TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/17 W164 2178902-1

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Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W164 2178902-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Nadja Lorenz, Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III.    Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV.      Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er stellte am 06.04.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 07.04.2015 gab der BF an, er sei ca. 21 Jahre alt und in XXXX in der Provinz Balkh geboren. Sein leiblicher Vater sei ihm nicht bekannt. Auch den Aufenthaltsort seiner Mutter kenne er nicht. Er habe keine Angehörigen mehr. Vor 6 oder 7 Jahren habe er Afghanistan wegen des Krieges und der Armut verlassen und sei in den Iran gereist. Dort habe er sich illegal aufgehalten. Vor ein paar Monaten habe er den Iran Richtung Europa verlassen. In Afghanistan habe er ein Leben in Furcht, Angst und Armut zu befürchten.

Am 02.10.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) befragt. Der BF gab an, er habe im Dorf XXXX , Provinz Sar-i Pul, gewohnt, habe zwei Jahre die Grundschule besucht und zu Hause als Hirte gearbeitet. Er sei bei einem Ziehvater namens XXXX aufgewachsen. Seine Eltern kenne er nicht. In Sar-i Pul würden 4 Onkel mütterlicherseits und 2 Tanten mütterlicherseits leben, zu denen der BF keinen Kontakt habe.

Afghanistan habe der BF wegen dem Krieges verlassen. Es habe auch keine Arbeit gegeben. Weiters sei er von seinem Ziehvater mit dessen Nichte verlobt worden. Der BF sei danach weggegangen. Sein Ziehvater habe ihm dann einen Brief geschickt und darin gedroht, dass der BF bis zu einem bestimmten Datum zurückkommen müsse, andernfalls dürfe er sich im Dorf nicht mehr blicken lassen. Dieser Brief sei an die Dorfältesten geschickt worden. Die Dorfältesten hätten den Brief dem BF vorgehalten. Im Iran habe der BF auf dem Bau gearbeitet.

Vorgelegt wurden eine Teilnahmebestätigung zu Deutsch A1 Modul B des BFI XXXX sowie Bestätigungen über den regelmäßigen Besuch eines Sprachcafes. Weiters vorgelegt wurde eine Bestätigung des Vereins „ XXXX “ von 26.02.2017 über ehrenamtliche Mitarbeit des BF und ein Referenzschreiben des Vereins XXXX von 29.09.2017 demzufolge der BF ab Juli 2017 auf ehrenamtlicher Basis bei der Warenübernahme und in der Regalbetreuung eingesetzt war.

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF seine Heimat Afghanistan aufgrund des Krieges und der Arbeitslosigkeit verlassen habe. Der BF sei jedoch keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe eine solche auch nicht zu befürchten. Die Sicherheits- und Versorgungslage sei nicht im gesamten Staatsgebiet prekär, weshalb dem BF die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, möglich wäre. Hinsichtlich der vom BF vorgebrachten Probleme mit dem Ziehvater XXXX habe der BF vage, widersprüchliche und daher unglaubwürdige Vorbringen gemacht seien.

Dem BF sei eine Rückkehr in seine Heimatprovinz – welche laut Länderberichten als vergleichsweise sicher gelte – zumutbar, er verfüge dort zudem über Familienangehörige. Alternativ stünde dem BF auch Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Der BF sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, der in Afghanistan und im Iran bereits mehrere Jahre gearbeitet habe. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan somit nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten. Der BF verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine (damalige) Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und verwies zur Lage in Afghanistan auf den Kommentar von Thomas Ruttig zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer. Dem BF sei es nicht möglich, in einem Gebiet ohne sozialen (Familien-)Anschluss Zugang zu sicherer und ausreichender Unterkunft, existenzsichernder Arbeit und (medizinischer) Grundversorgung zu finden. Eine Rückführung würde binnen kürzester Zeit zu Kälte, Krankheit, Hunger und Durst führen und den BF in eine die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohende Lebenssituation bringen. In diesem Zusammenhang werde auf EASO Country of Origin Information Report Afghanistan:Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017 verwiesen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul und Balkh/Mazar-e Sharif sei mit Verweis auf UNHCR bzw. SFH-Länderanalyse nicht gegeben. Die belangte Behörde hätte folglich bei richtiger Würdigung und rechtlicher Beurteilung der persönlichen Verhältnisse des BF und der Situation in Afghanistan zum Ergebnis gelangen müssen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose, eine Art. 3 EMRK verletzende Lage geraten würde und ihm sohin zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Der Beschwerde angeschlossen wurde ein ÖSD-Zertifikat über die am 21.11.2017 erfolgreich bestandene Deutsch-A1-Prüfung.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurden dem BVwG folgende Gerichtsurteile zur Kenntnis gebracht.

