TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/20 W241 2109415-2

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Veröffentlicht am 20.07.2021
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Entscheidungsdatum

20.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W241 1428011-3/11E

W241 2108235-2/12E

W241 2109415-2/8E

W241 2168834-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , alle Staatsangehörigkeit Tadschikistan, die Minderjährigen vertreten durch ihre Eltern XXXX und XXXX , alle vertreten durch RA Mag. XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2021, Zahlen 570741310/200396594 (ad 1.), 1027262706/200396586 (ad 2.), 1072148710/200396616 (ad 3.) und 1159721407/200396608 (ad 4.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.07.2021

A)

I. den Beschluss gefasst:

Hinsichtlich der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide werden die Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.


II. zu Recht erkannt:

1. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sowie XXXX gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 Asylgesetz 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan zuerkannt.

2. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 werden XXXX befristete Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführer (in der Folge BF) XXXX (BF1), seine Ehegattin XXXX (BF2), und ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder XXXX (BF3) und XXXX (BF4), sind Staatsangehörige von Tadschikistan.

1.2. Der BF1 stellte am 13.11.2011, die BF2 am 06.08.2014 jeweils einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn des BF1 und der BF2 XXXX (BF3) geboren, XXXX ehelichte der BF1 die BF2 standesamtlich. Am 13.07.2017 wurde die gemeinsame Tochter XXXX (BF4) geboren. Für beide Kinder wurden ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz eingebracht.

Mit Erkenntnissen des BVwG vom 31.08.2018, Zahlen W215 1428011-2/14E, W215 2108235-1/18E, W215 2109415-1/14E und W215 2168834-1/6E, wurden die Asylverfahren des Familienverbandes vollinhaltlich negativ entschieden und erwuchsen diese Entscheidungen in Rechtskraft.

1.3. Am 12.05.2020 stellten die BF erneut gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

In ihren Erstbefragungen am 12.05.2020 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben der BF1 und die BF2 im Wesentlichen an, dass ihre beiden Kinder an Autismus erkrankt seien und diese Krankheit in ihrem Heimatland nicht entsprechend behandelt werden könne.

1.4. Bei ihren Einvernahmen am 28.09.2020 vor dem BFA machten der BF1 und die BF2 Angaben zu ihren Lebensumständen in Tadschikistan und Österreich sowie zum Gesundheitszustand der autistischen Kinder.

Im Verfahren vor dem BFA wurden diverse Integrationsunterlagen und Befunde betreffend den BF3 und die BF4 vorgelegt. Ferner wurde vom BFA eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend „Autismus-Spektrum-Störung/Atypischer Autismus (ICD-Code: F84.1)“ und die Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung in Tadschikistan ins Verfahren eingebracht.

1.5. Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkte I.) und die Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Tadschikistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den BF gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tadschikistan zulässig ist (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Monate ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person der BF und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat. Die BF hätten keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung der BF nach Tadschikistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihnen keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, zumal die Krankheit des BF3 und der BF4 auch in Tadschikistan behandelbar sei.

1.6. Gegen diese Bescheide brachten die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragten die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

1.7. Im Beschwerdeverfahren wurden weitere Integrationsunterlagen und Befunde betreffend den BF3 und die BF4 vorgelegt.

1.7. Das BVwG führte am 13.07.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der die BF im Beisein ihrer gewillkürten Vertreterin persönlich erschienen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Im Folgenden machten der BF1 und die BF2 Angaben zum gesundheitlichen Zustand des BF3 und der BF4 und ihrem Alltag in Österreich. Ferner legten die BF vor:

?        Ein Schreiben der Autisten-Hilfe Österreich

?        Bestätigung Wiener Sozialdienste

?        Schreiben einer klinischen Psychologin

?        Besuchsbestätigung Wiener Kindergärten betreffend den BF3

?        Deutschkursanmeldung B1 für den BF1

?        Bestätigung der Caritas über ehrenamtliche Mitarbeit des BF1

?        Arbeitsplatzzusage für den BF1

Abschließend wurden die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide durch die gewillkürte Vertreterin nach Rücksprache mit den BF zurückgezogen.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakten des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragungen und der Einvernahmen vor dem BFA sowie die Beschwerden

?        Einsicht in verschiedene Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF, darunter eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend „Autismus-Spektrum-Störung/Atypischer Autismus (ICD-Code: F84.1)“ und die Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung in Tadschikistan

?        Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 13.07.2021

?        Einsicht in die von den BF vorgelegten Schriftstücke und ärztlichen Befunde

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person der BF:

3.1.1. Die BF führen die im Spruch angeführten Identitäten, sind Staatsangehörige von Tadschikistan, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und bekennen sich zum sunnitischen Islam. Die Muttersprache der BF ist Farsi. Der BF1 und die BF2 sprechen weiters Russisch und bereits gutes Deutsch.

