Entscheidungsdatum
14.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2218428-1/9E
Schriftliche Ausfertigung des am 24.08.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019, Zl. XXXX, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße70/2/1.1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.08.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX, geb. am XXXX, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX, geb. am XXXX, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Republik Irak und stellte er am XXXX.2015, 13:30 Uhr, im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich einer am 13.11.2015 vor Organen der LPD XXXX stattgehabten Erstbefragung gab der BF als Beweggrund für Tod seines Bruders an die Grenze zur Türkei geflohen wären. Er hätte Angst vor dem Krieg gehabt und gebe es in seiner Heimat keine Zukunft und Sicherheit mehr. Deshalb sei er geflohen.
2. Am 26.01.2018 wurde er von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.
Anlässlich dieser Einvernahme gab er an, dass die Armee Anfang 2014 Baathisten zu suchen begonnen hätte; da viele seiner Familie Mitglieder der Baath-Partei gewesen seien, seien sein Vater und einige seiner Cousins verhaftet worden. Sein Vater sei am XXXX.2014 verhaftet worden. Er selbst sei zu dieser Zeit in XXXX gewesen. Nach der Ermordung seiner Brüder sei seine Familie zu ihm nach XXXX gekommen und seien sie gemeinsam nach XXXX gezogen. Dort seien sie geblieben, bis XXXX vom IS angegriffen worden sei. Das sei am 05.06.2015 gewesen. Nach dem Angriff durch den IS sei er „einfach mit den anderen geflüchtet“. Er habe durch die anderen Mitreisenden die Grenze illegal passieren können. Auch habe an der Grenze zum kurdischen Autonomiegebiet Chaos geherrscht. Bis heute komme die XXXX zu seiner Mutter und frage nach ihren Söhnen. Gegen den BF sei ein Haftbefehl erstellt worden, weil man ihm vorwerfe, dass er die Leute gegen das irakische Regime aufgehetzt habe. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er sich davor, schon am Flughafen getötet zu werden.
3. Mit Bescheid vom XXXX.2019, Zl. XXXX, sprach die belangte Behörde aus, dass der Antrag des BF auf Erteilung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 AsylG abgewiesen werde (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
4. Gegen diese Entscheidung brachte der BF im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung innerhalb offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein, die er mit den Anträgen verband, dass ihm a) die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen werden möge, b) ihm allenfalls subsidiärer Schutz gewährt werden möge, c) allenfalls der angefochtene Bescheid aufgehoben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückverwiesen werden möge, d) aufschiebende Wirkung gewährt werden möge, e) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt werden möge, in der er die vorgeworfenen Punkte des Bescheides persönlich entkräften könne, f) eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werden möge, g) ihm allenfalls ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden möge und h) allenfalls festgestellt werden möge, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig ist.
Begründend führte der BF in der Beschwerde im Kern aus, dass die Art und Weise, in welcher ihm die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit abgesprochen hätte, nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entspreche. Der BF habe sehr wohl detaillierte Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre der BF gerne bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Im Lauf des Verfahrens habe er weder Sachen verheimlicht, noch bewusst falsch dargestellt und sein Vorbringen auch nicht ausgewechselt oder später gesteigert. Soweit es ihm möglich war, habe er am Verfahren mitgewirkt und alle Fragen beantwortet. Als grober Verfahrensmangel sei anzusehen, dass er den Dolmetscher bei der Erstbefragung nicht habe verstehen können. Nach allgemeinen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF heißt es in der Beschwerde weiter, dass seine Verfolgung asylrelevant sei, weil die irakischen Behörden nicht in der Lage seien, Personen wie ihn vor der Gewalt der schiitischen Milizen zu schützen. Auch sei die Gefährdung aufgrund seiner Entwurzelung nicht beurteilt worden. Die gegen den BF bestehende Verfolgungsgefahr sei wohlbegründet, wie durch die Länderberichte belegt. Abgesehen davon bestehe die Gefahr, dass er einer existenzbedrohenden Lage ausgesetzt wäre, dies, weil sich auf Grund seiner langen Abwesenheit eine Entwurzelung aus seiner Heimat ergeben habe. Die Rückkehrbefürchtungen seien daher wohl begründet und es wäre subsidiärer Schutz zu erteilen gewesen. Der behördlichen Ermittlungsverpflichtung sei nicht adäquat Rechnung getragen worden.
5. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid erhobene Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.
6. Am 24.08.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich welcher der BF in Gegenwart seines Rechtsvertreters als Partei einvernommen wurde. Für die belangte Behörde erschien dagegen niemand, weshalb diese ihrer Mitwirkungspflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht nachkam. Im Anschluss an die Einvernahme des BF wurde das im Spruch näher dargestellte Erkenntnis mündlich verkündet und verzichtete der Beschwerdeführer nach erfolgter Belehrung über die Folgen des Verzichts gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und § 82 Abs. 3 VfGG ausdrücklich auf eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof bzw. eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Ausfertigung der Niederschrift samt Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde der belangten Behörde am selben Tag per ERV übermittelt.
7. Am 06.09.2021 beantragte die belangte Behörde mit einer Fax-Note die schriftliche Ausfertigung des am 24.08.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen
Der im Spruch näher bezeichnete Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Irak, ist am XXXX geboren und stammt aus der Stadt XXXX.
Er gehört der Ethnie der Kurden an und zählt sich selbst zur muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist nach eigenen Angaben kurdisch, doch spricht er aus eigenen Angaben „besser“ arabisch [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 3 oben].
Er ist nicht verheiratet und plant in nächster Zeit auch keine Eheschließung. Er hat weder leibliche, noch eheliche Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 5 oben].
Im Herkunftsstaat hat er die Schule besucht und diese zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2013 mit der Matura abgeschlossen. Nach der Matura hat er als XXXX in einem Restaurant in der Umgebung seiner Heimatstadt XXXX gearbeitet und sich auf diese Weise den Lebensunterhalt verdient [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 5f und 8 unten].
Der BF hat im Bundesgebiet keine hier lebenden Familienangehörigen oder Verwandten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 11 Mitte].
Er ist nach eigenen Angaben gesund und nimmt auch keine Medikamente zu sich [PV des BFin Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 3f].
1.2. Zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat, zur Reiseroute und zur Einreise der beschwerdeführenden Partei ins Bundesgebiet und der darauffolgenden Asylantragstellung:
Der BF ist am XXXX.2015, ausgehend von XXXX, mit dem PKW aus dem Herkunftsstaat ausgereist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 7 unten; Niederschrift der LPD Niederösterreich vom 13.11.2015, S. 3]. Bei seiner Ausreise hatte er ein vom Passamt XXXX ausgestelltes Reisedokument dabei. Die Reiseroute führte ihn direkt von XXXX nach Istanbul (Türkei). Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Istanbul setzte er mit einem Schlauchboot auf eine griechische Insel über, von wo aus er mit einer Fähre nach Athen gebracht wurde. Von hier aus gelangte er über die Balkanroute bis nach Österreich. Am XXXX.2015 überquerte er – ohne Reisedokument – sohin illegal die österreichische Grenze [Niederschrift der LPD XXXX vom 13.11.2015, S. 3 unten und S. 4 oben].
Nach Überquerung der Grenze ins Bundesgebiet stellte er hier vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde am XXXX.2015, 13:30 Uhr, einen Antrag auf Asyl [Niederschrift der LPD XXXX vom 13.11.2015, S. 2 Mitte].
Hinsichtlich des BF besteht ein EURODAC-Treffer zur Zl. XXXX [Niederschrift der LPD XXXX vom 13.11.2015, S. 5 Mitte].
Nach Ablegung der Matura zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2013 arbeitete er als XXXX in einem XXXX in der Umgebung von XXXX.
1.3. Zur individuellen Situation der BF im Heimatstaat:
Der BF ist unverheiratet und hat weder leibliche noch adoptierte Kinder.
Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat bewohnte der BF eine Unterkunft unterhalb jenes XXXX, in dem er arbeitete [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 10 unten].