BG XXXX .2019
§§ 15, 127 StGB
Datum der (letzten) Tat 07.12.2018
Freiheitsstrafe 8 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Landesgericht XXXX .2020
28a (1) 5. Fall SMG
§ 269 (1) 3. Fall StGB
§§ 27 (1) Z1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG
§ 135 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 27.07.2020,
Freiheitsstrafe 18 Monate, davon 12 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre , Anordnung der Bewährungshilfe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Bezug habenden Strafakten angefordert.

Am 19.08.2021 langte ein Schreiben des Vereins Neustart ein, mit dem mitgeteilt wurde, dass de BF seine Termine mit seinem Bewährungshelfer seit Jänner 2021 regelmäßig wahrnehme, einen Deutschkurs besuche und, da es ihm psychisch nicht gut gehe, Kontakt mit einer Konsiliarpsychiaterin beim XXXX habe.

Am 10.09.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, anlässlich deren der BF im Beisein seiner nunmehr gewählten Rechtsvertretung befragt wurde.

Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst vor, er sei in XXXX geboren. Von dort habe ihn sein Onkel mütterlicherseits als Kleinkind in die Provinz Sar-i Pol, Distrikt XXXX , Dorf XXXX gebracht und einem Ziehvater übergeben. Der Onkel mütterlicherseits habe den BF bei seinem Ziehvater auch manchmal besucht. Von ihm wisse der BF, dass er nicht das leibliche Kind seiner Zieheltern gewesen sei und dass er in Sar-i Pul vier Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits habe. Von diesem Onkel mütterlicherseits wisse der BF auch den Namen seiner leiblichen Mutter. Mehr wisse er nicht über sie.

Bei seinem Ziehvater sei der BF in einer Familie mit jüngeren Stiefgeschwistern aufgewachsen. Er sei zwei Jahre zur Schule gegangen, habe seinem Ziehvater in dessen Tischlerei geholfen und als Hirte für Schafe, Ziegen und Rinder gearbeitet.

Zu seinen Zieheltern und den Geschwistern habe er ein gutes Verhältnis gehabt und habe auch die Verwandtschaft gekannt. Etwa 2008 oder 2009 sei der BF in den Iran gereist, um dort zu arbeiten und Geld zu verdienen. Jahre später habe sein Ziehvater dem BF mitgeteilt, dass er den BF mit der Nichte des Ziehvaters verheiraten möchte. Der BF sei in sein Heimatdorf zurückgekehrt und habe dort an der Verlobungsfeier teilgenommen. Aus Anlass der Verlobungsfeier sei bei den Dorfältesten ein Vertrag ausgearbeitet worden, mit dem sich der BF verpflichtet habe, zu einem bestimmten Zeitpunkt spätestens wieder aus dem Iran zurückzukehren und seine Verlobte zu heiraten. Der BF sei wieder in den Iran gefahren um am Bau als Hilfsarbeiter zu arbeiten. Dort habe er illegal auf der Baustelle gewohnt und sei aus diesem Grund einmal für 15 Tage von der Polizei festgehalten worden. Als sich der vertraglich festgelegte Hochzeitstermin näherte habe der BF nicht das nötige Geld beisammen gehabt. Er habe den Termin verstreichen lassen und sei bald darauf nach Europa gereist. Von Traiskirchen aus habe er seinen Ziehvater angerufen und davon verständigt, dass er nun in Österreich sei. Dieser habe die Mitteilung schweigend zur Kenntnis genommen.

