TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 W285 2230110-2

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Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


W285 2230110-2/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 22.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch Mag. Philipp WOLM, Rechtsanwalt in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2020, Zahl 598158710-200115692, betreffend Aufenthaltsverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2021 zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 18 Monate herabgesetzt wird und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten, im zweiten Rechtsgang ergangenen, Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Wien, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sechs Jahren Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchprunkt II.) und es wurde einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein serbischer Staatsbürger, welcher zu einem unbekannten Zeitpunkt ins Bundesgebiet eingereist wäre, am 28.01.2020 wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten festgenommen und mit Urteil eines Landesgerichts vom XXXX 2020 wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden sei, nachdem er gemeinsam mit seiner Ehefrau wiederholt Kleidungsstücke gewerbsmäßig gestohlen hätte. Der Beschwerdeführer habe keine familiären oder privaten Bindungen im Bundesgebiet. Dieser sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, welche durch ihren Aufenthalt in Deutschland ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hätte, und sei somit als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu qualifizieren. Da der Beschwerdeführer sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zur Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen missbraucht hätte, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend geboten. Der Beschwerdeführer sei in Österreich im Vorfeld der Haft nicht gemeldet gewesen und habe seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, wo er zusammen mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern gelebt hätte. Da der Beschwerdeführer keine maßgeblichen persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich aufweise und aus seinem Verhalten eine schwerwiegende Gefährdung resultiere, sei dessen sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten.

Mit dem am 17.06.2020 per E-Mail bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz der nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom gleichen Datum wurde gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben und den bekämpften Bescheid zur Gänze aufheben, in eventu den Bescheid zur Gänze aufheben und zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen.

Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2020 und dem bezughabenden Verwaltungsakt am 25.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Beschluss vom 02.07.2020 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.04.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein bevollmächtigter Vertreter teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Auf Befragen der erkennenden Richterin gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, in Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein. Er sei aus dem serbischen Staatsverband entlassen worden und habe die Zusicherung, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten werde. Weitere diesbezügliche Auskünfte habe er noch nicht erhalten. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit welcher er einen Sohn im Alter von sieben Jahren und eine Tochter im Alter von vier Jahren hätte, welche ebenfalls österreichische Staatsangehörige seien. Der Beschwerdeführer wohne gemeinsam mit seiner Familie an einer näher bezeichneten Adresse in Deutschland, wo er im Autogeschäft seines Vaters angestellt sei. In Österreich würden ein Bruder und ein Cousin des Beschwerdeführers leben. Die Eltern seiner Frau sowie deren Brüder und Schwestern würden ebenfalls in Österreich leben. Der Beschwerdeführer mache auch für Kunden Überführungen nach Österreich. Beruflich sei er durchschnittlich mindestens zwei bis drei Mal pro Wochen in Österreich. Der Beschwerdeführer habe keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich besessen. Er habe in XXXX ein Haus, wo er demnächst seinen Hauptsitz anmelden und sich selbstständig machen wolle. Er möchte hier einen Autoverkauf eröffnen.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt wesentlichen Entscheidungsgründen gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG verkündet und eine Rechtsmittelbelehrung erteilt.

Sodann beantragte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger, führt die im Spruch ersichtlichen Personalien und ist 21 Jahre alt. Seine Identität steht fest (vgl. Kopie serbischer Reisepass, AS 24 ff).

Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 12.03.2021 war der Beschwerdeführer durchgehend von 18.04.2007 bis 26.03.2012 und dann ab 09.10.2014 bis 30.08.2017 im Bundesgebiet gemeldet. Zuletzt war er von 29.01.2020 bis 19.03.2020 in der Justizanstalt XXXX gemeldet (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 12.03.2021).

Der Beschwerdeführe verfügte über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet (vgl. Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 26.06.2020; Niederschrift Beschwerdeverhandlung vom 22.04.2021, S 3).

Er heiratete am 08.07.2017 in Österreich eine österreichische Staatsangehörige. Die beiden gemeinsamen Kinder sind ebenfalls österreichische Staatsangehörige, sie sind sieben und vier Jahre alt. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Familie in Deutschland, die Kinder besuchen dort die Schule und den Kindergarten. Die Gattin des Beschwerdeführers ist schwanger (vgl. Niederschrift Beschwerdeverhandlung vom 22.04.2021, S 2 f).

