Index
21/06 WertpapierrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Recht auf Eigentum und im Gleichheitsrecht durch ein dem Verbraucher- und Anlegerschutz dienendes Rücktrittsrecht bei unterlassener oder unrichtiger Bestätigung einer Veranlagung in Immobilien gemäß dem KapitalmarktG; Rücktrittsrecht des Verbrauchers fördert die Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Pflichten auch durch den Emittenten; keine Bedenken gegen das Rücktrittsrecht gegenüber seinem Vertragspartner angesichts dessen privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten, sich gegen nicht entsprechenden Anlegerbestätigungen abzusichern; erhöhtes Informations- und Schutzinteresse der Anleger, Angabe des Datums der Prospektveröffentlichung bei Veranlagungen in Immobilien sowie unbefristete Dauer des Rücktrittsrechts im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter oder unvollständiger Prospekte mit Rücktrittsrecht nicht vergleichbarSpruch
I. Der Antrag auf Aufhebung des §5 Abs2 und Abs4 zweiter Satz sowie des §14 Z3 des Bundesgesetzes über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen und über die Aufhebung des Wertpapier-Emissionsgesetzes (Kapitalmarktgesetz – KMG), BGBl Nr 625/1991, idF BGBl I Nr 2/2001 wird abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG, begehrt die antragstellende Partei, der Verfassungsgerichtshof möge
"a. §5 KMG idF BGBl 625/1991 sowie §14 KMG idF BGBl I 2/2001 als verfassungswidrig aufheben, in eventu feststellen, dass §5 KMG idF BGBl 625/1991 sowie §14 KMG idF BGBl I 2/2001 verfassungswidrig waren;
b. in eventu §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991, §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 sowie §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 als verfassungswidrig aufheben, in eventu feststellen, dass §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991, §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 sowie §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 verfassungswidrig waren;
c. in eventu §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991, §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 sowie die Wortfolge 'und das Datum' in §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 als verfassungswidrig aufheben, in eventu feststellen, dass §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991, §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 sowie die Wortfolge 'und das Datum' in §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 verfassungswidrig waren;
d. in eventu die Wortfolge 'und das Datum' in §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 als verfassungswidrig aufheben, in eventu feststellen, dass die Wortfolge 'und das Datum' in §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 verfassungswidrig war;
e. in eventu §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991 und §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 als verfassungswidrig aufheben, in eventu feststellen, dass §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991 und §5 Abs4 zweiter Satz KMG idF BGBl 625/1991 verfassungswidrig waren."
II. Rechtslage
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen und über die Aufhebung des Wertpapier-Emissionsgesetzes (Kapitalmarktgesetz – KMG), BGBl 625/1991, idF BGBl I 2/2001 lauteten (die mit dem ersten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Verbrauchergeschäfte
§5. (1) Erfolgt ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach §6, so können Anleger, die Verbraucher im Sinne des §1 Abs1 Z2 KSchG sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten.
(2) Unbeschadet des Rücktrittsrechtes nach Abs1 können Anleger, die Verbraucher im Sinne des §1 Abs1 Z2 KSchG sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß §14 Z3 bestätigt wurde.
(3) Der Rücktritt bedarf der Schriftform, wobei es genügt, wenn der Verbraucher ein Schriftstück, das seine Vertragserklärung oder die des Veräußerers enthält, dem Veräußerer oder dessen Beauftragten, der an den Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat, mit einem Vermerk zurückstellt, der erkennen läßt, daß der Verbraucher das Zustandekommen oder die Aufrechterhaltung des Vertrages ablehnt. Es reicht aus, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Zeiträume gemäß Abs4 abgesendet wird.
(4) Das Rücktrittsrecht nach Abs1 erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt oder die Angaben nach §6 veröffentlicht wurden. Das Rücktrittsrecht nach Abs2 erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem dem Verbraucher der Erwerb gemäß §14 Z3 bestätigt wurde.
(5) Den Abs1 bis 4 entgegenstehende Vereinbarungen zum Nachteil von Verbrauchern sind unwirksam.
(6) Weitergehende Rechte der Anleger nach sonstigen Vorschriften bleiben unberührt.
[...]
