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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Juli 1996, Zl. MA 65-8/390/96, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung und Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen zwei Bescheide der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. April 1996 abgewiesen und die Erstbescheide bestätigt. Mit dem ersten der beiden erstinstanzlichen Bescheide war dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die am 16. Dezember 1993 erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend entzogen und gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 ausgesprochen worden, daß diese Entziehung für zwei Wochen von der Zustellung des Bescheides an wirksam sei; einer allfälligen Berufung war gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Mit dem zweiten Bescheid war gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 angeordnet worden, daß sich der Beschwerdeführer binnen zwei Monaten einer Nachschulung zu unterziehen habe und daß sich die Probezeit um ein Jahr verlängere. Hinsichtlich des zweitgenannten Erstbescheides änderte die belangte Behörde den Spruch, indem sie die Anordnung der Nachschulung auf § 64a Abs. 2 KFG 1967 stützte.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer war mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. August 1995 schuldig erkannt worden, daß er am 12. August 1995 auf einer näher bezeichneten Straßenstelle in Wien die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 47 km/h überschritten und damit eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen habe.
Gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wenn der Besitzer der Lenkerberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (worunter nach § 64a Abs. 3 lit. a u.a. die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet fällt) begeht. Die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes ist abzuwarten. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Probezeit um ein weiteres Jahr. Gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 hat als bestimmte, die Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person indizierende bestimmte Tatsache zu gelten, wenn jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde. Gemäß § 73 Abs. 2a kann bei der Entziehung der Lenkerberechtigung die Behörde auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung udgl.) anordnen; wird eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen, so ist die Entziehungszeit um drei Monate zu verlängern; die Behörde hat begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 64a Abs. 1) erfolgt. Nach dem dritten Satz des § 73 Abs. 3 KFG 1967 ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die Zeit nach § 73 Abs. 2 mit zwei Wochen festzusetzen; eine Entziehung der Lenkerberechtigung auf Grund des § 66 Abs. 2 lit. i darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.
Wenn der Beschwerdeführer zunächst ausführt, daß gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 "diese Maßnahmen unverzüglich ... anzuordnen" seien, ist er auf die dargestellte Rechtslage zu verweisen. Demnach ist solches für die Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 3 KFG 1967 nicht angeordnet; eine derartige Maßnahme darf vielmehr erst verfügt werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.
Was die Anordnung der Nachschulung anlangt, hat die belangte Behörde als Berufungsbehörde den Rechtsgrund dieser Anordnung ausgewechselt. Sie hat dabei in rechtlich verfehlter Weise auf den § 64a Abs. 2 KFG 1967 zurückgegriffen. § 64a handelt nur davon, daß der betreffende Kfz-Lenker während der Probezeit einen schweren Verstoß im Sinne des Abs. 2 und 3 des § 64a begeht, der nur die Anordnung einer Nachschulung, nicht aber - da die "schweren Verstöße" keine bestimmten Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967 sind - die Entziehung der Lenkerberechtigung nach sich zieht. Der von der Erstbehörde im gegebenen Zusammenhang herangezogene § 73 Abs. 2a KFG 1967, der die Anordnung einer Nachschulung im Zusammenhang mit einer Entziehung der Lenkerberechtigung regelt, verlangt hingegen nur, daß die Anordnung "bei der Entziehung" erfolgt. Die Anordnung hat demnach in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Entziehung zu erfolgen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/11/0289). Dies ist im vorliegenden Fall durch die gleichzeitige Entziehung und Anordnung der Nachschulung jedenfalls erfüllt.
Die Heranziehung einer unrichtigen Gesetzesstelle für die Anordnung der Nachschulung (§ 64a Abs. 2 statt § 73 Abs. 2a KFG 1967) ist zwar rechtswidrig, verletzt aber keine Rechte des Beschwerdeführers.
Im Beschwerdefall hätte die Anwendung des § 73 Abs. 2a KFG 1967 für den Beschwerdeführer keine anderen rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen müssen. Zwar wäre die Anordnung der Nachschulung - anders als nach § 64a Abs. 2 KFG 1967 - nicht zwingend gewesen und wäre - weil die Entziehung der Lenkerberechtigung nicht im Sinne des letzten Satzes des § 73 Abs. 2a KFG 1967 in der Probezeit erfolgte - im Ermessen der Behörde gelegen und zu begründen gewesen. Der im Fehlen einer solchen Begründung gelegene Verfahrensmangel ist jedoch nicht wesentlich, weil der Anordnung der Nachschulung ein noch während der Probezeit begangenes Verkehrsdelikt zugrundelag, sodaß die Anordnung der Nachschulung durchaus als im Sinne des Gesetzes gelegen zu qualifizieren ist. Eine Verlängerung der Probezeit als rechtliche Konsequenz einer Nachschulungsanordnung ist zwar nur im § 64a Abs. 2 KFG 1967 ausdrücklich vorgesehen; sie hat aber auch im Anwendungsbereich des § 73 Abs. 2a KFG 1967 bei Vorliegen einer während der Probezeit gesetzten bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967, Platz zu greifen. Schließlich ist die Sanktion für die Nichtbefolgung von Nachschulungsanordnungen nach § 64a Abs. 2 (in Verbindung mit § 75 Abs. 2b) und nach § 73 Abs. 2a KFG 1967 insofern dieselbe, als eine Entziehung der Lenkerberechtigung mit Festsetzung einer Zeit von drei Monaten bzw. eine Verlängerung der Entziehung um drei Monate zu verfügen ist.
Was die Entziehung der Lenkerberechtigung betrifft, beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht auf den Eintritt der Verjährung. Dieses Rechtsinstitut hat im Administrativverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung keine Anwendungsbereich. Auch was die seit der Tat verstrichene Zeit im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 von ungefähr neun Monaten anlangt, bestehen im vorliegenden Beschwerdefall keine Bedenken. Mangels einer ausdrücklichen Regelung über die Länge der Zeit, nach deren Ablauf noch eine Entziehung nach § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 verfügt werden darf, ist - bei sonstigem Wohlverhalten der betreffenden Person - von der nächstverwandten Regelung, nämlich der des § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 auszugehen, wonach strafbare Handlungen nicht mehr zum Anlaß einer Entziehungsmaßnahme genommen werden dürfen, wenn seit der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Maßnahme bzw. der Entrichtung der Geldstrafe mehr als ein Jahr vergangen ist.
Bei Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 kommt ferner eine Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung nicht in Betracht (vgl. dazu das zu einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit § 73 Abs. 3 erster Satz KFG 1967 ergangene Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 93/11/0082).
Die Beschwerde ist unbegründet und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den - zur hg. Zl. AW 96/11/0082 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110254.X00Im RIS seit
11.07.2001