Im Herkunftsstaat lebt lediglich die Mutter des BF. Sie lebt bei einem Onkel des Beschwerdeführers und bestreitet ihren Lebensunterhalt aus Mieteinnahmen aus ein einem, im Eigentum des Vaters des BF stehenden Geschäft. Dieses Geschäft befindet sich im Stadtteil XXXX in XXXX, der im rechtsufrigen Bereich des Tigris liegt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 11 oben].
Die Geschwister des Beschwerdeführers leben in Jordanien und bestreiten sie ihren Lebensunterhalt aus UN-Hilfsgütern [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 11 oben].
Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich lebten die Mutter und der Vater des BF im Herkunftsstaat. Von seinen insgesamt zwei Schwestern lebte Schwester XXXX im Herkunftsstaat; die zweite Schwester, XXXX, war bereits im Jahr XXXX verstorben. Von den insgesamt sechs Brüdern des BF lebten fünf Brüder – und zwar XXXX – im Herkunftsstaat, wobei einer der Brüder, XXXX, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2015 verstorben ist [Niederschrift der LPD XXXX vom 13.11.2015, S. 3 Mitte].
Der BF war seit Ablegung der Matura zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, als XXXX in einem XXXX in der Umgebung von XXXX tätig.
Sein Vater und der Großvater väterlicherseits waren Mitglieder der sozialistischen Baath-Partei. Diese Mitgliedschaft hatte für die Familie den Vorteil, dass sie deswegen in den Besitz von Immobilien gelangte. Als die irakische Armee zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2014 nach XXXX kam, übernahm diese die Sicherheitsakten in XXXX . Auf Grund der investigativen Tätigkeit des irakischen Geheimdienstes kam hervor, dass Teile der Familie des BF Mitglieder der Baath-Partei waren, weshalb in der Folge (zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im XXXX 2015) sein Vater und mehrere Cousins vom irakischen Geheimdienst verhaftet und durch diesen einvernommen wurden. Der irakische Geheimdienst erkundigte sich auch nach dem Beschwerdeführer und nach seinen Brüdern und erging die Aufforderung an den BF, sich beim Geheimdienst zu melden; doch wollte seine Mutter dem Geheimdienst keine Informationen über den Aufenthalt des BF bzw. den seiner Brüder preisgeben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 6 unten].
Dass auch der BF Mitglied der sozialistischen Baath-Partei gewesen wäre, kam anlassbezogen nicht hervor.
Im Herkunftsstaat hatte der BF nach eigenen Angaben keine Probleme mit den Gerichten, der Polizei oder mit den Verwaltungsbehörden. Er war zu keinem Zeitpunkt Adressat einer Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates bzw. Adressat einer Verfolgung oder Verurteilung durch ein Gericht des Herkunftsstaates [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 8 oben].
Auch hatte er während seines Aufenthalts im Herkunftsstaat nie einen persönlichen Kontakt zum IS oder zu Mitgliedern dieser Vereinigung noch hatte er Kontakt zu anderen, im Herkunftsstaat operativ tätigen bewaffneten Gruppierungen bzw. zu Mitgliedern von solchen. Er wurde auch nie von einem Mitglied einer solchen Gruppierung zu Kampfhandlungen angeworben bzw. hat er auch nie für eine dieser Gruppierungen gekämpft [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 8 unten].
Er hatte auch nie ein Problem mit seinen Nachbarn oder sonstigen dritten Personen, etwa auf Grund einer Abstammung oder aus sonstigen politischen oder religiösen Gründen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 9 oben].
1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:
Sein Vater und auch sein Großvater väterlicherseits gehörten neben weiteren Mitgliedern der Kernfamilie des BF der sozialistischen Baath-Partei an. Dies hatte zur Folge, dass sein Vater und mehrere Cousins des BF wegen der Mitgliedschaft zu dieser Partei im Jahr 2014 vom irakischen Geheimdienst verhaftet wurden.
Dass auch der BF der sozialistischen Baath-Partei angehört hätte, konnte er nicht glaubhaft machen.
Dem Bundesverwaltungsgericht legte er einen gegen seine Person gerichteten Haftbefehl eines irakischen Gerichtes vom XXXX.2017 vor. Darin wird als Haftgrund die Mitgliedschaft des BF zur Baath-Partei und die Verbreitung ihrer Gedanken angegeben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S.13 Mitte].