Dem Beschwerdeführer wurde in Deutschland am 21.01.2019 mit Wirksamkeit bis 20.01.2024 eine „Aufenthaltskarte (Familienangehöriger EU)“ ausgestellt (vgl. aktenkundige Kopie Aufenthaltskarte, AS 127).

Es liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers eine Einbürgerungszusage der Bundesrepublik Deutschland durch das XXXX vom XXXX 2019 vor, er hat die deutsche Staatsbürgerschaft jedoch noch nicht erworben. Mit Bescheid des Innenministeriums der Republik Serbien vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Staatsangehörigkeit der Republik Serbien entlassen (vgl. aktenkundige Kopien jener Erledigungen, AS 128 ff; Niederschrift Beschwerdeverhandlung vom 22.04.2021, S 2).

Der Beschwerdeführer ist bis dato keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen und auch nicht in Österreich versichert. Dieser ist seinen Angaben zufolge für das Unternehmen seines Vaters im Bereich des Autohandels in Deutschland beschäftigt und in diesem Zusammenhang beruflich mehrmals wöchentlich in Österreich. Zudem gab er an, sich künftig in XXXX selbständig machen zu wollen. Seine Ehefrau hat im Jahr 2017 ein Haus in XXXX erworben (vgl. Niederschrift Beschwerdeverhandlung vom 22.04.2021, S 2 f; Sozialversicherungsdatenauszug vom 12.03.2021; Kopie Kaufvertrag vom 27.07.2017, AS 134 ff).

In Österreich wohnen ein Bruder, ein Cousin, die Schwiegereltern sowie Schwägerinnen und Schwager des Beschwerdeführers. Er hat nicht vorgebracht, zu einem dieser Angehörigen in einem besonderen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu stehen (vgl. Niederschrift Beschwerdeverhandlung vom 22.04.2021, S 2 f).

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2020, Zahl: XXXX , rechtskräftig am XXXX 2020, wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sieben Monate bedingt, verurteilt. Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer hat gemeinsam mit seiner Gattin als Mittäterin gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit einem Wert von über EUR 5.000,- in Warenhäusern gestohlen. Sie haben unter Verwendung einer mitgebrachten Zange und eines Schraubenziehers die Diebstahlsicherung entfernt und zum Abtransport der Beute einen Kinderwagen verwendet. Es fanden mehrere Angriffe statt. Am 30.12.2019 stahlen sie Kleidungsstücke im Wert von EUR 1.169,94 sowie weitere Kleidungsstücke in einem nicht festzustellenden Gesamtwert. Am 25.01.2020 stahlen sie in drei Angriffen Kleidungsstücke im Wert von über EUR 6.500,-. Am 28.01.2020 versuchten sie Kleidungsstücke im Wert von EUR 2.400,- zu stehlen.

Erschwerend wurde vom Strafgericht die Begehung der Taten unter Beisein der beiden minderjährigen Kinder beurteilt. Als mildernd wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel, das Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, berücksichtigt (vgl. Kopie des Urteils vom XXXX 2020, AS 83 ff).

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die im zitierten strafgerichtlichen Urteil zugrundliegenden Straftaten begangen und das je umschriebene Verhalten gesetzt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Darüber hinaus sind der Besitz eines serbischen Reisepasses und seines deutschen Aufenthaltstitels aktenkundig.

Das Bundesverwaltungsgericht holte einen Zentralmelderegisterauszug, einen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister sowie einen Auszug aus dem Schengener Informationssystem, aus dem Strafregister sowie den Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers ein.

Die Feststellungen zu den Zeiten der behördlichen Meldungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der nie vorgelegenen Beschäftigung ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und einen Sozialversicherungsdatenauszug. Die Feststellungen zu seiner durch Deutschland ausgestellten Aufenthaltskarte ergeben sich aus der aktenkundigen Kopie derselben. Die Feststellungen zum Wohnsitz in Deutschland ergeben sich aus seinen nachvollziehbaren Angaben in Zusammenschau mit dem vorgelegten deutschen Aufenthaltstitel und den Unterlagen über das dortige Einbürgerungsansuchen. Der Beschwerdeführer hat zwar um die deutsche Staatsbürgerschaft angesucht, diese jedoch laut seinen eigenen Angaben anlässlich der Beschwerdeverhandlung noch nicht erlangt.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der vorgelegten österreichischen Heiratsurkunde sowie den Kopien der österreichischen Reisepässe seiner Ehefrau und der gemeinsamen minderjährigen Kinder.

