TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 W195 2242861-1

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Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG-DV 2005 §4 Abs1
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2242861-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX geb. XXXX alias XXXX StA. XXXX , vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2021, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorhergehende Verfahren:

I.1.1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.01.2019, XXXX , wurde in Bestätigung der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden „BF“) auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen. Die Behandlung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 27.11.2019, XXXX abgelehnt. Eine gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19.02.2020, XXXX zurückgewiesen.

I.1.2. Am 27.03.2020 stellte der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK – ‚Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens‘“ mittels Formblatt des BFA. Mit dem Antragsformular legte der BF weitere (unzureichende) Unterlagen vor.

Mit als „Verbesserungsauftrag“ bezeichnetem Schreiben vom 08.06.2020 trug das BFA dem BF auf, binnen zweier Wochen den Antrag persönlich beim BFA zu stellen und die in § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 aufgezählte Urkunden innerhalb einer Frist von zwei Wochen vorzulegen, widrigenfalls anhand der Aktenlage zu entscheiden wäre bzw. der Antrag gemäß § 13 Abs. 3 und 4 AVG zurückzuweisen wäre.

Am 24.06.2020 legte der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine weitere Urkunde (Arbeitsvorvertrag) vor, kam jedoch dem Verbesserungsauftrag nicht nach.

Das BFA wies daraufhin mit Bescheid vom 07.07.2020 den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 gemäß § 13 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte es aus, dass dem zwingenden gesetzlichen Erfordernis (persönliches Erscheinen und Vorlage der Urkunden nach § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005) trotz eines Verbesserungsauftrages nicht nachgekommen worden sei.

Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.12.2020, XXXX rechtskräftig abgewiesen und begründete dies damit, dass es sich beim Erfordernis des persönlichen Erscheinens zwecks Erstantragstellung (§°58°Abs.°5°AsylG°2005) um eine zwingende Bestimmung handle. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel ergriffen und erwuchs diese damit in Rechtskraft.

I.1.3. Mit ausgefülltem Formular vom 19.01.2021, vom BF persönlich eingebracht am 20.01.2021, stellte der BF, vertreten durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter, einen neuerlichen Antrag beim BFA auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung plus“).

Dem Antrag war das ausgefüllte Antragsformular, ein Schriftsatz, ein Lichtbild (beides im Original) sowie Kopien mehrerer Urkunden angeschlossen. Der Antrag wurde damit begründet, dass sich die soziale Integration des BF verbessert habe, er inzwischen über ein hohes Sprachniveau verfüge und die 8. Schulstufe positiv abgeschlossen habe. Der BF sei als finanziell abgesichert anzusehen und er besitze einen aufrechten Krankenversicherungsschutz. Ausdrücklich angeführt wurde auch, dass der vorherige Erstantrag zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus dem Grund des nicht persönlichen Erscheinens vor der belangten Behörde zurückgewiesen worden sei. Mit Eingabe vom 28.01.2021 erfolgte eine weitere Urkundenvorlage.

Diesen Antrag wies das BFA mit vom 14.04.2021 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, dass „die erforderlichen Dokumente erneut nicht vorgelegt“ (§ 8 Abs. 1 AsylG-DV) worden seien. Es sei bereits im Vorverfahren ein Verbesserungsauftrag zur Vorlage von zwingend erforderlichen Dokumenten gemäß § 8 AsylG-DV (Reisedokument und Geburtsurkunde) erteilt worden; diesem Verbesserungsauftrag sei der rechtsfreundlich vertretene BF damals nicht nachgekommen, weshalb der Antrag zurückgewiesen worden sei. Auch diesmal habe der – wiederum durch denselben Rechtsanwalt vertretene - BF weder die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Urkunden vorgelegt noch einen Heilungsantrag nach § § 4 Abs. 1 AsylG-DV gestellt. Die belangte Behörde sei nicht nochmals zur Erteilung eines Verbesserungsauftrages verpflichtet; der Antragsteller im Verfahren nach § 55 AsylG 2005 habe eine Mitwirkungspflicht.

