TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 W213 2215318-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch



W213 2215318-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, 1160 Wien Ottakringer Straße 54/4/2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.01.2019, Zl. 1049151201-181127119, betreffend Anerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

2. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 03.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX , als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger stellte am 29.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.11.2015 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die auf Antrag des Beschwerdeführers vom 04.10.2016 bis zum 12.11.2018 verlängert wurde.

I.3. Am 26.09.2018 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz ein.

I.4. Der Beschwerdeführer wurde am 23.11.2018 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens niederschriftlich einvernommen wobei ihm die damaligen Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht wurden. Ferner wurde ihm eröffnet, sich seine subjektive Lage im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe. Es sei keine reale Gefahr für sein Leben oder die Gesundheit feststellbar. Es bestehe für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Weder lasse sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und im Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung seiner Person ableiten. Es sei festzuhalten, dass ihm eine Rückkehr nach Afghanistan zuzumuten sei, da er insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif, Sicherheit erlangen könne und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfände. Zudem sei festzuhalten, dass es ihm zuzumuten sei, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr als er auch auf die Unterstützung seiner in Pakistan lebenden Familie zurückgreifen könne.

In Anbetracht der Kürze seines Aufenthaltes sowie auch fehlender (enger) familiärer oder privater Bindungen in Österreich sei nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde.

Der Beschwerdeführer hielt dem entgegen, dass sein Vater sein Bruder verschollen seien. Seine Mutter und die übrige Familie hätten sich früher im Iran aufgehalten, den jetzigen Aufenthalt kenne er nicht. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan - auch nach Kabul, Herat und Mazar –e- Sharif - befürchte er wie sein Vater und sein Bruder entführt zu werden.

I.5. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hatte:

„I. Der Ihnen mit Bescheid vom 12.11.2015, Zl. 1049151201-181127119, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBI I Nr. 10012005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.

II. Die mit Bescheid vom 12.11.2015, 1049151201 -181127119, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen.

III. Ihr Antrag vom 26.09.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen.

IV. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

V. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

VI. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß §

46 FPG nach Herkunftsland zulässig ist.

VII. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung “

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Verfahrensidentität den Namen XXXX , führe. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer sei in der Provinz Parwan, Distrikt Sheikh Ali geboren. Im Alter von einem Jahr sei er mit der Familie in den Iran übersiedelt, wo er im Familienverband in der Stadt Waramin aufgewachsen sei. Er habe keine Schule besucht, sei aber im Iran als Schweißer tätig gewesen.

Der Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers und eines Bruders sind nicht bekannt. Ein ebenfalls im Iran aufhältiger Onkel mütterlicherseits, der dort als Schweißer tätig sei, habe die Ausreise des Beschwerdeführers finanziert. Eine Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers lebe in Afghanistan und stehe in Kontakt mit der Mutter des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er stehe wegen „Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik“ in psychotherapeutischer Behandlung und nehme das Medikament Quetiapin 100 mg (0-0-1).

Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und sei sei in Österreich nicht straffällig geworden.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen nicht mehr vor. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt geändert. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan habe er nicht glaubhaft machen können.

Für den Beschwerdeführer bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Er könne in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat seinen Lebensunterhalt bestreiten und würde dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.

Der könne auch auf die Unterstützungsleistungen seiner Verwandten, die im Iran lebten bzw. auf Familienangehörige väterlicherseits, die in Afghanistan lebten, zählen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge wird willkürlicher Gewalt bzw. Gefährdung des Lebens, der Folter oder einer unmenschlichen oder niedrigen Behandlung ausgesetzt wäre oder der Gefahr ausgesetzt wäre in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich nur auf einige wenige Bekanntschaften. Er habe in Österreich keine besonderen beruflichen oder wirtschaftlichen Verbindungen und gehe keiner Arbeit nach. Er habe wenige Deutschkenntnisse und sei illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat wurden die für den gegenständlichen Fall relevanten und zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides aktuellen Auszüge aus der BFA­ Staatendokumentation Afghanistan angeführt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Z.1 AsylG aus, dass einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen sei, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht oder nicht mehr vorliegen. Im Fall des Beschwerdeführers habe dieser auch auf Nachfragen nichts vorbringen können, das eine aktuell vorliegende Gefährdung seiner Person im gesamten Herkunftsstaat annehmen ließe.

