TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/31 W209 2234136-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2021
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Entscheidungsdatum

31.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §150
GSVG §92 Abs5
Richtlinien Befreiung Rezeptgebühr 2008 §4
Richtlinien Befreiung Rezeptgebühr 2008 §5

Spruch


W209 2234136-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Dr. Stephan MESSNER, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße 22/D/B10A, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich, GZ: VSNR XXXX , vom 09.06.2020 betreffend Kostenanteil- und Rezeptgebührenbefreiung wegen geringen Einkommens für den Zeitraum von 24.10.2019 bis 23.10.2020 nach am 19.08.2021 durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass den Anträgen des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Rezeptgebühr sowie auf Befreiung von der Kostenbeteiligung für Heilbehelfe und Hilfsmittel hinsichtlich des Zeitraumes von 24.10.2019 bis 31.12.2019 stattgegeben wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit in Beschwerde gezogenem Bescheid vom 09.06.2020 wies die belangte Behörde (im Folgenden: SVS) die Anträge des Beschwerdeführers vom 01.10.2019 auf Befreiung von der Rezeptgebühr (Spruchpunkt 1.) und der Kostenbeteiligung für Heilbehelfe und Hilfsmittel (Spruchpunkt 2.) für den Zeitraum von 24.10.2019 bis 23.10.2020 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer (Anm.: der bereits bis 23.10.2019 von der Rezeptgebühr befreit war) im Zuge einer Vorsprache am 23.09.2019 die Rezeptgebührenbefreiung über den 23.10.2019 hinaus beantragt und dabei einen Behindertenpass vom 24.07.2019 mit einer unbefristeten Gültigkeit ab 14.02.2019 und einem Grad der Behinderung von 80 % vorgelegt habe. Mit Antrag vom 01.10.2019 habe er auch die Befreiung von der Kostenbeteiligung bzw. Kostenbeteiligung/Rezeptgebühr wegen einem Behinderungsgrad bzw. einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % sowie wegen geringen Einkommens beantragt.

Laut ZMR-Auszug seien Frau XXXX , geb. XXXX , (im Folgenden: D.J.) seit 07.05.2010 und Herr XXXX , geb. XXXX , (im Folgenden: A.Ö.) seit XXXX beim Beschwerdeführer hauptwohnsitzgemeldet. Mit Schreiben vom 26.11.2019 sei der Beschwerdeführer daher (Anm.: gemäß § 4 Abs. 5 der Richtlinie für die Befreiung von der Rezeptgebühr gemäß § 31 Abs. 5 Z 16 ASVG – RZZ 2008) um Übermittlung von Einkommensnachweisen sowie um Mitteilung, in welchem Verhältnis er zu den genannten Personen steht, ersucht worden.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es sich bei A.Ö. um einen langjährigen Freund handle, der seinen Wohnsitz in XXXX verloren habe und während seiner Wohnungssuche bei ihm gemeldet sei. D.J. sei eine ehemalige Freundin von ihm, die ebenfalls auf der Suche nach einer Wohnung sei und auch von Ungarn aus an ihre Arbeitsstätte pendle. Er führe mit beiden Personen keinen gemeinsamen Haushalt und lukriere (Anm.: aus der Zurverfügungstellung des Wohnraums an die Genannten) keinerlei Einkünfte.

Der Beschwerdeführer habe einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 24.04.2019 übermittelt, demzufolge A.Ö. ab 01.04.2019 eine Ausgleichszulage in Höhe von € 351,47 beziehe. Sein Gesamteinkommen (Invaliditätspension samt Ausgleichszulage) im Jahr 2019 betrage € 933,06. Das Gehalt von D.J. betrage laut Lohnzettel vom Oktober 2019 € 1.414,41 netto.

Im Antrag auf Pflegegeld vom 23.09.2019 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass die notwendige Betreuung und Hilfe von D.J. erbracht werde. Im Zuge der Rezeptgebührenbefreiung im Jahr 2014 habe er (ebenfalls) angegeben, dass D.J. nur deswegen in seinem Haushalt wohne, da sie noch keine eigene Wohnung gefunden habe.

Mit Bescheid vom 06.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer ab 01.05.2019 eine Erwerbsunfähigkeitspension zuerkannt. Diese betrage im Jahr 2019 € 1.001,76 netto und im Jahr 2020 € 1.037,83 netto. Eine Ausgleichszulage beziehe der Beschwerdeführer nicht.