Sonderbestimmungen für Veranlagungen in Immobilien
§14. Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien liegen vor, wenn Wertpapiere oder Veranlagungen von Emittenten ausgegeben werden, die mit dem investierten Kapital direkt oder indirekt nach Zweck oder tatsächlicher Übung überwiegend Erträge aus der Überlassung oder Übertragung von Immobilien an Dritte erwirtschaften. Für solche Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien gelten die nachstehenden Bestimmungen zusätzlich und auch dann, wenn eine Zulassung zum amtlichen Handel an der Wiener Börse beantragt ist:
1. Der Prospekt (§7) ist um die im Schema D enthaltenen Angaben zu ergänzen;
2. die Prospektkontrolle hat durch einen Kontrollor gemäß §8 Abs2 Z3 oder 4 zu erfolgen; §8 Abs2 letzter Satz ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß hinsichtlich des Versicherungsvertrages die Deckungssumme pro einjähriger Versicherungsperiode mindestens 18,2 Millionen Euro zu betragen hat;
3. dem Anleger ist der Erwerb der Veranlagung, über die keine Wertpapiere ausgestellt werden, bei Vertragsabschluß in schriftlicher Form zu bestätigen; die Bestätigung hat die wesentlichen Merkmale der Veranlagung, insbesondere deren Gegenwert und die Rechtsstellung des Anlegers sowie das Publikationsorgan und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts sowie allfälliger sonstiger Angaben nach diesem Bundesgesetz zu enthalten; die Bestätigung ist vom Emittenten auszustellen; ist der Emittent Ausländer, ist sie vom Anbieter auszustellen; sind Emittent und Anbieter Ausländer, ist sie vom Vermittler auszustellen;
4. der Emittent hat für jede Veranlagungsgemeinschaft jährlich einen Rechenschaftsbericht gemäß Anlage E zu erstellen;
innerhalb jeder Veranlagungsgemeinschaft in Immobilien hat die Methode der Wertermittlung der Immobilien gleich zu sein; der Rechenschaftsbericht ist von einem Abschlußprüfer unter sinngemäßer Anwendung der §§268 bis 276 HGB auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen; sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so hat der Prüfer dies durch folgenden Vermerk zu bestätigen: 'Die Buchführung und der Rechenschaftsbericht entsprechen nach meiner/unserer pflichtgemäßen Prüfung den gesetzlichen Vorschriften. Die Bewertung der Immobilien entspricht den im Prospekt und im Rechenschaftsbericht angegebenen Grundsätzen. Der Rechenschaftsbericht vermittelt unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein möglichst getreues Bild der Lage der Veranlagungsgemeinschaft.';
5. der Emittent hat den geprüften Rechenschaftsbericht mit dem Bestätigungsvermerk innerhalb von sechs Monaten nach Abschluß des Geschäftsjahres, in Ermangelung eines solchen bis zum 30. Juni eines jeden Jahres, nach den Vorschriften über die Veröffentlichung des Prospektes nach §10 zu veröffentlichen;
6. der Prüfer des Rechenschaftsberichts haftet den Anlegern im Sinne des §275 HGB."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellende Partei ist beklagte Partei in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Handelsgericht Wien. Die Kläger in diesem Verfahren sind Kommanditisten eines geschlossenen Immobilienfonds. Von 2004 bis 2009 waren die Kläger mittelbar an dem Immobilienfonds beteiligt, nämlich über die antragstellende Partei als Treuhänderin; im Jahr 2009 erwarben die Kläger eine direkte Kommanditistenstellung und wurden als solche in das deutsche Handelsregister eingetragen. Mit Schreiben vom 30. Mai 2018 traten die Kläger von der Veranlagung gemäß §5 (Abs2) und §14 (Z3) KMG, BGBl 625/1991, idF BGBl I 2/2001 zurück, weil sie niemals eine Anlegerbestätigung iSd §14 Z3 leg cit erhalten hätten.
2. Mit Urteil vom 29. März 2021, 69 Cg 103/18p-38, bestätigte das Handelsgericht Wien den Vertragsrücktritt der Kläger gegenüber der antragstellenden Partei. Zwar hätten die Kläger eine Anlegerbestätigung erhalten; diese sei jedoch mangelhaft gewesen, weil das Datum der Prospektveröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung gefehlt habe.
3. Gegen dieses Urteil erhob die antragstellende Partei Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legt sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"3. Zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen
3.1. Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 1. ZP-EMRK)
3.1.1. Vorliegen eines Eingriffs in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums
Gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK ist die Unversehrtheit des Eigentums verfassungsrechtlich gewährleistet. Der VfGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung, weil sie sich auf alle privaten Vermögensrechte erstreckt, auch das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge, also die Privatautonomie umfasst (grundlegend VfSlg 12.227/1989). Der Staat darf demzufolge in die Privatautonomie lediglich unter den Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen vorsieht (vgl VfSlg 13.963/1994, 14.503/1996). Eigentumseingriffe müssen im öffentlichen Interesse liegen und dürfen nicht unverhältnismäßig sein (vgl VfSlg 13.659/1993, 17.604/2005, 17.817/2006, 19.687/2012).
Die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Regelungen bewirken insoweit einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, als sie einer Vertragspartei (Anleger, der Verbraucher iSd §1 Abs1 Z2 KSchG ist) die Möglichkeit einräumen, von einem abgeschlossenen Vertrag bei Vorliegen bestimmter Umstände – grundsätzlich unbefristet – zurückzutreten. Dieses Auflösungsrecht des Anlegers ist dabei gesetzlich zwingend und kann auch nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen abbedungen werden (vgl §5 Abs4 KMG idF BGBl 625/1991).