Zwar sei für die Herkunftsprovinz Parwan von einer prekären Situation auszugehen. Selbst wenn dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Parwan nicht zumutbar sei, stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Die Stadt Mazar-e-Sharif gelte als eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans. Balkh sei die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Mazar-e-Sharif sei von Kabul aus sicher zu erreichen.

Die Stadt Herat sei eine vergleichsweise sichere und über den Flughafen gut erreichbare

Stadt. In Herat sei nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen komme. Insgesamt sei die Sicherheitslage in der Stadt Herat als ausreichend sicher zu bewerten.

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und Stadt Herat können nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit drohe, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsse.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung sei auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei. Die soziale Absicherung liege traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum in stelle sich Kabul insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und finanzielle Unterstützung schwierig dar.

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reiche es allerdings nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssten vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

Solche Umstände lägen jedoch im Fall des Beschwerdeführers nicht mehr vor:

Der Beschwerdeführer sei jung, mobil sowie anpassungs- und arbeitsfähig. Eine mögliche Gefährdung wegen psychischer Beeinträchtigung sei nicht zu erkennen, zumal die Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen vor Ort gegeben sei und die benötigten Medikamente erhältlich seien.

Der Beschwerdeführer sei mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut. Es sei daher nicht von vornherein erkennbar, dass er bei der Rückkehr nach Afghanistan nur alleine aus dem Grund, dass er über mangelnde Ortskenntnisse in den Großstädten Herat und Mazar-e Sharif verfüge, in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens käme.

Die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für einen Asylwerber im Fall der Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf

mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, so auch eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reiche nicht aus, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich einiges Schulwissen angeeignet und bereits als Schweißergehilfe (im Iran) Erfahrung gesammelt und könne sich daher durch die Annahme von Hilfstätigkeiten eine Existenzgrundlage schaffen.

Dass er in diesem Zusammenhang nicht über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Herat und Mazar-e Sharif verfüge, reicht am Boden der bisherigen Feststellungen zur Situation in Herat und Mazar-e Sharif für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus.

Alleinstehende, leistungsfähige Männern im berufsfähigen Alter sollte es ohne spezifische Vulnerabilität möglich sein, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben. Deshalb sei auch nicht zu befürchten, dass der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Es gebe somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation seiner Person sei in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass der im Fall Ihrer Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Es sei die daher gem. § 9 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen.

Da dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 AsylG aberkannt worden sei, sei auch sein Verlängerungsantrag nach § 8 Abs. 4 AsylG mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung abzuweisen gewesen.

Gemäß § 57 AsylG sei im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 46a Abs. 1 Z 1 od. Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen weiterhin vorlägen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder sei wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Eine Erteilung sei ferner vorgesehen zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Die Aufenthaltsberechtigung werde auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei. Da keine der drei genannten Voraussetzungen vorliege, sei ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen gewesen.

Unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 AsylG, § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG, § 9 Abs. 1 und drei BFA -VG sowie Art. 8 Abs. 2 EMRK) wurde ausgeführt, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schütze. Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichere dem Einzelnen zudem einen Bereich innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen könne.

Der Beschwerdeführer sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der bisherige Aufenthalt in Österreich sei ausschließlich auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestützt gewesen. Er sei sich von Anfang an seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen.

Auch der Verfassungsgerichtshof messe in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis sei, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt habe.

Der Beschwerdeführer habe keine in Österreich lebenden Verwandten.

Seine Interessen an einer Aufrechterhaltung seines Privatlebens seien dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen. Seine schwach ausgeprägten privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stünden den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber.

Im vorliegenden Fall müsse sich der Beschwerdeführer bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein. Im Verfahren seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden.

Der Beschwerdeführer habe immerhin fast 15 Jahre seines Lebens im afghanischen/persischen Raum verbracht und sei daher im Wesentlichen als in der vor Ort herrschenden Kultur sozialisiert anzusehen. Er sei auch mit den Gegebenheiten vor Ort in Afghanistan vertraut. Aus seinen Angaben gehe hervor, dass es sich auch in Österreich in einer afghanischen Community bewege. Daher sei davon auszugehen, dass er sich nicht weit von seinem Kulturkreis entfernt habe. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Bindung zu seinem Heimatstaat größer sei als seine Bindung zu Österreich.