Das zitierte strafgerichtliche Urteil des Landesgerichtes XXXX ist aktenkundig und wird dieses dem gegenständlichen Erkenntnis in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde:

Der Beschwerdeführer hat zwar um die deutsche Staatsbürgerschaft angesucht, diese jedoch noch nicht erlangt, sodass er unverändert als Drittstaatsangehöriger zu qualifizieren ist Dennoch kam aus folgenden Gründen hinsichtlich der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme § 67 FPG zur Anwendung.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

Selbst wenn der Beschwerdeführer derzeit aus dem serbischen Staatsverband ausgeschieden steht ihm nach dem serbischen Staatsbürgerschaftsgesetz (Artikel 22) bis zu seinem 25. Lebensjahr die Möglichkeit offen, die serbische Staatsangehörigkeit wieder zu erlangen. Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger und mit einer in Deutschland niedergelassenen österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Dem Beschwerdeführer wurde in Deutschland eine Aufenthaltskarte als Familienangehöriger einer EU-Bürgerin ausgestellt. Die belangte Behörde ist ebenso davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger ist.

§ 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Beim Beschwerdeführer liegt kein zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor. Der Genuss des verstärkten Schutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie, der mit § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im innerstaatlichen Recht umgesetzt wurde, ist davon abhängig, dass sich der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten hat (VwGH 26.11.2020, Ro 2020/21/0013). Der für diese Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist jener der Verfügung einer rechtskräftigen - und nicht schon der erstinstanzlichen - aufenthaltsbeendenden Maßnahme (VwGH 18.01.2021, Ra 2020/21/0511).

Er ist auch nicht länger als fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich aufhältig. Es kommt für den Beschwerdeführer somit der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG zur Anwendung.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091 mwN; 20.09.2020, Ra 2020/21/0112).

Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.

Bei der zu erstellenden Gefährdungsprognose steht die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers bzw. das dieser zugrundeliegende Verhalten im Mittelpunkt.

Dazu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer, welcher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde, von der ihm ein Teil in der Höhe von sieben Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Beschwerdeführer hat die festgestellten Straftaten seinen Angaben zufolge während eines Besuchs in Österreich sowie gemeinsam mit seiner Ehegattin im Beisein der beiden minderjährigen Kinder begangen.

Die Verhinderung von Eigentumsdelikten stellt jedenfalls ein Grundinteresse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist diesem Grundinteresse massiv zuwidergelaufen.

Allein schon die mehrmaligen Angriffe gegen fremdes Eigentum innerhalb kurzer Zeit und die hohe Schadenssumme zeigen, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr eine jedenfalls tatsächliche ist.

Auch dem Aspekt der Gewerbsmäßigkeit kommt große Bedeutung zu. Gerade die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz eine Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt für sich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. VwGH 24.05.2005, 2002/18/0289), weshalb auch die Erheblichkeit der Gefährdung im Fall des Beschwerdeführers evident ist.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und Tatsächlichkeit vorliegen muss. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat. Der Beschwerdeführer wurde am 19.03.2020 aus der Strafhaft entlassen, seither hat er sich wohlverhalten, von einem gänzlichen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung ist im Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht auszugehen. Die dargestellte (gewerbsmäßige) Vorgangsweise lässt darauf schließen, dass der Beschwerdeführer mit erheblicher krimineller Energie ausgestattet ist.

Angesichts dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie annahm, vom Beschwerdeführer gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG aus, die ein massives Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist keine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geboten.