Mit Schreiben vom 02.01.2020 sei dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, dass er aufgrund seines Behinderungsgrades ab 23.09.2019 vom Kostenanteil, ausgenommen für Heilbehelfe und Hilfsmittel, befreit sei.

Mit Schreiben vom 27.012020 sei ihm mitgeteilt worden, dass sein Einkommen über dem Richtsatz von € 1.048,57 (Wert 2019) liege, sodass eine Befreiung von der Rezeptgebühr und eine vollständige Befreiung vom Kostenanteil nicht möglich sei.

Laut Gesundheitskonto hätte der Beschwerdeführer im Jahr 2019 (Anm.: ohne Befreiung von der Rezeptgebühr) 21-mal Rezeptgebühren in Höhe von jeweils € 6,10 zu entrichten gehabt. Im Jahr 2020 seien bis dato sieben Rezeptgebühren in Höhe von jeweils € 6,30 zu entrichten gewesen.

Zu Spruchpunkt 1. sei in rechtlicher Hinsicht auszuführen, dass gemäß § 92 Abs. 3 GSVG für jedes auf einem Rezept verordnete und auf Rechnung des Versicherungsträgers bezogene Heilmittel als Kostenbeteiligung eine Rezeptgebühr zu zahlen sei.

Gemäß § 92 Abs. 5 GSVG habe der Versicherungsträger bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband (seit 01.01.2020 Dachverband) der Sozialversicherungsträger hierzu erlassenen Richtlinien von der Einhebung der Rezeptgebühr abzusehen.

Gemäß § 31 Abs. 5 Z 16 (ab 01.01.2020 § 30a Abs. 1 Z 15) ASVG seien Richtlinien für die Befreiung von der Rezeptgebühr bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der versicherten Person zu beschließen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 der Richtlinie über die Befreiung von der Rezeptgebühr (RRZ 2008, in der Fassung 10. Änderung RRZ 2008) sei auf Antrag eine Befreiung von der Rezeptgebühr wegen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit zu bewilligen, wenn das Einkommen eines Versicherten den nach § 150 Abs. 1 lit. a GSVG in Betracht kommenden Richtsatz nicht übersteigt.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 sei auf Antrag eine Befreiung von der Rezeptgebühr wegen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit zu bewilligen, wenn ein Versicherter an Krankheiten oder Gebrechen leidet, durch die ihm erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen, sofern das Einkommen des Versicherten 115 % des nach Z 2 in Betracht kommenden Richtsatzes nicht übersteigt.

Gemäß § 4 Abs. 4 RRZ 2008 gelte als Einkommen das Nettoeinkommen nach Maßgabe des § 149 GSVG, ausgenommen gemäß § 149 Abs. 7 GSVG anzurechnende Beträge.

Gemäß § 4 Abs. 5 RRZ 2008 sei bei der Feststellung des Einkommens des Versicherten das Einkommen eines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten mit zu berücksichtigen. Das Einkommen einer sonstigen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Person sei zu 12,5 % zu berücksichtigen.

Gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG in der im Jahr 2019 geltenden Fassung betrage der Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen und die pensionsberechtigte Person mindestens 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben hat, € 1.048,57. § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG sei mit Ablauf des 31.12.2019 außer Kraft getreten.

Gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. bb GSVG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung betrage der Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen, € 966,65.

Die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers im Jahr 2019 stellten sich wie folgt:

1. Erwerbsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers (netto)  € 1.001,76

2. 12,5% des Einkommens von A.Ö.     € 116,63

3. 12,5% des Einkommens von D.J.     € 176,80

Gesamteinkommen       € 1.295,19

Der in Betracht kommende Richtsatz gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG betrage im Jahr 2019 € 1.048,57.

Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse im Jahr 2020 ergebe sich Folgendes:

1. Erwerbsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers (netto)  € 1.037,83

2. 12,5% des Einkommens von A.Ö.     € 116,63

3. 12,5% des Einkommens von D.J.     € 176,80

Gesamteinkommen       € 1.331,26

Der in Betracht kommende Richtsatz gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG betrage im Jahr 2020 € 966,65.

Es ergebe sich daher sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2020 eine Überschreitung des Grenzbetrages.

Das Vorliegen von (chronischen) Krankheiten und Gebrechen, durch die erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen, habe unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden können. So hätten die fiktiven Ausgaben (d.h. unter Außerachtlassung der bis 23.10.2019 geltenden Befreiung) für Rezeptgebühren im Jahr 2019 lt. Gesundheitskonto € 128,10 betragen. Dies ergebe eine durchschnittliche monatliche Belastung iHv € 10,68. Im Jahr 2020 seien It. Gesundheitskonto bis dato insgesamt € 44,10 an Rezeptgebühren angefallen.