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sei stelle keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich dar.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK sei der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat-und und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff vorgesehen sei und eine Maßnahme darstelle, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sei.

Das BFA sei eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Eingriff sei — wie bereits oben dargestellt - in §10 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gesetzlich vorgesehen.

Es sei davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund träten.

Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei (§ 58 Abs. 2 AsylG).

Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, sei gem. § 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat sei gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Wie bereits unter den Spruchpunkt l. dargelegt, ergebe sich im vorliegenden Fall keine derartige Gefährdung. Gemäß § 50 Abs. 3 FPG sei eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme sei im vorliegenden Fall, also in Bezug auf Afghanistan, nicht empfohlen worden.

Es sei daher auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei.

Gemäß § 55 FPG werde mit einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt werde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im vorliegenden Fall seien Gründe nicht feststellbar gewesen.

I.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und brachte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer eine Tante väterlicherseits in Afghanistan habe, mit welcher seine Mutter in Kontakt stehen. Daher sei davon auszugehen, dass der BF in Afghanistan nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge.

Tatsächlich aber habe der Beschwerdeführer angegeben, seit seiner Ausreise aus dem Iran, im Jahr 2014, keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter zu haben. Er wisse daher nicht, ob diese weiterhin mit ihrer Schwägerin in Kontakt stehe und ob diese noch in Afghanistan lebe. Außerdem habe der Beschwerdeführer seine Tante nie gesehen und noch nie persönlichen telefonischen Kontakt mit ihr gehabt. Er wisse nicht, wo und ob sie sich noch in Afghanistan aufhalte. Es könne daher nicht von einem familiären Unterstützungsnetz ausgegangen werden. Vielmehr habe sich an der familiären Situation des Beschwerdeführers im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung sowie der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus nichts wesentlich und nachhaltig verändert.

Die Feststellung der belangten Behörde, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, arbeitsfähigen Mann handle, treffe nicht zu. Dabei verkenne es, dass die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers durch seine psychische Erkrankung massiv eingeschränkt sei. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer angegeben, dass sie ihn sogar in Österreich am erfolgreichen Spracherwerb hindere. Aufgrund des Kontaktverlusts zu seiner Familie sei der Beschwerdeführer schwer depressiv. Wegen seiner Angst in der Folge des Aberkennungsbescheids habe sich die Situation weiter verschlechtert und er habe nun mit Suizidgedanken zu kämpfen. Diesbezüglich halte behandelnde Psychiaterin in ihrem Befund vom 14.02.2019 fest, dass er zwar aktuell ausreichend distanziert sei, dass bei zunehmender suizidaler Einengung aber eine stationäre Aufnahme erforderlich sein werde. Der Beschwerdeführer ist daher kein „young and able man" im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur. Er wäre nicht in der Lage, aus eigenem Antrieb und eigenen Kräften eine Arbeit zu finden, mittels der er seine Existenz sichern könnte. Im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan sei davon auszugehen, dass sich sein psychischer Zustand noch weiter verschlechtern und der Beschwerdeführer umso weniger „gesund und arbeitsfähig wäre.

Die von der belangten Behörde angenommene hohe Anpassungsfähigkeit sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe Reise nach Europa und die Trennung von seiner Familie nicht verkraftet. Er leide deswegen an einer Anpassungsstörung leide. Nur durch ein stabiles Betreuungs-, Beratungs- und Therapieangebot könne sich der Beschwerdeführer in Österreich zurechtfinden und überleben. Auf sich allein gestellt, könnte er sich keine Existenz aufbauen. In Afghanistan würde er ohne Unterstützung jedenfalls in eine existenzbedrohliche Situation geraten, da er dort nicht in der Lage wäre, selbstständig für sich durch seine eigene Arbeitsleistung zu sorgen. Es wäre daher festzustellen gewesen, dass sich die gesundheitliche Situation des BF im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung sowie der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus stark verschlechtert habe und der Beschwerdeführer aufgrund seines labilen psychischen Zustands nicht in der Lage sei, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan ohne Unterstützung, nur aus eigener Arbeitskraft, sein Überleben zu sichern.