In Österreich habe der BF die Deutschprüfung A1 abgelegt. Danach habe er weiter Deutsch gelernt aber keine Prüfung mehr gemacht, da er sich nicht gut genug vorbereitet gefühlt habe. Der BF habe in Österreich ferner ehrenamtlich gearbeitet, habe sich dann aber mehr aufs Deutsch lernen konzentrieren wollen. Derzeit besuche er einen Deutsch-A2 Kurs.

Auf Vorhalt seiner strafrechtlichen Verurteilung vom Landesgericht XXXX gab der BF an, er habe damals Fehler begangen und bereue diese. Seine Situation in Österreich sei nicht leicht gewesen. Die ungewisse Zukunftsperspektive habe ihn belastet. Auch habe der BF aus Angst gehandelt. Er habe im Iran sehr schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Seit seiner vorzeitigen Entlassung besuche er einmal im Monat den Verein Neustart und führe mit seinem Bewährungshelfer ein Gespräch über seine Situation. Der BF habe den Wunsch, ein normales Leben zu führen mit einem Aufenthaltsrecht und mit Arbeit in einem Restaurant oder in einer Firma. Er selbst sei nicht drogensüchtig, jedoch gehe es ihm sein langem psychisch nicht gut. Der BF bemühe sich nun um Psychotherapie.

Zu seinem Ziehvater habe der BF seit 2015 keinen Kontakt mehr. Er habe Angst vor ihm und erwarte keine Unterstützung von ihm oder von seiner Familie. In der Heimatprovinz des BF herrsche ferner Chaos, es gebe sehr viele Kämpfe dort.

Vorgelegt wurden Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen (Deutsch A2 Teil I 75 Unterrichtseinheiten, von 25.5.21 bis 16.7.21 VHS XXXX ; Deutsch A2 Teil 2 von 16.8.21 bis 3.9.21, 75 Unterrichtseinheiten, bfi XXXX ); ein Empfehlungsschreiben der Kursleiterin des letztgenannten Deutschkurses; eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit von Mai 2016 bis Juli 2017 im Verein XXXX und eine Bestätigung über den Besuch des Sprachcafes der Pfarre XXXX bis zum Unterkunftswechsel nach XXXX im Jahr 2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt den Namen XXXX , wurde am XXXX in XXXX in der Provinz Balkh geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Usbeken an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist Usbekisch, er spricht auch Dari und Farsi. Der BF war bereits zum Zeitpunkt der Einreise volljährig, er ist ledig und kinderlos.

Der BF wuchs bei Zieheltern auf. Sein Onkel mütterlicherseits hatte ihn als Kleinkind aus XXXX in das Dorf XXXX , Distrikt XXXX der Provinz Sar-i-Pul gebracht, und dort an seine Zieheltern übergeben. Der BF besuchte dort zwei Jahre die Schule und arbeitete als Hirte. Er half auch seinem Ziehvater, der Tischler war, in der Werkstadt. Sein Onkel mütterlicherseits besuchte den BF von Zeit zu Zeit. Von ihm wusste der BF, dass er bei Zieheltern aufgewachsen war. Er kannte auch den Namen seiner leiblichen Mutter. Näheres über sie erfuhr er nicht. Im Alter von etwa 14 oder 15 Jahren reiste der BF in den Iran aus, um dort zu arbeiten. Nach ein paar Jahren rief ihn sein Ziehvater an, und teilte ihm mit, dass er ihn mit der Tochter einer Schwester des Ziehvaters verloben möchte. Der BF kehrte für ein paar Monate nach Afghanistan in sein Heimatdorf zurück und nahm an der Verlobung teil. Bei den Dorfältesten wurde ein Vertrag verfasst, der den BF verpflichtete, zu einem bestimmten Zeitpunkt spätestens wiederzukommen und das Mädchen zu heiraten.

Der BF arbeitete weiter im Iran als Hilfsarbeiter am Bau. Er wohnte auf den Baustellen, auf denen er arbeitete. Sein Aufenthalt war illegal. Als Folge dessen war der BF immer wieder Schikanen ausgesetzt. Zum festgelegten Hochzeitstermin hatte der BF das für die Heirat notwendige Geld noch nicht beisammen. Er entschloss sich, nicht nach Afghanistan fahren, ließ sich bald darauf nach Europa schleppen und verständigte seinen Ziehvater telefonisch, als er in Österreich war.

