TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/20 W192 2181373-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2021
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Entscheidungsdatum

20.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


W192 2181373-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2021, Zl. 1094518610/210663905, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm. § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und es werden diese gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm. § 68 Abs. 1 AVG behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag im Wesentlichen mit der schlechten Sicherheitslage im Herkunftsstaat und dem Wunsch, eine gute Ausbildung zu erhalten.

1.2. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der beschwerdeführer keinen Fluchtgrund nach der Genfer Flüchrlingskonvention vorgebracht habe.

1.3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 08.02.2021 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

Das BVwG hat seiner Entscheidung die folgenden Feststellungen zu Grunde gelegt:

„2.1.   Zur Person des Beschwerdeführers

2.1.1.  Der Beschwerdeführer führt den Namen NN und ist am tt.mm.jjjj geboren. Er ist in Afghanistan, in Kabul geboren und im Familienverband von seiner Mutter, seinem Vater, seinen vier Brüdern und seiner Schwester aufgewachsen. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensausrichtung.

Er hat die Schule 9 Jahre lang besucht. Die Erstsprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht außerdem Deutsch auf dem Niveau B1. Bis zur seiner Ausreise wuchs er im Familienverband auf. Er hat keine Berufserfahrung und ist lediglich zur Schule gegangen. Alle seine 5 Geschwister besuchten auch die Schule, die Schwester hat die Matura abgeschlossen. Er wuchs in einer aufgeschlossenen Familie auf.

2.1.2.  Eine allgemeine Gefahr, dass er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner Religionsrichtung verfolgt werden könnte, oder wegen seiner Religionsausrichtung, kann aufgrund der gängigen Judikatur, dass nur eine konkrete Verfolgung Anlass für die Anerkennung als Flüchtling nach der GFK sein kann, außer Acht gelassen werden.

2.1.3.  Sein Vater wohnt in Pakistan. Er hat einen Onkel, dieser lebt in Kabul.

2.1.4.  Er wohnt bei seinen Großeltern und seinem Cousin, sowie seiner Tante in Wien.

2.1.5.  Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus den Eltern, seiner ca 19-jährigen Schwester, vier Brüdern, wobei der älteste Bruder heute ca 14 Jahre alt ist. Er hat wöchentlich Kontakt zu seinen Eltern mittels Mobiltelefon. Es kann nicht festgestellt werden, wo die übrigen Familienangehörigen, insbesondere seine Mutter, seine Brüder und seine Schwestern wohnen.

2.1.6.  Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt von Kabul nach Iran. Dort war er acht Monate aufhältig und reiste dann schlepperunterstützt nach Europa. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF ist gesund.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2.4.    Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer ist in Kabul aufgewachsen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich seine Familienmitglieder, mit Ausnahme des Vaters - dieser lebt in Pakistan - nicht mehr in Kabul befinden. Er hat einen ca 35-jährigen Onkel namens NN in Kabul. Es kann nicht festgestellt werden, dass er mit diesen nicht in Kontakt treten könne.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Kabul aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er ist jung, anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Er hat in Kabul 9 Jahre die Grundschule besucht, weiteres hatte hier in Österreich Pflichtschul abgeschlossen, spricht aufgrund dessen, dass er die Abend AHS besucht, die Sprachen Spanisch Englisch. Deutsch spricht der auf dem Niveau B1.

Er ist in Kabul aufgewachsen und wird dort wieder zurückkehren. Er kann sich dort in die Kultur schnell wieder einfinden.

Die Familie wird ihn unterstützten. Es sind keine Gründe hervorgekommen weswegen die Familie ihn nicht unterstützen könne. Die Unterstützung kann sowohl in der persönlichen Beziehung erfolgen, beispielsweise in dem der eine Kabul lebenden Onkel (bzw allenfalls auch seine Mutter, sh dazu Punkt 3.1.5) ihm eine Wohnmöglichkeit für die erste Zeit bietet, zum anderen kann insofern erfolgen, indem der in Österreich lebende Großvater – zu dem er eine gute Beziehung hat - sowie der in Pakistan lebende Vater ihn mit Geldleistungen unterstützt. Zudem kann er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Nach dem nicht festgestellt werden kann, dass sich seine Mutter und seine übrigen Geschwister ebenso bei dem Vater in Pakistan aufhalten, kann er auch diesen Unterstützung in Anspruch nehmen bzw geht das Gericht davon aus, dass dies erfolgen kann.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Als gesunder junger Mann, droht ihm auch keine Gefahr einer tödlichen Erkrankung im Falle einer Ansteckung durch das Corona-Virus.“