Aufgrund des festgestellten Einkommens und des Nichtvorliegens einer Krankheit oder eines Gebrechens im Sinne der angeführten Richtlinien des Hauptverbandes sei eine soziale Schutzbedürftigkeit nicht gegeben.

Zu Spruchpunkt 2. sei rechtlich auszuführen, dass der Versicherte gemäß § 86 Abs. 1 GSVG für die vom Versicherungsträger gewährten Sachleistungen mit Ausnahme der Anstaltspflege den in der Satzung festgesetzten Kostenanteil zu entrichten habe.

Gemäß § 86 Abs. 6 lit. d GSVG könne der Versicherungsträger von der Einhebung des Kostenanteils absehen, wenn eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherten vorliegt und nicht § 93 Abs. 2 oder 2a (Kostenanteil bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln) anzuwenden sei.

Gemäß § 17 Abs. 2 Z 5 der Satzung der SVA in der zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 23.09.2019 geltenden Fassung werde über Antrag ein Kostenanteil nach § 86 Abs. 1 und 2 GSVG, mit Ausnahme der Zuzahlungen nach § 16 Abs. 2, für Versicherte nicht festgesetzt, deren Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit laut Behindertenpass mindestens 50 % betrage. Die Befreiung gelte ab Antrag, frühestens jedoch ab dem Vorliegen der Voraussetzungen. Die Befreiung ende mit dem Wegfall der Voraussetzungen.

Der Beschwerdeführer habe am 23.09.2019 einen unbefristeten Behindertenpass des Sozialministeriumservice vom 24.07.2019 mit einem Grad der Behinderung von 80 % ab 14.02.2019 vorgelegt. Er sei daher ab 23.09.2019 bis zum Wegfall der Voraussetzungen vom Kostenanteil, ausgenommen der Kostenanteile für Heilbehelfe und Hilfsmittel, befreit.

Gemäß § 93 Abs. 4 lit. b GSVG habe der Versicherungsträger auch die sonst vom Versicherten gemäß Abs. 2 und 2a zu tragenden Kosten bzw. den Kostenanteil (§ 86) bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 92 Abs. 5 GSVG (nach Maßgabe der RRZ 2008) zu übernehmen.

Wie bereits zu Spruchpunkt 1. ausgeführt, lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rezeptgebühr nach Maßgabe der RRZ 2008 nicht vor, sodass auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Entrichtung der Kostenbeteiligung iSd § 93 Abs. 2 und 2a (Heilbehelfe und Hilfsmittel) nicht vorlägen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtliche Vertretung binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keinen gemeinsamen Haushalt mit irgendwelchen Personen habe. Das Haus, das er bewohne, bestehe aus Keller, Erdgeschoss und erstem Stock, habe zwei Küchen und eine Wohnnutzfläche von 220 m2. A.Ö. und D.J. würden zwar in dem großen Haus wohnen, aber nicht im Haushalt mit dem Beschwerdeführer.

Die Erwerbsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers habe im Jahr 2019 € 1.001,76 netto betragen und betrage im Jahr 2020 € 1.037,83 netto. Er beziehe keine Ausgleichszulage und gehöre dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 80 % an.

Er habe nachstehende Diagnosen:

?        Hörstörung beidseits

?        Depressive Episode, Generalisierte Angststörung, Soziophobie

?        Chronisches Schmerzsyndrom mit Gehbehinderung bei diabetischer Polyneuropathie,
Discusprolaps L4/5 und L5/S1, PAVK g.z.

?        Diabetes mellitus

Der Beschwerdeführer habe durch diese Krankheiten besondere Aufwendungen, wie Diät-Verpflegung, Therapien, Arztbesuche, Medikamente, Hilfestellung beim Einkauf und bei diversen Wegen. Laut Behindertenpass werde die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel bestätigt und er habe auch die Zusatzeintragung D1 (Anm.: Diäterfordernis bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe das Einkommen von A.Ö. und D.J. außer Betracht zu bleiben. Das Haus stehe im Eigentum des Beschwerdeführers. Für ein Leben im gemeinsamen Haushalt sei auch eine Wirtschaftsgemeinschaft erforderlich. Zumindest diese liege aber keinesfalls vor. Der Beschwerdeführer verwende eine der beiden Küchen allein. Es werde auch nicht gemeinsam eingekauft und keiner unterstütze den anderen bei den Lebenshaltungskosten. Alle drei seien für sich in finanziellen Dingen unabhängig. Es sei somit von keinem gemeinsamen Haushalt auszugehen. Eine Anrechnung der Einkommen von A.Ö. und D.J. scheide somit aus.

