TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 95/18/0628

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §15;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. November 1994, Zl. Fr 2121/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem unter dem Datum 22. Juni 1994 ergangenen Bescheid hatte die Bundespolizeidirektion St. Pölten als Fremdenbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

2. Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung entschied die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) dahingehend, daß dieser keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt wurde; weiters wurde - worauf sich die Beschwerde nicht bezieht - der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 FrG zurückgewiesen.

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten; hiebei sei auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen.

Am 11. September 1989 habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag eingebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe dem Beschwerdeführer bescheinigt, daß er bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Sein Asylantrag sei in erster Instanz von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 20. April 1990, seine diesbezügliche Berufung vom Bundesminister für Inneres am 14. Dezember 1993 abgewiesen worden. Das Verfahren sei am 17. Dezember 1993 rechtskräftig abgeschlossen worden. Mit Rechtskraft des Feststellungsbescheides sei die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers erloschen. In seiner Berufung gegen den Ausweisungsbescheid wende der Beschwerdeführer ein, daß weder er noch sein Rechtsanwalt von der Existenz des letztinstanzlichen Asylbescheides Kenntnis erlangt hätten und so vom Erlöschen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nichts hätten wissen können. Die diesbezüglichen Erkundigungen der belangten Behörde hätten aber Gegenteiliges ergeben: Eine Angestellte des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers, Dr. W, habe - wie aus dem Rückschein ersichtlich sei - am 17. Dezember 1993 den letztinstanzlichen Asylbescheid des Bundesministers für Inneres übernommen. Die Zustellung sei im Sinne des § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes erfolgt. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers sei daher mit Rechtskraft des letztinstanzlichen Feststellungsbescheides erloschen. Da der Beschwerdeführer aber über keine andere Aufenthaltsberechtigung verfüge, halte er sich seit 18. Dezember 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0584).

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 9. September 1989 im Bundesgebiet auf. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß auch seine Gattin, seine beiden Kinder, seine Eltern und der Großteil seiner Geschwister in Österreich aufhältig seien. Die Ehefrau des Beschwerdeführers und seine beiden Kinder verfügten jedoch nach Abschluß des Asylverfahrens ebenfalls über keine der im § 15 FrG aufgezählten Aufenthaltsberechtigungen, hielten sich somit ebenfalls rechtswidrig im Bundesgebiet auf und müßten gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ausgewiesen werden. Durch die Ausweisung werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dennoch erachte die Behörde die Ausweisung in bezug auf § 19 FrG als gerechtfertigt, weil diese Maßnahme zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer halte sich seit zehn Monaten rechtswidrig im Bundesgebiet auf; dies gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Des weiteren sei der Beschwerdeführer keinesfalls in Österreich integriert und verfüge über keine legalen beruflichen Bindungen. Die Behörde sei "trotz Würdigung" der privaten Interessen des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangt, daß die öffentlichen Interessen bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme an einer Ausweisung unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssitutation des Beschwerdeführers.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt - sowohl unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch als Verfahrensrüge - gegen den angefochtenen Bescheid vor, daß er im Sinn des § 15 FrG "nach wie vor eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 besitzt", weil der Bescheid des Bundesministers für Inneres, mit dem sein Asylantrag in letzter Instanz abgewiesen worden sei, ihm selbst nie zugekommen sei. Die von der belangten Behörde festgestellte Zustellung dieses Bescheides an den Rechtsanwalt Dr. W. am 17. Dezember 1993 sei für ihn nicht wirksam, weil dieser "im

Zustellzeitpunkt ... keine Zustellbevollmächtigung für den Beschwerdeführer mehr hatte, da letzterer dem RA ... keine

Vertretungsvollmacht erteilt bzw. eine solche widerrufen hat". Aber auch wenn man davon ausginge, daß der letztinstanzliche Asylbescheid diesem Rechtsanwalt rechtmäßig zugestellt worden sei, sei damit noch nicht sichergestellt, daß dieser Bescheid auch tatsächlich dem Beschwerdeführer bekannt geworden sei; dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, sei der Beschwerdeführer doch ohne Zustellung des letztinstanzlichen Asylbescheides nicht in der Lage gewesen, mittels "Höchstgerichtsbeschwerde" diesen Bescheid anzufechten; dadurch sei ihm aber eine grundsätzlich zustehende Rechtschutzmöglichkeit entzogen worden.

1.2. Dieses Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebracht, daß der genannte Rechtsanwalt zum Zustellzeitpunkt keine Zustellbevollmächtigung mehr hatte. Dieses Vorbringen stellt somit eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Was den behaupteten Verfahrensmangel - daß dem Beschwerdeführer der letztinstanzliche Asylbescheid nicht zugekommen sei - anlangt, ist festzuhalten, daß die Zustellung des letztinstanzlichen Asylbescheides an den vom Beschwerdeführer im Asylverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt auch für den Beschwerdeführer rechtsgültig zustande kam (§ 9 des Zustellgesetzes).

2.1. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid im Grunde des § 19 FrG für rechtswidrig, weil die belangte Behörde "völlig außer acht gelassen (hat), daß der Beschwerdeführer sich seit mehr als 5 Jahren im Bundesgebiet aufhält und sich während dieser Zeit nichts zuschulden hat kommen lassen. Er hat eine Familie und einen festen Wohnsitz. Seine Frau ist berufstätig, die Kinder gehen regelmäßig zur Schule". Von der belangten Behörde sei ohne Beweisergebnis festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer in Österreich nicht integriert sei.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat bei der Abwägung gemäß § 19 FrG berücksichtigt, daß sich der Beschwerdeführer seit September 1989 in Österreich aufhalte und seine Gattin, seine beiden Kinder, seine Eltern und der Großteil seiner Geschwister ebenfalls in Österreich aufhältig seien. Trotz der somit durchaus beachtlichen privaten und familiären Interessen ist der belangten Behörde aber nicht entgegenzutreten, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers im Lichte des § 19 FrG dringend geboten sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0372, mwH). Der Beschwerdeführer hat diese Regelungen insofern in gravierender Weise mißachtet, als er seinen Aufenthalt in Österreich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages nicht beendet und sich im Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung bereits etwa zehn Monate unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ist von solchem Gewicht, daß die - zweifellos beachtlichen - gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten sind als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers werden auch dadurch in ihrem Gewicht gemindert, daß seiner Frau und seinen beiden Kindern - unbestritten - ebenfalls keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukommt.

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180628.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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