Im Herkunftsstaat hatte der BF (während seines dort bis zu seiner Ausreise stattgehabten Aufenthalts) weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Er selbst wurde zu keinem Zeitpunkt von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen seines Religionsbekenntnisses oder aus politischen Gründen (etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates) verfolgt.
Der BF hat den Herkunftsstaat wegen der allgemeinen Lage in XXXX und weil dort sein Vater, sowie mehrere Cousins wegen ihrer Mitgliedschaft zur Baath-Partei verhaftet wurden und zudem im Jahr 2015 einer seiner Brüder getötet worden sein soll, verlassen.
1.5. Zu den Aktivitäten des BF im Bundesgebiet:
Der BF konnte sich im Bundesgebiet Deutschkenntnisse aneignen und hat er nachweislich an mehreren Deutschkursen teilgenommen und die diesbezüglichen Prüfungen auf den Niveaus A1, A2 und A2 plus bestanden.
Er hat freiwillige Tätigkeiten in Form von Saisonarbeiten verrichtet, geht im Bundesgebiet jedoch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 11f]. Zudem war er ein Jahr lang Mitglied des Vereins „XXXX“, wobei der BF hinsichtlich dieser Mitgliedschaft zwar ein Bestätigungsschreiben dieses Vereins zur Vorlage brachte, jedoch nicht in der Lage war, den Beginn und das Ende dieser Mitgliedschaft auch nur näherungsweise einzuordnen. Fest steht, dass er im Zeitpunkt seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht nicht mehr Mitglied dieses Vereins war.
Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung in Höhe von EUR 365,00 pro Monat [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.8.2021, S. 12 oben].
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 12 unten].
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
1.6.1. Allgemeine Sicherheitslage
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Die Lage im Irak ist seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch einen Luftangriff der Vereinigten Staaten und einen Vergeltungsschlag des Irans gegen amerikanisch genutzte Militärstützpunkte sehr angespannt. Schiitische Milizen haben für die Tötung Soleimanis und eines hohen irakischen Milizenführers Vergeltung angekündigt, der bei dem amerikanischen Angriff ebenfalls ums Leben kam.
Gouvernement Ninewa
Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus. Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen. Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten. Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Ninewa 40 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 33 Toten und 25 Verletzten verzeichnet, im Februar 2020 waren es zwölf Vorfälle mit 35 Toten und 15 Verletzten. Die meisten der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Ninewa ereigneten sich im Süden des Gouvernements.
Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus. Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen. Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten.
Zu Sicherheitsvorfällen kam es 2019 überall in der Provinz: Neben Luftangriffen der irakischen Luftwaffe und der Internationalen Koalition auf mutmaßliche Verstecke des ISIL erfolgten militärische Bodenoperationen von ISF und PMU gegen den ISIL sowie Anschläge des ISIL auf die ISF und auch auf die Zivilbevölkerung. Es gab ferner Demonstrationen gegen Korruption durch den abgesetzten Gouverneur und Proteste von Angehörigen einer PMF-Brigade gegen den ihnen erteilten Befehl, aus Mossul und der Ninawa-Ebene abzuziehen.
2013 gab es in Ninawa 278 Anschläge pro Monat, drei Viertel davon in der Stadt Mossul, während im März 2020 nur 31 Anschläge verübt wurden. Ab der zweiten Jahreshälfte 2019 bis hinein in das Jahr 2020 wurden die Anschläge immer raffinierter. ISIL verfügt über eine größere Spanne von Anschlagszellen in der Provinz als im Vorjahr sowie einsatzbereite Anschlaggruppen in elf Gebieten im ersten Quartal 2020 im Vergleich zu nur sechs Ende 2018. Das USDOD verzeichnete zwischen 25 und 30 ISIL-Anschlägen in Ninawa im Zeitraum Januar bis April 2020 und 24 von April bis Juni 2020.