Die gegen diese Entscheidung des BFA eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 16.06.2021, XXXX als unbegründet ab. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass sich die Beschwerdeprüfung auf die formellen Erfordernisse beschränke. Der BF, der vom gleichen Rechtsanwalt vertreten werde, habe bereits im vorhergehenden Verfahren die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt, auch nicht dargelegt, weshalb er solche nicht vorlegen könne oder einen Heilungsantrag nach § 4 Abs 1 AsylG-DV 2005 gestellt. Unter Bezugnahme auf die gängige Rechtsprechung des VwGH sei deshalb die Beschwerde abzuweisen.

I.2.Zum gegenständlichen Verfahren:

I.2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 14.04.2021 wurde gegen den rechtsfreundlich vertretenen BF eine Mutwillensstrafe von € 300,- wegen offenbar mutwilliger Inanspruchnahme einer Behörde verhängt.

Nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes (bis 14.04.2021) begründete die belangte Behörde die Erteilung der Mutwillensstrafe damit, dass der BF im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters einen faktisch identen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht habe, obwohl der erste „gleichgelagerte“ Antrag „aufgrund der gleichen Mängel gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen“ worden sei. Schon im vorhergehenden Verfahren habe das BFA alle für die Antragstellung erforderlichen Dokumente dargelegt; nunmehr sei ein weiterer Antrag gestellt worden, allerdings ohne die relevanten Dokumente vorzulegen.

Im konkreten Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass nach der hinsichtlich internationalen Schutzes negativen Entscheidung (einschließlich Rückkehrentscheidung) des VwGH vom 19.02.2020 nach knapper Monatsfrist, nämlich am 27.03.2020, ein erster Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfolgte, welcher jedoch nach nicht erfolgten Mängelbehebungsauftrages zurückzuweisen war. Kaum war diese Entscheidung durch das BVwG am 04.12.2020 rechtskräftig bestätigt worden, erfolgte wiederum ein (gleichlautender) Antrag am 19.01.2021 [Diesem Antrag wurde letztlich mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.06.2021 ebenfalls nicht entsprochen].

Da der BF während der vorhergehenden Verfahren immer vom gleichen Rechtsanwalt rechtsfreundlich vertreten war muss davon ausgegangen werden, dass der BF über die entsprechende Gesetzeslage entsprechend beraten wurde.

Es sei deshalb der zweite, gleichlautende Antrag jedenfalls als mutwillig gestellt zu betrachten und habe der BF offenbar die Tätigkeit der Behörde in Anspruch genommen, was sich auch zu Lasten redlicher Antragsteller auswirke und Ressourcen binden würde.

Das BFA sah keine strafmildernden Umstände als gegeben an, und legte die Höhe der Mutwillensstrafe mit € 300,- in Anbetracht des verursachten Schadens, der schädlichen Effekte auf die Verfahrensdauer sowie die erforderliche Spezialprävention fest.

I.2.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde des – noch immer – vom gleichen rechtsfreundlichen Vertreter vertretenen BF.

In der Beschwerde wird dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Mutwillensstrafe nicht vorlägen. Unter Darlegung des zeitlichen Ablaufes – ein Jahr nach Entscheidung durch das BVwG - vermeint der BF, dass es ihm nicht anzulasten wäre, dass er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht entsprechend eingebracht habe. Über diesen Antrag sei nicht inhaltlich entschieden worden, sondern lediglich formell. Der BF sei weder im Besitz eines nationalen Reisedokumentes, noch einer Geburtsurkunde und sei außergewöhnlich integriert. Er hätte ein Recht auf eine inhaltliche Entscheidung.

Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, den Bescheid aufzuheben, von einer Mutwillensstrafe abzusehen oder den Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidungsfindung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Gezeichnet wurde die Beschwerde von „Ali Asghar Mosavi alias Asphar Mosavi“.

I.2.3 Mit Schreiben vom 26.05.2021 legte das BFA die Akten des Administrativverfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und am XXXX (laut amtsärztlichem Gutachten; alias: XXXX ) geboren.

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 02.11.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 22.03.2018 abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 31.01.2019, dagegen erhobene Rechtsmittel wurden vom Verfassungsgerichtshof (27.11.2019) und Verwaltungsgerichtshof (19.02.2020) verworfen.