Das BVwG stützte diese Feststellungen auf nachstehende Beweiswürdigung:

„3.1.   Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

3.1.1.  Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

3.1.2.  Das er keiner allgemeinen Gefahr aus den unter Punkt 2.1.2 angeführten Punkte (Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner Religionsrichtung) ausgesetzt war, ergibt sich daraus, dass er diesbezüglich keinerlei Angaben in diese Richtung tätigte. Der Richter sah von sich aus auch daher keine Veranlassung, in diese Richtung zu ermitteln bzw die Fragen in der Verhandlung zu legen, denn es liegt grundsätzlich am Beschwerdeführer, die Fluchtgründe vorzubringen und nicht am Richter alle möglichen derzeit bekannten Fluchtgründe abzufragen, ob sie zugtreffen oder nicht.

3.1.3.  Die „Aufgeschlossenheit“ der Familie in den Feststellungen ergeben sich daraus, dass es der Schwester von ihm möglich war, in Kabul die Matura abzuschließen. Das ist vor dem amtlich bekannten Hintergrund der Strukturen in Afghanistan nicht selbstverständlich. Ebenso konnten alle fünf Kinder die Schulen besuchen. Bildung war in der Familie offenbar ein Wert, das auch verfolgt wurde. Aus diesem Grund geht das Gericht davon aus, dass er in einer aufgeschlossenen Familie aufgewachsen ist.

3.1.4.  Dass sein Vater in Pakistan wohnt, ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag. Daraus ist erkennbar, dass er in Pakistan eine Wohnung gemietet hat (sh dazu den Verfahrensgang, Punkt 1.11). Es ist daher anzunehmen, dass er die Wohnung benutzt und daher auch dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die ganze Familie, dh seine ganzen Geschwister und seine Mutter auch dort wohnen. Dazu fehlen die Nachweise, und kann daher diesbezüglich keine Feststellung getroffen werden.

Zu diesem fehlenden Nachweis tritt etwas Weiteres, das wesentlich für das Gericht ist: Der Richter wollte mit seiner Zustimmung in sein Handy Nachschau halten, ob er - wie er vorbrachte (sh dazu Seite 7 und 17 der gerichtlichen Niederschrift) – tatsächlich seine Familie in Pakistan vor ein paar Tagen anrief. Er verweigerte die Einsicht. Später in dem Verhandlungsverlauf (sh Seite 17) wurde er dazu befragt und brachte er vor, dass er seine Familie in Pakistan nicht in Schwierigkeit bringen wolle. Die Verhandlung wurde auf Drängen seines Rechtsvertreters unterbrochen. Trotzdem blieb er dabei, den Richter nicht in das Anrufprotokoll einzusehen.

Das Mobiltelefon ist ein persönlicher Bereich und wertend wird festgehalten, dass ihm dies nicht unglaubwürdig werden lässt. Dass er dem Richter die Anrufliste nicht zeigte, ist somit neutral zu sehen. Wesentlich ist allerdings, dass er meint, dass er die Familie angerufen hätte und gleichzeitig meint er, dass sie keine Telefonnummer hätten (sh Seite 7 und 17 der gerichtlichen Niederschrift). Würde er bei der Wahrheit geblieben sein (was auch immer diese ist), dann könnte er zumindest die Telefonnummer sagen und genauer erklären, weswegen die Familie in Pakistan dadurch Probleme bekomme, wenn der Richter in Österreich in die Anrufliste einsehen wolle, zumal er am Anfang der Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass keine Information vom Gericht nach Afghanistan gelangen könne und sämtliche getätigte Aussagen vertraulich behandelt werden (sh Seite 3 der gerichtlichen Niederschrift).

