TE Bvwg Beschluss 2021/10/29 W260 2240499-1

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Veröffentlicht am 29.10.2021
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Entscheidungsdatum

29.10.2021

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
AVG §68
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W260 2240499-1/2E

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Dr. Metin Akyürek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Wien (ÖGK-W), vom 10.02.2021, GZ: VA-VR 29102128_5103/21-Mag.CE, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Feststellung des Nichtvorliegens der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und § 1 Abs. 1 lit.a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 31.01.2019, Zl. VA-VR 69985044/18-Mag.CS, stellte die vormalige Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse, im Folgenden: belangte Behörde) fest, dass XXXX , VSNR XXXX , aufgrund ihrer Beschäftigung beim XXXX (im Folgenden: XXXX ) im Zeitraum vom 13.02.2017 bis 28.02.2017, vom 01.04.2017 bis 31.05.2017 und vom 01.12.2017 bis 31.01.2018 der Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 und § 5 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Z 3 lit a ASVG und vom 01.03.2017 bis 31.03.2017, vom 01.06.2017 bis 30.06.2017 und vom 02.09.2017 bis 30.11.2017 der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob das XXXX Beschwerde.

3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.01.2020 und am 07.02.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der XXXX , organisatorische Leiterin und Gründungsmitglied des XXXX , im Beisein ihres Rechtsanwalts Dr. Metin AKYÜREK (im Folgenden: Rechtsanwalt), sowie zweier Vertreter (nur am 24.01.2020, am 07.02.2020 eine Vertreterin) der belangten Behörde persönlich teilnahmen. Im Zuge der Verhandlungen wurde XXXX teilweise als Zeugin, teilweise als Vertreterin des XXXX einvernommen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht wies in der Folge mit Erkenntnis vom 13.02.2020, ZI. W198 2215682-1/14E, die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

5. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Rechtsanwalt namens des XXXX außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser wies in der Folge die Revision mit Beschluss vom 01.07.2020, Ra 2020/08/0073-3, zurück.

6. Mit Schreiben vom 23.10.2020 beantragte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) die Feststellung, dass XXXX aufgrund ihrer Tätigkeit als Kunstschaffende iSd § 4 Abs. 4 lit d ASVG für den Beschwerdeführer, im Zeitraum vom 13.02.2017 bis 31.01.2018 weder der Teil- oder Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG, noch der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit a AlVG unterlag.

Zur Zulässigkeit des Antrages brachte er vor, dass er und nicht das XXXX „Schulerhalter“ sei und er deshalb aktivlegitimiert sei. Das XXXX besitze hingegen keine Rechtspersönlichkeit. Das Erkenntnis des BVwG und der Beschluss des VwGH würden dem Beschwerdeführer gegenüber keine Bindungswirkung entfalten.

7. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 10.02.2021, GZ: VA-VR 29102128_5103/21-Mag.CE, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zurück.

Begründend führte sie aus, dass das bereits geführte Verfahren gegenüber dem Beschwerdeführer Bindungswirkung entfalte. Das XXXX sei eine Etablissementbezeichnung unter der der Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit auftrete und die belangte Behörde habe sich bloß im Ausdruck vergriffen. Da keine juristische Person mit derselben Bezeichnung existiere, sei eine Verwechslung nicht möglich und klar, dass der Beschwerdeführer als Bescheidadressat gemeint gewesen sei.

8. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte geltend, dass keine „res iudicata“ vorliege.

Im gesamten Verfahren sei das XXXX als Adressat angeführt und davon ausgegangen worden, dass dieses Rechtspersönlichkeit habe und Adressat der Entscheidungen sei. Eine Umdeutung sei nicht zulässig, zumal für die Beteiligten, die belangte Behörde, das Bundesverwaltungsgericht, den Verwaltungsgerichtshof und den Rechtsvertreter nicht zweifelsfrei feststand, dass die Entscheidung nicht gegenüber dem XXXX , sondern gegenüber dem Beschwerdeführer erging. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, ZI. W198 2215682-1/14E, sei nach Ansicht des Beschwerdeführers absolut nichtig.

9. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht am 17.03.2021 den Beschwerdeakt zur Entscheidung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Als Adressat des Bescheides der belangten Behörde vom 31.01.2019, Zl. VA-VR 69985044/18-Mag.CS, des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, ZI. W198 2215682-1/14E, und des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.07.2020, Ra 2020/08/0073-3, galt das XXXX .