Die belangte Behörde, dass Herat und Mazar-e-Sharif sicher und stabil seien und dem

Beschwerdeführer daher eine innerstaatliche Fluchtalternative in diesen beiden Städten offen stünde. Allerdings werde versäumt, darzulegen, inwieweit im Vergleich zu den dem Bescheiden des Bundesamts von 2015 und 2016 zugrunde gelegten Länderfeststellungen eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in Herat oder Mazar-e-Sharif eingetreten sei die im Übrigen erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre.

Tatsächlich aber habe sich die Lage in Herat und Mazar-e-Sharif nicht dauerhaft und nachhaltig verbessert. In Afghanistan bestehe in den Städten Herat und Mazar-e Sharif noch immer eine instabile Sicherheitslage sowie eine desolate wirtschaftliche Situation, die von hoher Arbeitslosigkeit und Armut und unzureichender Versorgung mit Lebensmitteln und angemessenem Wohnraum geprägt sei.

Die auf § 9 Abs. 1 Z. 1 1. Fall AsylG gestützte Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei zu Unrecht erfolgt, da konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhalts der ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geführt hatte, fehlten.

Soweit das Bundesamt eine Änderung der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF bzw. in den Städten Herat und Mazar-e-Sharif ins Treffen führe, sei zu bemerken, dass eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in der ursprünglichen Heimatprovinz des BF bzw. an den Orten einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative (z.B. Herat oder Mazar-e-Sharif), die im Übrigen wohl erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre, aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichten nicht erkennbar sei.

Auch an der familiären familiären Situation des Beschwerdeführers habe sich nichts geändert. Bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung sowie der Verlängerung seines subsidiären Schutzes habe er keinen Kontakt zu seiner Familie und keinerlei Informationen über seine Tante väterlicherseits gehabt.

Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich seit der Zuerkennung bzw. Verlängerung des subsidiären Schutzes verschlechtert und ihn in seiner Arbeits- und Lernfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Durch den Aberkennungsbescheid sei dieser Zustand noch schlechter geworden. Es ist daher von einer Verschlechterung der persönlichen Situation des BF verglichen zu 2015 und 2016, auszugehen. Diese sei wesentlich, da der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohende Situation gerade würde, da er nicht in der Lage sei, sich aus eigenen Kräften ein Leben aufzubauen.

Der Beschwerdeführer sei zwar zwischenzeitlich 18 Jahre alt geworden, allerdings ende damit seine besondere Vulnerablität aufgrund seines jungen Alters nicht. Der Beschwerdeführer habe durch seinen formalen Geburtstag keine besonderen Qualifikationen erworben, er habe nicht plötzlich eine starke Persönlichkeit entwickelt oder sei in der Lage, für sich selbst sorgen zu können. Ganz im Gegenteil sei er immer noch auf umfangreiche Unterstützung und Hilfe durch Therapie, Medikamente und Sozialbetreuern angewiesen. Er sei noch nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen und sich ein Leben aufzubauen.

Auch habe sich der Beschwerdeführer mit steigendem Alter und längerem Aufenthalt in Europa immer mehr von den traditionellen islamischen Wertevorstellungen des Irans und Afghanistans entfremdet und eine Wiedereingliederung werde immer schwieriger, je länger er fortbleibe. Der Beschwerdeführer sei nun bereits mehr als vier Jahre in Österreich. Er habe aufgrund seiner schlechten Lebenserfahrungen und schlechten Lebenssituation den Glauben an Gott verloren. Der Beschwerdeführer praktiziere den Islam nicht, er kenne auch die islamischen und gesellschaftlichen Traditionen in Afghanistan nicht und fürchte sich davor. Er könnte sich im Falle seiner Rückkehr nicht an das konservativreligiöse Leben in Afghanistan anpassen und wäre ihm eine Eingliederung in die Gesellschaft aufgrund seiner Entfremdung von der Kultur sowie aufgrund seiner psychischen Erkrankungen nicht möglich

Eine Änderung der individuellen Gefährdungsprofile des Beschwerdeführers liege nicht vor. Sie hätten sich sogar verschärft. Auch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage liege keine maßgebliche Veränderung der Situation zu Lasten des Beschwerdeführers vor. Insgesamt lägen somit keine Aberkennungsgründe vor.