Da die Erwerbsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers im Jahr 2019 € 1.001,76 und der Richtsatz € 1.048,57 betragen habe, hätte für das Jahr 2019 jedenfalls sowohl die Befreiung von der Rezeptgebühr als auch die Befreiung von der Kostenbeteiligung gewährt werden müssen.

Aber auch für das Jahr 2020 hätte sowohl die Befreiung von der Rezeptgebühr als auch die Befreiung von der Kostenbeteiligung gewährt werden müssen. Aufgrund der oben angeführten (chronischen) Erkrankungen seien erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen erforderlich. Dem Beschwerdeführer seien nicht einmal öffentliche Verkehrsmittel zumutbar. Bei den besonderen Aufwendungen gehe es ja nicht nur um Medikamente, sondern auch um Therapien, Arztbesuche, die Fahrten dort hin, die Besorgung von verträglichen Nahrungsmitteln, das Zubereiten der Diät, etc. Dass Diabetes besondere Aufwendungen verursache, sei allgemein bekannt. Es liege somit soziale Schutzbedürftigkeit vor.

Wie bereits ausgeführt, habe auch hier das Einkommen von A.Ö. und D.J. außer Betracht zu bleiben. Der Richtsatz für das Jahr 2020 betrage € 966,65. 115 % des Richtsatzes würden demnach € 1.111,65 betragen, sodass das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von € 1.037,83 auch unter diesem Wert liege.

Auch diesbezüglich erfülle er somit die Voraussetzungen für die Befreiung sowohl von der Rezeptgebühr als auch von der Kostenbeteiligung (Heilbehelfe und Hilfsmittel).

Hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes für die Beschwerde wurden seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers Kosten in Höhe von € 737,60 verzeichnet.

3. Am 18.08.2020 einlangend legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme führte sie zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass das Einkommen von A.Ö. und D.J. mangels Wirtschaftsgemeinschaft außer Betracht zu bleiben habe, ergänzend aus, dass aufgrund der Tatsache, dass D.J. bereits seit zehn Jahren an der Adresse des Beschwerdeführers hauptwohnsitzgemeldet sei, nicht davon ausgegangen werden könne, dass es sich hierbei nur um einen vorübergehenden Aufenthalt für den Zeitraum der Wohnungssuche handle, weswegen von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen sei.

Auch unabhängig von der Berücksichtigung des Einkommens von A.Ö. und D.J. überschreite das Einkommen des Beschwerdeführers (Erwerbsunfähigkeitspension iHv 1.037,83 €) im Jahr 2020 den anzuwendenden Richtsatz in Höhe von € 966,65. Die Anwendung des erhöhten Richtsatzes gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 aufgrund von chronischen Krankheiten, die erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen verursachen, habe durch die Ärztin der belangten Behörde nicht festgestellt werden können. Darüber hinaus überschreite das festgestellte Gesamteinkommen (unter Berücksichtigung des Einkommens von A.Ö. und D.J.) in Höhe von € 1.331,26 auch den erhöhten Richtsatz in Höhe von € 1.111,65.

Nach Ansicht des Ärztlichen Dienstes der belangten Behörde lägen beim Beschwerdeführer keine Hinweise auf besondere Aufwendungen vor. Laut der Abrechnung „Mein Gesundheitskonto“ 2019 und 2020 seien im Zeitraum von 25.10.2019 bis 18.08.2020 insgesamt 22 Rezeptgebühren angefallen. Das ergebe eine durchschnittliche monatliche Belastung in Höhe von etwa € 15,40. Selbst nach Abzug der durchschnittlich monatlich angefallenen Rezeptgebühren liege das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers – unter Außerachtlassung des Einkommens der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen – bei € 1.022,43 und somit über dem Ausgleichszulagenrichtsatz in Höhe von € 966,65 (Wert 2020).

Aus der Jahresübersicht „Mein Gesundheitskonto“ 2019 bzw. 2020 ergebe sich, dass im maßgeblichen Zeitraum lediglich die Medikamente „Jardiance“, Jentadueto“ und „Diamicron“ wiederholt bezogen worden seien. Weder aus dem vorgelegten, nicht datierten Medikamentenverordnungsblatt Dris. XXXX noch aus der Jahresübersicht lasse sich eine ausreichende Dauermedikation bzw. ein erhöhter Bedarf feststellen. Es habe somit keine länger dauernde medikamentöse Behandlung festgestellt werden können, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers eine nicht zumutbare Belastung mit Rezeptgebühren zur Folge hätte. Da sonst keine krankheitsbedingten Aufwendungen nachgewiesen worden seien, sei eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit nicht gegeben.

