TE Bvwg Beschluss 2021/9/1 W235 2239311-1

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Veröffentlicht am 01.09.2021
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Entscheidungsdatum

01.09.2021

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W235 2239311-1/4E

W235 2239312-1/4E

W235 2239310-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. mj. XXXX , geb. XXXX , dieser gesetzlich vertreten durch: XXXX , und 3. mj. XXXX , geb. XXXX , dieser gesetzlich vertreten durch: XXXX , XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021 und vom 19.03.2021, Zl. 1267399600-200730257 (ad 1), Zl. 1267399110-200730265 (ad 2) und Zl. 1267399807-200730273 (ad 3) beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der Onkel des minderjährigen Drittbeschwerdeführers. Alle drei Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellten sie am 17.08.2020 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Die durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab, dass der Erstbeschwerdeführer in Rumänien am XXXX .07.2020 einen Asylantrag stellte. Zum Drittbeschwerdeführer lagen keine Eurodac-Treffer vor.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Erstbeschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Seine Familie befinde sich in Syrien und im Libanon. In Österreich befinde sich einer seiner Söhne (= Zweitbeschwerdeführer), mit dem er eingereist sei. Er habe seine Heimat im April 2013 verlassen und sich zunächst bis Jänner 2020 im Libanon aufgehalten. Danach sei er über die Türkei nach Griechenland gekommen, wo er sich weniger als ein Monat aufgehalten und sich nicht sicher gefüllt habe. Über Albanien, den Kosovo und Serbien sei er nach Rumänien gelangt. In Rumänien habe er sich 20 Tage lang aufgehalten, man habe ihn bedroht und gezwungen seine Fingerabdrücke abzugeben. Einen Asylantrag habe er nur gestellt, damit sein Sohn und sein Neffe in Sicherheit bleiben könnten. Danach sei er über ihm unbekannte Länder und die Slowakei nach Österreich gelangt. Der Zweitbeschwerdeführer befände sich in seiner Obhut und habe keine eigenen Fluchtgründe, für ihn würden dieselben Fluchtgründe gelten wie für den Erstbeschwerdeführer.

Die Erstbefragung des Drittbeschwerdeführers wurde ebenfalls am 17.08.2020 durchgeführt und dieser gab seine Reiseroute im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Erstbeschwerdeführer an. Seine Familienangehörigen würden sich im Libanon befinden und er habe Syrien wegen des Krieges verlassen; im Libanon gäbe es aber auch keine Sicherheit für ihn. Einen Asylantrag habe er in keinem anderen Land gestellt. Ergänzend bitte er darum bei seinem Onkel (= Erstbeschwerdeführer) bleiben zu dürfen.

Dem Erstbeschwerdeführer wurde weiters am 17.08.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Rumänien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt (vgl. AS 37 im Akt des Erstbeschwerdeführers).

1.3. Betreffend den Erstbeschwerdeführer richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Hinweis auf die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer am 28.08.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Rumänien.

Mit Schreiben vom 09.09.2020 stimmte die rumänische Dublinbehörde der Wiederaufnahme des Erst- und des Zweitbeschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d zu und teilte mit, dass der Erstbeschwerdeführer für sich und für den Zweitbeschwerdeführer am XXXX .07.2020 einen Asylantrag stellte, der am XXXX .07.2020 abgelehnt wurde. Betreffend den Drittbeschwerdeführer erklärte die rumänische Dublinbehörde, dessen Daten nicht zu kennen (vgl. AS 57 im Akt des Erstbeschwerdeführers).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Minderjährigkeit des Drittbeschwerdeführers nach dem „4 Augen Prinzip“ fest (vgl. Aktenvermerk vom 17.09.2020; AS 45 im Akt des Drittbeschwerdeführers) und ließ sein Verfahren in Österreich zu.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 23.09.2020 wurde dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Rumänien angenommen wird.

1.4. Am 08.10.2020 fand die niederschriftliche Einvernahme des Drittbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache und eines Vertreters statt, im Zuge derer er angab, dass er sich gesund fühle und Angaben zum Asylverfahren machen könne. Seine Angaben bei der Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen. Gemäß seinem Reisepass sei sein Geburtsdatum der XXXX [wohl gemeint: XXXX ]. Er lebe aktuell in einem Lager mit seinem Onkel (= Erstbeschwerdeführer) und seinem Cousin (= Zweitbeschwerdeführer). Der Cousin seines Vaters sei asylberechtigt und lebe mit seiner Familie in Wien. Das Leben in Österreich sei sehr schön und der Drittbeschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie im Libanon, der es schlecht gehe. Seine Flucht habe sein Vater bezahlt und sein Onkel (= Erstbeschwerdeführer) organisiert. Zum Beweis legte er seinen Reisepass, einen Personen- und einen Familienregisterauszug vor.

1.5. Mit einem als „Stellungnahme – Vollmachtsbekanntgabe“ betitelten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 20.10.2020 wurde der Erstbeschwerdeführer mit der Pflege und Erziehung des Drittbeschwerdeführers betraut und die Empfehlung ausgesprochen, die Übertragung der Obsorge beim zuständigen Bezirksgericht zu beantragen (vgl. AS 139 im Akt des Erstbeschwerdeführers).

1.6. Am 22.10.2020 fand die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anwesenheit eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache statt, im Zuge derer er zunächst angab, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zum Asylverfahren zu machen. Seine bisherigen Angaben würden der Wahrheit entsprechen. Sein Sohn (= Zweitbeschwerdeführer) sei gesund, jedoch aufgrund von Albträumen wegen einer möglichen Rückkehr nach Rumänien psychisch belastet. Der Erstbeschwerdeführer lebe mit seinem Sohn (= Zweitbeschwerdeführer) und seinem Neffen (= Drittbeschwerdeführer) in einem gemeinsamen Zimmer im Lager; eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit bestehe nicht. In Rumänien sei er gezwungen worden, seine Finderabdrücke abzugeben, nachdem man ihm gedroht habe, ihm die Kinder wegzunehmen, wenn er sich weigere. Die Beschwerdeführer seien aus Rumänien ausgewiesen worden. Der Erstbeschwerdeführer nehme Tabletten und einen Magenschutz gegen Kopfschmerzen sowie gegen eine verstopfte Nase. In Rumänien habe er für Medikamente betteln müssen. Österreich sei sein Zielland gewesen und er wolle nicht und werde nie wieder nach Rumänien gehen.

1.7. Betreffend den Drittbeschwerdeführer richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.11.2020 ein auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Rumänien und führte darin aus, dass der Erstbeschwerdeführer für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer obsorgeberechtigt sei.

Mit Schreiben vom 10.12.2020 lehnte die rumänische Dublinbehörde die Aufnahme des Drittbeschwerdeführers gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO ab und teilte mit, dass dem Aufnahmegesuch die schriftliche Zustimmung der betroffenen Personen fehlt (vgl. AS 117 im Akt des Drittbeschwerdeführers).

In der Folge richtete das Bundesamt am 30.12.2020 eine Remonstration an Rumänien und begründete die Zuständigkeit Rumäniens dahingehend, dass der Erstbeschwerdeführer die Obsorge über den Drittbeschwerdeführer hat (vgl. AS 121: „… has the custody of his minor nephew …“).

Nach dieser Remonstration stimmte die rumänische Dublinbehörde mit Schreiben vom 11.01.2021 gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO der Aufnahme des Drittbeschwerdeführers ausdrücklich zu (vgl. AS 129 im Akt des Drittbeschwerdeführers).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 13.01.2021 wurde dem Drittbeschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Rumänien angenommen wird.

2.1. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021 wurden die Anträge des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. der jeweils angefochtenen Bescheide wurde gegen den Erst- und den Zweitbeschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Rumänien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die beiden Beschwerdeführer syrische Staatsangehörige seien und zur Volksgruppe der Araber gehören würden. Der Zweitbeschwerdeführer habe Alpträume, sodass es ihm psychisch nicht gut gehe. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass beim Erst- und beim Zweitbeschwerdeführer schwere psychische Störungen oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Sie hätten in Rumänien am XXXX .07.2020 Asylanträge gestellt und Rumänien habe sich mit Schreiben vom 09.09.2020 für die Führung ihrer Asylverfahren zuständig erklärt. In Österreich befinde sich zudem der minderjährige Neffe des Erstbeschwerdeführers. Mit Schreiben vom 11.01.2021 hätten die rumänischen Behörden dessen Übernahme gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zugestimmt.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich im Verfahren keine Hinweise auf körperliche Krankheiten oder psychische Störungen ergeben hätten. Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 zu Rumänien betreffend den Erstbeschwerdeführer und aufgrund des Konsultationsverfahrens mit Rumänien, ergäbe sich die Zuständigkeit Rumäniens. Die Feststellungen zum Familienleben würden auf den nicht anzuzweifelnden Angaben des Erstbeschwerdeführers beruhen. Betreffend die Lage im Mitgliedstaat wurde ausgeführt, dass diese Feststellungen auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren würden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergebe, dass Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt sei. Im gegenständlichen Fall seien alle Familienmitglieder von der Ausweisungsentscheidung betroffen, was keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben darstelle. Auch sei anzunehmen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zu kurz sei, als dass ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens anzunehmen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Rumänien sei bereit, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen und ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Rumänien treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführern gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Rumänien als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es ergebe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden seien. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021 wurde der Antrag des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz ebenfalls ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung seines Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Drittbeschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig ist.

Dieser Bescheid wurde dem Erstbeschwerdeführer als dessen angeblicher gesetzlicher Vertreter zugestellt.

Der (tatsächliche) gesetzliche Vertreter des minderjährigen Drittbeschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG erhob mit Schriftsatz vom 02.02.2021 Beschwerde.

3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 12.02.2021 als unzulässig zurück und führte aus, dass der Erstbeschwerdeführer nicht der gesetzliche Vertreter des Drittbeschwerdeführers sei und die Zustellung an diesen folglich unwirksam gewesen sei. Der bekämpfte Bescheid sei nicht erlassen worden.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2021 wurde der Antrag des minderjährigen Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz ebenfalls ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO für die Prüfung seines Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Drittbeschwerdeführers nach Rumänien zulässig ist.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des Drittbeschwerdeführers feststehe, er an keinen schweren psychischen Störungen oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leide und sich Rumänien mit Schreiben vom 11.01.2021 gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO für zuständig erklärt habe. Darüber hinaus enthält dieser Bescheid eine den Bescheiden vom 18.01.2021 (nahezu) gleichlautende
Begründung.

Dieser Bescheid wurde rechtswirksam dem gesetzlichen Vertreter gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG des Drittbeschwerdeführers zugestellt.

5. Gegen die oben angeführten Bescheide vom 18.01.2021 erhoben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer am 02.02.2021 im Wege ihres ausgewiesenen Vertreters und der Drittbeschwerdeführer gegen den ihn betreffenden Bescheid vom 19.03.2021 am 30.03.2021 im Wege seines gesetzlichen Vertreters fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen Behördenwillkür, inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde ausgeführt, dass der Drittbeschwerdeführer ein unbegleiteter Minderjähriger sei und die Ausweisung der Beschwerdeführer nach Rumänien sowie die mangelnde Versorgung in Rumänien eine Verletzung des Art. 3 EMRK begründen würden. Eine schriftliche Zustimmung der Beschwerdeführer gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zur Überstellung nach Rumänien sei nicht erfolgt. Die Behörde habe keine Ermittlungen zum Kindeswohl durchgeführt. Die belangte Behörde habe es auch verabsäumt sich neben der rechtlichen mit der tatsächlichen Situation in Rumänien, insbesondere vulnerable Personen und medizinische Versorgung betreffend, auseinander zu setzen.

6. Mit Beschluss vom 12.02.2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden des Erst- und Zeitbeschwerdeführers und mit Beschluss vom 09.04.2021 der Beschwerde des Drittbeschwerdeführers aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A) Zurückverweisung:

1.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 2 Definitionen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck […]

j) „unbegleiteter Minderjähriger“ einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt einen Minderjährigen ein, der nach Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wird;

[…]

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) […]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können – sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a)       einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b)       einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c)       einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d)       einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

2.1. In den gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass in materieller Hinsicht Rumänien zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz zuständig ist. Die Verpflichtung Rumäniens zur Wiederaufnahme des Erst- und des Zweitbeschwerdeführer basiert, nachdem diese dort Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben, die abgelehnt wurden, auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO. Die Aufnahme des Drittbeschwerdeführers stützte Rumänien auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO. Rumänien hat der Übernahme des Erst- und Zweitbeschwerdeführers auf der Basis des Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO (vgl. AS 57 im Akt des Erstbeschwerdeführers) und jener des Drittbeschwerdeführers auf der Basis des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. AS 129 im Akt des Drittbeschwerdeführers) ausdrücklich zugestimmt.

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es wäre daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in den gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Im vorliegenden Fall kann die allfällige Verpflichtung der Republik Österreich zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes noch nicht abschließend beurteilt werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in den angefochtenen Bescheiden keine hinreichenden Feststellungen betreffend die gesetzliche Vertretung des Drittbeschwerdeführers und die familiäre Bindung zwischen den Beschwerdeführern sowie zu den Auswirkungen einer Außerlandesbringung getroffen. Es wurde der gegenständliche Sachverhalt nicht abschließend ermittelt, um eine Grundlage für diese Entscheidung zu schaffen.

2.2.1. Im gegenständlichen Verfahren haben die Beschwerdeführer die fortgesetzte Flucht aus dem Libanon nach Europa gemeinsam bestritten und sind in der Folge auch gemeinsam in das Bundesgebiet eingereist. In Österreich leben sie seither in einem gemeinsamen Haushalt. Im Hinblick auf die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK hat das Bundesamt zum Familienleben der Beschwerdeführer untereinander ausgesprochen, dass gleichlautende Entscheidungen für den Erst- und den Zeitbeschwerdeführer sowie für den Drittbeschwerdeführer, dessen Obsorge beim Erstbeschwerdeführer liege, ergehen würden. Durch die Ausweisung der gesamten Familie nach Rumänien bleibe die Einheit der Familie gewahrt und insofern würde kein Eingriff in Art. 8 EMRK vorliegen.

Allerdings hat die Behörde zunächst unrichtig angenommen, dass der Erstbeschwerdeführer der gesetzliche Vertreter seines Neffen – des Drittbeschwerdeführers – ist und nicht dessen Eltern, die sich im Libanon befinden, bzw. in Österreich eine Bezirkshauptmannschaft (in Wien der Magistrat) als Jugendwohlfahrtsträger.

Nach Berichtigung im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.03.2021 nahm die Behörde jedoch keine ergänzende Auseinandersetzung mit dem Umstand vor, ob es sich folglich beim Drittbeschwerdeführer um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Sinne des Art. 2 lit. j Dublin III-VO handelt. Die Definition des Art. 2 lit. j Dublin III-VO stellt nunmehr auf das nationale Recht des betreffenden Mitgliedstaats und nicht mehr auf das Familienrecht des jeweiligen Herkunftsstaates ab.

Gemäß § 178 ABGB hat das Gericht unter Beachtung des Kindeswohls insbesondere Pflegeeltern mit der Obsorge zu betrauen, wenn unter anderem die Verbindung mit den Eltern nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden kann – wovon bei unbegleiteten Minderjährigen in aller Regel auszugehen sein wird. Folglich ist das als „Stellungnahme – Vollmachtsbekanntgabe“ betitelte Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX kein Nachweis dafür, dass dem Erstbeschwerdeführer die Obsorge für den Drittbeschwerdeführer zukommt.

Die Behörde hat dies jedoch angenommen und der rumänischen Dublinbehörde in der Remonstration vom 30.12.2020 mitgeteilt. Ferner liegen auch keine schriftlichen Zustimmungen der „betroffenen Personen“ – wie in Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gefordert – vor.

2.2.2. Vor dem Hintergrund dieser Informationen hätte der Drittbeschwerdeführer als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling im Sinne des Art. 2 lit. j Dublin III-VO angesehen werden müssen. Dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29.06.2013, U1446/2012, bezugnehmend auf die Rechtsprechung des EuGH ist Folgendes zu entnehmen:

„Im Hinblick auf die durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärte Rechtslage hätte der Asylgerichtshof ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den von der 15jährigen Zweit- und der 13jährigen Drittbeschwerdeführerin gestellten Anträgen um Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger handelt, hinsichtlich dieser Asylanträge nicht von einer Zuständigkeit Ungarns ausgehen dürfen. Das muss dann auch bei Beurteilung der Frage, ob Österreich im Hinblick auf den 19jährigen Bruder – bei dem es sich zwar um keinen Familienangehörigen iSv Art 2 lit i Dublin-II-VO handelt, der mit seinen minderjährigen Schwestern aber ein durch Art 8 EMRK geschütztes Familienleben führt – von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen hätte müssen, eine Rolle spielen.“

Trotz des Bezugs auf die nunmehr durch die Dublin III-VO ersetzte Dublin II-VO, finden die diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Grundsätze auch hier Anwendung. Ob es sich bei dem Verhältnis der Beschwerdeführer zueinander um ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben handelt, wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu beurteilen haben.

2.2.3. Zusammengefasst ist sohin auszuführen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im fortgesetzten Verfahren den Umstand, dass es sich bei dem Drittbeschwerdeführer wohl um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Sinne des Art. 2 lit. j Dublin III-VO handeln dürfte, zu berücksichtigen und die individuellen Auswirkungen einer allfälligen Überstellung nach Rumänien zu prüfen haben wird. Im Hinblick auf alle drei Beschwerdeführer ist eine Auseinandersetzung mit ihrer familiärer Bindung und dem Kindeswohl vorzunehmen. Zudem haben betreffend den Drittbeschwerdeführer Erhebungen zu einer allfälligen Änderung seiner gesetzlichen Vertretung seit Erlassung bzw. Zustellung des angefochtenen Bescheides zu erfolgen.

Auf Grundlage dieser Erhebungen sind sodann entsprechende Feststellungen zum Familienleben der Beschwerdeführer zu treffen. Ferner wird für den Fall, dass es durch die neu zu erlassenden Bescheide zu einer Trennung des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers vom minderjährigen Drittbeschwerdeführer kommt, eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmen sein. Sollte das Bundesamt zu dem Schluss kommen, dass eine Trennung der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, wird das Ergebnis dieser Interessensabwägung den Beschwerdeführern bzw. ihren (gesetzlichen) Vertretern im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen und ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen sein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In den gegenständlichen Fällen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass den Beschwerden stattzugeben und die bekämpften Bescheide zu beheben sind. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegenden) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und die Einräumung eines Parteiengehörs entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverfahren individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2239311.1.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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