Dem Beschwerdeführer wäre jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus den Gründen des Art. 8 EMRK zu gewähren. Er befinde sich seit mehr als vier Jahren in Österreich. Die umfangreiche Betreuung und Behandlung, die er hier erfahren, Seite seine psychische Gesundheit wesentlich. Die gute psychische Gesundheit stelle ein wesentliches privates Interesse des Beschwerdeführers dar. Der Beschwerdeführer sei auch Integration bemüht, allerdings sei er aufgrund seiner schlechten psychischen Verfasstheit stark lerneingeschränkt.

Es werde daher beantragt,

?        eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes anzuberaumen;

?        den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I und Il zu beheben und auszusprechen, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Unrecht erfolgte;

in eventu

?        den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes IV aufzuheben bzw dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt wird.

in eventu

?        den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.7. Mit hg. Schreiben vom 08.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt, wobei im aktuelle Informationen über die Lage in Afghanistan übermittelt wurden.

Der Beschwerdeführer brachte in weiterer Folge durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 09.08.2021 im Wesentlichen vor, dass der aus der afghanischen Provinz Parvan stammende Beschwerdeführer, ein schitischer Hazara, sein ursprüngliches Herkunftsland Afghanistan mit seiner Elternfamilie bereits im Kleinkindalter von ca. 1 Jahr verlassen habe. Er sei im Iran aufgewachsen und im Iran sozialisiert. Seine Familienangehörigen und Verwandten lebten im Iran. Zu Afghanistan habe er weder familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte.

Hinzu komme noch, dass er alleine in Österreich bereits über 7 Jahre aufenthaltsberechtigt sei. Er sei selbsterhaltungsfähig aufgrund eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses mit dem Bruttolohn von monatlich € 1.440,-, und ab September 2021 werde sein Dienstverhältnis noch ausgeweitet zur Vollzeitbeschäftigung. Der Beschwerdeführer habe Modul l. der Integrationsvereinbarung erfüllt. Er bemühe sich sehr um Integrationsfortschritte und sei bei seinen Arbeitskollegen sehr beliebt und geschätzt. Ferner habe er in Österreich wahre Freunde, mit welchen er Freizeit verbringe.

Die Lage in Afghanistan sei aufgrund des raschen Vorbringens der Taliban prekär. In großen Teilen des Landes komme es zu einem durch Krieg bedingten Zusammenbruch des kleinen verbliebenen Restes an armseliger Stabilität. Die ohnehin schon vielfach leidgeprüfte Bevölkerung Afghanistans erlebe durch das Vorrücken des Eroberungsfeldzuges der Taliban Tod, Zerstörung und Vertreibung von bislang noch nicht dagewesener Dimension.

Unter derartigen Umständen existiere keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Ansiedlungs- oder Fluchtalternative in den urbanen Ballungsräumen der Städte Mazar- e- Sharif, Herat oder Kabul. Für Menschen, die dort kein unterstützungsfähiges und williges Netzwerk vorfänden sei sie unmöglich geworden. Afghanistan steuere auf den Zusammenbruch der staatlichen Gewalt und auf eine beispiellose humanitäre Krise zu.

Vor dem Hintergrund der nunmehrigen Entwicklung in Afghanistan sei eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht zumutbar. Fehle es ihm zudem auch noch an familiären und sozialen Anknüpfungspunkten, die geeignet wären, ihm Schutz zu bieten und so die schlimmste Notlage abzuwenden, sei im Rückkehrfall eine aussichtslose Notlage mit Gefahr für Leib und Leben mit Sicherheit prognostizierbar.

Der Beschwerdeführer habe im Dezember 2014 Asylantrag in Österreich gestellt. Seine ununterbrochene Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet betrage nunmehr mehr als 7 Jahre. Dem Zeitraum seiner Anwesenheit in Europa sei noch seine Aufenthaltszeit im Iran seit dem ersten Lebensjahr hinzuzurechnen. Somit sei der Beschwerdeführer in seinem ursprünglichen Herkunftsland Afghanistan ein Fremde.