Am 06.04.2015 stellte er schließlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. In Österreich begann der BF Deutsch zu lernen. Er legte am 21.11.2017 die Deutsch A1 Prüfung nach GER ab und engagierte sich ehrenamtlich. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und nimmt aktuell Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung auf:

BG XXXX .2019
§§ 15, 127
Datum der (letzten) Tat 07.12.2018
Freiheitsstrafe 8 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre:

Dem BF wurde Diebstahl einer Jacke im Wert von € 179,99 am 06.12.2019 und versuchter Diebstahl einer Jacke im Wert von € 189,99 am 07.12.2019 in einem Großkaufhaus der Stadt XXXX zur Last gelegt. Als mildernd wurden seine Unbescholtenheit, sein Geständnis und der teilweise Versuch gewertet. Als erschwerend wurde die Faktenhäufung gewertet.

Landesgericht XXXX .2020
28a (1) 5. Fall SMG
§ 269 (1) 3. Fall StGB
§§ 27 (1) Z1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG
§ 135 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 27.07.2020‘
Freiheitsstrafe 18 Monate, davon 12 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre , Anordnung der Bewährungshilfe; Die Probezeit betreffend das oben genannte Urteil des BG XXXX wurde auf fünf Jahr verlängert:

Dem BF wurde zur Last gelegt, dass er von Jänner bis Juni 2020 an allgemein zugänglichen Orten der Stadt XXXX insgesamt 2,5 kg Canabiskraut in mehreren Angriffen unbekannten Suchtgiftabnehmern gewinnbringend überlassen habe (§ 28a Abs 1 5. Fall SMG); dem BF wurde zur Last gelegt, am 27.7.2020 in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift in einer Menge von 376,1 Gramm Canabiskraut erworben und besessen zu haben; dem BF wurde zur Last gelegt, am 27.07.2020 in XXXX Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung gehindert zu haben. Die Beamten wurden dabei nicht verletzt; dem BF wurde zur Last gelegt ein Stück Handfesseln aus dem Gewahrsam der Polizeibeamten entzogen und im Wald weggeworfen zu haben; mildernd wurde die von Beginn an geständige Verantwortung des Angeklagten gewertet, weiters, dass ein hoher Geldbetrag sichergestellt werden konnte.; erschwerend wurde gewertet, dass die Grenzmenge gem. § 28b SMG um mehr als das Sechsfache überschritten wurde, eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von Verbrechen und mehreren Vergehen und, dass der Suchtgifthandel an öffentlichen Orten stattfand.

Die Vorhaft (07.08.2020 bis 27.11.2020) wurde angerechnet. Am 07.12.2020 wurde der BF gemäß § 46 Abs 1 StGB vorzeitig aus der Haft entlassen.

Der BF besucht seither regelmäßig seine Termine bei dem ihm zugeteilten Bewährungshelfer. Er hat sich über dessen Vermittlung auch beim XXXX um Psychotherapie angesucht.

Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

Quelle: UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021:

Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in Kabul unter ihre Kontrolle brachten. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghan*innen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen. Aufgrund des Konflikts sind seit Anfang 2021 Schätzungen zufolge über 550.000 Afghan*innen innerhalb des Landes neu vertrieben worden, davon 126.000 neue Binnenvertriebene allein zwischen 7. Juli und 9. August 2021. Während es bis dato noch keine genauen Zahlen gibt, wie viele Afghan*innen das Land aufgrund der Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen verlassen haben, haben Berichten zufolge zehntausende Afghan*innen in den letzten Wochen die Landesgrenzen überschritten.