4. Am 19.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurden D.J und A.Ö. zur strittigen Frage des Bestehens eines gemeinsamen Haushalts mit dem Beschwerdeführer als Zeugen einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist zu 80 % behindert und leidet an folgenden Krankheiten/gesundheitlichen Einschränkungen:

?        Hörstörung beidseits,

?        Depressive Episode, Generalisierte Angststörung, Soziophobie,

?        Chronisches Schmerzsyndrom mit Gehbehinderung bei diabetischer Polyneuropathie,
Discusprolaps L4/5 und L5/S1, PAVK g.z.,

?        Diabetes mellitus

Der Beschwerdeführer bezog 2019 eine Arbeitsunfähigkeitspension in Höhe von € 1.001,76 (netto) und 2020 eine Arbeitsunfähigkeitspension in Höhe von € 1.037,83 (netto) monatlich.

Die monatliche Belastung aufgrund krankheitsbedingter Aufwendungen beträgt € 15,40.

An der Adresse des Beschwerdeführers ist seit mehr als 10 Jahren D.J. hauptwohnsitzgemeldet. D.J. ist die Ex-Lebensgefährtin des Beschwerdeführers. Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (24.10.2019 bis 23.10.2020) bestand keine Lebensgemeinschaft mehr.

An der gemeinsamen Wohnadresse befindet sich ein Einfamilienhaus, das im Eigentum des Beschwerdeführers steht. D.J bewohnte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ein Zimmer im Haus. Gemeinsam benutzt wurden lediglich das Badezimmer und das WC sowie eine Waschmaschine. D.J. bezahlte keine Miete und trug auch nicht zu den Betriebskosten bei. Ihr monatliches Einkommen betrug 2019 und 2020 € 1.414,41 (netto).

D.J. leistete dem Beschwerdeführer die notwendige Betreuung und Hilfe im Ausmaß von täglich zwei Stunden (60 Stunden/Monat) und erhielt dafür vom Beschwerdeführer als Gegenleistung teilweise freie Kost und freie Logis.

A.Ö. ist seit 25.03.2019 beim Beschwerdeführer hauptwohnsitzgemeldet. Der Beschwerdeführer stellte ihm unentgeltlich ein Zimmer zur Verfügung, das A.Ö. bewohnte, wenn er nicht auf Reisen war. A.Ö. trug nicht zu den Betriebskosten bei und bestreitet seinen Lebensunterhalt gänzlich aus eigenen Mitteln.

2. Beweiswürdigung:

Die Leiden des Beschwerdeführers sowie dessen Behinderungsgrad gehen aus den im Akt inliegenden ärztlichen Unterlagen und behördlichen Dokumenten hervor, die von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurden.

Die Höhe der vom Beschwerdeführer bezogenen Arbeitsunfähigkeitspension sowie der krankheitsbedingten monatlichen Aufwendungen steht ebenso wie das Einkommen von D.J. und der Umstand, dass letztere seit mehr als 10 Jahren an der Adresse des Beschwerdeführers hauptwohnsitzgemeldet ist und die Ex-Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist, bereits auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

Die Feststellung, dass D.J. lediglich ein Zimmer bewohnte, keine Miete bezahlte und nicht zu den Betriebskosten beitrug, entspricht dem diesbezüglichen glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers und der D.J. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die gemeinsame Benützung des Badezimmers, des WCs sowie der Waschmaschine wurde vom Beschwerdeführer und D.J. in der mündlichen Verhandlung eingeräumt.

Dass D.J. dem Beschwerdeführer die notwendige Betreuung und Hilfe leistete, wurde seitens des Beschwerdeführers und D.J. zwar in Abrede gestellt. Gleichzeitig räumte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aber ein, dass D.J. ihm bei „diversen Sachen“ wie beim Wäschewaschen oder Kochen half (VH-Schrift S, 4) und zumindest teilweise die notwendige Betreuung und Hilfe leistete (VH-Schrift S, 5).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm auch zwei Nachbarinnen halfen und ein Großteil der Betreuung und Hilfe von einem langjährigen Freund namens Eddy erbracht wurde, war jedoch nicht zu folgen.