Im Bescheid vom 31.01.2019 und in der Beschwerde scheint als Adresse XXXX auf.

An dieser Adresse wird das XXXX vom Beschwerdeführer betrieben.

Die Aktivlegitimation des XXXX wurde im gesamten Verfahren nicht thematisiert und der Beschwerdeführer wurde persönlich nie als Partei oder Adressat bezeichnet.

Im Zuge der Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.01.2020 und am 07.02.2020 wurde XXXX teilweise als Zeugin, teilweise als Vertreterin einvernommen. Der Beschwerdeführer war bei keiner dieser Verhandlungen persönlich anwesend.

Der Beschwerdeführer ist der Dienstgeber bzw. Vertragspartner der XXXX .

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem übermittelten Akteninhalt der belangten Behörde und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. § 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit (Z 7).

Mangels eines derartigen Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.2. Anwendbare Rechtsgrundlagen:

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG):

„Rechts- und Handlungsfähigkeit

§ 9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

§ 56 Der Erlassung eines Bescheides hat, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.

Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

[…]“

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG:

„Zuständigkeit der Versicherungsträger in Verwaltungssachen

§ 409. Die Versicherungsträger sind im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Behandlung der Verwaltungssachen berufen. Zur Behandlung der Verwaltungssachen, welche die Versicherungspflicht sowie den Beginn und das Ende der Versicherung von Vollversicherten, von in der Kranken- und Unfallversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 1 und § 8 Abs. 1 Z 4) und von in der Unfall- und Pensionsversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 2) und von in der Unfallversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 3 lit. a) und die Beiträge für solche Versicherte betreffen, soweit deren Einhebung den Trägern der Krankenversicherung obliegt, sind, unbeschadet der Bestimmung des § 411, die Träger der Krankenversicherung berufen. Das gleiche gilt für die Zuständigkeit zur Behandlung von Verwaltungssachen, welche die Versicherungsberechtigung sowie den Beginn und das Ende der Versicherung von in der Kranken- und Pensionsversicherung Selbstversicherten (§ 19a) betreffen.

Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen

§ 410. (1) Der Versicherungsträger hat in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Hienach hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen:

1. wenn er die Anmeldung zur Versicherung wegen Nichtbestandes der Versicherungspflicht oder der Versicherungsberechtigung oder die Abmeldung wegen Weiterbestandes der Versicherungspflicht ablehnt oder den Versicherungspflichtigen (Versicherungsberechtigten) mit einem anderen Tag in die Versicherung aufnimmt oder aus ihr ausscheidet, als in der Meldung angegeben ist,

2. wenn er einen nicht oder nicht ordnungsgemäß Angemeldeten in die Versicherung aufnimmt oder einen nicht oder nicht ordnungsgemäß Abgemeldeten aus der Versicherung ausscheidet,

[…]

7. wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt,

8. wenn er entgegen einer bereits bestehenden Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auf Grund ein und derselben Tätigkeit die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 als gegeben erachtet,

9. wenn er eine Teilgutschrift nach § 14 APG überträgt.

Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung

§ 412a. Zur Klärung der Versicherungszuordnung ist ein Verfahren mit wechselseitigen Verständigungspflichten des Krankenversicherungsträgers und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen durchzuführen. Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgt

1. auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (§§ 412b und 412c) oder

2. auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung (§ 412d)

a) nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG, soweit es sich um Berechtigte zur Ausübung eines freien Gewerbes handelt, die von den Trägern der Krankenversicherung und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen einvernehmlich bestimmt wurden, oder

b) nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG oder

c) nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit Punkt 6 oder 7 der Anlage 2 zum BSVG oder

3. auf Antrag der versicherten Person oder ihres Auftraggebers/ihrer Auftraggeberin (§ 412e).

Bindungswirkung, Bescheidzustellung

§ 412c. (1) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b das Vorliegen einer Pflichtversicherung

1. nach dem ASVG vom Krankenversicherungsträger und dem Dienstgeber oder

2. nach dem ASVG oder nach dem GSVG bzw. BSVG vom Krankenversicherungsträger und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen

bejaht, so sind die Krankenversicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen und das Finanzamt bei einer späteren Prüfung an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung).