Insoweit stellen sich die angefochtenen Bestimmungen, die dem Anleger, der Verbraucher iSd §1 Abs1 Z2 KSchG ist, das Recht einräumen, vom Vertrag zurückzutreten, wenn ihm der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht nach §14 Z3 KMG (idF BGBl I 2/2001) bestätigt wurde, als Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar.
3.1.2. Keine Rechtfertigung des Eingriffs
Nach der Rechtsprechung des VfGH kann ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur dann gerechtfertigt sein, wenn damit ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel verfolgt wird, der Eingriff zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sowie insgesamt adäquat ist (grundlegend VfSlg 13.659/1993). Dies ist gegenständlich nicht der Fall:
? Während gegenständlich noch davon ausgegangen werden kann, dass der in Rede stehende Eingriff dem Verbraucherschutz und damit einem im öffentlichen Interesse gelegenen Ziel dient, können andere Ziele durch die in Rede stehende Regelung nicht erreicht werden. Das Handelsgericht Wien weist in seinem Urteil vom 29.03.2021 darauf hin, dass durch die in Rede stehenden Bestimmungen auch ein Anreiz geschaffen werden soll, dass sich Emittenten und sonstige Marktteilnehmer rechtskonform verhalten; es werde indirekt auch die Informationspflicht und Prospektpflicht des Anbieters allgemein gesichert, weshalb das Rücktrittsrecht nicht nur als Rechtsbehelf auf Ebene von zwei Vertragsparteien zu sehen sei, 'sondern als Instrument des Private Enforcement allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Pflichten gegenüber der Anlegergesamtheit und dem Kapitalmarkt' (vgl S 17 des Urteils unter Berufung auf eine Literaturmeinung von Kalss in FS Fenyves [2013] 167 [169 f, 171 f]). Soweit die angefochtenen Regelungen aber tatsächlich diesem Ziel der Sicherstellung von allgemein rechtskonformem Verhalten der Emittenten und sonstigen Marktteilnehmer dienen sollen, sind sie zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet.
Immerhin greift das Rücktrittsrecht des Anlegers / Verbrauchers auch in jenen Konstellationen, in [denen] die Bestätigung nach §14 Z3 KMG (idF BGBl I 2/2001) von einem anderen Unternehmen ausgestellt wird und auch ausgestellt werden muss, als jenem, demgegenüber das Rücktrittsrecht auszuüben ist. Die Anlegerbestätigung ist nämlich gemäß §14 Z3 KMG (idF BGBl I 2/2001) vom Emittenten oder, bei ausländischen Emittenten (dies ist hier der Fall) von demjenigen Rechtsträger, der das prospektpflichtige Angebot stellt, auszustellen (§1 Z6 KMG idF BGBl I 2/2001). Dies war im vorliegenden Fall nicht die beklagte Antragstellerin, sondern die *** (die nach den – zutreffenden – Urteilsfeststellungen als inländischer Anbieter und Vermittler fungierte; vgl S 8 und 10 des Urteils).
Demgegenüber wurde (nach Ansicht des Handelsgerichts Wien rechtsrichtigerweise, vgl dazu S 15 des Urteils) das Rücktrittsrecht gegenüber der Antragstellerin ausgeübt und die Einlage von der Beklagten zurückgefordert. Wenn aber das Rücktrittsrecht auch 'als Instrument des Private Enforcement allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Pflichten gegenüber der Anlegergesamtheit und dem Kapitalmarkt [zu verstehen ist]' (vgl Urteil S 17), verfehlt die gesetzliche Regelung dieses Ziel. In Konstellationen wie der im Anlassfall vorliegenden kann es gar nicht erst dazu kommen, dass die Möglichkeit des Rücktritts bei nicht gesetzeskonformer Ausstellung eine verhaltenssteuernde Wirkung bei demjenigen entfaltet, der sich ansonsten der 'Gefahr' eines Rücktritts ausgesetzt sähe, weil dieser nicht derjenige ist, der die Anlegerbestätigung auszustellen hat. Diesem gegenüber vermag aber die Rücktrittsmöglichkeit ebenfalls nicht verhaltenssteuernd zu wirken, weil er selbst nicht Vertragspartner des Anlegers ist.
Ob im Innenverhältnis allfällige Rückgriffsansprüche des Rücktrittsgegners (hier: der Antragstellerin) bestehen, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt davon ab, ob zwischen dem Anbieter und dem Rücktrittsgegner ein vertragliches Verhältnis besteht, das ersteren zur sorgfaltsgemäßen Erfüllung der Pflichten nach §14 KMG verpflichtet. Von Gesetzes wegen besteht ein solcher Rückgriffsanspruch jedenfalls nicht. Selbst wenn ein (vertraglicher) Rückgriffsanspruch bestünde, hätte dieser wiederum selbst die Hürde der gerichtlichen Geltendmachung zu überwinden; ein allfälliges Insolvenzrisiko trägt in diesen Konstellationen jedenfalls der Vertragspartner des Anlegers[.]