So konnten weder D.J. noch A.Ö. konkrete Angaben zu dem vom Beschwerdeführer genannten Freund machen bzw. waren die Angaben so widersprüchlich, dass nicht anzunehmen ist, dass dieser Freund den Beschwerdeführer tatsächlich täglich betreut hat. Laut D.J. habe dieser mittlerweile verstorbene Freund „Eddy“ geheißen und lediglich für den Beschwerdeführer gekocht, aber nicht im Haushalt mitgeholfen (VH-Schrift S, 8 u. 10). A.Ö. nannten den verstorbenen Freund auf Nachfrage des erkennenden Richters hin „Werner“, konnte oder wollte aber die Angaben des Beschwerdeführers, dass ihm ein mittlerweile verstorbener Freund geholfen habe, nicht bestätigen.

Unglaubwürdig waren in diesem Zusammenhang jedenfalls die Angaben von D.J., wonach sie während der Arbeit „immer“ bei einer Freundin in Wiener Neustadt genächtigt habe (VH-Schrift S, 10), zumal der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Widerspruch dazu angab, dass sie auch von Ungarn aus an ihre Arbeitsstätte (in Wiener Neustadt) gependelt sei.

Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass der Beschwerdeführer D.J. in seinem Antrag auf Pflegegeld vom September 2019 als jene Person angab, welche die notwendige Betreuung und Hilfe erbringt, wobei D.J. in der Verhandlung dezidiert ausschloss, dass diese Tätigkeiten – wie vom Beschwerdeführer behauptet – (auch) von anderen Personen geleistet wurden (VH-Schrift S, 9).

In Anbetracht der aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüche war daher davon auszugehen, dass die notwendige Betreuung und Hilfe den Angaben des Beschwerdeführers im Pflegegeldantrag entsprechend von D.J. geleistet wurde. Dass D.J. dafür zum Teil freie Kost und freie Logis erhielt, deckt sich mit den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der D.J., dass sie weder Miete bezahlt noch sich an den Betriebskosten beteiligt habe, und den Angaben des Beschwerdeführers, denen zufolge er D.J. als Gegenleistung für ihre Hilfe „manchmal“ etwas vom Einkaufen mitgenommen habe (VH-Schrift S, 5).

Schließlich entspricht es auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ehemalige Lebensgefährten auch nach Beendigung der Lebensgemeinschaft zumindest in Teilbereichen weiter unterstützen, wenn einer der beiden – wenn auch in getrennten Zimmern – weiterhin beim anderen Lebensgefährten wohnt und kein schlüssiges und widerspruchfreies Vorbringen erstattet wird, das Gegenteiliges nahelegt.

Die Feststellungen betreffend A.Ö. beruhen auf dessen glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung, die auch von einer anwesenden Vertreterin der belangten Behörde unbestritten blieben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist.

Gemäß § 194 Z 5 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung des GSVG die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG mit der Maßgabe, dass § 414 Abs. 2 und 3 ASVG nicht anzuwenden ist. Die im ASVG vorgesehene Möglichkeit der Antragstellung auf Entscheidung durch einen Senat kommt daher im Bereich des GSVG nicht zum Tragen. Gegenständlich hat die Entscheidung daher (jedenfalls) durch einen Einzelrichter zu erfolgen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 92 Abs. 5 GSVG hat der Versicherungsträger bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband (seit 01.01.2020 Dachverband) der Sozialversicherungsträger hierzu erlassenen Richtlinien von der Einhebung der Rezeptgebühr abzusehen.

Gemäß § 31 Abs. 5 Z 16 (ab 01.01.2020 § 30a Abs. 1 Z 15) ASVG sind Richtlinien für die Befreiung von der Rezeptgebühr bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der versicherten Person zu beschließen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 der Richtlinie über die Befreiung von der Rezeptgebühr (RRZ 2008, in der Fassung 10. Änderung RRZ 2008) ist auf Antrag eine Befreiung von der Rezeptgebühr wegen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit zu bewilligen, wenn das Einkommen eines Versicherten den nach § 150 Abs. 1 lit. a GSVG in Betracht kommenden Richtsatz nicht übersteigt.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 ist auf Antrag eine Befreiung von der Rezeptgebühr wegen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit zu bewilligen, wenn ein Versicherter an Krankheiten oder Gebrechen leidet, durch die ihm erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen, sofern das Einkommen des Versicherten 115 % des nach Z 2 in Betracht kommenden Richtsatzes nicht übersteigt.

Gemäß § 4 Abs. 4 RRZ 2008 gilt als Einkommen das Nettoeinkommen nach Maßgabe des § 149 GSVG, ausgenommen gemäß § 149 Abs. 7 GSVG anzurechnende Beträge.