Zu den im ersten Halbjahr 2020 verzeichneten verschiedenen Arten von Vorfällen gehörten reguläre bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen des ISIL, einschließlich Schießereien oder Sprengstoffanschläge, Sicherheitsoperationen gegen Verstecke der Aufständischen in ländlichen und entlegenen Gebieten, aber auch in der Nähe von oder in besiedelten Orten. So gab es beispielsweise einen Anschlag der Aufständischen auf das Elektrizitätsnetz nahe Qayyarah im Mai 2020, bei dem drei Starkstrommasten getroffen wurden.
Der BF war im Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Er hatte weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates Probleme. Er war auch nie Adressat einer gegen ihn persönlich gerichteten strafgerichtlichen Verfolgung. Auch liegt keine strafgerichtliche Verurteilung gegen ihn vor. Er war nie Mitglied einer im Herkunftsstaat tätigen bewaffneten Gruppierung (Al-Qaida, IS bzw. Milizen) bzw. wurde er von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt angeworben, insbesondere für Kampfhandlungen. Insgesamt kam anlassbezogen nicht hervor, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre.
Den Herkunftsstaat verließ er wegen der allgemeinen Lage und weil sein Vater und einige seiner Cousins, die Mitglieder der sozialistischen Baath-Partei waren und deshalb verhaftet wurden. Der Aufenthalt seines Vaters ist schon seit mehreren Jahren nicht geklärt. Auch soll der Geheimdienst seines Herkunftsstaates sich bei seiner Mutter nach seinem Verbleib erkundigt haben.
In Anbetracht dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BF bei einer Rückkehr in die Herkunftsregion von XXXX außergewöhnliche, ihn belastende Umstände vorfinden könnte. Eine entsprechende Wahrscheinlichkeit hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Herkunftsregion des BF bereits mehrfach festgestellt, weshalb es bei diesem Hinweis bleiben kann.
Quellen (Zugriff am 16.11.2021):
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html
- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc
- Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries
- EASO – Security situation Iraq (Oktober 2020): https://www.ecoi.net/de/dokument/2043991.html
- EASO – Country Guidance: Iraq (Stand Jänner 20219): https://www.ecoi.net/de/dokument/2045437.html
- FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 12.02.2021
- Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019
- Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf
- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq
1.6.2. Berufsgruppen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien.
Der BF war laut eigener Angabe nach der Ablegung der Matura zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat als XXXX in einem XXXX in der Umgebung von XXXX tätig. In dieser Eigenschaft gehörte er keiner der in den Länderberichten zum Herkunftsstaat als gefährdet angesehenen Berufszweige an, weshalb aus diesem Grund eine Gefährdung seiner Person auf Grund der von ihm früher ausgeübten Tätigkeit nicht anzunehmen ist. Er hat auch zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass er wegen der von ihm früher ausgeübten Tätigkeit als XXXX einer Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre.
Quellen (Zugriff am 16.11.2021):
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html
1.6.3. Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen.
Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore.
Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen.
In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Umgelegt auf den konkreten Beschwerdefall hat der BF in der durchgeführten mündlichen Verhandlung angegeben, körperlich gesund zu sein. Es wurde jedoch weder behauptet, noch dargetan, dass er wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in Behandlung stünde.
Quellen (Zugriff am 16.11.2021):
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des BF Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, den vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigten Angaben sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden.
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute, zur Einreise ins Bundesgebiet und zur Asylantragsstellung getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme des BF vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unbestritten geblieben sind und schon deshalb der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.
2.3. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen beruhen einerseits auf den Angaben des BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben sowie auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der Beschwerdeführer angegeben, dass er und seine Familie nach dem Angriff des IS und dem Tod des Bruders an die Grenze zur Türkei geflohen wären und dass er aus Angst vor dem Krieg und weil es im Herkunftsstaat keine Zukunft und keine Sicherheit mehr gegeben hätte, geflohen sei [BF in Niederschrift der LPD XXXX vom 13.11.2015, S. 5 oben].
Dabei wird nicht übersehen, dass diesen Angaben in der Erstbefragung des BF nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Hinblick auf den Fluchtgrund nur geringes Gewicht beizumessen ist. In der Zusammenschau mit seinen Angaben anlässlich seiner Einvernahme durch die Organe der belangten Behörde kommt diesen Angaben dennoch ein gewisses Gewicht in Hinblick auf die Beweiswürdigung zu.