Bei Konstellationen wie der im Anlassfall gegenständlichen handelt es sich um keinen Härtefall, sondern im Gegenteil um einen typischen Fall. Ist der Emittent Inländer, hat dieser nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 die Bestätigung auszustellen. Vertragspartner des Verbraucher-Anlegers ist aber typischerweise nicht der Emittent selbst, sondern ein Kreditinstitut oder ein sonstiges Dienstleistungsunternehmen, das die Veranlagungen zeichnet und dann an das anlagesuchende Publikum weitergibt. In solchen Fällen ist 'Rücktrittsgegner' dieses Kreditinstitut oder sonstige Unternehmen (RIS-Justiz RS0125648, OGH 2Ob32/09h). Desgleichen, wenn etwa ein Kreditinstitut die Veranlagung für einen Kunden im Wege der Einkaufskommission beschafft, ein Fall, der dem vorliegenden sehr nahesteht. [Der Einkaufskomm[i]ssionär handelt gemäß §383 Abs1 UGB bei Erwerb der Veranlagung im eigenen Namen und hat die Veranlagung sodann an den Kommittenten herauszugeben. Gegenstand des Rücktritts ist in diesem Fall das Kommissionsgeschäft[.]]
Im vorliegenden Fall ist 'Rücktrittsgegner' ein Treuhanddienstlei[s]tungsunternehmen, dessen Unternehmensgegenstand im Erwerb und dem Halten von derartigen Veranlagungen für die Anleger besteht. Mit der Beitrittserklärung Beilage./3 beauftragt der Anleger die Antragstellerin, im eigenen Namen, jedoch für Rechnung des Anlegers den Kommanditanteil an der Fondsgesellschaft zu erwerben; letztere ist die Emittentin. Der Rücktritt lässt den Treuhandvertrag mit ex tunc entfallen, womit ein Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlung (dies ist nach Beurteilung des Handelsgerichts Wien und auch der Rspr des OGH (OGH 6 Ob 220/20a) die Treuhandgesellschaft) die Beklagte entsteht.
Gemäß der ausdrücklichen Anordnung des §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001, kommt es daher regelmäßiger- und typischerweise zum Auseinanderfallen in der Person des Ausstellers der Bestätigung und demjenigen, demgegenüber ein allfälliger Rücktritt zu erklären und geltend zu machen ist. Damit ist dieser Fall der fehlenden Identität zwischen dem Aussteller der Bestätigung und dem 'Adressaten' des Rücktrittsrechts in den in Rede stehenden Regelungen aber geradezu angelegt, weshalb kein Härtefall vorliegt.
? Weiters ist der in Rede stehende Eingriff auch nicht zur Erreichung des angestrebten Ziels (Verbraucherschutz) notwendig iSe gelindesten Mittels. Selbst wenn man annehmen wollte, dass es eine 'erzieherische' Wirkung haben kann, wenn für die nicht gesetzeskonforme Ausstellung von Bestätigungen nach §14 Z3 KMG idF BGBl I [2/2001] die Möglichkeit des Rücktritts im Raum steht, erweist es sich als nicht unbedingt erforderlich, dieses Mittel auch in jenen Konstellationen zur Anwendung zu bringen, in denen die Person des Ausstellers der Bestätigung nicht mit jener ident ist, der gegenüber der Rücktritt geltend zu machen wäre. Da diesfalls der Aussteller der Bestätigung nicht bzw zumindest nicht unmittelbar von den nachteiligen Folgen einer gesetzwidrigen Bestätigung betroffen wäre, wird er aus diesem Umstand keine zusätzliche Motivation zur Ausstellung gesetzeskonformer Bestätigungen ziehen. Insofern 'verpufft' das entsprechende Anliegen.
Aber auch in jenen Konstellationen, in denen es noch zu einer Personenidentität zwischen dem Aussteller der Bestätigung und der Person, der gegenüber der Rücktritt erfolgt[,] kommt, bzw auch im Hinblick auf andere Zielsetzungen, denen die in Rede stehende Bestimmung allenfalls dienen sollte, geht der Eingriff über das hinaus, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Soweit nämlich mit den in Rede stehenden Regelungen das Ziel verfolgt wird, einem allfälligen Informationsinteresse seitens der Anleger Rechnung zu tragen, erweist sich dies nur so lange als gerechtfertigt, als tatsächlich ein solches Informationsinteresse besteht.