Der BF1 und die BF2 stammen aus Duschambe in Tadschikistan. Dort sind noch die Eltern und Geschwister der BF2 sowie eine Schwester des BF1 aufhältig. In Österreich leben die Eltern des BF1 und ein Bruder im gemeinsamen Haushalt mit den BF, ferner ist eine weitere Schwester des BF1 hier wohnhaft.

3.1.2. Der BF1 und die BF2 haben eine Schulbildung genossen und sind im erwerbsfähigen Alter. Der BF1 hat den Beruf des Tischlers erlernt, die BF2 ist Buchhalterin.

Der BF1 und die BF2 sind gesund.

Der BF3 leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung (ICD-10: F84.1 Atypischer Autismus). Er hat von 20.12.2018 bis 31.12.2019 eine klinisch-psychologische Förderung nach PECS (Picture Exchange Communication System) erhalten, nunmehr hat er seit März 2020 eine neue Therapie namens TEACCH begonnen. Er besucht in einem Kindergarten eine Integrationsgruppe, ab 06.09.2021 wird der BF3 eine Integrationsklasse einer Volksschule in Wien besuchen.

Bei der BF4 wurde Frühkindlicher Autismus (ICD-10: F84.0) diagnostiziert. Sie erhält aktuell eine heilpädagogische Therapie und ist für einen Kindergartenplatz in einer Integrationsgruppe vorgemerkt.

3.1.3. Festgestellt wird, dass der BF3 und die BF4 aufgrund ihrer Autismus-Erkrankung auf fortgeführte, spezielle Therapien angewiesen sind.

3.2. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Es wird festgestellt, dass der BF3 und die BF4 im Falle einer Rückkehr nach Tadschikistan der Gefahr unterliegen, in Zusammenhang mit ihrer Autismus-Erkrankung aufgrund der mangelhaften Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten in Tadschikistan einer Situation ausgesetzt zu werden, welche nachteilige Auswirkungen auf ihre Gesundheit sowie körperliche und geistige Entwicklung haben könnte.

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Auf Grundlage von aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

3.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Tadschikistan vom 17.03.2020:

1.       Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.


2.         Politische Lage

Die Republik Tadschikistan ist ein autoritärer Staat (USDOS 11.3.2020). Der Einfluss des Parlaments ist insgesamt gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten Emomalij Rahmon, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 26.7.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.2.2019, Eurasianet 28.2.2020, CABAR 19.2.2020). Die Verfassung sieht ein politisches Mehrparteiensystem vor, aber die Regierung behindert seit jeher den politischen Pluralismus (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019). Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik mit Stand 1.1.2019 9,13 Millionen Einwohner (TAJSTAT o.D.) und befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 31.7.2018).

Emomalij Rahmon wurde erstmals 1994 zum Präsidenten gewählt, nach den Wahlen 2013 begann seine vierte Amtszeit (BBC 31.7.2018). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef (bpb 11.2.2018; vgl. Sputnik 17.1.2020). Der Präsident kann alle Entscheidungen von Behörden aufheben (CABAR 19.2.2020). Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans - PDPT) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit (bpb 11.2.2018; vgl. AA 26.7.2019, FH 4.2.2019). Auch die Regierungsmitglieder, Volksvertreter (Madschili) und Leiter subnationaler Verwaltungseinheiten sind Mitglieder oder Kandidaten der PDPT (A+ 28.2.2020b). Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchtern und zwei Söhnen sowie deren Ehepartnern) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rahmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleiniger Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.2.2018).