Da die Situation in Afghanistan instabil und unsicher bleibt, fordert UNHCR alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes durchgehend sicherzustellen. UNHCR weist auf die Notwendigkeit hin zu gewährleisten, dass das Recht, Asyl zu beantragen, nicht eingeschränkt wird, dass Grenzen offengehalten werden und dass Personen, die internationalen Schutzbedarf haben, nicht in Gebiete innerhalb ihres Herkunftslands zurückgedrängt werden, die möglicherweise gefährlich sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Staaten auch gemäß Völkergewohnheitsrecht verpflichtet sind, die Grenzen für die vor dem Konflikt fliehende Zivilbevölkerung offen zu halten und Flüchtlinge nicht zwangsweise zurückzuführen. Der NonRefoulement-Grundsatz beinhaltet auch die Nicht-Zurückweisung an der Grenze.

Aufgrund der Unbeständigkeit der Situation in Afghanistan hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan internationalen Schutz mit der Begründung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsperspektive zu verwehren

Quelle: Kurzinformation der Staatendokumentation Aktuelle Entwicklungen und Informationen in Afghanistan Stand: 20.8.202:

Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemäß der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a) Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsächlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a). Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nähe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b). Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c). Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d). Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021). Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SRVerlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021). Exkurs: Die Anführer der Taliban Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen TalibanFührer auch nach außen auf. Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des SchariaGerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird. Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die TalibanEinsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht. Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der TalibanRegierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an. Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c). Stärke der Taliban-Kampftruppen Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).

Quelle: Länderinformation der Staatendokumentation, Version 5, 16.09.2021:

Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (AF 2018; vgl. WB 7.2019). Jedoch konnte die vormalige afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (USIP 15.8.2019; vgl. WB 7.2019). Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90% der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt (ILO 5.2012; vgl. ACCORD 7.12.2018). Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 23.11.2018; vgl. Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Rund 45% aller Beschäftigen arbeiten im Agrarsektor, 20% sind im Dienstleistungsbereich tätig (STDOK 10.2020; vgl. CSO 2018). Nach der Machtübernahme der Taliban bleiben die Banken geschlossen, so haben die Vereinigten Staaten der Taliban-Regierung den Zugang zu praktisch allen Reserven der afghanischen Zentralbank in Höhe von 9 Mrd. $ (7,66 Mrd. €) verwehrt, die größtenteils in den USA gehalten werden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Afghanistan nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban den Zugang zu seinen Mitteln verwehrt (DW 24.8.2021). Da keine neuen Dollarlieferungen zur Stützung der Währung ankommen, ist die afghanische Währung auf ein Rekordtief gefallen (DW 24.8.2021).

Armut und Lebensmittelunsicherheit (Letzte Änderung: 14.09.2021):

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (AA 16.7.2021; AF 2018). Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die COVID-19-Pandemie stetig weiter verschärft. Es wird erwartet, dass 2021 bis zu 18,4 Millionen Menschen (2020: 14 Mio Menschen) auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden (UNGASC 9.12.2020). Da keine neuen Dollarlieferungen eintreffen, um die Währung zu stützen, ist die afghanische Währung auf ein Rekordtief gefallen und hat die Preise in die Höhe getrieben. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Öl und Reis sind innerhalb weniger Tage um bis zu 10-20 % gestiegen (DW 24.8.2021).

Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten (Letzte Änderung: 14.09.2021):

Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 lag die Miete für eine Wohnung im Stadtzentrum von Kabul durchschnittlich zwischen 200 USD und 350 USD im Monat. Für einen angemessenen Lebensstandard musste zudem mit durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von bis zu 350 USD pro Monat (Stand 2020) gerechnet werden (IOM 2020). Auch in Mazar-e Sharif standen zahlreiche Wohnungen zur Miete zur Verfügung. Die Höhe des Mietpreises für eine drei-Zimmer-Wohnung in Mazar-e Sharif schwankte unter anderem je nach Lage zwischen 100 USD und 300 USD monatlich (STDOK 21.7.2020). Einer anderen Quelle zufolge lagen die Kosten für eine einfache Wohnung in Afghanistan ohne Heizung oder Komfort, aber mit Zugang zu fließenden Wasser, sporadisch verfügbarer Elektrizität, einer einfachen Toilette und einer Möglichkeit zum Kochen zwischen 80 USD und 100 USD im Monat (Schwörer 30.11.2020). Es existieren auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Hotels und Teehäuser, die etwa von Tagelöhnern zur Übernachtung genutzt werden (STDOK 21.7.2020). Auch eine Person, welche in Afghanistan über keine Familie oder Netzwerk verfügt, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden - vorausgesetzt die Person verfügt über die notwendigen finanziellen Mittel (Schwörer 30.11.2020; vgl. STDOK 21.7.2020). Private Immobilienunternehmen in den Städten informieren über Mietpreise für Häuser und Wohnungen (IOM 2020). Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht (IOM 2020). Allgemein lässt sich sagen, dass die COVID-19-Pandemie keine besonderen Auswirkungen auf die Miet- und Kaufpreise in Kabul hatte. Die Mieten sind nicht gestiegen und aufgrund der momentanen wirtschaftlichen Unsicherheit sind die Kaufpreise von Häusern eher gesunken (Schwörer 30.11.2020). Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosteten vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch konnten die Kosten allerdings höher liegen. Die Kosten in der Innenstadt Kabuls waren höher. In ländlichen Gebieten konnte man mit mind. 50% weniger Kosten für die Miete und den Lebensunterhalt rechnen (IOM 2020).

