfaltet (vgl. etwa VwGH 31.03.2017, Ra 2016/03/0121, zur Bindungswirkung der Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens für die Waffenbehörde bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit).

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist aufgrund einer Einzelfallprüfung eine Gefährdungsprognose zu erstellen.

Fallbezogen wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 4. und 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF weiters wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2, 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , keine Zusatzstrafe verhängt.

Des Weiteren wurde der BF mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.

Der gesetzlichen Bestimmung folgend, müssen stichhaltige Gründe vorliegen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, somit die Existenz oder territoriale Integrität des Staates gefährdet.

Im Verfahren konnten keine stichhaltigen Anhaltspunkte dargelegt oder von Amts wegen erkannt werden, dass der BF sich gegen die grundlegenden Institutionen der Republik Österreichs oder gegen die Grundwerte eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft richtet. Ebenso ergaben sich weder eindeutige Hinweise, dass der BF das demokratische oder das rechtsstaatliche Prinzip oder die Grund- und Menschenrechte grundsätzlich ablehnt noch auf eine radikale, religiös fundamentalistische Einstellung.

Zwar zeigt sich für das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die getroffene Gefährdungsprognose, dass das Verhalten des Beschwerdeführers und dessen Persönlichkeitsbild von einer kulturell bedingten Unterscheidung gegenüber den in Österreich herrschenden Werten geprägt ist. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers ist jedoch nicht so weit ausgeprägt, dass dieser eine Gefahr für den Staat im Sinne einer Gefahr für dessen Existenz oder territorialen Integrität darstellt. Der Bestand und die Sicherheit Österreichs sind nicht gefährdet, zumal er sich seit seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung – vor ca. drei Jahren – wohlverhält. Würde der BF tatsächlich eine Gefahr für Gemeinschaft und Sicherheit Österreichs darstellen, wäre zudem eine bedingte Entlassung nicht möglich gewesen.

Folglich liegt keine das Aberkennungsverfahren rechtfertigende Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreichs durch den Beschwerdeführer vor, zumal sich die Handlungen des Beschwerdeführers nicht als solche gegen die Existenz Österreichs, dessen territoriale Integrität oder dessen Staatsorgane richten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. etwa VwGH 23.03.2020, Ra 2019/14/0334; 05.04.2018, Ra 2017/19/0531-5).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN).

Wie oben bereits ausgeführt, ist der BF wegen des Verbrechens des Drogenhandels nach § 28a SMG mit rechtskräftigem Urteil des LG XXXX vom XXXX , verurteilt worden, auf das die belangte Behörde u.a. die Aberkennung des Asylstatus stützt und dieses somit gemäß der eben dargestellten Rechtsprechung prima facie unter die Kategorie „besonders schweres Verbrechen“ fällt (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden zum Asylgesetz 20052, 2011, Rz. 125).

Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. etwa VwGH 14.02.2018, Ra 2017/18/0419; VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166; VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247; VwGH 21.9.2015, Ra 2015/19/0130; VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626, mit Hinweis auf die zur Vorläuferbestimmung ergangene und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin maßgebliche Rechtsprechung).

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht hervor, dass bei der Beurteilung, ob ein besonders schweres Verbrechen vorliegt, folgende Maßstäbe heranzuziehen sind:

* (teil)bedingte oder unbedingte Strafe

* Höhe der konkret verhängten Strafe im Vergleich zum Strafrahmen (eine verhängte Strafe im unteren Bereich spricht gegen ein besonders schweres Verbrechen;)

* Erschwerungsgründe (diese werden jedoch nicht doppelt berücksichtigt, wenn sie schon in die Höhe eingeflossen sind)

* Ausmaß der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Straftaten ("Kopf der Bande" oder nur untergeordnete Stellung).

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.12.2002, 2001/01/0494, wurde eine (länger zurückliegende) Verurteilung wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 Schilling nicht als „besonders schweres Verbrechen“ beurteilt, wobei der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausführte, dass „[o]hne Hinzutreten besonderer Umstände nämlich, aus denen sich ergäbe, dass sich das vom Beschwerdeführer begangene Delikt bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 12 Abs. 3 SGG) als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, […] - selbst unter Berücksichtigung der im Urteil als erschwerend für die Strafzumessung gewerteten Gewinnsucht als Motiv für die Tatbegehung (sowie die mehrfache Tatbegehung) - aus der Verurteilung zu einer bloß zweijährigen Freiheitsstrafe, in deren Höhe die als erschwerend angenommenen Umstände bereits zum Ausdruck gekommen sind, wegen eines ‚typischer Weise‘ schweren Deliktes nicht geschlossen werden [kann], dass der Straftat die für ein ‚besonders schweres Verbrechen‘ erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet.