Hatte der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde noch angegeben, dass er wegen des Islamischen Staates und aus Angst vor dem Krieg geflohen sei, gab er vor dem BFA als Fluchtgrund die Verhaftung von Familienmitgliedern, die Mitglieder der Baath-Partei gewesen seien, durch den irakischen Geheimdienst als Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat an. Dass er den Herkunftsstaat wegen einer angeblichen Verfolgung durch den IS verlassen hätte, behauptete der BF dagegen nicht. Vor dem BFA hatte er angegeben, dass er in XXXX gearbeitet hätte und dass seine Familie nach der Ermordung seiner Brüder dorthin gekommen sei. Dort seien sie geblieben, bis XXXX am XXXX.2015 vom IS angegriffen worden sei. Hierauf sei er mit seinen Familienangehörigen geflohen.
Daran hielt der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht fest. Anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, dass er gemeinsam mit Dolmetschern und Polizisten aus dem Herkunftsstaat ausgereist wäre. Davon, dass er von seinen Familienmitgliedern begleitet worden wäre, berichtete er vor dem Bundesverwaltungsgericht nichts [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. unten].
Wenn der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht glauben machen wollte, dass er im Herkunftsstaat Verfolgung wegen einer angeblichen Mitgliedschaft zur sozialistischen Baath-Partei unterliege und er sich dabei auf einen von einem irakischen Gericht angeblich wider ihn erlassenen Haftbefehl stützte, ist ihm zu entgegnen, dass er anlässlich seiner am 26.01.2018 stattgehabten Einvernahme vor dem BFA auf die eindeutige Frage „Sind Sie politisch aktiv oder gehören Sie einer politischen Partei an?“ angegeben hatte, dass er weder politisch aktiv sei noch einer politischen Partei angehört hätte. Aber sein Vater und andere Familienmitglieder seien Mitglied der Baath-Partei gewesen [BF in Niederschrift des BFA vom 26.01.2018, S. 5 Mitte]. Seinen Angaben vor dem BFA zufolge sei sein Vater Mitglied der örtlichen Baath-Partei in XXXX gewesen und dass er hauptberuflich als hoher Funktionär tätig gewesen sei und sein Rang der eines Regiment-Mitgliedes gewesen sei [Ebda.].
Vor dem Bundesverwaltungsgericht beantwortete er die an ihn herangetragene Frage, ob er Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung gewesen sei, sehr weitwendig, jedoch eingeschränkt darauf, dass sein Vater und sein Großvater väterlicherseits Mitglieder der sozialistischen Baath-Partei gewesen seien und deswegen auch Immobilien von der Partei erhalten hätten. Als im Jahr 2014 die irakische Armee nach XXXX geschickt wurde, habe diese Sicherheitsakten übernommen, die in der Folge vom irakischen Geheimdienst durchsucht wurden. Dies habe zur Folge gehabt, dass sein Vater und mehrere Cousins im XXXX 2014 verhaftet worden seien [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 6 Mitte]. Obwohl der BF mit seiner Mutter, die nach wie vor im Herkunftsstaat leben soll, in ständigem Kontakt steht, machte er erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht die Erwähnung, dass der Geheimdienst nach ihm und seinen Brüdern gefragt haben soll [Ebda.].
Dass der BF vom irakischen Geheimdienst aus politischen Gründen gesucht worden wäre, konnte er nicht glaubhaft machen. Zum einen hatte der BF vor dem BFA angegeben, selbst nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein und dass nur sein Vater und andere Familienangehörige Mitglied der Baath-Partei gewesen seien [Niederschrift des BFA vom 26.01.2018, S. 3 Mitte], zum anderen fühlte er sich im Herkunftsstaat offenbar weiterhin sicher. Dass er den Herkunftsstaat unter dem Eindruck der Verhaftung des Vaters und einiger Familienmitglieder im April 2014 nicht verließ, lässt sich nur damit erklären. Wäre der BF, wie er sehr zaghaft und unsubstantiiert vor dem Bundesverwaltungsgericht andeutete, tatsächlich Mitglied dieser Partei gewesen und hätte er begründet befürchten müssen, wegen der Mitgliedschaft zu dieser Partei, wie sein Vater und die übrigen Familienmitglieder verhaftet zu werden, hätte er das Land nicht mehr als ein Jahr später verlassen.