Der Beschwerdeführer hat Verwandte in Österreich, nämlich seinen Bruder, einen Cousin und die Geschwister und Eltern seiner Gattin. Seine Gattin und seine Kinder sind österreichische Staatsangehörige. Die Gattin und die Kinder leben jedoch mit dem Beschwerdeführer gemeinsam in Deutschland, wo der Beschwerdeführer auch einer Beschäftigung im Betrieb seines Vaters nachgeht. In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführer beruflich mehrmals pro Woche in Österreich, um Überstellungen von Autos durchzuführen. Die Gattin des Beschwerdeführers verfügt über eine Liegenschaft in Österreich. Der Beschwerdeführer hat daher erhebliche private und auch familiäre Bindungen zum Bundesgebiet. Aber auch diese konnten ihn nicht von der Begehung der Straftaten abhalten, vielmehr war seine Gattin Mittäterin bei den Straftaten. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass er zu einer der in Österreich lebenden verwandtschaftlichen Bezugspersonen in einem besonderen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis stehen würde, zumal dieser bereits in der Vergangenheit seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Österreichs hatte. Seinen Verwandten steht es offen, den Beschwerdeführer während der Dauer des Aufenthaltsverbotes in Deutschland zu besuchen, ebenso kann der Kontakt über Telefon und Internet aufrechterhalten werden.

Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung (bzw. auch einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes) in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Bei dieser Abwägung kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, die im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich führen kann (VwGH 29.02.2012, 2010/21/0310 bis 0314 und 2010/21/0366, mwN).

Vor diesem Hintergrund sind die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten. Der Beschwerdeführer hat die vorübergehende Unmöglichkeit, für das Unternehmen seines Vaters Transporte nach Österreich durchzuführen und seine hier lebenden Verwandten zu besuchen, im öffentlichen Interesse an der Verhinderung gewerbsmäßiger Vermögenskriminalität hinzunehmen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes ist jedoch in Hinblick darauf, dass das Strafgericht mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe das Auslagen gefunden, der Beschwerdeführer sich seit der Haftentlassung wohlverhalten hat und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer familiäre und berufliche Bezugspunkte zu Österreich hat, spruchgemäß herabzusetzen gewesen.

Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Der gegenständlichen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.2020 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Es war daher nicht weiter auf die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einzugehen.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 70 Abs. 1 FPG wird ein Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der hiervon betroffene Fremde hat unmittelbar nach Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes auszureisen. Es ist ihm jedoch gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Unter (im Wesentlichen) denselben Voraussetzungen, nämlich wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, kann gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG (unter anderem) bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof judizierte schon zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 70 Abs. 3 FPG, nämlich § 86 Abs. 3 FPG in der bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2011 am 1. Juli 2011 geltenden Stammfassung, in ständiger Rechtsprechung, dass die ausnahmsweise Nichtgewährung des einem Fremden zustehenden Durchsetzungsaufschubes einer besonderen, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Erwägungen hinausgehenden Begründung bedürfe, verlange doch die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose, der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (vgl. etwa VwGH 31.03.2008, 2008/21/0127, mwN). Allgemein auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmende Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen seien, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes daher keinesfalls zu ersetzen (siehe VwGH 23.10.2008, 2008/21/0325, mwN). Unter Bezugnahme auf diese Judikatur, die auch für die aktuelle Rechtslage gelte, wiederholte der Verwaltungsgerichtshof dann auch in Bezug auf § 70 Abs. 3 FPG (in der seit 1. Juli 2011 unverändert geltenden Fassung des FrÄG 2011), dass Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen seien, die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes keinesfalls zu ersetzen vermögen (siehe VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360 mwN).

Der gegenständlichen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt; vor dem Hintergrund der oben dargelegten Erwägungen haben sich neben den für die Begründung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Aspekten keine zusätzlichen Gründe für die Annahme ergeben, dass ein Aufschub der Durchsetzbarkeit für ein weiteres Monat die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in einem Ausmaß gefährdet, welches den sofortigen Vollzug der aufenthaltsbeendenden Maßnahme erforderlich machen würde.

Vor diesem Hintergrund war dem Beschwerdeführer (welcher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Übrigen in Deutschland hat) gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber auch des Europäischen Gerichtshofes orientiert und diese – soweit erforderlich – auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger Herabsetzung individuelle Verhältnisse Interessenabwägung Milderungsgründe Privat- und Familienleben Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W285.2230110.2.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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