TE Bvwg Beschluss 2021/10/22 W260 2246556-1

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Veröffentlicht am 22.10.2021
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Entscheidungsdatum

22.10.2021

Norm

ASVG §18a
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W260 2246556-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter in Erledigung der Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 13.08.2021, GZ: HVBA/ XXXX , betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 13.08.2021 lehnte die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) den Antrag der Beschwerdeführerin vom 30.04.2021 auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihres behinderten Sohnes, XXXX , geb. XXXX , ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe iSd § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) vorliege. Darüber hinaus habe eine fachärztliche Begutachtung ergeben, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres behinderten Kindes nicht überwiegend beansprucht worden sei.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende, binnen offener Rechtsmittelfrist erhobene Beschwerde, in der zunächst ausgeführt wurde, dass entgegen den Ausführungen im Bescheid für den Sohn seit Oktober 2016 die erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde.

Zudem werde die Arbeitskraft durch die Pflege des Kindes überwiegend beansprucht. Es wäre im Rahmen eines Gutachtens der Pflegeaufwand erhoben worden, jedoch sei hier außer Acht gelassen worden, dass aufgrund der Notwendigkeit einer permanenten Nachschau wegen der Diabeteserkrankung auch eine ständige Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft gefordert sei. Diesbezüglich verweise sie auf eine beigelegte Schilderung des Pflegeaufwandes. In diesem Schreiben listete die Beschwerdeführerin auf, dass sie ihren Sohn bei der Körperpflege unterstütze. Nach dem Duschen müsse die Pumpe wieder angelegt werden. Aufgrund von Schmerzen (wenn ein Nerv getroffen werde) müsse dies von der Beschwerdeführerin erledigt werden. Bei der Pediküre brauche es teilweise die Unterstützung der Mutter, da Verletzungen in diesem Bereich aufgrund der Diabetes nur schlecht heilen und deshalb Vorsicht notwendig sei. Hinsichtlich der Einnahme von Mahlzeiten müsse der Blutzucker morgens und nachts gemessen werden und bei Bedarf der Sohn zum Essen motiviert werden. Der Sohn müsse mehrere Mahlzeiten über den Tag verteilt essen. Er hätte wenig Appetit, müsse zum Essen motiviert werden. Oft hätte er stressbedingte Magenschmerzen und müssen dann von der Beschwerdeführerin von der Schule abgeholt werden. Die Mutter hätte dann immer passendes Essen parat. Auch das Zubereiten der Mahlzeiten wäre aufwendig. Die Broteinheiten müssen bei jeder Mahlzeit neu berechnet werden, notiert und beim Kochen darauf Rücksicht genommen werden. Der Sohn wäre Vegetarier und leide auch an Blutarmut. Eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten wäre aufwändig. Dem Sohn müsse acht bis neun Mal täglich Blutzucker gemessen werden. Dies müsse teilweise die Beschwerdeführerin erledigen bzw. den Sohn daran erinnern. Wie bereits erwähnt wäre die Berechnung der Broteinheiten und der Insulingabe aufwändig. Hitze, Wachstum, Stress, Bewegung usw. hätten einen großen Einfluss auf die benötigte Insulinmenge. Wegen der Blutarmut vertrage er viele Medikamente nicht. Dies müsse beachtet werden. Jeden zweiten Tag müsse der Katheder gewechselt werden. Dies dauere 25 Minuten und müsse von der Mutter erledigt werden. Der Sohn benötigt zudem Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, Arztfahrten, er werde zur Schule gebracht und abgeholt, wenn es ihm nicht gut gehe oder es heiß sei. Es würde die Gefahr einer Unterzuckerung bestehen. Rezepte für Medikamente müssen abgeholt werden und überprüft werden, ob alle Medikamente vorhanden seien.

3. Am 21.09.2021 einlangend, legte die PVA die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

In einer beigefügten Stellungnahme wies sie darauf hin, dass die Beschwerdeführerin von 06.10.2017 bis 30.06.2019 mit Unterbrechungen geringfügig beschäftigt gewesen sei, wobei von 01.11.2018 bis 31.12.2018 eine Vollversicherung aufgrund mehrfacher geringfügiger Beschäftigung vorgelegen sei. Von 01.07.2019 bis 19.10.2020 sei die Beschwerdeführerin aufgrund von Erwerbstätigkeiten pflichtversichert gewesen. Im Anschluss sei bis laufend Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen worden, wobei im Zeitraum 01.06.2021 bis 18.06.2021 noch eine Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorgelegen sei.

Unstrittig sei, dass im beschwerderelevanten Zeitraum durchgehend ein gemeinsamer Haushalt des Kindes mit der Beschwerdeführerin bestanden habe.

Aufgrund des erwähnten Auszuges der Familiendatenbank sei weiters anzunehmen, dass für den Sohn ab 01.10.2016 von der Beschwerdeführerin eine erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden sei.

Die Gewährung einer Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes setze jedoch weiters voraus, dass die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege des Kindes überwiegend beansprucht werde.

Aus dem von der Pensionsversicherung im Verfahren eingeholten medizinischen Gutachten ergeben sich jedoch keine Umstände, welche darauf schließen lassen, dass das Kind einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege im Sinne des § 18a ASVG bedurft hätte und werde dies auch durch die Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der beklagten Partei bestätigt. Dies sei auch insoweit nachvollziehbar, als das Kind lediglich bei der morgendlichen und mitternächtlichen Blutzuckermessung einer krankheitsbedingten Hilfe bedürfe und das Kind auch am regulären Schulbetrieb teilnehme.

Das Kind bedürfe jedenfalls trotz seiner Erkrankung nicht der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege der Beschwerdeführerin und wäre es dieser im gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum jedenfalls möglich gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ohne dass dadurch ein Nachteil für das Kind eingetreten wäre.

Insgesamt sei somit festzustellen, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege des Kindes nicht überwiegend beansprucht worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin lebt im Inland im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn.

Die Beschwerdeführerin bezog im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, konkret seit Okto-ber 2010 bis laufend, für ihr behindertes Kind, XXXX , geb. XXXX , erhöhte Familienbeihilfe iSd § 8 Abs. 4 FLAG.

Mit ärztlichem Gutachten vom 30.07.2021 wurde festgestellt, dass der Sohn der Beschwerde-führerin an a) Hauptdiagnose: ICD-10: E109 Diabetes mellitus Typ 1, Erstdiagnose 10/2016, HbA1c 8,2%, b) Nebendiagnose: ICD-10: E749 Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, c) weitere Diagnosen: Hämolytische Anämie leidet. Es wurde festgestellt, dass das – nicht von der Schulpflicht befreite und auch nicht bettlägrige – Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bei der Nahrungszubereitung, für Lernunterstützung, für Schulwegbegleitung, für regelmäßig erforderliche Medikamenten-einnahme, für Überwachung notwendiger diätischer Einschränkungen und für Sonstiges (Hilfe beim Wechsel der Insulinpumpe alle 3 Tage, Blutzuckermessung morgens und nachts, Abruf-bereitschaft ist erforderlich; behinderungsbedingt ist mit gehäuften Erkrankungen des Kindes und dadurch bedingte Verhinderungen der Betreuungsperson zu rechnen) bedarf.

Die geltend gemachten bzw. darüber hinaus objektiv erkennbar notwendigen Pflegeleistungen beziehen sich auf die spezielle Behinderung.

Das behinderte Kind wäre bei Unterbleiben dieser Pflegeleistung im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten, jedoch betreuten Kind benachteiligt oder gefährdet gewesen.

Mit Chefärztlicher Stellungnahme vom 02.08.2021 wurde festgestellt, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung der Beschwerdeführerin nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt ist. Während des gesamten Zeitraumes (01.10.2016 bis laufend) besteht deutlich weniger Pflegebedarf als 90 Stunden pro Monat. „ABS auch aufgrund des PG GA vom 27.02.2016.“

Ausreichende Ermittlungen und darauf basierende, widerspruchsfreie Feststellungen zu der entscheidungswesentlichen Frage, ob der Sohn der Beschwerdeführerin ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege durch die Beschwerdeführerin bedarf und wenn ja, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin dadurch überwiegend in Anspruch genommen wurde oder nicht, traf die Behörde nicht, obwohl dies, wie der rechtlichen Würdigung weiter unten zu entnehmen ist, erforderlich gewesen wäre.

Die Beschwerdeführerin war von 06.10.2017 bis 30.06.2019 mit Unterbrechungen geringfügig beschäftigt, wobei von 01.11.2018 bis 31.12.2018 eine Vollversicherung aufgrund mehrfacher geringfügiger Beschäftigung vorlag. Von 01.07.2019 bis 19.10.2020 war die Beschwerdeführerin aufgrund von Erwerbstätigkeiten pflichtversichert. Im Anschluss wurde bis laufend Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen, wobei im Zeitraum 01.06.2021 bis 18.06.2021 noch eine Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorlag.

2. Beweiswürdigung:

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin im Inland im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn lebt.

Die Feststellung, dass im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, konkret ab Oktober 2016, erhöhte Familienbeihilfe iSd § 8 Abs. 4 FLAG bezogen wurde, gründet auf den im Akt einliegenden Auszug aus der Familiendatenbank.

Die Feststellungen zum von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 30.07.2021 und der Chefärztlichen Stellungnahme vom 02.08.2021 ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Hinsichtlich der Feststellung, dass die belangte Behörde keine ausreichenden Ermittlungen und darauf basierende, widerspruchsfreie Feststellungen zu der entscheidungswesentlichen Frage traf, ob der Sohn der Beschwerdeführerin ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege durch die Beschwerdeführerin bedarf und wenn ja, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin dadurch überwiegend in Anspruch genommen wurde oder nicht, wird auf die folgende rechtliche Beurteilung verwiesen.

Die Feststellungen zu den Versicherungszeiten ergeben sich aus dem im Akt inliegenden Versicherungsdatenauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit (Z 1). Mangels eines derartigen Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Vorliegend gelangen folgende maßgebende Bestimmungen zur Anwendung:

§ 18a ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015:

„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten
der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der

1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)

2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder

3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.

(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.

(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,

1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,

2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.

Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.

(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.“

§ 669 Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 125/2017:

„Schlussbestimmungen zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2013 (78. Novelle):

§ 669. (1) bis (2) …

(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.

(4) bis (8) …“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres behinderten Sohnes im fraglichen Zeitraum (01.10.2016 bis laufend) überwiegend beansprucht wurde.

Gemäß § 669 Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 125/2017 kann die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung iSd § 18a Abs. 1 ASVG auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung (hier: 30.04.2021) geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt hätten, nachträglich beansprucht werden.

§ 669 Abs. 3 ASVG in der genannten Fassung stellt darauf ab, dass die betreffenden Personen die zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllen müssen, im vorliegenden Fall sohin die im § 18a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2015 festgelegten Voraussetzungen. Auf die im zu erwerbenden Zeitraum der betreffenden Selbstversicherung früher in Geltung gestandenen Voraussetzungen für eine Selbstversicherung kommt es gemäß § 669 Abs. 3 ASVG nicht an (vgl. VwGH 05.06.2019 Ra 2019/08/0051).

Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 2/2015) muss die Arbeitskraft überwiegend beansprucht werden, um den Anspruch anerkennen zu können. Dies ist gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG jedenfalls dann der Fall, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres setzt dies voraus, dass das behinderte Kind entweder dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Im vorliegenden Fall ist für die Frage der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft somit relevant, ob das Kind im fraglichen Zeitraum der ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Der am XXXX geborene Sohn der Beschwerdeführerin war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.10.2016 bis laufend unbestrittenermaßen nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit und augenscheinlich auch nicht bettlägrig.

Aus diesem Grund hatte die belangte Behörde daher im Wege eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung (auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches) erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteilwurde, benachteiligt oder gefährdet gewesen wäre (vgl. VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261).

Mit dem Wort „jedenfalls“ im Einleitungssatz des § 18a Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015 hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass neben den in Z 1 bis 3 aufgezählten, speziell für behinderte Kinder zugeschnittenen Kriterien eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft auch auf andere Weise gegeben sein kann (so auch Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a ASVG Rz 7/1, wonach die in Abs. 3 leg. cit. getroffenen Regelungen nicht mehr taxativ zu verstehen sind (so noch VwGH 99/08/0353, VwSlg 15.235 A), sondern gleichsam beispielhafte „Mindeststandards“ formulieren (arg „jedenfalls dann“), die – aber als solche wie bisher – als unwiderlegbare gesetzliche Vermutungen anzusehen sind (vgl. die ErläutRV zur Stammfassung dieser Bestimmung 324 BlgNR 17. GP 24 f.).

Insofern kann daher auch eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege in einem Ausmaß anspruchsbegründend wirken, das zwar nicht einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege iSd § 18a Abs. 3 ASVG entspricht, aber dennoch eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der pflegenden Person bewirkt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft bereits in einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich (entspricht mehr als der halben Normalarbeitszeit) anzunehmen (vgl. VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0084).

Wie die zeitliche Inanspruchnahme der Arbeitskraft in diesem Zusammenhang zu prüfen ist, hat der Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis ebenfalls aufgezeigt. Demnach ist an Hand der Regelungen des Bundespflegegeldgesetzes und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung – EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999, zu beurteilen, um welche Verrichtungen es sich dabei handelt und welcher zeitliche Aufwand damit jeweils verbunden ist. Da auf den auch für die Ermittlung des Pflegegelds maßgeblichen Pflegebedarf abzustellen ist, wird als Grundlage für die Beurteilung in der Regel ein bereits im Verfahren über die Zuerkennung oder Neubemessung des Pflegegelds eingeholtes – soweit noch aktuelles bzw. sonst entsprechendes – Sachverständigengutachten (§ 8 EinstV) dienen können. Erforderlichenfalls wird ein weiteres Gutachten einzuholen sein.

Die PVA hat im gegenständlichen Fall zwar Ermittlungen durchgeführt, unterließ jedoch Ermittlungstätigkeiten, um an Hand der Einstufungsverordnung (bis zum vollendeten 15. Lebensjahr nach der maßgeblichen Kinder-Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz – Kinder-EinstV, BGBl. II Nr. 236/2016) festzustellen, ob der Pflege- und Betreuungsaufwand der Beschwerdeführerin die maßgebliche Grenze von 90 Stunden monatlich überschritten hat.

Auch dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten ist nichts zu dieser Frage zu entnehmen.

Im Gegenteil wurde dort sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der erforderlichen Pflegetätigkeiten ohne Bezugnahme zu den im Bundespflegegesetz und der Einstufungsverordnung angeführten Mindest-, Richt-, und Fixwerten erfolgte.

Mit dem genannten Sachverständigengutachten vom 30.07.2021 wurde festgestellt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin an a) Hauptdiagnose: ICD-10: E109 Diabetes mellitus Typ 1, Erstdiagnose 10/2016, HbA1c 8,2%, b) Nebendiagnose: ICD-10: E749 Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, c) weitere Diagnosen: Hämolytische Anämie leidet. Es wurde festgestellt, dass das – nicht von der Schulpflicht befreite und auch nicht bettlägrige – Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bei der Nahrungszubereitung, für Lernunterstützung, für Schulwegbegleitung, für regelmäßig erforderliche Medikamenteneinnahme, für Überwachung notwendiger diätischer Einschränkungen und für Sonstiges (Hilfe beim Wechsel der Insulinpumpe alle 3 Tage, Blutzuckermessung morgens und nachts, Abruf-bereitschaft ist erforderlich; behinderungsbedingt ist mit gehäuften Erkrankungen des Kindes und dadurch bedingte Verhinderungen der Betreuungsperson zu rechnen) bedarf. Die geltend gemachten bzw. darüber hinaus objektiv erkennbar notwendigen Pflegeleistungen beziehen sich auf die spezielle Behinderung. Das behinderte Kind wäre bei Unterbleiben dieser Pflegeleistung im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten, jedoch betreuten Kind benachteiligt oder gefährdet gewesen.

Mit der darauffolgenden Chefärztlichen Stellungnahme vom 02.08.2021 wurde festgestellt, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung der Beschwerdeführerin nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt ist. Während des gesamten Zeitraumes (01.10.2016 bis laufend) besteht deutlich weniger Pflegebedarf als 90 Stunden pro Monat. „ABS auch aufgrund des PG GA vom 27.02.2016.“

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb im Sachverständigengutachten vom 30.07.2021 festgestellt wurde, dass der behinderte Sohn der Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Zeitraum „ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege“ in bestimmten Bereichen bedarf, in der Chefärztlichen Stellungnahme allerdings festgestellt wurde, dass eine Selbstversicherung der Beschwerdeführerin nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt ist.

Wie die Chefärztliche Stellungnahme zu dieser Annahme gelangt und vor allem auch zu der Feststellung, dass während des gesamten Zeitraumes (01.10.2016 bis laufend) deutlich weniger Pflegebedarf als 90 Stunden pro Monat besteht, ist nicht erkennbar, zumal das Gutachten vom 30.07.2021 keinerlei Ausführungen zu einer zeitlichen Komponente des Pflegeaufwandes enthält.

Zwar liegen damit grundsätzliche Ermittlungsschritte vor, diese erweisen sich aber als unzureichend und widersprüchlich und andererseits, was die Feststellung des Chefärztlichen Dienstes anbelangt, dass eine Selbstversicherung der Beschwerdeführerin nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt ist, als überschießend, weil dadurch der Chefärztliche Dienst aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die rechtliche Beurteilung des Falles vorwegnimmt.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass im angefochtenen Bescheid vom 13.08.2021 fälschlicherweise festgestellt wurde, dass „kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967, BGBL. Nr. 376“ vorliegt. Außerdem wird ausgeführt, dass aufgrund des „fachärztlichen Begutachtungsergebnisses“ die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege des Kindes nicht überwiegend beansprucht wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um ein Gutachten einer Allgemeinmedizinerin sowie einer ergänzenden Chefärztlichen Stellungnahme und nicht um ein fachärztliches Sachverständigengutachten. Es ist daher aus dem Verwaltungsakt nicht eindeutig ersichtlich, auf welches Gutachten sich die Beurteilung der PVA im angefochtenen Bescheid, wonach die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres Kindes nicht überwiegend beansprucht wird, stützt.

Insgesamt hat die belangte Behörde keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren und widerspruchsfreien Ermittlungsergebnisse geliefert, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 VwGVG bloß zu vervollständigen gewesen wären. Dies berechtigt das Verwaltungsgericht, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088).

Auch Anhaltspunkte, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, liegen nicht vor. Dementsprechend war der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (s. dazu die in den rechtlichen Erwägungen zitierte VwGH-Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pflegebedarf Sachverständigengutachten Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W260.2246556.1.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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