(2) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b vom Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz bejaht, während die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG ausgeht, so hat der Krankenversicherungsträger die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz mit Bescheid festzustellen. Die Behörden sind an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung), wenn der Bescheid des Krankenversicherungsträgers rechtskräftig wurde.

(3) Im Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen auseinander zu setzen.

(4) Bescheide des Krankenversicherungsträgers sind neben der versicherten Person und ihrem Dienstgeber auch der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sowie dem zuständigen Finanzamt zuzustellen.

(5) Die Bindungswirkung nach den Abs. 1 und 2 gilt nicht, wenn eine Änderung des für die Beurteilung der Pflichtversicherung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Versicherungszuordnung auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung (Vorabprüfung)

§ 412d. Auf die Versicherungszuordnung auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG (im Umfang nach § 412a Z 2) oder nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bzw. nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit Punkt 6 oder 7 der Anlage 2 zum BSVG sind die §§ 412b und 412c so anzuwenden, dass

1. die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen den Krankenversicherungsträger, der bei Vorliegen einer Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz zuständig wäre, ohne unnötigen Aufschub von der Anmeldung zu verständigen hat;

2. die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen die Ergebnisse in der Frage, ob eine Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG vorliegt, samt den zugrundeliegenden Unterlagen bei der Anmeldung dem Krankenversicherungsträger nach Z 1 zu übermitteln hat; dem Krankenversicherungsträger nach Z 1 sind sämtliche Erhebungsergebnisse zur Verfügung zu stellen;

3. an die Stelle des Abschlusses der Prüfungen nach § 412c der Abschluss der Prüfungen nach den Z 1 und 2 tritt, wobei für die Bescheiderlassung § 412c Abs. 2 bis 4 gilt.“

Privatschulgesetz:

㤠4. Schulerhalter

(1) Eine Privatschule zu errichten, ist als Schulerhalter – bei Erfüllung der sonstigen in diesem Abschnitt festgesetzten Voraussetzungen – berechtigt

a) jeder österreichische Staatsbürger, der voll handlungsfähig ist, der in sittlicher Hinsicht verläßlich ist und in dessen Person keine Umstände vorliegen, die nachteilige Auswirkungen auf das österreichische Schulwesen erwarten lassen;

b) jede Gebietskörperschaft, gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft und sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts;

c) jede sonstige inländische juristische Person, deren vertretungsbefugte Organe die Voraussetzungen nach lit. a erfüllen.

[…]

§ 8. Erlöschen und Entzug des Rechtes zur Schulführung.

(1) Das Recht zur Führung einer Schule erlischt

a) mit der Auflassung der Schule durch den Schulerhalter,

b) mit dem Wegfall einer der im § 4 Abs. 1 oder 2 genannten Bedingungen,

c) nach Ablauf eines Jahres, in dem die Schule nicht geführt wurde,

d) mit der Überlassung des Schulvermögens an eine andere Person in der Absicht, die Schulerhalterschaft aufzugeben, oder

e) mit dem Tode des Schulerhalters (bei juristischen Personen mit deren Auflösung); die Verlassenschaft beziehungsweise die Erben des Schulerhalters können die Schule jedoch bis zum Ende des laufenden Schuljahres weiterführen, wobei sie die Rechte und Pflichten des Schulerhalters übernehmen; sie haben die Weiterführung der Schule der zuständigen Schulbehörde anzuzeigen.

[…]“

3.3. Im Folgenden wird die aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes maßgebliche Judikatur und Lehre dargelegt:

„Eine als Bescheid intendierte Erledigung, die den Adressaten mit der Bezeichnung „Firma Ferdinand S.“ benennt, stellt nicht zweifelsfrei klar, ob sich dieser gegen Ferdinand S. persönlich oder gegen die seinen Namen tragende KG (die nach der Aktenlage der richtige Bescheidadressat gewesen wäre) richtet, und ist daher absolut nichtig (VwGH 19.5.1994, 92/07/0040; vgl. auch VwGH 20.11.2003, 2001/09/0199)“.