Mit Antrag vom 25.03.2020 brachte der rechtsfreundlich vertretene BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein; nach nutzlos verstrichenem Mängelbehebungsauftrag wurde dieser zurückgewiesen, bestätigt durch rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2020.

Am 20.01.2021 wurde vom rechtsfreundlich vertretenen BF ein neuerlicher Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht, welcher vom BFA mit Bescheid wiederum in Folge von Mängeln zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.06.2021 bestätigt.

Am 21.04.2021 wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe in Höhe von € 300,- verhängt wegen der mutwilligen Inanspruchnahme der belangten Behörde, wogegen sich der BF in der vorliegenden Beschwerde wendet.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen des Administrativaktes, insbesondere der angefochtene Bescheid sowie die dagegen erhobene Beschwerde.

Darüber hinaus standen dem Bundesverwaltungsgericht die Gerichtsakten zu den Verfahren W187 2193600-1, W202 2193600-2 und W148 2193600-3 sowie die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zu E 998/2019-8 sowie des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra°2020/14/0054-4 zur Verfügung.

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen (insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

„Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann – außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde – auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist auch die bewusst unrichtige Begründung des Antrages. Eine Verhängung der Mutwillensstrafe ist dann gerechtfertigt, wenn aus den wechselnden, einander widersprechenden Angaben der Partei und der Begründung von Rechtsmitteln ersichtlich ist, dass diese im Bewusstsein ihrer Grundlosigkeit eingebracht wurden und damit offenbar nur die Verschleppung der endgültigen Erledigung bezweckt wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) „Person“, welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2011, 97/21/0023).

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Der BF stellte am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich nicht zum Erfolg führte. Der BF hatte vielmehr schon mit der Entscheidung des BFA vom 22.03.2018, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht und in letzter Konsequenz durch den Verfassungsgerichtshof sowie den Verwaltungsgerichtshof, die Verpflichtung das Bundesgebiet zu verlassen bzw. eine Rückkehrentscheidung erhalten.

Der BF hatte schon zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit erhalten das Bundesgebiet innerhalb von 14 Tagen freiwillig zu verlassen. Es musste dem damals rechtsfreundlich vertretenen BF klar sein, dass er, sollte er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, eine Rückkehrentscheidung und allfällige Abschiebung drohen.

Diese Verpflichtung zur Rückkehr bedingt die Teilnahme an einem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates. Es unterliegt somit nicht der Dispositionsfähigkeit des BF darüber zu entscheiden, ob er das Bundesgebiet verlassen will, sondern nur mehr, in welcher Form er es verlässt.

Dies verkennend zeigt der BF keinerlei Respekt gegenüber der Rechtsordnung der Republik Österreich bzw. der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts und verblieb illegal im Bundesgebiet.

Ein neuerliches Verfahren im Jahr 2020, welches auf Grund eines Antrages des BF durchgeführt wurde, um zu prüfen, ob der BF einen Aufenthaltstitel erlangen könne, wurde aus Gründen der mangelhaften Mitwirkung des BF, der rechtsfreundlich vertreten war, negativ entschieden.

Trotz dieser Mängel stellte der BF – unbeirrt vom Ergebnis des vorhergegangenen rechtsstaatlichen Verfahren – unter Mitwirkung seines rechtsfreundlichen Vertreters einen neuerlichen, fehlerhaften Antrag. Auch dieses Verfahren wurde durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes am 16.06.2021 negativ beschieden.

Diese wiederholte Antragstellung, die von vornherein mit Mängeln behaftet war und deren Erfolgsaussicht somit ganz klar negativ zu beurteilen war, kann nicht anders interpretiert werden als durch eine mutwillige Inanspruchnahme der belangten Behörde. Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass der rechtsfreundliche Vertreter des BF – entsprechend seiner standesgemäßen Verpflichtung – die erforderliche Aufklärung des BF durchführte. Eine mangelhafte Aufklärung hat der BF auch nicht geltend gemacht.