Beispielhaft kann wieder auf den Anlassfall verwiesen werden: Dort war in der Bestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 nicht das Datum der Prospektveröffentlichung in der Wiener Zeitung angegeben. Allerdings hatte die bestätigungsausste[ll]ende Stelle (***) darauf hingewiesen, dass ein vollständiger Prospekt bei ihr und auch bei der ÖKB kostenlos angefordert werden könne (vgl den Auszug aus der Bestätigung, wiedergegeben auf S 10 des Urteils). Soweit es also darum gehen solle, dass den Anlegern ein niederschwelliger Zugang zu dem vollständigen Prospekt gewährt werden sollte, muss davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit, eine kostenlose Zusendung des Prospekts zu erhalten, diesem Anliegen eher oder jedenfalls ebensogut Rechnung trägt, wie die Angabe der Fundstelle in einer öffentlich zugänglichen Zeitung (wobei diesfalls zudem das Auffinden des Prospekts ebenso wie die Kosten der Herstellung [Ausdrucken, Kopie] eines Exemplars dem Anleger anfallen würden, was bei der angebotenen kostenlosen Zusendung nicht der Fall wäre). Da die hier angefochtenen Regelungen aber durch die unbedingte Forderung nach der Angabe des Orts und des Datums der Veröffentlichung keinen Raum für alternative Möglichkeiten bieten, den Anlegern den Inhalt des Prospekts zur Kenntnis zu bringen (nicht gesetzeskonform wäre es demnach auch, wenn der Prospekt dem Schreiben gleich beigelegt wäre), geht er über das hinaus, was zur Erreichung des gesetzten Ziels (Information der Verbraucher) erforderlich ist. [Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass für den Fall der Nichtveröffentlichung eines Prospekts trotz Bestehens einer Veröffentlichungspflicht nach §5 Abs1 KMG idF BGBl 625/1991 ein gesondertes Rücktrittsrecht zustand.] Demgemäß sind die angefochtenen Regelungen verfassungswidrig.
Zudem: Das Gesetz verlangt die Angabe des Datums der Prospektveröffentlichung selbst dann, wenn dieses Datum keinerlei Informationswert hat, also insbesondere dann, wenn der Prospektpflichtige von den Publikationswahlrechten gemäß §10 Abs1 Z3 KMG (Auflage am Sitz des Emittenten) oder 4 (Homepage) Gebrauch macht. Auch in solchen Fällen ist das Publikationsdatum anzugeben; fehlt es, wurde der Erwerb der Anlage nicht im Sinne des §5 Abs2 KMG 'gemäß' §14 Z3 KMG bestätigt und greift das Rücktrittsrecht ein.
Ein Rücktrittsrecht besteht sogar selbst dann, wenn dem betreffenden Anleger der Prospekt ausgehändigt wurde und er daher keinerlei Interesse hat, das Datum der Prospektveröffentlichung zu erfahren.
? Schließlich erweist sich der in Rede stehende Eingriff auch als nicht adäquat. Adäquat ist eine gesetzliche Regelung nach Ansicht des VfGH nur dann, wenn zwischen dem öffentlichen Interesse und der verkürzten Grundrechtsposition eine angemessene Relation besteht (vgl etwa VfSlg 11.558/1987). Gegenständlich ermöglichen die angefochtenen Bestimmungen aber einen Rücktritt bei bloßer Nichteinhaltung von Formvorschriften und völlig unabhängig davon, ob die Nichteinhaltung dieser Formvorschriften zu einem Informationsdefizit des Anlegers geführt hat, oder nicht. Dies auch in jenen Fällen, in denen die Person, der gegenüber der Rücktritt geltend gemacht wird, nicht mit jener ident ist, die das Bestätigungsschreiben nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 nicht gesetzeskonform ausgestellt hat. Demgemäß hat die Person, die sich der 'Gefahr' ausgesetzt sieht, dass ihr Vertragspartner den Rücktritt erklärt, auch keine Möglichkeit, etwa durch eigene, proaktive Information der Anleger diese Gefahr auszuschließen. Selbst wenn sie den Anlegern sämtliche Informationen über die Auffindbarkeit des Prospekts bzw allenfalls sogar den Prospekt selbst zukommen ließe, würde dies nichts daran ändern, dass die Anleger ihr gegenüber infolge nicht gesetzeskonformer Ausstellung einer Bestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 jederzeit den Rücktritt erklären könnten. Die angefochtenen Regelungen sind daher nicht adäquat und folglich verfassungswidrig.
3.2. Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art7 B-VG; Art2 StGG)
3.2.1. Nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen
Ganz grundsätzlich verbietet der Gleichheitssatz (Art7 B-VG und Art2 StGG […]) dem Gesetzgeber die Ungleichbehandlung von Gleichem und die Gleichbehandlung von Ungleichem. Eine gleichheitswidrige Ungleich- bzw Gleichbehandlung liegt immer dann vor, wenn sie nicht auf Unterschieden bzw Gemeinsamkeiten 'im Tatsächlichen' beruht und im Hinblick auf diese sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl dazu näher Holoubek in Korinek/Holoubek [Hrsg] Bundesverfassungsrecht [14[.] Lfg; 2018] Art7/1 S 1, 2 B-VG, Rz 116 mwN).