Die möglichen Auswirkungen durch die Machtübernahme der Taliban im August 2021 auf Wohnungsmarkt und Lebenshaltungskosten können noch nicht abgesehen werden.

Arbeitsmarkt (Letzte Änderung: 16.09.2021):

Vor der Machtübernahme durch die Taliban war der Arbeitsmarkt durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert (STDOK 10.2020; vgl. Ahmend 2018; CSO 2018). 80% der afghanischen Arbeitskräfte befanden sich in „prekären Beschäftigungsverhältnissen“, mit hoher Arbeitsplatzunsicherheit und schlechten Arbeitsbedingungen (AAN 3.12.2020; vgl.: CSO 2018). Schätzungsweise 16% der prekär Beschäftigten waren Tagelöhner, von denen sich eine unbestimmte Zahl an belebten Straßenkreuzungen der Stadt versammelt und nach Arbeit sucht, die, wenn sie gefunden wird, ihren Familien nur ein Leben von der Hand in den Mund ermöglicht (AAN 3.12.2020). Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau und dürfte wegen der COVID- 19-Pandemie wieder steigen (AA 16.7.2020; vgl. IOM 18.3.2021) ebenso wie die Anzahl der prekär Beschäftigten (AAN 3.12.2020).

Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke ist die Arbeitssuche schwierig (STDOK 21.7.2020; vgl. STDOK 13.6.2019, STDOK 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (STDOK 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Ungelernte Arbeiter erwirtschaften ihr Einkommen als Tagelöhner, Straßenverkäufer oder durch das Betreiben kleiner Geschäfte. Der Durchschnittslohn für einen ungelernten Arbeiter ist unterschiedlich, für einen Tagelöhner beträgt er etwa 5 USD pro Tag (IOM 18.3.2021). Während der COVID-19-Pandemie ist die Situation für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftszweige durch die Sperr- und Restriktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ beeinflusst wurden. Kleine und große Unternehmen boten in der Regel direkte Arbeitsmöglichkeiten für Tagelöhner (IOM 18.3.2021).

Die möglichen Auswirkungen durch die Machtübernahme der Taliban im August 2021 auf den Arbeitsmarkt können noch abgesehen werden.

Medizinische Versorgung (Letzte Änderung: 16.09.2021):

Bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan nicht direkt vom Staat erbracht, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die unter Vertrag genommen werden (AA 16.7.2021). Im Jahr 2018 gab es 3.135 funktionierende medizinische Institutionen in ganz Afghanistan und 87% der Bevölkerung wohnten nicht weiter als zwei Stunden von einer solchen Einrichtung entfernt (WHO 12.2018). Die genaue Anzahl der Gesundheitseinrichtungen in den einzelnen Provinzen ist nicht bekannt (RA KBL 20.10.2020). Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghaninnen und Afghanen schwierig, überhaupt eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 16.7.2021). Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, die den Zustand der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen untersuchte, wiesen viele Gesundheitszentren im ganzen Land immer noch große Mängel auf, darunter bauliche und wartungsbedingte Probleme, schlechte Hygiene- und Sanitärbedingungen, wobei ein Viertel der Einrichtungen nicht über Toiletten verfügte, vier von zehn Gesundheitseinrichtungen kein Trinkwassersystem hatten und eine von fünf Einrichtungen keinen Strom hatte. Es gab nicht genügend Krankenwagen und viele Gesundheitseinrichtungen berichteten über einen Mangel an medizinischer Ausrüstung und Material (IWA 8.2017). Insbesondere die COVID-19-Pandemie offenbarte die Unterfinanzierung und Unterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems, das akute Defizite in der Prävention (Schutzausrüstung), Diagnose (Tests) und medizinischen Versorgung der Kranken aufweist. Die Verfügbarkeit und Qualität der Basisversorgung ist durch den Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenten (insbesondere Hebammen), den Mangel an Medikamenten, schlechtes Management und schlechte Infrastruktur eingeschränkt. Darüber hinaus herrscht in der Bevölkerung ein starkes Misstrauen gegenüber der staatlich finanzierten medizinischen Versorgung. Die Qualität der Kliniken ist sehr unterschiedlich. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen (AA 16.7.2021; vgl. WHO 8.2020). Neben dem öffentlichen Gesundheitssystem gibt es auch einen weitverbreiteten, aber teuren privaten Sektor. Trotz dieser höheren Kosten wird berichtet, dass über 60% der Afghanen private Gesundheitszentren als Hauptansprechpartner für Gesundheitsdienstleistungen nutzen. Vor allem Afghanen, die außerhalb der großen Städte leben, bevorzugen die private Gesundheitsversorgung wegen ihrer wahrgenommenen Qualität und Sicherheit, auch wenn die dort erhaltene Versorgung möglicherweise nicht von besserer Qualität ist als in öffentlichen Einrichtungen (MedCOI 5.2019). Sicherheitslage bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021

Die Sicherheitslage hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitsdienste (UNAMA 2.2021; vgl. AA 16.7.2020, UNOCHA 7.3.2021, UNOCHA 19.12.2020, ICRC 17.6.2020). Trotz des erhöhten Drucks und Bedarfs an ihren Dienstleistungen werden Gesundheitseinrichtungen und -mitarbeiter weiterhin durch Angriffe sowie Einschüchterungsversuche von Konfliktparteien geschädigt, wodurch die Fähigkeit des Systems, den Bedarf zu decken, untergraben wird. Seit Beginn der Pandemie gab es direkte Angriffe auf Krankenhäuser, Entführungen von Mitarbeitern des Gesundheitswesens, Akte der Einschüchterung, Belästigung und Einmischung, Plünderungen von medizinischen Vorräten sowie indirekte Schäden durch den anhaltenden bewaffneten Konflikt (UNAMA 2.2021a; vgl. UNOCHA 19.12.2020; vgl. ICRC 17.6.2020). Das direkte Anvisieren von Gesundheitseinrichtungen und Personal führt nicht nur zu unmittelbaren Todesfällen und Verletzungen, sondern zwingt viele Krankenhäuser dazu, lebenswichtige medizinische Leistungen auszusetzen oder ganz zu schließen (MSF 3.2020; vgl. UNOCHA 7.3.2021).

Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat die Weltbank alle Hilfen für Afghanistan eingefroren (WHO 28.8.2021; vgl. HRW 3.9.2021). Mehr 2.500 Gesundheitseinrichtungen und die Gehälter von mehr als 2.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen, die im Rahmen des von der Weltbank kofinanzierten Sehatmandi-Projekts unterstützt werden, werden davon betroffen sein. Derzeit sind mehr als 3.800 Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, ganz oder teilweise nicht funktionsfähig. Die NGOs, die das Projekt durchführen, haben jedoch die Umsetzung reduziert, was zur sofortigen Aussetzung einiger Dienste in den Gesundheitseinrichtungen, einschließlich Überweisungen und ambulanter Essensversorgung führte. Einige wenige Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, verfügen über genügend medizinische Vorräte um die Versorgung für einige Monate aufrechtzuerhalten. In Ermangelung einer ausreichenden Finanzierung könnte die Kürzung der Hilfe Hunderttausende Afghanen ohne medizinische Versorgung zurücklassen und unverhältnismäßig viele Frauen betreffen (WHO 28.8.2021). Angesichts der Blockade des Flughafens Kabul rufen WHO und UNICEF zur Unterstützung bei der Lieferung wichtiger medizinischer Güter nach Afghanistan auf (WHO 28.9.2021; vgl. WHO 22.8.2021).