Auch in seinem Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, beurteilte der Verwaltungsgerichtshof eine Verurteilung (der Aktenlage nach die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Drogendeliktes) aufgrund der Weitergabe einer größeren Menge an Amphetamin zu einer „trotz des exorbitant hohen Strafrahmens von ein bis 15 Jahren … vergleichsweise geringen Freiheitsstrafe von 20 Monaten […] nicht als solche wegen eines in der konkreten Ausprägung ‚besonders schweren Verbrechens‘ im Sinne des zuvor beschriebenen Verständnisses dieses Begriffes“. Dazu führte er illustrativ aus, „dass etwa in der Bundesrepublik Deutschland für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall FlKonv bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert wurde (vgl. näher Hailbronner, a.a.0., Rz 3).“

Auf das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, verwies der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt (insbesondere VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; zuletzt 21.09.2015, Ra 2015/19/0130), sodass weiterhin von der Aktualität dieser – wenn auch zur Vorgängerbestimmung ergangenen – Rechtsprechung auszugehen ist.

Wie in der bereits zitierten Rechtsprechung gefordert, war aber darüber hinaus zu prüfen, ob sich die begangene Tat im konkreten Fall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweist.

Die Strafdrohung für Suchtgifthandel im Sinne des § 28a Abs. 1 SMG sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.

Selbst wenn in der aktuellen Rechtslage der Begriff „besonders schweres Verbrechen“ nicht mehr als „Verbrechen, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist“ definiert wird und die im Gesetz vorgesehene Strafdrohung daher nicht geeignet ist, um zu beurteilen, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist der Strafrahmen von fünf Jahren ein Indiz dafür, dass ohne Hinzutreten besonderer Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, der Straftat die für ein „besonders schweres Verbrechen“ erforderliche außerordentliche Schwere keinesfalls anhaftet.

Der BF wurde aufgrund eines „typischer Weise“ schweren Deliktes – bei einer Strafdrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe für das begangene Verbrechen – zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Als mildernde Umstände wurden dabei die Unbescholtenheit des BF, sein Alter unter 21 Jahren, die Sicherstellung und der Verfall herangezogen. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und gewinnsüchtige Motive herangezogen. Es kann in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung auch in diesem Fall – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – nicht geschlossen werden, dass der Straftat die für ein „besonders schweres Verbrechen“ erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet.

Bereits durch die Höhe der verhängten Strafe in ihrer Relation zur Strafdrohung kommt zum Ausdruck, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv nicht als besonders schwerwiegend erwiesen hat. Aus den im Strafurteil genannten Erschwerungsgründen kann eine besondere Schwere des Verbrechens nicht abgeleitet werden, insbesondere da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen bereits in Höhe der verhängten Strafe Berücksichtigung fand. Weiters sind die konkreten Tatumstände zu berücksichtigen und ist hierzu auszuführen, dass der BF im Tatzeitpunkt gerade 17 bzw. 18 Jahre alt war und die Tat als junger Erwachsener begangen hat.

Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens ist grundsätzlich auf die weiteren zu prüfenden Punkte nach dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.10.1999, 99/01/0288, (Einschätzung der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers und die Güterabwägung, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Schutzes überwiegen) nicht weiter einzugehen.

Dennoch wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das nun schon drei Jahre währende Wohlverhalten, die Einhaltung der Termine bei der Bewährungshilfe und das Nachgehen einer geregelten Beschäftigung – auch trotz der neuerlichen einschlägigen Delinquenz nach der bedingten Entlassung und der nicht umfassenden Verantwortungsübernahme – auch indiziert, dass von einer Gemeingefährlichkeit fallbezogen gegenwärtig nicht ausgegangen werden kann.

Fallbezogen lag daher weder eine Verurteilung zu einem besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 noch ein anderer Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vor.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgte daher zu Unrecht. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22, wonach mit „Aufhebung“ die vollständige Beseitigung, also jedenfalls die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids gemeint ist).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2221827.1.00

Im RIS seit

17.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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