Die angefochtenen Bestimmungen gebieten die Ausstellung einer Anlegerbestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 nur für Veranlagungen in Immobilien und dies auch nur dann, wenn die Veranlagung nicht wertpapiermäßig verbrieft ist. Eine sachliche Rechtfertigung für die erhöhten Anforderungen an den Abschluss von Immobilienanlegerverträgen (bzw den Ausschluss einer Rücktrittsmöglichkeit aus solchen) ist schon grundsätzlich nicht ersichtlich. Die Gesetzesmaterialien begründen diese zusätzliche Anforderung damit, dass die 'Veranlagung in Immobilen […] in der Regel über unterschiedlichste gesellschaftsrechtliche Konstruktionen [erfolgt], sodaß die Anleger häufig keine Wertpapiere erhalten'; die Pflicht zur Ausstellung von Bestätigungen über das Rechtsverhältnis dient diesfalls der zusätzlichen Information der Anleger (ErlRV 147 BlgNR XVIII, 21). Aus welchem Grund aber gerade bei Immobilienveranlagungen besondere Informationsinteressen vorliegen sollten, die bei anderen Anlageformen nicht bestehen, bleibt offen. Informationen über die Zugänglichkeit des Kapitalmarktprospekts sind auch außerhalb von Immobilienveranlagungen von grundlegendem und generellem Interesse der Anleger. Die Ungleichbehandlung von Immobilienveranlagungen gegenüber sonstigen Anlageformen erweist sich als sachlich nicht rechtfertigbar und folglich verfassungswidrig.
Ebenso stellt es eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar, dass Anlegerbestätigungen lediglich dann auszustellen sind, wenn die Veranlagung nicht wertpapiermäßig verbrieft ist. Damit verfolgt §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 offensichtlich den Zweck, dem Anleger grundlegende rechtliche Informationen, die im Fall der Verbriefung der Urkunde entnommen werden können, auf andere Weise zukommen zu lassen. Nun sind aber jene Angaben, die §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 als wesentliche Merkmale der Veranlagung nennt und die deshalb Inhalt einer Anlegerbestätigung zu sein haben, wie etwa der Ort und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts, aus Wertpapieren regelmäßig gerade nicht ersichtlich. Demgemäß stellt es eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar, wenn in einer Anlegerbestätigung solche Angaben zu machen sind, die im Fall einer verbrieften Anlage auch der Urkunde nicht zu entnehmen sind. Die angefochtenen Bestimmungen sind daher gleichheits- und verfassungswidrig.
Schließlich erweist sich die unterschiedslose Vorgabe der Nennung des Datums der Veröffentlichung des Prospekts als nicht [zu] rechtfertigende Ungleichbehandlung: Bei Veröffentlichung des Prospekts im Amtsblatt zur Wiener Zeitung oder in einer Zeitung mit einer Verbreitung im gesamten Bundesgebiet (vgl §10 Abs1 Z1 und Z2 KMG idF BGBl I 2/2001) mag die Angabe des Kundmachungsdatums noch sinnvoll sein. Bei Veröffentlichungen in einer Broschüre, die am Sitz des Emittenten und des Kreditinstituts, das die Aufgabe der Zahlstelle übernimmt, kostenlos zur Verfügung gestellt wird, oder auf der Homepage des Emittenten und des Kreditinstituts, das die Aufgabe der Zahlstelle übernimmt (vgl §10 Abs1 Z3 und Z4 KMG KMG idF BGBl I 2/2001[)], erweist sich die Forderung nach einer Datumsangabe aber schon als sinnentleert. Letzterenfalls ist der veröffentlichte Prospekt nämlich unabhängig von einer Datumsangabe auffindbar. Dass §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 dessen ungeachtet unterschiedslos die Angabe des Publikationsdatums erfordert und §5 Abs2 KMG idF BGBl I 2/2001 an die Missachtung dieser Vorgabe die Sanktion der Rücktrittsmöglichkeit knüpft, erweist sich als sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Die angefochtenen Regelungen sind daher auch insoweit gleichheits- und verfassungswidrig.