Dabei sei schon sein langjähriger Aufenthalt in Europa geeignet, seine persönliche Rückkehrsituation besonders schwierig und unzumutbar zu gestalten - dies insbesondere in Anbetracht des gegenwärtigen „Eroberungsfeldzuges" der islamistisch konservativen, sunnitischen Taliban. Eine Person wie er, ein schiitischer Hazara, der im Iran aufgewachsen sei und sich dann auch noch zu den Ungläubigen den ideologischen Feinden im westlichen Europa begeben habe, und Jahre lang mit diesen gelebt habe, werde von den Taliban mit Sicherheit als ein Gegner und „Verräter" angesehen. Somit ist eine Überlebensfähigkeit für seine Person in einem Rückkehrfall derzeit nicht vorhanden!

In Anbetracht der persönlichen Lebenssituation des Beschwerdeführers und vor dem

Hintergrund der aktuellen Lage in Afghanistan werde angeregt, festzustellen, dass derzeit für den Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei, dass er gegenwärtig umso mehr des subsidiären Schutzes bedürfe.

Ferner wurden nachstehend angeführte Integrationsunterlagen vorgelegt:

1.       Dienstvertrag mit der Firma XXXX

2.       Lohnabrechnungen für Jänner, März, April und Mai 2021

3.       Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung vom 20.07.2021

4.       Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 03.10.2019

5.       Teilnahmebestätigungen Jugend College des AMS Wien

6.       Mitgliedsausweis des Roten Kreuzes

7.       Benützerkarte der städtischen Bücherei Wien

8.       Empfehlungsschreiben XXXX vom 20.07.2021

9.       Empfehlungsschreiben XXXX vom 20.07.2021

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen:

Zur Person des BF:

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 29.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Parwan und hat mit seiner Familie im Alter von einem Jahr Afghanistan verlassen, um sich im Iran niederzulassen. Er ist dort im Familienverband in der Stadt Waramin aufgewachsen, hat aber keine Schule besucht. Der Beschwerdeführer war im Iran als Schweißer tätig.

Der Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers und eines Bruders sind nicht bekannt. Ein ebenfalls im Iran aufhältiger Onkel mütterlicherseits, der dort als Schweißer tätig ist, hat die Ausreise des Beschwerdeführers finanziert.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.11.2015 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die auf Antrag des Beschwerdeführers vom 04.10.2016 bis zum 12.11.2018 verlängert wurde. Am 26.09.2018 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz ein.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er ist seit nahezu sieben Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigt. Er steht seit 13.01.2020 durchgehend in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis bei der Firma XXXX . Sein Bruttolohn von monatlich € 1.404,-. Ab September 2021 gesteht der Absicht sein Dienstverhältnis zur Vollzeitbeschäftigung auszuweiten. Der Beschwerdeführer hat Modul l. der Integrationsvereinbarung erfüllt. Der Beschwerdeführer ist unbescholten, ledig und hat keine Sorgepflichten.

Zur Lage in Afghanistan:

Quelle: Sonderkurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen Lage in Afghanistan vom 17.08.2021

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani ist angesichts des Vormarsches der Taliban auf Kabul außer Landes geflohen. Laut al-Jazeera soll das Ziel Taschkent in Usbekistan sein. Inzwischen haben die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernommen. Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte an irgendjemanden zu begehen (tagesschau.de 15.8.2021).

Am 15.08.21 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land sei ruhig verlaufen. Chaotische Szenen hätten sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurde als auch viele Afghanen versuchten, außer Landes zu gelangen. Den Taliban war es zuvor gelungen, innerhalb kürzester Zeit fast alle Provinzen sowie alle strategisch wichtigen Provinzhauptstädte wie z.B. Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Kunduz einzunehmen. In einigen der Städte seien Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit worden (BAMF 16.8.2021; vgl. bbc.com o.D., orf.at 16.8.2021).

Die Taliban zeigten sich am Sonntag gegenüber dem Ausland unerwartet diplomatisch. „Der Krieg im Land ist vorbei“, sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender al-Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen (orf.at 16.8.2021a).