Die Verhaftung seines Vaters und weiterer Mitglieder seiner Kernfamilie erscheint dem erkennenden Gericht aus einem weiteren Grunde unglaubwürdig: so hatte der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass er über den Aufenthalt seines Vaters seit seiner Verhaftung im XXXX 2014 nichts mehr wisse. Anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde am 13.11.2015 gab der BF auf die Frage nach im Herkunftsstaat lebenden Familienangehörigen an, dass sein Vater XXXX, seine Mutter XXXX, seine Schwester XXXX und die Brüder XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX im Herkunftsstaat leben würden. Hinsichtlich der Familienangehörigen XXXX verst. XXXX und XXXX, verst. XXXX gab er an, dass diese verstorben seien. Bei Wahrunterstellung seiner vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben, dass man über den Aufenthalt seines Vaters seit dessen angeblicher Verhaftung im XXXX 2014 nichts mehr wisse, hätte jeder andere Asylwerber an der Stelle des BF angegeben, dass der Vater seit dem Jahr 2014 (nach einer Verhaftung) vermisst sei. Das Unterbleiben einer entsprechenden Angabe macht das Fluchtvorbringen des BF insgesamt unglaubwürdig.
Dass die Fluchtgeschichte insgesamt ein Gedankenkonstrukt ist, ergibt sich weiters aus der Angabe des BF vor dem BFA, dass „die Islamisten“ zwei seiner Brüder getötet hätten [Niederschrift des BFA vom 26.01.2018, S. 5 unten]. Anlässlich der Erstbefragung gab der BF lediglich einen einzigen getöteten Bruder (XXXX) an; dieser soll zu einem nicht näher angegebenen Zeitpunkt des Jahres 2015 zu Tode gekommen sein [Niederschrift über die Erstbefragung vom 13.11.2015, S. 3 oben und S. 5 oben]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF an, dass er nur fünf Tage in XXXX nach Eroberung der Stadt durch den IS gewesen sei und dass sie zwei seiner Brüder ermordet hätten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 8 unten]. Führt man sich vor Augen, dass XXXX nach den Länderberichten zum Irak im Juni 2014 vom IS eingenommen wurde, muss die Tötung dieser Brüder des BF auch in dieses Jahr zu verorten sein. Nach eigenen Angaben hat der BF den Herkunftsstaat am XXXX.2015 verlassen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2021, S. 7 Mitte]. Diese Angaben stehen in einem eklatanten Widerspruch zu den vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde anlässlich seiner Erstbefragung gemachten Angabe, dass nämlich nur ein Bruder, konkret im Jahr 2015, getötet worden sei.
Die einzige Konsistenz seiner Angaben zu getöteten Geschwistern lässt sich nur bei seiner Schwester XXXX, die im Jahr XXXX verstorben sein soll, erblicken. Hinsichtlich der angeblich getöteten Brüder verstrickte sich der BF sowohl hinsichtlich der Anzahl der getöteten Brüder als auch hinsichtlich der Jahre, während denen die Tötungen passiert sein sollen, in eklatante Widersprüche. Eine Tötung auch nur eines seiner Brüder erscheint dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht daher nicht glaubwürdig; dass seine Schwester im Jahr XXXX zu Tode kam, dagegen schon. Hinsichtlich seiner Angaben zu den angeblich getöteten Geschwistern ist auszuführen, dass der BF Angaben machte, die darauf schließen lassen, dass seine Geschwister ausschließlich im Zuge von Kampfhandlungen und nicht als Folge einer asylrelevanten Verfolgung ums Leben kamen.