3.2.2. Unsachliche Ungleichbehandlung – Wertungswidersprüche
Auch insgesamt erweist sich die gesetzlich vorgesehene Rücktrittsmöglichkeit bei nicht gesetzmäßig ausgestellter Anlegerbestätigung als systemwidrig innerhalb des KMG. Es liegt auch eine sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung von Fehlern bei der Ausstellung der Anlegerbestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 und Fehlern bei der Erstellung des Prospekts als solchem vor. Gemäß der im Anlassfall maßgeblichen Rechtslage hafteten gemäß §11 KMG die dort genannten Personen (auf Schadenersatz) für Schäden, die dem Anleger im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben und der sonstigen erforderlichen Angaben, die für die Beurteilung der Veranlagung erheblich sind. Diese Prospekthaftung unterscheidet sich in wesentlichen Aspekten von der 'Haftung' (iSd Einräumung einer Rücktrittsmöglichkeit mit Rückabwicklung) für fehlerhafte Anlegerbestätigungen:
? Zunächst trifft die Prospekthaftung die haftpflichtigen Personen nur bei Verschulden; bei manchen Haftungsadressaten wird sogar grobes Verschulden vorausgesetzt.
? Nach §11 Abs1 KMG tritt eine Prospekthaftung nur dann ein, wenn dem Anleger im Vertrauen auf die Prospektangaben ein Schaden entstanden ist; der Prospektinhalt muss also für die Anlageentscheidung kausal gewesen sein und der Anleger muss behaupten und beweisen, dass er die Prospektangaben zur Kenntnis genommen hat [und] bei Richtigkeit der Prospektangaben nicht investiert hätte (OGH 1Ob35/18f).
? Die Prospekthaftung unterlag nach der im relevanten Zeitpunkt maßgeblichen Rechtslage einer 5-jährigen Verjährungsfrist.
? Die Prospekthaftung bestand nach der maßgeblichen Rechtslage nur für solche Fehler, die für die Entscheidung eines verständigen Anlegers wesentlich sind (arg §7 Abs1 iVm §11 Abs1 KMG).
Vergleichbare Beschränkungen sind dem Rücktrittsrecht nach §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991 fremd. Dieses besteht völlig verschuldensunabhängig und sogar dann, wenn der zur Abgabe der Anlegerbestätigung Verpflichtete nicht ident ist mit dem Adressaten des Rücktrittsrechts. Das Rücktrittsrecht besteht auch unabhängig davon, ob die fehlerhafte Anlagebestätigung irgendwelche rechtlich relevanten Auswirkungen gezeitigt hat, ja sogar unabhängig davon, ob der Anleger die fehlerhafte Bestätigung überhaupt gelesen hat. Schließlich besteht die Rücktrittsmöglichkeit wegen fehlerhafter Anlegerbestätigung zeitlich unbeschränkt.
Die – von ihren möglichen Auswirkungen auf die Anlegerentscheidung – sohin weitaus gravierenderen Fehler in einem Prospekt können sohin nur unter deutlich restriktiveren Voraussetzungen geltend gemacht werden als die fehlerhaften Angaben in einer Anlegerbestätigung. Für diese Unterscheidung fehlt es an jeglicher sachlicher Rechtfertigung, weshalb die angefochtenen Regelungen auch aus diesem Grund gleichheits- und verfassungswidrig sind.
Ein vergleichbarer Wertungswiderspruch liegt auch im Hinblick auf das Rücktrittsrecht nach §5 Abs1 KMG idF [BGBl] 625/1991 vor. Demgemäß konnten Anleger, die Verbraucher iSd §1 Abs1 Z2 KSchG sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn ein öffentliches Angebot ohne vorherige Veröffentlichung eines Kapitalmarktprospekts oder – bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse – ohne eines allenfalls nach §6 erforderlichen Nachtragsprospekts gestellt wurde. Nach dieser Bestimmung war ein Rücktritt getreu dem Regelungswortlaut aber nur dann zulässig, wenn der Prospekt oder gegebenenfalls der Nachtrag völlig fehlten, (OGH 5 Ob 56/11p) nicht aber, wenn diese inhaltlich fehlerhaft waren. Demgegenüber besteht das Rücktrittsrecht nach §5 Abs2 KMG idF [BGBl] 625/1991 nicht nur dann, wenn überhaupt keine Anlegerbestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 ausgestellt wurde, sondern auch dann, wenn eine solche bloß mit Formalfehlern behaftet war, die ohne jegliche Konsequenz geblieben sind. Für diese Unterscheidung fehlt es an jeglicher sachlicher Rechtfertigung, weshalb die angefochtenen Regelungen auch aus diesem Grund gleichheits- und verfassungswidrig sind.
3.2.3. Unsachlichkeit der Regelungen
In seiner Rechtsprechung hat der VfGH den Gleichheitssatz der Art7 B-VG und Art2 StGG zu einem allgemeinen Sachlichkeitsgebot weiterentwickelt. Nach dieser bindet der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Den gegenständlich angefochtenen Bestimmungen fehlt es an einer sachlichen Begründung, weshalb sie insoweit verfassungswidrig sind.