Schätzungen zufolge wurden seit Anfang 2021 über 550.000 Afghanen durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben, darunter 126.000 neue Binnenvertriebene zwischen dem 7. Juli 2021 und dem 9. August 2021. Es gibt zwar noch keine genauen Zahlen über die Zahl der Afghanen, die aufgrund der Feindseligkeiten und Menschenrechtsverletzungen aus dem Land geflohen sind, es deuten aber Quellen darauf hin, dass Zehntausende von Afghanen in den letzten Wochen internationale Grenzen überquert haben (UNHCR 8.2021).

Der Iran richtete angesichts des Eroberungszugs der militant-islamistischen Taliban im Nachbarland Pufferzonen für Geflüchtete aus dem Krisenstaat ein. Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- sowie Südosten des Landes sollen afghanischen Geflüchteten vorerst Schutz und Sicherheit bieten. Indes schloss Pakistan am Sonntag einen wichtigen Grenzübergang zu seinem Nachbarland. Innenminister Sheikh Rashid verkündete die Schließung des Grenzübergangs Torkham im Nordwesten Pakistans am Sonntag, ohne einen Termin für die Wiedereröffnung zu nennen. Tausende Menschen säßen auf beiden Seiten der Grenze fest (orf.at 16.8.2021b).

Mittlerweile baut die Türkei an der Grenze zum Iran weiter an einer Mauer. Damit will die Türkei die erwartete Ankunft von afghanischen Flüchtlingen verhindern (Die Presse 17.8.2021).

Medienberichten zufolge haben die Taliban in Afghanistan Checkpoints im Land errichtet und sie kontrollieren auch die internationalen Grenzübergänge (bisherige Ausnahme: Flughafen Kabul). Seit Besetzung der strategischen Stadt Jalalabad durch die Taliban, wurde eine Fluchtbewegung in den Osten (Richtung Pakistan) deutlich erschwert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen aus dem westlichen Teil des Landes oder aus Kabul nach Pakistan gelangen ist gegenwärtig eher gering einzuschätzen. Es ist naheliegender, dass Fluchtrouten ins Ausland über den Iran verlaufen. Es ist jedoch auch denkbar, dass die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung Afghanistans (statt einer Route über den schiitisch dominierten Iran) stattdessen die nördliche, alternative Route über Tadschikistan oder auch Turkmenistan wählt. Bereits vor zwei Monaten kam es laut EU-Kollegen zu einem Anstieg von Ankünften afghanischer Staatsbürger in die Türkei. Insofern ist davon auszugehen, dass eine erste Migrationsbewegung bereits stattgefunden hat. Pakistan gibt laut Medienberichten an, dass der Grenzzaun an der afghanisch-pakistanischen Grenze halte (laut offiziellen Angaben sind etwa 90 Prozent fertiggestellt) (VB 17.8.2021). Laut Treffen mit Frontex, kann zur Türkei derzeit noch keine Veränderung der Migrationsströme festgestellt werden. Es finden täglich nach Schätzungen ca. max. 500 Personen ihren Weg (geschleust) vom Iran in die Türkei. Dies ist aber keine außergewöhnlich hohe Zahl, sondern eher der Durchschnitt. Der Ausbau der Sicherung der Grenze zum Iran mit Mauer und Türmen schreitet immer weiter voran, und nach einstimmiger Meinung von Mig VB und anderen Experten kann die Türkei mit ihrem Militär (Hauptverantwortlich für die Grenzsicherung) und Organisationen (Jandarma, DCMM) jederzeit, je nach Bedarf die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem Iran kontrollieren. Die Türkei ist jedoch - was Afghanistan angeht - mit sehr hohem Interesse engagiert. Auch die Türkei möchte keine neunen massiven Flüchtlingsströme über den Iran in die Türkei (VB 17.8.2021a).

IOM muss aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen. Die Aussetzung der freiwilligen Rückkehr erfolgt bis auf Widerruf (IOM 16.8.2021).