Hinzu kommt, dass der Zeuge, auf die Frage ob er Kontakt zu seiner Familie hat, geantwortet hat, dass er ihn nicht jeden Tag fragt, ob er Kontakt zu seinem Vater hat, er aber Kontakt hätte. Der Zeuge schränkt sich daher auf die Kontaktmöglichkeit zu dem Vater in der Antwort ein, dies die Vermutung bestärkt, dass er zwar zu seinem in Pakistan lebenden Vater Kontakt hat, nicht aber zu seiner ganzen Familie.

3.1.5.  Dadurch liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich die Mutter noch in Kabul aufhält und auch dort noch ihren Lebensmittelpunkt hat. Dies kann nicht bewiesen werden, doch durch die Zusammenschau seines Verhaltens, der fehlenden Nachweise und der Aussage des Zeugen, ergibt sich diese Wahrscheinlichkeit.

Der BF ist daher in diesem Aspekt absichtlich äußerst ungenau in der Aussage und will offenbar etwas verschleiern. Daher kann nicht festgestellt werden, dass die ganze Familie in Pakistan wohnt.

3.1.6.  Die übrigen Feststellungen ergeben sich entweder aus seinen Aussagen, den Aussagen des Zeugen oder aus den vorgelegten Unterlagen.

3.2.    Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösendes Ereignis im Wesentlichen vor dem Gericht folgendes vor:

‚BF: Ich habe im Jahr 2015 Afghanistan verlassen und ich hatte vor nach Europa zu kommen. Damals war die Sicherheitslage sehr schlecht und aus diesem Grund habe ich meine Familie verlassen und bin nach Österreich gekommen.

R: Wurden Sie jemals konkret bedroht?

BF: Ich bin nicht persönlich von einer bestimmten Person bedroht worden. Es gab aber dort viele allgemeine Probleme. Damit meine ich zB die Schwierigkeiten zwischen den Schiiten und Sunniten. Seit meiner Flucht hat sich die Sicherheitslage nicht gebessert. Sie ist immer noch schlecht und ich kann dort nicht leben, weil ich im Allgemeinen in Gefahr bin.

R: Welche konkrete Bedrohung gegen Ihre Person würden Sie jetzt befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich kann nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil dort immer noch Krieg herrscht. Vor meiner Flucht hatte ich auch Probleme wegen meiner Volksgruppe und wegen meiner Glaubenszugehörigkeit. Ich war in Konflikte verwickelt.‘

Auch vor der Behörde brachte er keinen konkreten Fluchtgrund vor und wurde ihm auch aus diesem Grund dort kein Asyl zuerkannt. Aus dem Beschwerde ist auch kein konkretes fluchtvorbringen zu entnehmen (sh dazu Punkt 1.5.). Er führte lediglich aus, dass seine Beziehung zu den Großeltern hier in Österreich schützenswert sei.

Soweit er sich auf die „allgemeine Gefahr“ bezieht ist festzuhalten, dass er damit vor den heutigen Länderfeststellungen keinen asylrelevanten Tatbestand nach der Genfer Flüchtlingskonvention darzulegen vermochte.

Der BF wurde von seinem Vater nach Europa „geschickt“ weil sein Großvater auch hier in Österreich lebt und es hier besser zu leben ist, als in Afghanistan. Damit ist der Beschwerdeführer eine Person, die deswegen ausreiste um sich ein besseres Leben zu verschaffen. Die wirtschaftlichen Interessen sind jedoch von der GFK bzw dem AsylG nicht umfasst und hätte in diesem Fall der Beschwerdeführer – nachdem sich sein Großvater ja bereits seit 15 Jahren in Österreich befindet – einen Antrag nach den NAG stellen müssen.

3.4.    Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul ergeben sich

- einerseits aus seiner Biografie, er stammt aus Kabul, ist dort aufgewachsen, ging dort zumindest 9 Jahre zur Schule, ist dort sozialisiert, hat mit Sicherheit dort einen Onkel, mit Wahrscheinlichkeit seine Familie, ausgenommen der Vater, und vermutlich noch weitere Verwandte wie zB Cousins,

- andererseits aus den Länderfeststellungen zu Kabul. Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Stadt Kabul derzeit als relativ sicher gilt und unter der Kontrolle der Regierung steht. Diese ist auch durch den internat Flughafen erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in dieser Stadt grundlegend gesichert.