Wie bereits dargetan (vgl oben Punkt 3.1.2), führen die angefochtenen Regelungen dazu, dass einem Anleger ein Rücktrittsrecht wegen nicht gesetzeskonformer Ausstellung einer Bestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 auch dann zusteht, wenn dem Anleger jene Informationen, zu denen ihm die ausgestellte Bestätigung verhelfen soll, auf anderem Wege sehr wohl zugekommen sind. Schon aus diesem Grund sind die angefochtenen Regelungen unsachlich und daher verfassungswidrig.
Zusätzlich erweist es sich als unsachlich, dass mit den nachteiligen Folgen eines Rücktritts aufgrund der angefochtenen Bestimmungen eine Person belastet sein kann, die nicht mit der Person, die zur Ausstellung der Bestätigung nach §14 Z3 KMG idF BGBl I 2/2001 verpflichtet ist, ident ist, und die auch keinen Einfluss auf den Inhalt der Bestätigung nehmen kann oder allfällige Mängel der Bestätigung durch eigenes Zutun (Übermittlung der bekannt zu gebenden Informationen) ausgleichen kann. Auch insoweit sind die angefochtenen Regelungen unsachlich und daher verfassungswidrig.
3.2.4. Unsachlichkeit der Unbefristetheit des Rücktrittsrechts
Des weiteren erweist es sich als sachlich nicht rechtfertigbar, dass Anlegern nach §5 Abs2 KMG idF BGBl 625/1991 ein unbefristetes Rücktrittsrecht mit Wirkung ex tunc eingeräumt wird, wohingegen der Gesetzgeber in anderen Konstellationen sehr wohl Befristungen und Schranken für Rückabwicklungen vorsieht.
Mit BGBl I 51/2018 wurde das VersVG durch Einfügung eines §176 Abs1a dahingehend geändert, dass bei potentiell 'unendlich' möglichem Rücktritt von einer Kapitalversicherung (infolge unvollständiger Informationen des Versicherungsnehmers) dem Versicherungsnehmer innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss die für das erste Jahr gezahlten Prämien zurückzuzahlen sind; ab dem zweiten bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Vertragsabschluss gebührt der Rückkaufswert ohne Berücksichtigung der tariflichen Abschlusskosten und des Abzugs gemäß §176 Abs4 VersVG.
Lebensversicherungen sind von ihrem Anlagezweck her den hier in Rede stehenden Immoblienanlagen als 'Vorsorge' durchaus vergleichbar. Bezeichnenderweise haben die Kläger im Anlassverfahren die in Rede stehenden Anlagen gezeichnet 'um für ihre Pension vorzusorgen' (vgl S 9 des Urteils).
Da der Gesetzgeber aber in der vergleichbaren Konstellation des VersVG keine unbefristeten Rückabwicklungen (mehr) zulässt, erweist es sich als sachlich nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung, wenn er dies für Immobilienveranlagungen nach dem KMG weiterhin ermöglicht.
Zu den zeitlichen Verhältnisse[n] [sei] angemerkt, dass selbst wenn die hier angefochtenen Regelungen im Jahr 2004 in der hier relevierten Hinsicht noch verfassungskonform gewesen sein mögen, diese Verfassungskonformität spätestens mit jenem Zeitpunkt verloren ging, als sich der Gesetzgeber in vergleichbaren Konstellationen dafür entschied, Rückabwicklungen von abgeschlossenen Anlageverträgen zu befristen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten auch Rückabwicklungsmöglichkeiten nach dem KMG in der hier maßgeblichen Fassung zeitlich begrenzt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, liegt nunmehr eine sachlich nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung vor, weshalb die angefochtenen Regelungen jedenfalls noch vor dem Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens verfassungswidrig wurden (zum Inkrafttreten des KMG 2019 [BGBl I 62/2019]) und nunmehr verfassungswidrig sind."
4. Die Bundesregierung hat mit Eingabe vom 23. Juni 2021 von einer Äußerung abgesehen.
5. Die Kläger im zivilgerichtlichen Verfahren haben als beteiligte Parteien im verfassungsgerichtlichen Verfahren ebenfalls keine Äußerung erstattet.
6. Mit Eingabe vom 28. Juni 2021 teilte die antragstellende Partei mit, dass die angefochtenen Bestimmungen in zumindest zwölf weiteren zivilgerichtlichen Verfahren präjudiziell seien. Der Verfassungsgerichtshof möge im Falle einer Aufhebung der Bestimmungen aussprechen, dass diese nicht mehr anzuwenden seien und frühere Gesetzesbestimmungen nicht wieder in Kraft träten.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass der Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. März 2021 gestellt. Mit diesem Urteil wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG).
1.3. Als beklagte Partei ist die antragstellende Gesellschaft Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt ist.
1.4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die antragstellende Partei jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).
Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Handelsgerichtes Wien davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.
1.5. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl VfSlg 20.010/2015, 20.029/2015).
1.6. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre