Entscheidungsdatum
11.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W260 2190426-1/26E
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Innsbruck, vom 22.02.2018, Zl. 15-1099525705/152023026, zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend stattgegeben, dass dieser zu lauten hat:
„Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage. Der Beginn des Laufs der Frist richtet sich nach § 55a FPG.“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 17.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden „belangte Behörde“) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 22.02.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde gestützt auf § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
4. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall relevant - aus, das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Revisionswerbers im Bundesgebiet überwiege das persönliche Interesse des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet und daher liege durch die angeordnete Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Art. 8 EMRK vor. Zur Frist für die freiwillige Ausreise wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass sich der Revisionswerber in einem aufrechten Lehrverhältnis befinde, dies der belangten Behörde rechtzeitig mitgeteilt und keinen Ausschlussgrund im Sinne des § 55a Abs. 2 FPG gesetzt habe, weshalb die Voraussetzungen des § 55a Abs. 1 FPG erfüllt seien und der Beginn der Frist gemäß § 55a FPG ex lege gehemmt sei.
5. Gegen dieses Erkenntnis, soweit „die Beschwerde hinsichtlich der erstinstanzlichen Spruchpunkte III., IV, V. und VI. abgewiesen“ wurde, wendete sich die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wurde, das Bundesverwaltungsgericht hätte im Spruch des Erkenntnisses die nach § 55a FPG bestimmte Frist für die freiwillige Ausreise aufnehmen müssen. Mit „dem Text“ des § 55a FPG könne nur gemeint sein, dass eine allfällige Abschiebung unzulässig sei. Weiters müsse - weil sich der Revisionswerber aufgrund des § 55a FPG „jedenfalls noch bis gegen Ende des Jahres 2021“ in Österreich aufhalten werde - eine Neubeurteilung hinsichtlich der Rückkehrentscheidung vorgenommen werden. Es erscheine daher nicht sinnvoll, eine Rückkehrentscheidung „jetzt“ zu erlassen; damit solle zugewartet werden, „bis die Lehrzeit beendet“ sei.
6. Der Revision wurde durch das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
7. Der Verwaltungsgerichtshof leitete nach Vorlage der Revision samt den Verfahrensakten das Vorverfahren ein; die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
8. Der Verwaltungsgerichtshof erwog über die Revision, dass sich die Revision als teilweise zulässig und berechtigt erweist. Die Revision wurde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis V. des Bescheides der belangten Behörde richtete, gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG mit Beschluss zurückgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt VI. des erstinstanzlichen Bescheides wurde das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof begründend im Wesentlichen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Spruchfassung den Beginn des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise im Fall des Vorliegens der in § 55a FPG geregelten Voraussetzungen bei der mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Festlegung der Ausreisefrist beachten hätte müssen und verwies hinsichtlich der Entscheidungsgründe auf das Erkenntnis vom 8. März 2021, Ra 2020/14/0291.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und hält sich zumindest seit Dezember 2015 durchgehend in Österreich auf, wo er am 17.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer arbeitet seit 01.10.2018 als Lehrling bei einem Betrieb. Dies teilte er der belangten Behörde am 09.01.2020 schriftlich mit und legte eine Abschrift des Lehrvertrages bei.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes.
2.2. Dass der Beschwerdeführer seit 01.10.2018 als Lehrling tätig ist, geht aus dem vorliegenden Lehrvertrag hervor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Verfahrensumfang im zweiten Rechtsgang:
Gemäß § 42 VwGG tritt die Rechtssache durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses befunden hat.
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gilt folgendes: „Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.06.2021 zu Ra 2020/01/0408 das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu W260 2190426-1/17E mit folgenden Spruch teilweise aufgehoben:
„Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A), soweit damit die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die festgelegte Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.“
Gegenstand dieses nunmehr zweiten Rechtsgangs ist daher nur mehr der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides. Die Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. verbleibt unangetastet in Rechtkraft. Es ist daher mit dem gegenständlichen Erkenntnis die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf den Spruchpunkt VI. herzustellen. Da sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchpunktes VI. nunmehr wieder im offenen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht befindet, ist dieses zur Herstellung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zuständig.
3.2. Anwendbare Rechtsgrundlagen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG samt Überschriften lauten auszugsweise:
„Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) ...
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt“.
Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Berufsausbildung
„§ 55a. (1) Ist ein Asylwerber, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird oder nicht rechtskräftig erlassen worden ist, als Lehrling (§ 1 des Berufsausbildungsgesetzes - BAG, BGBl. Nr. 142/1969) beschäftigt und teilt er oder der Lehrberechtigte (§ 2 Abs. 1 BAG) dies rechtzeitig (Abs. 3) dem Bundesamt mit, so beginnt die Frist für die freiwillige Ausreise abweichend von § 55 Abs. 2
1. ab dem Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses oder
2. im Falle der Beantragung der Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit Ablauf des von der zuständigen Lehrlingsstelle gemäß § 23 BAG festgesetzten Prüfungstermins, wenn dieser nach dem in Z 1 genannten Zeitpunkt liegt und dem Bundesamt mitgeteilt wurde,
spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses zu laufen, sofern das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 begonnen und seitdem ununterbrochen bestanden hat.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Asylwerber, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht haben.
(3) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 ist rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Rückkehrentscheidung zugeht. Ist diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 bereits zugestellt und erhebt der Asylwerber dagegen Beschwerde, so ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugeht. Diesfalls ist das Bundesamt verpflichtet, die Mitteilung unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis zu bringen.
(4) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 bedarf der Schriftform. Ihr ist bei sonstiger Unwirksamkeit eine Abschrift des Lehrvertrags, in den Fällen des Abs. 1 Z 2 darüber hinaus eine Abschrift der Entscheidung der Lehrlingsstelle über die Festsetzung des Prüfungstermins beizulegen. Eine rechtzeitig erstattete und wirksame Mitteilung hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1 für den Fall der rechtskräftigen Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Folge, dass das Lehrverhältnis nicht als gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG beendet gilt.
(5) Endet das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit (§ 14 Abs. 2 lit. a bis e BAG) oder wird es vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst (§§ 15 oder 15a Abs. 1 BAG), so ist der Lehrberechtigte verpflichtet, dies unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche, dem Bundesamt schriftlich mitzuteilen. In der Mitteilung ist neben den nach dem ersten Satz maßgeblichen Tatsachen und dem Zeitpunkt ihres Eintritts die Identität des Drittstaatsangehörigen anzugeben.
(6) Eine gemäß Abs. 1 eingetretene Hemmung des Fristenlaufs erlischt, wenn
1. das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet oder vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst wird,
2. der Drittstaatsangehörige straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder
3. die für das Lehrverhältnis erteilte Beschäftigungsbewilligung erlischt (§ 7 Abs. 6 AuslBG) oder widerrufen wird (§ 9 AuslBG) oder die Entscheidung, mit der sie erteilt wurde, im Rechtsweg nachträglich behoben wird.
Die Anwendung der Z 1 setzt nicht voraus, dass der Lehrberechtigte die Mitteilung gemäß Abs. 5 erstattet hat“.
In-Kraft-Treten
„§ 126. (1) ...
(…)
(23) Die §§ 52 Abs. 8 zweiter Satz, 55a, ... und 127 sowie der Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu § 55a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und nach Ablauf von vier Jahren nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Eine bis dahin gemäß § 55a Abs. 1 eingetretene und nicht gemäß § 55a Abs. 6 erloschene Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise dauert über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem nach § 55a Abs. 1 oder Abs. 6 maßgeblichen Zeitpunkt fort“.
3.3. Zum Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im verfahrensgegenständlichen Erkenntnis vom 21.06.2021 zu Ra 2020/01/0408 wie folgt begründend ausgeführt:
„Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich mit dem Beginn der Frist nach § 55a FPG bereits im Erkenntnis vom 8. März 2021, Ra 2020/14/0291 (insbesondere Rn. 18 ff), auseinander; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Demnach hätte das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Spruchfassung den Beginn des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise im Fall des Vorliegens der in § 55a FPG geregelten Voraussetzungen bei der mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Festlegung der Ausreisefrist beachten müssen.
Indem das Bundesverwaltungsgericht infolge der gesamten Abweisung der Beschwerde den behördlichen Ausspruch auch in Bezug auf den Beginn der Frist nach § 55a FPG unverändert übernahm und dadurch entschied, den Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise mit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzulegen, obwohl es im Widerspruch dazu in der Begründung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 55a FPG ausgegangen war, belastete es (das) Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.“
3.3.2. Im Erkenntnis vom 08.03.2021, Ra 2020/14/0291 führte der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich § 55a FPG wie folgt aus:
„§ 55a FPG wurde mit der am 27. Dezember 2019 kundgemachten Änderung des FPG, BGBl. Nr. 110/2019, eingefügt und ist gemäß § 126 Abs. 23 FPG mit Ablauf des Tages der Kundmachung, somit am 28. Dezember 2019, in Kraft getreten. Diese Bestimmung findet daher Anwendung auf Asylwerber (vgl. dazu jüngst VwGH 12.2.2021, Ra 2020/20/0415), die sich bereits vor dem 28. Dezember 2019 in einem seit Beginn ununterbrochenen Lehrverhältnis als Lehrling im Sinn des § 1 Berufsausbildungsgesetz befinden und die in § 55a FPG normierten sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen wird der Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise an - im Vergleich zu dem ansonsten gemäß § 55 Abs. 2 FPG normierten Fristbeginn, nämlich der „Rechtskraft des Bescheides“, abweichende - in § 55a FPG konkret angeführte Zeitpunkte angeknüpft. Insofern ist die Überschrift des § 55a FPG (ebenso wie die Textierung des § 126 Abs. 23 FPG), wo von einer „Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise“ die Rede ist, irreführend, weil diese Bestimmung - wie bereits ausgeführt - den Beginn einer erst (gemäß § 55 Abs. 1 FPG) festzulegenden Frist regelt.
Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Frist für die freiwillige Ausreise aufgrund des vom Revisionswerber am 05.06.2018 eingegangenen Lehrverhältnisses und der Erfüllung der in § 55a FPG ansonsten normierten Voraussetzungen nicht allein nach § 55 FPG, sondern auch nach § 55a FPG richtet. Es hat darauf auch ausdrücklich in den Entscheidungsgründen hingewiesen, jedoch in weiterer Folge - in Bestätigung des Spruchpunkts VI. des Bescheides des BFA vom 2. März 2018, womit die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde - die Beschwerde zur Gänze abgewiesen.“
3.4. Frist für die freiwillige Ausreise
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Abweichend von § 55 FPG beginnt die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55a Abs. 1 FPG jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses oder im Falle der Beantragung der Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit Ablauf des von der zuständigen Lehrlingsstelle gemäß § 23 BAG festgesetzten Prüfungstermins, wenn dieser nach dem zuvor genannten Zeitpunkt liegt und dem Bundesamt mitgeteilt wurde, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses zu laufen, da das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 begonnen und seitdem ununterbrochen bestanden hat. Dies gilt nicht für Asylwerber, die straffällig geworden sind oder im Rahmen des Asylverfahrens versucht haben über ihre Identität zu täuschen.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, er hat – soweit ersichtlich - während des Asylverfahrens nicht über seine Identität getäuscht und sein Lehrverhältnis besteht seit 01.10.2018 ununterbrochen.
Die Mitteilung hinsichtlich des Lehrverhältnisses und die Abschrift des Lehrvertrages gingen der belangten Behörde am 09.01.2020 zu.
Diese erfolgte damit rechtzeitig, zumal die Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 bereits zugestellt gewesen war und die Mitteilung hinsichtlich des Lehrverhältnisses der belangten Behörde vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes am 31.07.2020 erfolgte. § 55a FPG kommt daher im gegenständlichen Fall zur Anwendung.
Der angefochtene Bescheid war somit hinsichtlich Spruchpunkt VI. dahingehend abzuändern, dass die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen mit Endigung des Lehrverhältnisses und spätestens nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses beginnt.
3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nach der Teilbehebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes im ersten Rechtsgang nicht mehr gegeben. Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die im gegenständlichen ersten Rechtsgang bereits ergangen ist bzw. stellt den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand iSd § 63 Abs. 1 VwGG her.
Schlagworte
freiwillige Ausreise Frist Lehre - Berufsschule Rechtsanschauung des VwGH RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W260.2190426.1.00Im RIS seit
16.11.2021Zuletzt aktualisiert am
16.11.2021