Gemäß § 4 Abs. 5 RRZ 2008 ist bei der Feststellung des Einkommens des Versicherten das Einkommen eines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten mit zu berücksichtigen. Das Einkommen einer sonstigen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Person sei zu 12,5 % zu berücksichtigen.

Gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG in der im Jahr 2019 geltenden Fassung beträgt der Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen und die pensionsberechtigte Person mindestens 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben hat, € 1.048,57. § 150 Abs. 1 lit. a sublit. cc GSVG ist mit Ablauf des 31.12.2019 außer Kraft getreten.

Gemäß § 150 Abs. 1 lit. a sublit. bb GSVG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung beträgt der Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen, € 966,65.

Gemäß § 5 RZZ 2008 ist eine Befreiung von der Rezeptgebühr in anderen als den in den §§ 3 und 4 genannten Fällen zu bewilligen, wenn sich nach Prüfung der Umstände im Einzelfall herausstellt, dass eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine länger dauernde medikamentöse Behandlung notwendig ist, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten eine nicht zumutbare Belastung mit Rezeptgebühren zur Folge hätte.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Vorliegend ist zunächst die Frage zu beurteilen, ob D.J. und A.Ö. als sonstige mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebende Personen zu qualifizieren sind, deren Einkommen gemäß § 4 Abs. 5 RRZ 2008 bei der Feststellung des Einkommens des Beschwerdeführers im Ausmaß von 12,5 % zu berücksichtigen ist.

Im Fall der D.J. ist dies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu bejahen.

Für den Begriff des "gemeinsamen Haushaltes" gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ MSV 2010 ist entscheidend, dass das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob – zumindest in Teilbereichen – eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht. Eine solche gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen ist laut Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn der Untermieter eines Zimmers in einem Wohnhaus auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind (wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine), mitbenützt (vgl. VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020; 22.10.2013, 2013/10/0180).

Diese ständige, zur Niederösterreichischen Mindeststandardverordnung ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch auf den Begriff des "gemeinsamen Haushaltes" iSd § 4 Abs. 5 RRZ 2008 übertragbar, geht es doch auch hier offenkundig um die Berücksichtigung des Umstandes, dass das Zusammenleben von Personen zu einer Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt.

Den Feststellungen folgend wurden im beschwerdegegenständlichen Zeitraum das Badezimmer, das WC und die Waschmaschine gemeinsam genutzt, nicht aber auch die Küche, wie in den den oben zitierten Erkenntnissen zugrundeliegenden Fällen, zumal D.J. in ihrem Zimmer über eine eigene Kochgelegenheit verfügte. Ausschlaggebend ist vorliegend aber, dass D.J. gegenüber dem gesundheitlich beeinträchtigen Beschwerdeführer die notwendige Betreuung und Hilfe erbrachte und als Gegenleistung hierfür unentgeltlich wohnen durfte bzw. teilweise auch verköstigt wurde. Darin ist nämlich ebenso eine Wirtschaftsgemeinschaft in einem Teilbereich zu erblicken, die der Rechtsprechung zufolge einen gemeinsamen Haushalt begründet, zumal der Beschwerdeführer im Fall von getrennten Haushalten die von D.J. erbrachten Leistungen wohl anderweitig abgelten hätte müssen, was zu einer Kostensteigerung geführt hätte.

Damit ist gegenständlich von einem gemeinsamen Haushalt des Beschwerdeführers und der D.J. iSd § 4 Abs. 5 RRZ 2008 auszugehen, weswegen die belangte Behörde zu Recht davon ausging, dass 12,5 % ihres Einkommens (d.s. € 176,80) auf das Einkommen des Beschwerdeführers anzurechnen sind.

Nicht zu folgen ist der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass auch ein Teil des Einkommens des A.Ö. anzurechnen ist, zumal in seinem Fall – mit Ausnahme der gelegentlichen Mitbenützung des Bades und des WCs – in Ermangelung sonstiger Anhaltspunkte, die ein gemeinsames Wirtschaften nahelegen, eine derartige Wirtschaftsgemeinschaft (noch) nicht anzunehmen ist.

Ebenso nicht zu folgen ist der belangten Behörde, die im Falle des Beschwerdeführers davon ausging, dass dieser nicht an Krankheiten oder Gebrechen leidet, durch die ihm erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen, geht doch § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, davon aus, dass im Falle einer Erkrankung an Zuckerkrankheit Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bestehen. Wieso dies im Falle der Befreiung von der Rezeptgebühren bzw. der Kostenbeteiligung nicht der Fall sein sollte, erschließt sich dem erkennenden Richter nicht. Dass ein Nachweis über die tatsächlich entstandenen Kosten zu erbringen ist, wovon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausging, ist im Hinblick auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008, der bloß darauf abstellt, dass „erfahrungsgemäß“ derartige Aufwendungen entstehen, nicht anzunehmen.