3.4.1.  Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in der Stadt Kabul zurechtfinden, zumal er dort auch groß geworden ist. Der Beschwerdeführer verfügt über eine 9-jährige Schulbildung, ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Er hat 5 Geschwister eine unbestimmte Anzahl an Cousinen und Cousins die ihn unterstützten könnten. Nachdem es wahrscheinlich ist, dass seine Mutter noch in Kabul wohnt (sh Punkt 3.1.5) , kann er dort auch wieder eine Unterkunft beziehen. Selbst wenn nicht, hat er einen Onkel in Kabul, den er um Unterstützung fragen kann. Er hat regelmäßig Kontakt zu seinem Vater, der in Pakistan wohnt. Auch dieser kann ihn mit Geldhilfen unterstützen. Ebenso sein Großvater der in Österreich wohnt. Auch dieser kann ich mit Geldhilfen unterstützten. Er ist heute 22 Jahre alt und hat die letzten 5 ½ Jahre in Österreich gewohnt. Er hat somit Afghanistan im Alter von ca 16 Jahren verlassen. 16 Jahre ist er in Kabul aufgewachsen und lebt heute nicht nur zwischen ÖsterreicherInnen, sondern bei seiner Familie, die afghanisch geprägt ist. Eine tiefe Integration kann – entgegen der Ansicht seiner Rechtsvertretung in der Stellungnahme vom 27.11.2020 - nicht erkannt werden. Er ist somit nach wie vor von der Afghanischen Kultur geprägt und kann sich somit leicht wieder einfinden.

Es ist ihm zwar zugute zu halten, dass er die Abend-AHS bis zum 29.01.2021 besucht, doch besucht er diese nur, weil er keine Lehrstelle gefunden hat (sh die gerichtliche Niederschrift). Ein deutlicher Bildungswille kann daraus nicht erkannt werden. Dass die ganze Verhandlung vor dem Gericht in der Sprache Deutsch abgehalten wurde, ist vor dem Hintergrund, dass er die Abend-AHS besucht, als keine besondere Leistung bzw Nachweis einer Integration anzuerkennen.

Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche Gefährdung des Beschwerdeführers durch den COVID-19 Virus (Corona) in der Stadt Kabul, bestehen - trotz einzelner Medienberichte, dass das Virus auch in Afghanistan aktiv ist - ebenfalls derzeit nicht. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie zB. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck, chronische Lungenkrankheiten, aktive Krebserkrankungen; siehe auch COVID-19 Risikogruppe-Verordnung, BGBl. II Nr. 203/2020) auf.

Als körperlich gesunden jungen Mann, der keine Immunsystem beeinträchtigenden Vorerkrankungen hat, droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr einer lebensgefährdenden Erkrankung im Falle einer Ansteckung durch das Corona-Virus.

Die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung durch die Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Das junge Alter des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Akt.“

Das Erkenntnis des BVwG erwuchs am 09.02.2021 in Rechtskraft. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 21.04.2021 eine dagegen erhobene Revision zurückgewiesen.

2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 19.05.2021 den vorliegenden Folgeantrag und gab dazu am selben Tag bei der Erstbefragung an, dass er seine alten Fluchtgründe aufrecht seien. 2020 habe seine gesamte familie Afghanistan verlassen und sei nach Pakistan gezogen; er habe niemanden mehr in Afghanistan. In Afghanistan befürchte er, als Hazara keine Sicherheit zu finden, weil dort jeden Tag Hazara getötet werden.

Am 08.06.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA. Der Beschwerdeführer stelle einen neuerlichen Antrag, weil in Afghanistan die Lage immer schlechter werde und Hazara bedroht würden und gefährdet seien.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 15.07.2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.)

Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. ) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers bestehe. (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung dieses Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang dargestellt und Feststellungen zur Lage in Afghanistan einschließlich aktueller Auswirkungen der COVID-19-Pandemie mit Stand 10.06.2021 getroffen. Es wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht habe, desnach dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29.07.2021 gegen Übernahmebestätigung ausgefolgt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Rechtsvertretung vom 10.08.2021 Beschwerde. Darin wurde vorgebracht, dass seit Rechtskraft des Erstverfahrens Änderungen im Hinblick auf die allgemeine Lage in Afghanistan und auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers eingetreten seien. Die radikal-islamistischen Taliban hätten seit Abzug der internationalen Truppen große Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und es sei die allgemeine Lage nunmehr anders zu bewerten als zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens des Beschwerdeführers. Weiters habe der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Familienangehörigen mehr, da dessen Familie nunmehr vollständig aufgrund der sich zuspitzenden Sicherheitslage -insbesondere für die Minderheiten der Hazara, welche als schiitische Minderheit eine Zielgruppe für Anschläge durch die Taliban darstelle - nach Pakistan ausgewandert sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an, seine Muttersprache ist Dari. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren. Er hat 2015 Afghanistan verlassen und stellte im November 2015 nach illegaler Einreise in Österreich einen Asylantrag.

Der erste Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.02.2021.2019 rechtskräftig sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.

Die zur Begründung seines Folgeantrags behauptete Bedrohung wegen der schlechten Sicherheitslage und einer Gefährdung der Hazara stellt keine neu entstandene konkrete Tatsache dar.

Asylrelevante Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. derartige Gründe, die eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat unzulässig machen würden, liegen auch sonst nicht vor.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Allfällige Auswirkungen des notorisch mit Mai 2021 erfolgten Abzuges der Koalitionstruppen und Sicherheitskräfte und der seither intensivierten Offensive von regierungsfeindlichen Kräften in Afghanistan wurden im angefochtenen Bescheid lediglich auf Seite 25 hinsichtlich Ereignissen im Mai/Anfang Juni 2021 und mit Bezug auf einige näher genannte Distrikte von Afghanistan getroffen. Die Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids über die Sicherheitslage in Kabul stützen sich auf Quellen aus den Jahren 2017 bis 2020 und weisen daher keine Aussagekraft darüber aus, ob dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die jeweilige Sicherheitslage tatsächlich im Entscheidungszeitpunkt eine Rückkehr nach Kabul zumutbar ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben in den Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen über den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die zur Begründung seines Folgeantrages vorgebrachte Behauptung des Beschwerdeführers, er sei wegen der schlechten Sicherheitslage für Hazara im Herkunftsstaat gefährdet, bildet keine Neuerung und es läßt sich daraus keine konkrete Verfolgungsgefahr ableiten. Dies ergibt sich aus der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids, der die Beschwerde nicht konkret entgegengetreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

3.1.2. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.07.2021 wurde durch den Vertreter des Beschwerdeführers am 10.08.2021 fristgerecht eingebracht.

Zu A)

3.2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung bzw. Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Verschiedene Sachen im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen und berechtigt die Behörde zu seiner Zurückweisung. Ist also eine Sachverhaltsänderung, die eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.09.2000, Zl. 98/20/0564).

Auch Bescheide, die - auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, sind verbindlich und nur im Rahmen des § 69 Abs. 1 AVG einer Korrektur zugänglich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266 mit Hinweis auf VwGH 24.3.1993, Zl. 92/12/0149).

Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (Hinweis E 26. Juli 2005, 2005/20/0343; gegen den bloßen Verweis auf den inhaltlichen Zusammenhang mit dem im Erstverfahren als unglaubwürdig erachteten Vorbringen zuletzt E 27. September 2005, 2005/01/0363). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar – in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden – unzulässig (VwGH 29.9.2005, Zl. 2005/20/0365).

§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an. In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Danach kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 19.02.2009, Zl.2008/01/0344 mit Hinweisen auf VwGH 29.01.2008, Zl. 2005/11/0102 mwN; und VwGH 16.02.2006, Zl. 2006/19/0380, mwN; VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 25.4.2017, Ra 2016/01/0307).

