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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrags auf finanzielle Vergütung einer Gesellschaft nach dem EpidemieG 1950 für deren Verdienstentgang durch die Quarantäne einer Arbeitnehmerin; kein Anspruch auf Entschädigung auf Grund der freiwilligen Absonderung nach telefonischer Empfehlung durch einen – nicht einem zuständigen Organe bzw einer befugten Behörde zuzurechnenden – Mitarbeiter vom Bürgerservice der "Gesundheitsnummer 1450"Rechtssatz
§32 Abs1 Z1 EpidemieG 1950 räumt einen Anspruch auf Vergütung für entstandene Vermögensnachteile ein, wenn der Betroffene "gemäß §7 [EpidemieG 1950] abgesondert worden ist"; gemäß §32 Abs3 leg cit geht der Anspruch unter den dort genannten Voraussetzungen auf den Arbeitgeber über. Gemäß §7 Abs1a EpidemieG 1950 können zur Verhütung der Weiterverbreitung von COVID-19 kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinn der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.
§32 Abs1 Z1 EpidemieG 1950 stellt auf behördlich-hoheitliche Absonderungsanordnungen ab, die im Wege von Bescheiden oder Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergehen. Das Landesverwaltungsgericht hat seiner abweisenden Entscheidung zwar eine falsche Rechtsauffassung zugrunde gelegt (vgl E v 06.10.2021, E4201/2020), dessen ungeachtet war im vorliegenden Fall allerdings im Ergebnis keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten festzustellen: Eine freiwillige, eigeninitiative Absonderung von der Außenwelt ist nach §32 Abs1 Z1 EpidemieG 1950 nicht entschädigungsfähig (arg.: "abgesondert worden ist"). Eine solche freiwillige, eigeninitiative Absonderung liegt auch noch dann vor, wenn sie im Hinblick auf eine bloße staatliche Empfehlung erfolgt.
Die Einrichtung "Gesundheitsberatung 1450", die nach einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger "über die Zusammenarbeit für den bundesweiten Rollout und Dauerbetrieb der Gesundheitsberatung 1450" die Beantwortung gesundheitsbezogener Fragen zur Aufgabe hat, ist weder gesetzlich mit Hoheitsgewalt betraut, noch sind ihre Mitarbeiter nach dem Gesamtbild der Umstände den zu Absonderungen nach §7 EpidemieG 1950 zuständigen Organen bzw Behörden zugeordnet oder zurechenbar. Die Erlassung hoheitlicher, iSd §32 Abs1 Z1 EpidemieG 1950 vergütungsfähiger Anordnungen durch Mitarbeiter der "Gesundheitsberatung 1450", die sohin keine zu Anordnungen befugte Behörde, sondern vielmehr eine Einrichtung des "Bürgerservice" ist, scheidet daher von vornherein aus.
Entscheidungstexte
Schlagworte
COVID (Corona), Behördenzuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Bescheid mündlicherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E221.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021