Damit gelangt im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der belangten Behörde der erhöhte Richtsatz des § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 zur Anwendung, der im Fall des Beschwerdeführers wie der folgenden Berechnung zu entnehmen ist, im Jahr 2019 unterschritten wird:

2019:     € 1.001,76  (Einkommen des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 4 RRZ 2008)
€ 176,80         (12,5 % des Einkommens der D.J. gemäß § 4 Abs. 5 RRZ 2008)

Gesamt: € 1.178,56

Richtsatz des § 4 Abs. 1 Z 2 RRZ 2008 (2019): € 1.048,57

Richtsatz des § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 (2019): € 1.205,86

2020:     € 1.037,83  (Einkommen des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 4 RRZ 2008)
€ 176,80         (12,5 % des Einkommens der D.J. gemäß § 4 Abs. 5 RRZ 2008)

Gesamt: € 1.214,63

Richtsatz des § 4 Abs. 1 Z 2 RRZ 2008 (2020): € 966,65

Richtsatz des § 4 Abs. 1 Z 3 RRZ 2008 (2020): € 1.111,65

Somit ist der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Rezeptgebühr nur im Zeitraum von 24.10.2019 bis 31.12.2019 zu bewilligen. Gleiches gilt für den gemäß § 86 GSVG zu entrichtenden Kostenanteil.

Soweit der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht relevierte, dass die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens des Beschwerdeführers auf der Grundlage des (niedrigeren) Einkommens laut Einkommensteuerbescheid erfolgen hätte müssen, ist auf § 4 Abs. 5 RRZ 2008 zu verweisen, wonach als Einkommen das Nettoeinkommen nach Maßgabe des § 149 GSVG, ausgenommen gemäß § 149 Abs. 7 GSVG anzurechnende Beträge, gilt.

Nach § 5 RRZ 2008 ist auch in anderen als den in den §§ 3 und 4 genannten Fällen eine Befreiung von der Rezeptgebühr zu bewilligen, wenn sich nach Prüfung der Umstände im Einzelfall herausstellt, dass eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine länger dauernde medikamentöse Behandlung notwendig ist, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten eine nicht zumutbare Belastung mit Rezeptgebühren zur Folge hätte.

Für die Befreiung von der Rezeptgebühr nach § 5 RRZ 2008 in besonderen Fällen ist erforderlich, dass eine Situation vorliegt, die der nach allgemeinen Kriterien umschriebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit iSd § 3 und § 4 RRZ 2008 vergleichbar ist, ohne dass die Tatbestandsmerkmale der §§ 3 und 4 RRZ 2008 verwirklicht werden. Dies ist nicht der Fall, wenn das Einkommen des Versicherten nach Abzug krankheitsbedingter Aufwendungen (worunter auch Rezeptgebühren fallen) und etwaiger anderer Belastungen noch immer über dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt (VwGH 23.05.2012, 2009/08/0097).

Nachweise über die Höhe der sonstigen angefallenen Kosten von krankheitsbedingten Aufwendungen wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Damit liegt das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen des Beschwerdeführers auch nach Abzug der festgestellten krankheitsbedingten Aufwendungen in Höhe von € 15,40 über dem maßgeblichen Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende des Jahres 2020. Im Sinne der Rechtsprechung ist daher nicht davon auszugehen, dass eine Situation vorläge, die der nach allgemeinen Kriterien umschriebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit iSd § 3 und § 4 RRZ 2008 vergleichbar wäre.

Demensprechend war die Beschwerde hinsichtlich des Jahres 2020 auch unter Berücksichtigung des erhöhten Richtsatzes sowie des § 5 RRZ 2008 als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich der verzeichneten Kosten bzw. zum Kostenantrag des Rechtsvertreters wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 74 Abs. 1 AVG jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat. Mangels spezifischer Sonderregelung ergibt sich auch aus § 74 Abs. 2 AVG bzw. dem VwGVG kein Kostenersatzanspruch.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Befreiungsantrag Einkommen Erwerbsunfähigkeit gemeinsamer Haushalt Grad der Behinderung Kostenbeteiligung Rezeptgebühr Richtsatz Schutzwürdigkeit Teilstattgebung Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W209.2234136.1.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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