Rückkehrer:

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich (VIDC 1.2021; vgl. IOM KBL 30.4.2020, MMC 1.2019, Reach 10.2017). Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk (STDOK 13.6.2019 IOM KBL 30.4.2020), auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert (STDOK 13.6.2019).

Haben Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran zu unterstützen, bleibt begrenzt und ist weiterhin von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig. Moscheen unterstützen in der Regel nur besonders vulnerable Personen und für eine begrenzte Zeit.

Viele Rückkehrer, die wieder in Afghanistan sind, werden de-facto IDPs, weil die Konfliktsituation sowie das Fehlen an gemeinschaftlichen Netzwerken sie daran hindert, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (UNOCHA 12.201) (LIB S 359f).

Es sind zum aktuellen Zeitpunkt mit September 2021 noch keine validen Informationen über den Umgang der Taliban mit Rückkehrern bekannt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde durch Einsichtnahme in die im Zuge des Beschwerdeverfahrens eingelangten Beweismittel, durch Einsichtnahme in die den BF betreffenden Strafakten und durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2021.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Sprachkenntnissen, Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen unbedenklichen, im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben. Sein aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Die Feststellung zu den rechtskräftigen Verurteilungen des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Dass der BF arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen und aus dem Umstand, dass er ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet hat.

Die Feststellungen zu seinen in Österreich besuchten Kursen und der absolvierten Prüfung ergeben sich aus den vorgelegten Teilnahmebestätigungen und dem vorgelegten ÖSD Zertifikat A 1 vom 21.11.2017.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der BF einen durchwegs glaubwürdigen persönlichen Eindruck gemacht: Er ist den an ihn gestellten Fragen nicht ausgewichen und hat zu erkennen gegeben, dass er sich seiner Verantwortung stellen und sein Leben wieder ordnen möchte. Diese Wahrnehmung steht damit im Einklang, dass auch in den erwähnten strafrechtlichen Entscheidungen das von Beginn an geständige Verhalten des BF einen Milderungsgrund begründet hat sowie dass der BF (wie vom Verein Neustart bestätigt) seit seiner Haftentlassung die ihm zugewiesene Bewährungshilfe ernst nimmt und seine Termine gewissenhaft einhält.

Zu berücksichtigen war ferner Folgendes: Dem genannten Urteil des LG XXXX lagen zwei Verbrechen zugrunde, von denen jedes mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht ist. Das im Urteil zu berücksichtigende maximale Strafausmaß von fünf Jahren wurde zu weniger, als der Hälfte ausgeschöpft und die Freiheitsstrafe teilbedingt ausgesprochen, sodass nur sechs Monate Freiheitsstrafe unbedingt zu verbüßen waren. Zu berücksichtigen ist weiters, dass der BF nach vier Monaten Haft gemäß § 46 Abs 1 StGB vorzeitig entlassen wurde, seither regelmäßig die Bewährungshilfe besucht, sich auf deren Rat um Psychotherapie bemüht und nicht mehr straffällig wurde.

Dass der BF seit seiner Haftentlassung regelmäßig seinen Bewährungshelfer trifft und auf dessen Rat um Psychotherapie angesucht hat, ergibt sich übereinstimmend aus seinen Aussagen und aus dem an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Schreiben des Vereins Neustart vom 19.08.2021.

Die Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan basieren auf den jeweils angeführten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Der BF hat im vorliegenden Fall keine konkreten Gründe genannt, die eine asylrechtlich relevante Verfolgungsgefahr untermauern würden. Seine Beschwerde war daher, soweit sie sich auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bezieht, als unbegründet abzuweisen.

Zur Frage des Anspruches auf subsidiären Schutz:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt voraus, dass die Abschiebung des Betroffenen in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat des Betroffenen mit sich bringen würde. Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

Für die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK setzt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung voraus. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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