TE Vwgh Beschluss 1996/12/4 96/21/0942

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Veröffentlicht am 04.12.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über den Antrag des S in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. August 1996, Zl. Fr 1303/96, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. August 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid langte am 20. August 1996 in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers ein. Am 1. Oktober 1996 wurde die vom Vertreter des Beschwerdeführers unterfertigte Beschwerde samt Beilagen der seit 1992 in seiner Kanzlei beschäftigten Kanzleileiterin zur Abfertigung übergeben. Der Kanzleileiterin sei seit Beginn ihrer Beschäftigung nicht der geringste Fehler in bezug auf postalische Behandlung von Briefen unterlaufen. Die Kanzleileiterin hatte an diesem Tag noch etwa 30 andere Briefe und fünf andere Einschreibbriefe zur Post zu bringen. Die Kanzleileiterin hatte neben der Postabfertigung auch die übrigen Kanzleidienste vorzunehmen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei es dazu gekommen, daß sie die Beschwerde zwar kuvertierte, das Kuvert dann allerdings in den Akt eingelegt habe. Auf dem Akt sei der Ausgang der Beschwerde samt der entrichteten Gebühr vermerkt und der Akt sodann wieder abgelegt worden. Möglicherweise sei die Kanzleileiterin durch ein Telefonat oder einen Klienten abgelenkt worden und habe daher versehentlich den gegenständlichen Akt zur Seite gelegt und geschlossen.

Am 4. November 1996 habe sich der mit der Angelegenheit betraute Sacharbeiter (Herr Lang) der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen telefonisch beim Vertreter des Beschwerdeführers erkundigt, ob gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. August 1996 Beschwerde verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht worden sei. Die Kanzleileiterin habe bei Einsicht in den Akt festgestellt, daß die Beschwerde samt Kuvert im Akt gelegen und offenbar irrtümlich nicht zur Post getragen worden sei.

Mit diesen Ausführungen in dem am 7. November 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist begehrt der Beschwerdeführer die Bewilligung dieses Antrages.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Mayer B-VG, 1994, § 46 VwGG III und IV) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.

Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Überläßt nämlich ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Schriftsatzes dessen Kuvertierung und Postaufgabe einer verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zur Last (Mayer, a.a.O.). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Beschwerdeführer unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, daß ihn an der Erhebung der Beschwerde gehindert hat.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210942.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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