Der gegenständliche Problemkreis kann – wie auch die Praxis zeigt – deshalb oftmals mit der Frage der fehlerhaften Parteibezeichnung zusammenhängen, als nicht nur unklar sein kann, an welche von mehreren Personen ein Bescheid gerichtet ist, sondern insbesondere auch, ob er ein (von vornherein) nicht rechtsfähiges Gebilde oder eine (mehrere) – dahinter stehende (vgl. auch VwGH 22.03.1993, 92/10/0077; 3.9.2001, 99/10/0100; 8.5.2003, 2001/06/0140) – natürliche oder juristische Person (en) zum Adressaten hat (vgl. VwGH 03.09.1998, 97/06/0217; 16.10.2003, 2003/07/0088).

Gerade in solchen Fällen ist zu erwägen, ob er nicht dahin (um)gedeutet (vgl. VwGH 22.03.1993, 92/10/0077; 03.12.2002, 2000/01/0340) – bzw. berichtigt– werden kann, dass er einen Rechtsträger zum Adressaten hat, ginge er doch ansonsten ins Leere (Hengstschläger/Leeb, AVG § 56, Stand 1.7.2005, Rz 57).

Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes:

Bestehen auf den ersten Blick Zweifel, ob sich eine Erledigung an eine Nichtperson oder eine (dahinterstehende) juristische oder natürliche Person richtet, so kann nur dann ein Bescheid vorliegen, wenn eine nähere Auslegung der Erledigung in ihrem Zusammenhalt sowie iVm den maßgeblichen Rechtsvorschriften eindeutig ergibt, dass sie einen Rechtsträger zum Adressaten hat (vgl. VwGH 03.09.1998, 97/06/0217).

Sie ist hingegen sowohl dann absolut nichtig, wenn der Adressat nicht zweifelsfrei feststeht (vgl. VwGH 16.10.2003, 2003/07/0088;) als auch dann, wenn es diesem (eindeutig feststehenden Adressat) an der notwendigen Rechtssubjektivität mangelt (vgl. VwGH 18.12.1992, 89/17/0037; 20.11.2003, 2001/09/0199) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 56, Rz 60)“.

Welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen hat, wird in §§ 58 ff AVG näher geregelt.

Insbesondere muss aus einem Bescheid hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine bestimmte Person gerichtet sein muss (vgl. u.a. Beschluss vom 18.05.1994, Zl. 93/09/0261).

Aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 31.01.2019, Zl. VA-VR 69985044/18-Mag.CS, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, ZI. W198 2215682-1/14E, und dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.07.2020, Ra 2020/08/0073-3, ergibt sich zusammengefasst, dass der Adressat der hoheitlichen Entscheidungen immer das XXXX selbst gewesen ist. Ein "Deuten" eines bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten wäre zulässig und geboten, wenn die Identifizierung des Adressaten durch die fehlerhafte Bezeichnung nicht in Frage gestellt wäre. Gegenständlich kommt der Name einer natürlichen Person weder in der Bezeichnung des Adressaten, noch in der Zustellverfügung, oder an anderer Stelle der Erledigung vor.

Als Adressat der bisher ergangenen Entscheidungen gilt daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes eindeutig das XXXX . Eine Umdeutung ist nicht möglich. Festgestelltermaßen wurde die Frage zur Aktivlegitimation im Vorverfahren nicht gestellt.

Das XXXX selbst verfügt jedoch nach Ansicht beider Parteien des Beschwerdeverfahrens über keine Rechtssubjektivität und damit auch über keine Parteifähigkeit. Dieser Rechtsansicht kann sich auch das Bundesverwaltungsgericht anschließen. Schulerhalter des XXXX ist iSd. Privatschulgesetzes der Beschwerdeführer.

Beim XXXX handelt es sich mangels Rechtssubjektivität folglich um keinen tauglichen Bescheidadressaten (vgl. VwGH 30.09.2011, 2008/11/0192). Die Erledigung vom 31.01.2019 erlangte sohin keine Bescheidqualität und ist absolut nichtig.

Von daher hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gegenüber keinen Bescheid erlassen und liegt folglich keine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor.

3.4. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anders bestimmt, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Eine mündliche Verhandlung wurde von den Verfahrensparteien nicht beantragt.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte durch die Aktenlage als hinreichend geklärt erachtet werden.

In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §§ 56 ff AVG ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

absolute Nichtigkeit Bescheidadressat Bescheidqualität Parteifähigkeit Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W260.2240499.1.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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