TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W215 2212813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W215 2212813-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2018, Zahl 1193243010-180511441, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2021, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz,
BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Anmerkung: Der überlange Verfahrensgang erwies sich in diesem Verfahren - ausnahmsweise - als notwendig, da der Beschwerdeführer eine Flut von Schriftstücken vorlegte. Um den Überblick nicht zu verlieren war es erforderlich bereits vorab die einzelnen Dokumente anzuführen.

1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Er stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und gab anlässlich seiner niederschriftlichen Erstbefragung am 02.06.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache zusammengefasst an, er sei Angehöriger der Volksgruppe der XXXX , Atheist, geschieden und zuletzt in XXXX , in der Russischen Föderation, wohnhaft gewesen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter lebe nach wie vor in der Russischen Föderation, außerdem habe der Beschwerdeführer einen am XXXX geborenen Sohn, welcher XXXX lebe. Der Beschwerdeführer sei am XXXX problemlos, legal, ohne Schlepper, mit dem Bus von XXXX nach Weißrussland gefahren und von dort nach zwei Tagen in die Ukraine weitergereist. Am XXXX habe er die Ukraine verlassen und sei am 31.05.2018 in Österreich angekommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er in der Russischen Föderation aus politischen Gründen von den Behörden verfolgt wurde, da er mehrmals an Protestbewegungen bzw. Demonstrationen teilgenommen habe, wobei es aus den folgenden Gründen protestiert habe: „…gegen diverse Kriege, welche Russland führt (Ukraine, Syrien), gegen Korruption und gegen die russische Regierung/Putin“. Der Beschwerdeführer sei von Behörden bereits dreimal verhaftet worden und 22 Tage in Haft gewesen. Im Falle der Rückkehr befürchte er neuerlich verhaftet, verurteilt und im Gefängnis eingesperrt zu werden.

Es folgte eine niederschriftliche Befragung am 13.09.2018 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in welcher der Beschwerdeführer zusammengefasst angab, dass er gesund sei, seine Angaben anlässlich seiner Erstbefragung am 02.06.2018 würden der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer lege als Beweismittel eine CD mit Videos, Fotos und Dokumente vor und führte nach deren Sichtung erklärend aus, dass es sich dabei um zwei Dokumente aus der Ukraine handle, ersteres sei ein negativer Bescheid in seinem ukrainischen Asylverfahren, das andere die dagegen eingebrachte Beschwerde; diese sei abgewiesen worden. Weiters wären auf der CD Videos von einer Demonstration am XXXX zusehen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er am XXXX festgenommen und wieder freigelassen worden sei. Am XXXX sei er aus anderen Gründen erneut verhaftet und drei Tage lang angehalten worden.

In der niederschriftlichen Befragung am 15.11.2018 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte der Beschwerdeführer die Übersetzungen der in der vorangegangenen Befragung am 13.09.2018 erwähnten Unterlagen zu seinem Asylverfahren in der Ukraine vor; zudem einen USB Stick. Der Beschwerdeführer gab an, dass er neben Mutter und Sohn mehrere Onkel und Tanten habe, alle leben nach wie vor in der Russischen Föderation und zu ihnen habe er regelmäßig Kontakt. Vor seiner Ausreise habe er in seinem Haus in XXXX gelebt, welches der Beschwerdeführer im Jahr XXXX gekauft habe und das immer noch in seinem Eigentum sei. Der Beschwerdeführer sei in XXXX (Anmerkung: damals UdSSR; mittlerweile XXXX geboren, habe acht Jahre die Schule besucht und drei Jahre danach eine Lehre abgeschlossen; er habe von XXXX seinen Militärdienst absolviert und danach als „ XXXX “ gearbeitet. Im Jahr XXXX habe der Beschwerdeführer Kurse besucht und danach als „ XXXX gearbeitet. Im Jahr nach seiner Eheschließung sei am XXXX sein Sohn geboren; XXXX sei er mit seiner Familie XXXX gezogen. 2001 sei der Beschwerdeführer, ohne seine Familie, nach XXXX in der Russische Föderation gefahren und habe dort die russische Staatsbürgerschaft bekommen; seine Frau und sein Sohn seien XXXX geblieben. 2004 sei der Beschwerdeführer nach XXXX gereist, wo er XXXX sein Haus gekauft habe in welchem er, gemeinsam mit seiner Mutter, bis XXXX gelebt habe. Nach seiner legalen Ausreise aus der Russischen Föderation nach Weißrussland, sei der Beschwerdeführer von dort legal mit seinem russischen Inlandspass in die Ukraine eingereist und habe dort um Asyl angesucht.

Nach seinen Asylgründen gefragt gab der Beschwerdeführer an, am XXXX den Entschluss gefasst zu haben Russland zu verlassen. Er sei am XXXX festgenommen worden und in Isolationshaft gewesen. Er habe mitbekommen, dass XXXX stattgefunden habe. Er habe einen Rechtsanwalt bekommen, dieser habe ihm den Rat gegeben, das Land zu verlassen, da der Beschwerdeführer, wenn er weiter demonstriere in Untersuchungshaft kommen werde und danach auch eine längere Inhaftierung möglich sei. Eine Woche nach seiner Entlassung habe sich der Beschwerdeführer versteckt, bevor er ausgereist sei; der Beschwerdeführer habe sich bis zum XXXX versteckt. Am XXXX habe er seine Mutter nach XXXX zurückgeschickt, da er nicht gewollt habe, dass sie wegen ihm leide.

Zum ersten Mal habe er im XXXX an einer Demonstration gegen den Krieg zwischen Russland und der Ukraine teilgenommen. Es seien regelmäßig weitere Demonstrationen gefolgt, einzeln oder als Gruppe, welche der Beschwerdeführer teilweise auch organisiert habe. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit Herrn XXXX , welcher nach wie vor in der Russischen Föderation in XXXX lebe, die Demonstrationen angeführt. Beide hätten sich immer sonntags getroffen und seien in die Stadt gegangen. Diesen Demonstrationen hätten sich gegen Korruption, den Krieg gegen die Ukraine und das Stehlen gerichtet. Es hätten ca. 10 bis 300 Leute teilgenommen, am XXXX wäre es eine große Demonstration mit ca. 3.000 Leuten gewesen, diese habe XXXX organisiert, es sei eine Demonstration gegen Korruption gewesen; der Beschwerdeführer sei auch beteiligt gewesen.

-        Der Beschwerdeführer brachte die Kopie der Übersetzung seines erstinstanzlichen Urteils im ukrainischen Asylverfahren vom XXXX in Vorlage, aus dem unter anderem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am XXXX seinen Asylantrag gestellt hat und neben seinem russischen Inlandspass auch seinen russischen Führerschein und seinen russischen Auslandsreispass bei sich trug. Zudem geht aus der Entscheidung hervor, dass der Beschwerdeführer angegeben hat geschieden und kinderlos zu sein und die Russische Föderation legal - mit Genehmigung der zuständigen Stellen der Russischen Föderation - am XXXX verlassen hat. Dem Beschwerdeführer wurde kein Asyl gewährt. Der Beschwerdefrüher legte dazu die Kopie der Übersetzung einer Nachricht XXXX des ukrainischen Migrationsdienstes vom XXXX vor. Laut Kopie der Übersetzung des ukrainischen Urteils vom XXXX wurde die erste Entscheidung vom XXXX bestätigt. Das gleiche geht auch aus der vorgelegte Kopie der Übersetzung eines weiteren ukrainischen Urteils vom XXXX hervor.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, das erste Mal am XXXX verhaftet worden zu sein und einen Rechtsanwalt gehabt haben:

-        Dazu brachte er die Kopie der Übersetzung einer russischen Entscheidung vom XXXX als Beweismittel im Vorlage, darin steht zusammengefasst, dass er wegen der Verwaltungsübertretung der Nichtanmeldung einer am XXXX um XXXX Uhr stattgefundenen Demonstration mit mindestens 20 Teilnehmern vor einem Gericht XXXX angeklagt worden sei. Laut beigefügtem Urteil wurde der Beschwerdeführer deswegen zu drei Tagen Verwaltungshaftstrafe – Beginn ab dem Zeitpunkt seiner Festnahme am XXXX - verurteilt worden.

-        Der Beschwerdeführer brachte zudem eine Kopie der Übersetzung einer russischen Entscheidung vom XXXX , Zahl XXXX , in Vorlage worin unter anderem steht, dass er keine Kinder hat und arbeitslos ist und am XXXX , mit mindestens 1.000 anderen Menschen, an einer nicht genehmigten Versammlung in XXXX teilgenommen hat und eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 15.000 Rubel verhängt wird. Weites brachte er die Kopie einer Übersetzung einer Entscheidung vom XXXX , Zahl XXXX , in Vorlage worin ebenfalls steht, dass der Beschwerdeführer keine Kinder hat, arbeitslos ist und am XXXX , mit mindestens 1.000 anderen Menschen, an einer nicht genehmigten Versammlung in XXXX teilgenommen hat und eine Verwaltungshaftstrafe von 10 Tagen verhängt werde.

Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass er drei Tage nach seiner Haftentlassung (die Anhaltung habe drei Tage gedauert) erneut festgenommen, aber diesmal zehn Tage inhaftiert worden sei; nach Rückübersetzung korrigierte der Beschwerdeführer auf neun Tage Haft.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er Beweise beibringen könnte, welche zeigen würden, dass Demonstrationsmitglieder wegen Terrorismus angeklagt würden. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass auch Herr XXXX Vorwürfe gemacht worden seien, dass dieser bei XXXX mitgemacht habe, daraufhin sei Herr XXXX ungefähr im XXXX festgenommen und zehn Tage inhaftiert gewesen, das hätte dem Beschwerdeführer ein Herr XXXX , der Moderator einer Seite bei YouTube gewesen sei und sich in XXXX aufhalte bzw. dort um Asyl angesucht hätte, da es gegen ihn eine Anklage wegen Extremismus und Terrorismus geben würde, berichtet.

Beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl langten am 15.11.2018 folgende Unterlagen per Email ein:

-        Die Kopien von insgesamt acht Fotos, auf welchen Polizisten und Demonstranten bzw. auf zwei der Fotos eine Person mit einer „Putinmaske“ zu sehen sind.

-        Die Kopie der Übersetzung eines undatierten Schreibens, worin zusammengefasst steht, dass der Beschwerdeführer in Kiew in der Ukraine erzählt habe, dass er im Jahr 2016 begonnen hätte aktiv an Protestbewegungen teilzunehmen und Russland verlassen musste, weil er verfolgt wurde. Der Beschwerdeführer hätte erzählt, dass er drei Tage nach dem Verlassen der Haftanstalt sofort wieder verhafte wurde, ein Gerichtsverfahren gehabt habe, bei dem ihm ein Anwalt erlaubt wurde.

-        die Kopie der Übersetzung eines undatierten Schreibens, worin zusammengefasst steht, dass die Polizei am Dienstag einen Aktivisten festgenommen hat, der am XXXX bei einer Protestaktion zwei Mal festgenommen wurde. Der XXXX sagte, dass es der Beschwerdeführer sei, der einer Bewegung angehört, die per Gerichtsurteil als extremistisch verboten wurde. Das erste Mal sei der Beschwerdeführer am XXXX festgenommen und zur Polizei gebracht worden, wo er drei Tage verbrachte. Er habe wegen Missachtung von Polizisten und Verstößen während der Kundgebung weiter neun Tage Haft erhalten. Die Frist sei am Dienstag abgelaufen und der Beschwerdeführer erneut festgenommen worden – diesmal wegen einer Protestaktion am XXXX . In den letzten Wochen sei bekannt geworden, dass mehrere Aktivsten festgenommen worden seien und XXXX das Land verlassen habe. Die Strafverfolgungsbehörden hätten gegen ihn Anklage wegen extremistischer Aktivitäten erhoben.

-        Die Kopie eines Internetausdrucks samt Übersetzung vom XXXX , worin zusammengefasst steht, dass das XXXX am XXXX die Entscheidung, den Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an der Kundgebung am XXXX sowie Missachtung von Polizisten zu bestrafen, aufhebt. Am XXXX sei der Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an der Kundgebung vom XXXX festgenommen worden und am XXXX habe das Gericht eine Geldstrafe von „15.000“ und zehn Tagen Haft verhängt. Diese Entscheidung sei wegen Nichtzulassung eines Verteidigers bei der Polizeibehörde später vom russischen Gericht mit der Begründung aufgehoben worden, dass das Verteidigungsrecht des Beschwerdeführers grob verletzt worden sei.

-        Die Kopie eines vierseitigen Internetausdrucks einer Russischen NGO Gruppierung in Moskau in Englisch – letztes update am XXXX -, in welchem zusammengefasst steht, dass ein Aktivist namens XXXX , geboren XXXX , wegen Terrorismus zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, politischer Gefangener und untergewichtig sei. Es wird über einen anderen „politischen Gefangenen“ namens Herrn XXXX berichtet, darüber, dass Unterstützer von XXXX in einigen Städten nicht die Erlaubnis erhalten hätten politische Veranstaltungen abzuhalten und „kleine Siege“ errungen wurden, indem freudig berichtet wird, dass ein XXXX Gericht die Verurteilungen des Beschwerdeführers zu 15.000 Rubel und zehn Tagen Haft aufgehoben hat.

-        Die Kopie eines Internetausdrucks aus Wikipedia zu Herrn XXXX , letztes update am XXXX . Darin steht zusammengefasst, dass es sich um einen russischen Politiker XXXX .

-        Eineinhalb Seiten eines undatierten Schreibens in Englisch, worin zusammengefasst steht, dass am XXXX .

Im Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl findet sich eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu XXXX vom XXXX . Daraus geht unter anderem zusammengefasst auch hervor, dass es sich bei XXXX nicht um eine politische Partei mit klaren Strukturen, sondern XXXX

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.11.2018, Zahl 1193243010-180511441, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß
§ 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats wurde zusammengefasst ausgeführt, dass feststehe, dass der Beschwerdeführer an einer Demonstration am XXXX teilgenommen habe, jedoch nicht, dass er seit XXXX an mehreren Demonstrationen teilgenommen und diese mitorganisiert hätte. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer verhaftet wurde und er aufgrund einer Verwaltungsübertretung (Nichtanmeldung einer öffentlichen Demonstration) zuerst zu einer Geldstrafe und dann zu einer Verwaltungsverwahrungshaft verurteilt wurde, jedoch habe nicht festgestellt werden können, wie oft und wie lange er tatsächlich insgesamt inhaftiert war, da lediglich eine Entscheidung vom XXXX und eine vom XXXX vorgelegt wurden, eine dritte Inhaftierung habe mangels Vorlage entsprechender Dokumente nicht festgestellt werden können. Infolge einer Internetrecherche seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 21.11.2018 habe zudem ermittelt werden können, dass das Gericht XXXX die Anklage gegen den Beschwerdeführer verworfen habe. Eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer gerichtete, Verfolgung habe von diesem nicht glaubhaft gemacht werden können, unter anderem sei es dem Beschwerdeführer völlig problemlos gelungen, sein Heimatland auf legalem Wege zu verlassen. Das legale Verlassen der Russischen Föderation konnte ebenso festgestellt werden, wie das Asylansuchen des Beschwerdeführers in der Ukraine, sowie der Nichterhalt desselben XXXX . In der ukrainischen Entscheidung sei begründend angegeben worden, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer von staatlichen Akteuren der Russischen Föderation verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer sei nicht aus Gründen der Rasse, Nationalität, Staatsangehörigkeit, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt. Glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer mit dem Wunsch auf Migration und aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa reiste und eine fiktive Fluchtgeschichte entwickelte, die nur der Asylerlangung dienen sollte.

Mit Verfahrensanordnung vom 27.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß
§ 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2018, Zahl 1193243010-180511441, erhob der Beschwerdeführer am 27.12.2018 fristgerecht gegenständliche Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Im Wesentlichen wurden mehrmalige Verhaftungen des Beschwerdeführers aufgrund seines Engagements in der XXXX Bewegung mit drohender Verfolgung im Herkunftsstaat verknüpft, Unterlagen z.B. in Form von Fotos und englischsprachigen Auszügen aus Zeitungsberichten vorgelegt. Der Beschwerdeführer wird in keinem davon namentlich erwähnt, hingegen, wird wieder – wie bereits in der Kopie der Übersetzung eines undatierten Schreibens das dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.11.2018 per Email übermittelt wurde - Herrn XXXX genannt, zudem ein Herr XXXX als Aktivisten von XXXX und Frau XXXX als Aktivistin von „ XXXX “, wobei bezüglich der bei den beiden Letztgenannten in der Beschwerde kein konkreter Zusammenhang mit bzw. Bezug zum Beschwerdeführer dargelegt wird.

2. Die Beschwerdevorlage vom 09.01.2019 langte am 14.01.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Für den 14.12.2020 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht anberaumt, zu welcher der Beschwerdeführer, in Begleitung seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters, erschien. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erschienen nicht. In der Verhandlung wurden die Quellen der zu Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan, auf deren Einsichtnahme und Ausfolgung der Beschwerdeführer und sein Vertreter verzichteten. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Am 04.01.2021 langte eine schriftliche Stellungahme des Beschwerdeführers vom 03.01.2021 im Bundesverwaltungsgericht ein, darin werden die Herrn XXXX

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

a) Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gibt an keiner Volksgruppe anzugehören und ist Atheist. Seine Muttersprache ist Russisch; er spricht nicht Deutsch. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX geboren, besuchte acht Jahre die Schule und schloss drei Jahre später eine Lehre ab. Von XXXX leistet er Militärdienst, anschließend arbeitete er für verschiedene Unternehmen zunächst als „ XXXX “, später als „ XXXX “ und bis XXXX . Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Ehegattin, von der er mittlerweile geschieden ist, ab XXXX . Er kaufte im Jahr XXXX in XXXX ein Haus, welches nach wie vor in seinem Eigentum steht und lebte darin, gemeinsam mit seiner Mutter, bis zum Tag seiner problemlosen legalen Ausreise aus der Russischen Föderation am XXXX .

b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.11.2018, Zahl 1193243010-180511441, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2018, Zahl 1193243010-180511441, zugestellt am 28.11.2018, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 27.12.2018 gegenständliche Beschwerde.

Die Beschwerdevorlage langte am 14.01.2019 im Bundeverwaltungsgericht ein.

Für den 14.12.2020 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt.

c) Zu den behaupteten Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

I. Der Beschwerdeführer hat die Russische Föderation problemlos legal nicht nur mit seinem beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten russischen Inlandspass, sondern auch mit seinem russischen Auslandsreisepass und russischen Führerschein am XXXX verlassen. Er stellte in der Ukraine einen Asylantrag, welchem nicht stattgegeben wurde und reiste danach illegal nach Österreich.

II. Der Beschwerdeführer hat zum ersten Mal im Jahr XXXX in der Russischen Föderation an einer Demonstration teilgenommen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals an der Organisation (irgend)einer Demonstration – somit auch nicht der XXXX – in der Russischen Föderation federführend beteiligt war.

Er hat am XXXX und am XXXX , als einfacher Demonstrant, an zwei nicht genehmigten Kundgebungen in XXXX teilgenommen und wurde deshalb, zwei Mal verurteilt, wobei seine zweite Verurteilung, nach seiner Ausreise, wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde:

-        So wurde der Beschwerdeführer - wegen der Ordnungswidrigkeit der bloßen Teilnahme an der nicht genehmigten öffentlichen Kundgebung am XXXX , um XXXX Uhr mit mindestens 20 Teilnehmern, skandierend XXXX - am XXXX festgenommen und gegen ihn drei Tagen Verwaltungshaftstrafe – Beginn ab dem Zeitpunkt seiner Festnahme am XXXX – verhängt sowie eine Geldbuße in der Höhe von 10.000 Rubel (ca. 110,- Euro). In dieser Entscheidung steht weder, dass der Beschwerdeführer an der Organisation der Kundgebung beteiligt war, noch wird der Name XXXX erwähnt.

-        Der Beschwerdeführer wurde zum zweiten Mal - wegen der Ordnungswidrigkeit der bloßen Teilnahme an der nicht genehmigten öffentlichen Versammlung am XXXX , XXXX , mit mindestens 1.000 anderen Menschen in
XXXX , skandierend „ XXXX “ - am XXXX festgenommen und von einem Richter in
XXXX am XXXX , zu einer Verwaltungshaftstrafe von zehn Tagen, berechnet ab dem Zeitpunkt seiner Festnahme am XXXX , sowie einer Geldbuße in der Höhe von 15.000 Rubel (ca. 165,- Euro) verurteilt. In der Entscheidung steht weder, dass der Beschwerdeführer an der Organisation dieser Versammlung beteiligt war, noch wird der Name XXXX erwähnt.

Diese zweite Verurteilung vom XXXX , zu 15.000 Rubel und 10 Tagen Haft, wurde wegen Rechtswidrigkeit mit Urteil des XXXX vom XXXX , aufgehoben.

III. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer - zwischen den beiden festgestellten Anhaltungen in Verwaltungshaft von drei und zehn Tagen (siehe oben II.) -, auch noch (ein weiteres Mal) neun Tage, lang angehalten wurde.

IV. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der XXXX

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Jahr XXXX politisch aktiv war und den Wahlkampf der Partei XXXX so gut führte, dass der deshalb arbeitslos wurde und damit die Aufmerksamkeit der „Sonderdienste Putins“ erregte. Ebenso wenig kann eine Verbindung des Beschwerdeführers zu einem - erstmals nach der Beschwerdeverhandlung, in der schriftlichen Stellungnahme vom 03.01.2021 erwähnten - Herrn XXXX festgestellt werden.

V. Zusammengefasst kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus der Russischen Föderation fliehen musste noch, dass er im Fall seiner Rückkehr Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates haben wird.

d) Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat:

Im Falle einer Rückkehr kann der gesunde, XXXX Beschwerdeführer wieder in seinem eigenen Haus in XXXX , oder falls gewünscht auch bei seinen Verwandten, wohnen. Es besteht ein genügend großes familiäres Netzwerk in Form seiner Mutter und seiner Tanten, die alle nach wie vor unbehelligt in der Russischen Föderation leben. Durch seine Ausbildung zum XXXX oder seine bis XXXX ausgeübte Tätigkeit als XXXX kann der Beschwerdeführer wieder, wie auch schon vor seiner Ausreise, seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er kann seine Bedürfnisse des täglichen Lebens durch Einkommen aus eigener Erwerbsarbeit stillen, seine Existenzgrundlage ist damit gesichert. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine seine Existenz gefährdende Notsituation geraten würde.

e) Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich:

Wie bereits zu a den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers festgestellt, reiste der geschiedene, alleinstehende, in Österreich unbescholtene Beschwerdeführer am XXXX legal mit dem Bus und seinem Auslandsreisepass von XXXX nach Weißrussland und später illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Er spricht nach wie vor nicht Deutsch, hält sich seit seiner Antragstellung auf internationalen Schutz mittlerweile drei Jahren in Österreich auf, geht keiner legalen Beschäftigung nach, bezieht durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung, ist in einer Asylwerberunterkunft untergebracht und verbringe seine Zeit in Österreich auf russischsprachigen Seiten im virtuellen Internet:

„…R: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

P: Positiv.

R: Bitte konkreter.

P: Ich möchte der Gesellschaft von Nutzen sein, so gut ich kann.

R: Das ist so allgemein, was meinen Sie damit?

P: Ich möchte arbeiten, aber ich kann noch nicht so gut Deutsch.

R: Warum lernen Sie nicht Deutsch, wenn Sie ohnehin den ganzen Tag im Internet sind?

P: Ich habe versucht, es selbst zu lernen. Das ist mir nicht gelungen, ich bin nicht sprachenbegabt…“ (Verhandlungsschrift Seite 21)

Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation; allfällige freundschaftliche Beziehungen in seiner Asylwerberunterkunft sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Eine überdurchschnittlich fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden. Es bestehen keinerlei familiäre Anbindungen in Österreich.

f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat mehr als 142,3 Millionen Einwohner (Stand Juli 2021) und ist schätzungsweis ca. 1,8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook letzte Aktualisierung 23.08.2021, abgefragt am 02.09.2021).

Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 01.2021a; EASO 03.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 01.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.03.2018; FH 04.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.03.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.03.2018; vgl. FH 03.03.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.03.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.03.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.03.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 01.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 01.2021a; vgl. FH 03.03.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 03.03.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 01.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.07.2020).

Der Föderationsrat ist als 'obere Parlamentskammer' das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 01.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 01.2021a; AA 21.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 01.2021a).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.09.2016; vgl. Global Security 21.09.2016, FH 03.03.2021). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die nächste Duma-Wahl steht im Herbst 2021 an (Standard.at 01.01.2021).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 01.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 01.2021a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 01.2021a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 08.09.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 09.09.2019). Hier stellt die Partei nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.09.2019). Die beiden letzten Parteien waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 09.09.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.07.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer 'smarten Abstimmung' aufgerufen. Die Bürgersollten Jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 09.09.2019).

Neben den bis Juli 2021 verlängerten wirtschaftlichen Sanktionen wegen des andauernden Ukraine-Konfliktes (Presse.com 10.12.2020) haben sich die EU-Außenminister wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny auf neue Russland-Sanktionen geeinigt. Die Strafmaßnahmen umfassen Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gegen Verantwortliche für die Inhaftierung Nawalnys (Cicero 22.02.2021).
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Nach rund drei Wochen hat der in einem Straflager inhaftierte Oppositionelle Alexej Nawalny am 23.04.2021 das Ende seines Hungerstreiks angekündigt. Nawalny hatte das Essen verweigert, um so gegen die unzureichende medizinische Versorgung zu protestieren. Nawalnys Ärzte hatten am 22.04.2021 in einem von Medien veröffentlichten Brief an den 44-Jährigen appelliert, seinen Hungerstreik sofort zu beenden. Die Ärzte hatten nach eigenen Angaben die vorliegenden Untersuchungsergebnisse ausgewertet. Nach Angaben des Bürgerrechtsportals Ovd-Info sind am 21.04.2021 bei landesweiten Demonstrationen für die Freilassung Nawalnys bis zu 2000 Menschen festgenommen worden. Allein bei der Kundgebung in St. Petersburg habe die Polizei mehr als 350 Demonstrierende in Gewahrsam genommen. Insgesamt listete das Portal Festnahmen in mehr als 80 Städten auf. Die Behörden hatten davor gewarnt, an den nicht genehmigten Protesten teilzunehmen. In Moskau sei die Demonstration hingegen ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Im Stadtzentrum waren Tausende Menschen auf den Straßen, um Nawalny zu unterstützen. Viele forderten auch den Rücktritt des russischen Präsidenten Putin, dem sie die Unterdrückung Andersdenkender vorwerfen. Insgesamt nahmen wesentlich weniger Demonstrierende an den Kundgebungen teil als im Januar und Februar 2021. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass bei den vorangegangenen landesweiten Solidaritäts-Demonstrationen mehr als 11.000 Menschen festgenommen worden waren und die Sicherheitskräfte mit teils massiver Härte gegen die Protestierenden vorgingen (BAMF 26.04.2021).

Die Büros der Organisation des russischen Putin-Kritikers Alexej Nawalny dürfen nicht mehr tätig sein. Die Regionalbüros wurden vom Staat am 30.04.2021 als extremistisch eingestuft und stehen jetzt auf der Liste der terroristischen und extremistischen Organisationen der Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring, die kurz zuvor eine entsprechende Aktualisierung ihrer Liste angekündigt hatte. Die russische Staatsanwaltschaft hatte am 27.04.2021 beantragt, Nawalnys Antikorruptionsstiftung FBK und das Netzwerk regionaler Organisationen des Regierungskritikers als extremistisch einzustufen und damit die Arbeit der Organisationen komplett zu verbieten. Mitgliedern und Unterstützern könnten dann lange Haftstrafen drohen. Daraufhin hatten sich die Regionalbüros am 27.04.2021 selbst aufgelöst, um möglicherweise einem kompletten Verbot infolge der befürchteten Einstufung als extremistisch zuvorzukommen. Einige der insgesamt 37 Büros wollen versuchen, ihre Aktivitäten als neue unabhängige politische Organisationen fortzusetzen. Die Regionalbüros sind bei Wahlen in den vergangenen Jahren für die Opposition wichtig gewesen, da sie immer wieder Kampagnen für sogenanntes intelligentes Wählen organisierten. Dabei riefen sie dazu auf, unabhängig von der Partei für jenen Kandidaten zu stimmen, der die besten Aussichten gegen den Kandidaten der Kreml-Partei Geeintes Russland hatte. Vor der Einstufung der Regionalbüros als extremistisch war am 30.04.21 auch bekannt geworden, dass in Moskau der prominente Anwalt Iwan Pawlow vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB festgenommen worden ist. Die von Pawlow geführte Anwaltsorganisation Komanda 29 vertritt u.a. die Bewegung um den inhaftierten Nawalny (BAMF 03.05.2021).

Nachdem die Regionalbüros des Netzwerkes von Alexej Nawalny bereits seitens der russischen Finanzaufsichtsbehörde zu „terroristischen und extremistischen Organisationen“ erklärt worden waren (vgl. BN v. 03.05.2021), hat das Moskauer Stadtgericht am 09.06.21 alle drei zum Netzwerk gehörenden Organisationen, d.h. neben den Regionalbüros auch die Antikorruptionsstiftung FBK und den Bürgerrechtsfonds FZPG, als „extremistisch“ eingestuft und somit offiziell verboten. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Nawalnys Organisationen der Destabilisierung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Land beschuldigt hatte. In der Folge drohen Mitarbeitenden, Spendenden und sonstigen Unterstützenden des Netzwerkes (sofern sie ihre Tätigkeit fortsetzen) bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sowie seit Kurzem der Ausschluss von der Parlamentswahl im September 2021. Hintergrund ist eine von Präsident Putin am 04.06.2021 unterzeichnete Gesetzesnovelle, die Personen mit aktuellen wie auch zurückliegenden Verbindungen zu „extremistischen“ Vereinigungen das passive Wahlrecht für mehrere Jahre entzieht. Beobachter sehen in dem Gerichtsurteil einen schweren, wenn auch erwartbaren „Schlag“ gegen Nawalny und die russische Opposition insgesamt. Medienberichten zufolge kündigten Nawalnys Anwälte umgehend Berufung an; auch eine Fortsetzung der Arbeit des Netzwerkes unter neuem Namen stehe im Raum (BAMF 14.06.2021).

Gegen den inhaftierten Putin-Kritiker Alexej Nawalny ist eine neue Anklage erhoben worden, die seine Gefängnisstrafe deutlich verlängern könnte. Ihm werde die Gründung einer rechtswidrigen Organisation vorgeworfen, erklärte das für schwere Straftaten zuständige Ermittlungskomitee. Im Falle einer Verurteilung drohen Nawalny zusätzlich drei Jahre Gefängnis. Konkret geht es um Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung FBK, die inzwischen in Russland als extremistisch eingestuft und im Juni 2021 verboten worden ist. Nawalny wird vorgeworfen, mit der Organisation die „Rechte der Bürger verletzt“ zu haben. Die FBK war vor zehn Jahren 14 gegründet worden und veröffentlichte seitdem u.a. mehrere Videos über versteckte Vermögen und Luxus Besitztümer von russischen Amtsträgern, insbesondere von Ministerpräsident Medwedjew und Präsident Putin. Die russische Opposition wirft der Führung in Moskau vor, im Vorlauf der geplanten Parlamentswahl im September 2021 eine massive Einschüchterungskampagne gegen regierungskritische Personen zu führen. Russischen Staatsmedien zufolge ist Ljubow Sobol, eine der engsten Unterstützerinnen Nawalnys, am 08.08.21 ausgereist, um der Vollstreckung eines Urteils zuvorzukommen (BAMF 16.08.2021).

(CIA, The World Factbook, Russland, letzte Aktualisierung am 23.08.2021, abgefragt am 02.09.2021, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/russia/

AA, Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2020c), Russische Föderation – Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710, Zugriff des BFA 16.02.2021

BTI, Bertelsmann Transformation Index (2020), BTI 2020 Country Report, Russia, https://bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RUS.pdf, Zugriff des BFA 17.02.2021

CIA, Central Intelligence Agency [USA] (05.02.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/russia/, Zugriff des BFA 16.02.2021

Cicero (22.02.2021): EU bringt wegen Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg, https://www.cicero.de/aussenpolitik/vermoegenssperren-einreiseverbote-eu-alexej-nawalny-russland-sanktionen, Zugriff des BFA 24.02.2021

EASO, European Asylum Support Office [EU] (03.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff des BFA 10.30.2020

FH, Freedom House (04.03.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html, Zugriff des BFA 16.02.2021

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Presse.com (19.03.2018): Putin, "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen", https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff des BFA 10.03.2020

Presse.com (10.12.2020), EU verlängerte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, https://www.diepresse.com/5909916/eu-verlangerte-wirtschaftssanktionen-gegen-russland, Zugriff des BFA 24.02.2021

RIA Nowosti (23.09.2016), ??? ???????? ?????????? ??????? ? ???????, https://ria.ru/20160923/1477668197.html, Zugriff 1 des BFA 0.3.2020

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Tagesschau.de (19.03.2018), Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff des BFA 10.03.2020

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BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 26.04.2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw17-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 03.05.2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 14.06.2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw24-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 16.08.2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw33-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4)
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Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Seien Sie weiterhin insbesondere an belebten Orten, bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel besonders aufmerksam. Insbesondere in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen großen Städten kann es im Zusammenhang mit nicht genehmigten Kundgebungen und Demonstrationen zu einem massiven, zum Teil gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte kommen. Ein Aufenthalt auch in der Nähe von nicht genehmigten Veranstaltungen sollte unbedingt vermieden werden. In den touristischen Zentren russischer Städte sowie in größeren Menschenansammlungen und in öffentlichen Verkehrsmitteln wie der Metro kommt es zu Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl. Wie auch in anderen Großstädten kann es in Bars und Clubs russischer Großstädte zu Straftaten und vereinzelt dem Einsatz von K.o.-Tropfen kommen. Bewusstlose Personen können Opfer sexueller Gewalt werden oder sich im Freien wiederfinden, was in den Wintermonaten lebensgefährlich sein kann. In nur offiziell aussehenden, aber nicht lizensierten Taxis sind Touristen Opfer von Straftaten geworden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 04.09.2021).

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 07.04.2021a; GIZ 01.2021d, EDA 07.04.2021). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 07.04.2021a; EDA 07.04.2021). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 07.04.2021).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern (SWP 04.2017). Seitdem war der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken sollte (SWP 04.2017; vgl. Deutschlandfunk 29.09.2020). Der Einsatz in Syrien ist der größte und längste Auslandseinsatz des russischen Militärs seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zunächst sollten nur die Luftstreitkräfte die syrische Armee unterstützen. Bodentruppen wurden erst später und in geringerem Maße mobilisiert - in Form von Spezialeinheiten und schließlich am Ende des Feldzugs als Militärpolizei. Es gab auch Berichte über den Einsatz privater paramilitärischer Strukturen (DW 29.09.2020). Hier ist vor allem die 'Gruppe Wagner' zu nennen. Es handelt sich hierbei um einen privaten russischen Sicherheitsdienstleister, der nicht nur in Syrien, sondern auch in der Ukraine und in Afrika im Einsatz ist. Mithilfe solcher privaten Sicherheitsdienstleister lässt sich die Zahl von Verlusten des regulären russischen Militärs gering halten (BPB 08.02.2021), und der teure Einsatz sorgt dadurch in der russischen Bevölkerung kaum für Unmut (DW 29.09.2020).

In den letzten Jahren rückte eine weitere Tätergruppe in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpften, wurde auf einige Tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017). Erst im Oktober 2020 wurden bei Spezialoperationen zentralasiatische Dschihadisten in Südrussland getötet und weitere in Moskau und St. Petersburg festgenommen (SN 15.10.2020).

(AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 03.08.2021, Stand 04.09.2021, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536

AA, Auswärtiges Amt [Deutschland] (07.04.2021a), Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536#content_0 , Zugriff des BFA 07.04.2021

BPB, Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (08.02.2021), Analyse: Söldner im Dienst autoritärer Staaten: Russland und China im Vergleich, https://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/327198/soeldner-im-dienst-autoritaerer-staaten, Zugriff des BFA 08.04.2021

Deutschlandfunk (28.06.2017), Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff des BFA 07.04.2021

Deutschlandfunk (29.09.2020), An Russland kommt im Nahen Osten niemand mehr vorbei, https://www.deutschlandfunk.de/fuenf-jahre-russischer-militaereinsatz-in-syrien-an.724.de.html?dram:article_id=484951, Zugriff des BFA 08.04.2021

DW, Deutsche Welle (29.09.2020): Russland im Syrien-Krieg: Gekommen, um zu bleiben, https://www.dw.com/de/russland-im-syrien-krieg-gekommen-um-zu-bleiben/a-55096554, Zugriff des BFA 08.04.2021

EDA, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (07.04.2021): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html#par_textimage, Zugriff des BFA 07.04.2021

GIZ, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (02.2020d): Russland, Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff des BFA 07.04.2021

SN, Salzburger Nachrichten (15.10.2020), Terrorzelle in Russland ausgeschaltet, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/terrorzelle-in-russland-ausgeschaltet-94250941, Zugriff des BFA 08.04.2021

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik (04.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, des BFA Zugriff 07.04.2021)

Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte für Verfassungs-, Zivil-, Verwaltungs- und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 03.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EuR – Europäischer Rat) als auch nationale Organisationen (Ombudsperson, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 06.2020). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive, und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kremls gebunden (FH 03.03.2021). Auch Korruption ist im Justizsystem ein Problem (EASO 03.2017, BTI 2020).

Das russische Justizsystem ist institutionell abhängig von den Untersuchungsbeamten, die häufig die Urteile bestimmen. Politisch wichtige Fälle werden vom Kreml überwacht, und Richter haben nicht genug Autonomie, um den Ausgang zu bestimmen (ÖB Moskau 06.2020). Die Personalkommission des Präsidenten und die Vorsitzenden des Gerichts kontrollieren die Ernennung und Wiederernennung der Richter des Landes, die eher aus dem Justizsystem befördert werden, als unabhängige Erfahrungen als Anwälte zu sammeln. Änderungen der Verfassung, die im Jahr 2020 verabschiedet wurden, geben dem Präsidenten die Befugnis, mit Unterstützung des Föderationsrates, Richter am Verfassungsgericht und am Obersten Gerichts

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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