TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 95/11/0221

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §28 Abs1;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des E in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30. März 1995, Zl. UVS 30.11-48/94-17, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei "als Bezirksrettungskommandant und Bezirkssekretär der Bezirksstelle

X des Österreichischen Roten Kreuzes als Bevollmächtigter gemäß § 28 AZG des zur Vertretung nach außen berufenen Präsidenten des Landesverbandes Steiermark des Vereines "Österreichisches Rotes Kreuz" dafür verantwortlich", daß ein namentlich bezeichneter hauptamtlicher Mitarbeiter (Sanitätskraftfahrer) an näher bezeichneten Tagen zwischen 25. Mai 1992 und 1. Juni 1992 die höchstzulässige Einsatzzeit von 12 Stunden in näher umschriebenem Ausmaß überschritten habe und daß ihm am

26. und 30. Mai 1992 nach Beendigung der Tagesarbeitszeit nicht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch je eine Übertretung des § 16 Abs. 2 und des § 12 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) begangen. Gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. wurden über ihn zwei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde hinsichtlich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers aus, nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1993, Zl. 91/19/0158, beinhalte die Vorschrift für den Rettungs- und Krankentransportdienst keine Bestellung der Bezirksrettungskommandanten zu verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 VStG und auch keine entsprechende Zustimmungserklärung gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. Bei der Bestellung eines Bevollmächtigten müßten aber die strengen Voraussetzungen der zuletzt genannten Vorschrift nicht eingehalten werden. Unter Bevollmächtigten seien Personen zu verstehen, die mit ihrem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut und von ihm mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet worden seien. Der Beschwerdeführer sei seit 1. August 1982 Bezirkssekretär und Bezirksrettungskommandant für den Bezirk X. Sein hauptamtlicher Vorgesetzter sei der Landessekretär gewesen, der dem Präsidenten bzw. dem Vollzugsausschuß verantwortlich sei. Weiters gebe es noch einen ehrenamtlichen Bezirksstellenleiter, der die Bezirksstelle nach außen repräsentiere. Dieser habe keine Befugnis für Personalentscheidungen. In den zum Tatzeitpunkt geltenden Satzungen des Landesverbandes Steiermark des Österreichischen Roten Kreuzes komme der Bezirkssekretär bzw. Bezirksrettungskommandant nicht vor, obwohl er de facto die Bezirksstelle leite. In der Satzung sei nur vom Bezirksstellenleiter bzw. dessen Stellvertreter die Rede. Der Bezirkssekretär leite die Bezirksstelle weisungsgebunden und zwar einerseits gegenüber dem Landessekretär und andererseits gegenüber dem Bezirksstellenleiter. Im Bereich der Bezirksstelle X gebe es drei Ortsstellen, nämlich K, Z und V. Nach der Dienstordnung des Österreichischen Roten Kreuzes (gemeint ist offenbar die Vorschrift für den Rettungs- und Krankentransportdienst) werde die Bezirksstelle vom Bezirkssekretär (Bezirksrettungskommandanten) geleitet. Dem Bezirksrettungskommandanten obliege u.a. die Überwachung des laufenden Betriebes sowie die Dienstaufsicht über die Mitarbeiter der Dienststelle und die Diensteinteilung. In der am 14. Juli 1994 beschlossenen Geschäftsordnung der Bezirkssekretäre seien diese als leitende Angestellte und als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 4 VStG bezeichnet und berechtigt worden, "zur Wahrung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes personelle Sofortentscheidung wegen Außerdienststellung oder Suspendierung zu treffen". Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei in dieser Geschäftsordnung der bereits vorher geltende Rechtszustand niedergeschrieben worden. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Angaben des Beschwerdeführers stehe fest, daß der Bezirkssekretär bzw. der Bezirksrettungskommandant zum Tatzeitraum de facto für das Funktionieren der Bezirksstelle mit ihren nachgeordneten Ortsdienststellen verantwortlich gewesen sei. Dazu gehöre die Diensteinteilung und damit verbunden auch die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen. Der Beschwerdeführer sei demnach als Bevollmächtigter im Sinne des § 28 AZG anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides die Strafbarkeit des Beschwerdeführers als Bevollmächtigter des Arbeitgebers aus Bestimmungen der in der

126. Arbeitsausschußsitzung beschlossenen Dienstordnung des Österreichischen Roten Kreuzes (richtig der Vorschrift für den Rettungs- und Krankentransportdienst), insbesondere des Abschnittes C II. 3. abzuleiten versucht, entspricht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0087, zugrunde gelegen ist. In diesem Erkenntnis, das einen anderen Bezirksrettungskommandanten des Landesverbandes Steiermark des Österreichischen Roten Kreuzes betroffen hat und auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, wurde ausgeführt, daß die Zuständigkeit eines Bediensteten für einen bestimmten Aufgabenbereich nicht die - für die Annahme einer Bevollmächtigung im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG erforderliche - mit seinem Einverständnis erfolgte Betrauung mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen und die Ausstattung mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung beinhalte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Begründung und der Ausführungen in der Gegenschrift nicht veranlaßt, von dieser Auffassung abzugehen.

Aus der (vom Vollzugsausschuß des Landesverbandes am 14. Juli 1994 beschlossenen) Geschäftsordnung der Bezirkssekretäre ist für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, weil die in den gekennzeichneten neuen Textstellen vorgesehene Bestellung zu verantwortlichen Beauftragten und die Einräumung von Befugnissen für "personelle Sofortentscheidungen" eine Änderung gegenüber dem früheren Text darstellt. Die in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 9. Jänner 1995 dazu abgegebene Erklärung des Beschwerdeführers, in dieser Geschäftsordnung sei der bereits vorher geltende Rechtszustand niedergeschrieben worden, steht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der seine strafrechtliche Verantwortlichkeit stets bestritten hat, nicht im Einklang und macht nicht deutlich, was der Beschwerdeführer mit dem "bereits vorher geltenden Rechtszustand" meint. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt (vor der Tatzeit der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen) der Beschwerdeführer mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut worden sein soll und inwieweit ihm entsprechende Anordnungs- und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt worden sein sollen.

Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides besteht darin, daß dem Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Bescheides ein Verhalten angelastet wurde, das seine Strafbarkeit nach § 28 Abs. 1 AZG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994) nicht zu begründen vermag. Nach dieser Gesetzesstelle sind Arbeitergeber und DEREN Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, zu bestrafen. Arbeitgeber des im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Sanitätskraftfahrers ist unbestrittenermaßen der Landesverband Steiermark des Österreichischen Roten Kreuzes und nicht dessen zur Vertretung nach außen berufener Präsident, als dessen Bevollmächtigter der Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichnet wurde.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110221.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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