Während die radikalislamischen Taliban ihren Feldzug durch Afghanistan vorantreiben, gehören Frauen und Mädchen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Schon in der letzten Regierungszeit der Taliban (1996–2001) herrschten in Afghanistan extreme patriarchale Strukturen, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen sowie strukturelle Gewalt und Hinrichtungen von Frauen. Die Angst vor einer Wiederkehr dieser Gräueltaten ist groß. Eifrig sorgten Kaufleute in Afghanistans Hauptstadt Kabul seit dem Wochenende bereits dafür, Plakate, die unverschleierte Frauen zeigten, aus ihren Schaufenstern zu entfernen oder zu übermalen – ein Sinnbild des Gehorsams und der Furcht vor dem Terror der Taliban (orf.at 17.8.2021). (Quellen dieser Sonderinformation der Staatendokumentation: • BAMF (16.8.2021): Briefing Notes, per Email; • bbc.com (o.D.): Afghanistan: US takes control of Kabul

airport to evacuate staff from countryhttps://www.bbc.com/news/world-asia-58227029, Zugriff 16.8.2021; • Die Presse (17.8.2021): Die Türkei schottet sich mit Mauer gegen Flüchtlinge ab, https://www.diepresse.com/6021855/die-turkei-schottet-sich-mit-mauer-gegen-fluchtlinge-ab, Zugriff 17.8.2021; • IOM (16.8.2021): Aussetzung der Freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, per Email; • orf.at (16.8.2021): Krieg in Afghanistan ist vorbei, https://orf.at/stories/3225020/, Zugriff 16.8.2021; • orf.at (16.8.2021a): Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul, https://orf.at/stories/3225106/, Zugriff 17.8.2021; • orf.at (16.8.2021b): Nachbarländer in großer Unruhe, https://orf.at/stories/3225071/, Zugriff 17.8.2021).

Quelle: UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021:

Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in Kabul unter ihre Kontrolle brachten. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghan*innen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen. Aufgrund des Konflikts sind seit Anfang 2021 Schätzungen zufolge über 550.000 Afghan*innen innerhalb des Landes neu vertrieben worden, davon 126.000 neue Binnenvertriebene allein zwischen 7. Juli und 9. August 2021. Während es bis dato noch keine genauen Zahlen gibt, wie viele Afghan*innen das Land aufgrund der Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen verlassen haben, haben Berichten zufolge zehntausende Afghan*innen in den letzten Wochen die Landesgrenzen überschritten.

Da die Situation in Afghanistan instabil und unsicher bleibt, fordert UNHCR alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes durchgehend sicherzustellen. UNHCR weist auf die Notwendigkeit hin zu gewährleisten, dass das Recht, Asyl zu beantragen, nicht eingeschränkt wird, dass Grenzen offengehalten werden und dass Personen, die internationalen Schutzbedarf haben, nicht in Gebiete innerhalb ihres Herkunftslands zurückgedrängt werden, die möglicherweise gefährlich sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Staaten auch gemäß Völkergewohnheitsrecht verpflichtet sind, die Grenzen für die vor dem Konflikt fliehende Zivilbevölkerung offen zu halten und Flüchtlinge nicht zwangsweise zurückzuführen. Der Non Refoulement-Grundsatz beinhaltet auch die Nicht-Zurückweisung an der Grenze.

Aufgrund der Unbeständigkeit der Situation in Afghanistan hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan internationalen Schutz mit der Begründung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsperspektive zu verwehren

Quelle: Kurzinformation der Staatendokumentation Aktuelle Entwicklungen und Informationen in Afghanistan Stand: 20.8.202:

Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemäß der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a) Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsächlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a). Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nähe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b). Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand

herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c). Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d). Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021). Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SR Verlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021). Exkurs: Die Anführer der Taliban Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen TalibanFührer auch nach außen auf. Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des SchariaGerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird. Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die TalibanEinsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht. Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der TalibanRegierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an. Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c). Stärke der Taliban-Kampftruppen Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).

2. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben im Vorverfahren und im gegenständlichen Verfahren. Die Identität des BF steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest, zumal ihm vordem auch der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt worden war. Die Feststellungen zu seinem Privat-und Familienleben ergeben sich aus der Aktenlage, sowie den vom Beschwerdeführer vorgelegten unbedenklichen Urkunden (Dienstvertrag, Versicherungsdatenauszug, Lohnabrechnungen sowie sonstigen vorgelegten Integrationsunterlagen).

Situation in Afghanistan

Die Feststellungen über das Herkunftsland ergeben sich aus den oben zitierten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

G

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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