Im österreichischen Asylrecht war schon vor Inkrafttreten des AsylG 2005 ein "subsidiärer Schutz" vorgesehen (§ 8 Abs. 1 AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101; auf vergleichbare Schutzregelungen in den zeitlich davor liegenden Asylgesetzen braucht hier nicht näher eingegangen werden). Dem Asylwerber stand jedoch kein Antragsrecht in Bezug auf diesen subsidiären Schutz zu. Er hatte lediglich die Möglichkeit, um Asyl anzusuchen. Im Falle der Abweisung des Asylantrages war - von Amts wegen - zu prüfen, ob dem Asylwerber subsidiärer Schutz zuzuerkennen ist. Mit dem durch das AsylG 2005 aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen "Antrag auf internationalen Schutz" erfuhr die Rechtslage insofern eine Änderung, als nun der Antrag des Asylwerbers nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Asylantrag), sondern hilfsweise für den Fall der "Nichtzuerkennung" dieses Status auch auf die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gerichtet ist [insoweit treffen die Erläuterungen (Hinweis RV 952 BlgNR XXII. GP, 30f), nach denen der Antrag auf internationalen Schutz "dem bisherigen Asylantrag entspricht" nicht zu]. Dem Asylwerber kommt also nach dem AsylG 2005 ein Antragsrecht in Bezug auf den subsidiären Schutz zu, das in seinem Antrag auf internationalen Schutz mit enthalten ist. Ein gesonderter Antrag auf subsidiären Schutz ist im Gesetz hingegen nicht vorgesehen [vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 73, und Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2005), 73, Rz 153]. Da sich der Antrag auf internationalen Schutz - wie gezeigt - auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, bei den Asylbehörden geltend zu machen, zumal nur sie dem Asylwerber diesen Schutzstatus zuerkennen können. Die zur Rechtslage des § 8 Asylgesetz 1997 ergangene gegenteilige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 09.11.2004, Zl. 2004/01/0280, mwN) ist daher im Anwendungsbereich des AsylG 2005 nicht mehr zutreffend. Vielmehr sind für Folgeanträge nach dem AsylG 2005 die Asylbehörden auch dafür zuständig, Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.02.2009, Zl.2008/01/0344).

3.2.2. Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst. Zu prüfen ist demnach, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN).

Diese Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat – von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen – im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 24.6.2014, Ra 2014/19/0018). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 24.5.2018, Ra 2018/19/0234).

3.2.3. Der Beschwerdeführer hat seinen Folgeantrag hinsichtlich der Gefährdung wegen der schlechten Sicherheitslage für Hazara auf einen Umstand gestützt, der bereits vor Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 08.02.2021 vorgelegen ist. Es liegt daher kein neuer Sachverhalt hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten vor.

Der Folgeantrag ist daher zurecht hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zurückgewiesen worden.

3.3. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keine aktuellen Feststellungen über die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat, insbesondere in der als Ziel einer zumutbaren Rückkehr des Beschwerdeführers bezeichneten Stadt Kabul, wo er zufolge der rechtskräftigen Eintscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2021 Sicherheit finden könne. Er vermag daher den Abspruch nicht zu tragen, dass hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigte kein neuer Sachverhalt eingetreten sei, da die jüngsten notorischen Entwicklungen mit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte und der verstärkten Offensive regierungsfeindlicher Gruppierungen nicht berücksichtigt wurden.

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist daher zu beheben. Dies bedeutet, dass auch die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, die dessen Bestehen voraussetzen, zu beheben sind.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann das Bundesverwaltungsgericht unbeschadet des Abs. 7 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - folgt besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG (zur Auslegung dieser Sondervorschriften vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072; 25.8.2017, Ra 2017/18/0243; 5.3.2018, Ra 2018/20/0062).

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich in seiner Beurteilung der Richtigkeit der von der Behörde vorgenommenen Zurückweisung des Folgeantrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ausschließlich auf die nachvollziehbaren Ausführungen im angefochtenen Bescheid gestützt, welche in der Beschwerde nicht konkret in Zweifel gezogen wurden.

Die Behörde hat im angefochtenen Bescheid dargetan, dass das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers keine Neuerung hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten darstellt.

Die mangelnde Aktualität der Feststellungen des angefochtenen Bescheids über die Lage im Herkunftsstaat hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten liegt angesichts der notorischen Entwicklungen (siehe etwa: UNHCR Position on returns to Afghanistan, August 2021) auf der Hand.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Glaubwürdigkeit Kassation Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W192.2181373.2.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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