Damit ist jedoch die mutwillige Inanspruchnahme der belangten Behörde offenbar. Diese ist zumindest aus spezialpräventiven Gründen zu ahnden. Das Bundesverwaltungsgericht kann in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen, dass die Erwägungen des BFA diesbezüglich mangelhaft oder unvollständig sind.

Letztlich hat sich im gesamten (Vor-)Verfahren gezeigt, dass der BF, vertreten von einem Rechtsanwalt, jeglichen Respekt gegenüber der Rechtsordnung und der Rechtsprechung der obersten Gerichte der Republik Österreich vermissen lässt.

Das Vorgehen des BF, falsche Angaben zu seiner Person (Geburtsdatum) bzw. Verschleierung seiner Identität (vgl die „Alias“-Unterschrift unter der vorliegenden Beschwerde!) zu tätigen, ein unglaubwürdiges Fluchtgeschehen vorzubringen (s. Vorverfahren) sowie unvollständige, mängelbehaftete Anträge zu stellen ist Ausdruck eines absichtlichen Verzögerns von Verwaltungsverfahren.

Dass der BF durch sein Verhalten die Tätigkeit österreichischer Behörden (und der Gerichtsbarkeit) zusätzlich und über Gebühr in Anspruch nimmt, ist offensichtlich. Entgegen der Behauptung in der Beschwerde hat der BF sich eben nicht um entsprechende Dokumente bemüht oder um eine ordnungsgemäße Antragstellung gekümmert.

Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von € 726,-, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 15.12.1999, 98/12/0406).

Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der Bemessung der Mutwillensstrafe von € 300,- dem Grund nach keinen Anlass, dies als ungebührlich hoch zu beurteilen. Auch wenn in der Beschwerde kein Antrag auf Reduzierung vorliegt, wägt das Bundesverwaltungsgericht die Höhe nach bestimmten Kriterien ab. So hat der BF bisher noch keine Mutwillensstrafe erhalten, sodass eine Höchststrafe von € 726,- unangebracht hoch erscheint. Demgegenüber ist die Nichtmitwirkung und zusätzliche Inanspruchnahme der Behörde im Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels sowohl aus generalpräventiver und spezialpräventiver Sicht erforderlich, eine gewisse, abschreckende Höhe gegenüber weiterem Fehlverhalten zu erlangen.

Der BF lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung vermissen. Es wurde damit der auszuschöpfende Höchstbetrag knapp unter der Hälfte zu Recht festgesetzt.

Schließlich ist zu Lasten des BF der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass er durch die Stellung eines grundlosen Asylantrages während des – von ihm mutwillig in Gang gesetzten und zudem prolongierten – Verfahrens ein weiteres Verfahren bezüglich eines Aufenthaltstitels unnötig beantragte, beanspruchte er nicht nur personelle Ressourcen des BFA (und auch des BVwG). Im Hinblick auf das gesetzte Verhalten des BF handelt es sich bei der Höhe der Mutwillensstrafe um eine Disziplinarstrafe im Bagatellbereich (vgl. § 25a Abs. 4 Z 2 VwGG).

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich das Verhalten des BF durch die langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen einzig in die Richtung, dass bisher noch keine Mutwillensstrafe über den Beschwerdeführer verhängt wurde, sodass eine Höhe von € 300,- gerechtfertigt erscheint.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des BF bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass – nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG – § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

3.2. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von dem Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

3.3 Zum Eventualantrag den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen:

In Anbetracht der vorliegenden, den Bescheid der belangten Behörde bestätigenden Entscheidung ist auf den Eventualantrag nicht näher einzugehen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Zurückverweisung zur Erlassung eines neuen Bescheides insoferne dem ursprünglichen Begehren und vor allem den Ausführungen des BF widerspricht, als bei Erlassung eines neuen Bescheides die belangte Behörde diese lediglich wiederum eine Mutwillensstrafe verhängen müsste; eine Entscheidung dahingehend, keine Mutwillensstrafe auszusprechen, ist dem AVG fremd und nicht vorgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mangelhaftigkeit Mitwirkungspflicht Mutwillen Mutwillensstrafe Täuschung unrichtige Angaben Verwaltungsstrafverfahren Voraussetzungen VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2242861.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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