Während die Fluchtroute und deren Verlauf im Wesentlichen glaubhaft geschildert wurden, gelang es dem BF nicht, seine Fluchtgründe (die auch für die minderjährigen BF2 und BF3 gelten) glaubhaft zu machen und diese als asylrelevant darzustellen. Daran ändert auch die Vorlage eines wider seine Person gerichteten Haftbefehls eines irakischen Gerichtes nichts, hatte der BF vor dem BFA doch angegeben, selbst nicht Mitglied einer politischen Partei (hier: namentlich der sozialistischen Baath-Partei) gewesen zu sein.
Hinzu kommt, dass er vor dem BFA angegeben hatte, selbst nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein und dass nur sein Vater und weitere Mitglieder seiner Kernfamilie Mitglieder der Baath-Partei gewesen seien. Selbst bei Wahrunterstellung der wider seine Familie gerichteten Verhaftungswelle im XXXX 2014 blieb der BF bis zum XXXX.2015 noch im Herkunftsstaat. Sein Verhalten spricht gegen eine allfällige Parteimitgliedschaft seiner Person und eine allfällige Verfolgung seiner Person aus politischen Gründen.
In Anbetracht dessen erscheint das Fluchtvorbringen insgesamt unglaubwürdig und in sich nicht konsistent. Die getroffenen Feststellungen waren daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Irak konnten anhand rezenter Informationen der Staatendokumentation, der EASO – Country Guidance: Iraq mit Stand Jänner 2021 welche auch auf den EASO Sicherheitsbericht mit Stand Oktober 2020 zurückgreift und der zuletzt eingelangten ACCORD- Anfragebeantwortungen vom 09.02.2021 getroffen werden. Die darin aufgelisteten Versorgungs- und Sicherheitsprobleme resultieren aus Research-Verfahren öffentlicher Einrichtungen, die ob ihres Wirkens hohen Standards unterliegen und zur Objektivität verpflichtet sind.
2.5. Zur Integration des BF in Österreich:
Die Feststellungen zu den vom BF in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, ehrenamtliche Mitarbeit, zwischenzeitig beendete Mitgliedschaft in einem Verein) ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Dass der BF Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem GVS-Auszug.
2.6. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Irak:
Die seit Mitte Februar dieses Jahres (auch für die belangte Behörde) abrufbare - aktuelle - EASO - Country Guidance: Iraq hält unter teilweiser Verwendung und Verweisung des EASO-Sicherheitsberichts von Oktober 2020 auf Seite 175 fest, dass unter gewissen Umständen die Rückkehr von gesunden, alleinstehenden Männern oder verheirateten, kinderlosen, Paaren nach Bagdad, Basra oder Erbil möglich sei (https://www.ecoi.net/de/dokument/2045437.html, Zugriff am 16.11.2021). In Bezug auf XXXX erscheint die Rückkehr des BF schon in Hinblick auf einzelne höchstgerichtliche Judikaten, auf die an dieser Stelle verwiesen werden kann, als bedenklich, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich in einer außergewöhnlichen, ihn belastenden Situation wiederfinden könnte.
Von einer sicheren Rückkehr des BF nach XXXX und der Möglichkeit, für sich den Lebensunterhalt ohne Gefährdung seiner Rechte nach Art 3 EMRK zu erwirtschaften, kann vom derzeitigen Standpunkt aus nicht ausgegangen werden. Die Länderberichte zum Irak, speziell zur Herkunftsregion des BF aber auch die Entwicklungen der letzten Monate in Hinblick auf die Spannungen zwischen den USA und dem Iran, die den Irak teilweise zum Spielball internationaler Interessen haben werden lassen, verdeutlichen, dass derzeit mit einer sicheren Rückkehr nicht zu rechnen ist.
Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN; und vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0094).
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459 und vom 28.05.2009, Zl. 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286; vom 10.11.2015, Zl. Ra 2015/19/0185 und vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074 und vom 10.11.12015, Zl. Ra 2015/19/0185).
§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt „Verfolgung“ als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH vom 15.12.2016, Zl. Ra 2016/18/0083; vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0113 und vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/18/0080).
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212 und vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ra 2015/20/0048; vom 21.02.2017, Zl. Ra 2016/18/0171 und vom 23.02.2017, Zl. Ra 2016/20/0089).
Einer von Privatpersonen bzw. von privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. R