In Tadschikistan finden in den von der Verfassung vorgeschriebenen Fristen regelmäßig Parlaments- und Präsidentenwahlen statt (AA 26.7.2019). Der Präsident wird für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt. Ein und dieselbe Person kann nicht länger als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten Präsident sein. Diese Einschränkung gilt nicht für den amtierenden Präsidenten Emomalij Rahmon, der den offiziellen Titel „Anführer der Nation“ trägt und uneingeschränkt wiedergewählt werden kann (FH 4.2.2019; vgl. CABAR 19.2.2020, Sputnik 17.1.2020, IFES o.D.). Der Präsident bereitet eine Dynastiebildung mit seinem Sohn Rustam Emomalij (*1987) als potenziellen Nachfolger vor, der seit 2017 Bürgermeister der Hauptstadt Duschanbe ist (AA 26.7.2019; vgl. FPC 7.2.2020, CABAR 19.2.2020). Ebenfalls 2017 wurde das Mindestalter für die Präsidentschaft von 35 auf 30 Jahre reduziert (FPC 7.2.2020; vgl. Sputnik 17.1.2020). Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen im November 2020 an (AA 26.7.2019; vgl. Sputnik 17.1.2020).

Die Präsidialrepublik hat ein Zweikammer-Parlament. Alle 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli, Oberhaus) werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon, Unterhaus) hat 63 Sitze. Die Abgeordneten werden alle fünf Jahre direkt gewählt, wobei 41 Sitze durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde vergeben werden (IFES o.D.).

Am 1.3.2020 fanden Wahlen für die 63 Sitze im Unterhaus statt (A+ 2.3.2020a; vgl. AKI 2.3.2020). Bereits vor Verkündung des vorläufigen Endergebnisses gingen Medien von einem Erdrutschsieg der PDPT aus (A+ 2.3.2020a, EN 2.3.2020, ABC 1.3.2020, RFE/RL 1.3.2020). Es wurde kaum Wahlkampf geführt (Eurasianet 28.2.2020; vgl. ABC 1.3.2020). Die Wahlbeteiligung betrug 86,4 % (Khovar 2.3.2020; vgl. TASS 2.3.2020). Die Wahlbeteiligung muss bei mindestens 50 % liegen, damit die Wahl gültig ist (A+ 2.3.2020a).

Sieben politische Kräfte nahmen an den Wahlen teil (A+ 2.3.2020c), von denen sechs ins Parlament eingezogen sind. Die PDPT erzielte 50,4 % der Stimmen und 47 der 63 Sitze (Diplomat 3.3.2020). Ebenfalls den Einzug ins Parlament schafften die Partei für Wirtschaftsreformen (16,61 %), die Agrarpartei (16,5 %), die Sozialistische Partei und die Demokratische Partei (TASS 2.3.2020; vgl. A+ 2.3.2020d, Khovar 2.3.2020, Diplomat 3.3.2020). Die Kommunistische Partei konnte die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschreiten (A+ 2.3.2020d; vgl. Khovar 2.3.2020, Diplomat 3.3.2020), gewann aber ein Direktmandat in einem Regionalwahlkreis (TASS 2.3.2020; vgl. A+ 2.3.2020e, Diplomat 3.3.2020). Abgesehen von der Sozialdemokratischen Partei werden alle angetretenen Parteien als Unterstützer des Präsidenten angesehen. Die Sozialdemokratische Partei hat bisher noch nie den Einzug ins Parlament geschafft (EN 2.3.2020) und scheiterte auch am 1.3.2020 mit 0,32 % der Stimmen (Diplomat 3.3.2020; vgl. Khovar 2.3.2020, A+ 2.3.2020d).

Wahlen haben in der Vergangenheit internationale Standards nicht erfüllt (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019, AA 26.7.2019, OSCE 15.5.2015). Unabhängige tadschikische politische Beobachter hatten zu den Parlamentswahlen 2015 angemerkt, dass Parteien wie die damals noch nicht verbotene Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (IRPT) durch Manipulation des Ergebnisses aus dem Parlament herausgehalten wurden (AA 26.7.2019; vgl. FH 4.2.2019). Seitdem hat sich der Spielraum für politische Betätigung noch verkleinert. Die anderen im Parlament vertretenen Parteien unterstützen die Politik des Präsidenten und sind daher keine echten Oppositionsparteien (AA 26.7.2019; vgl. FH 4.2.2019, OSCE 16.1.2020). Vorherige Empfehlungen der OSZE, um das Wahlrecht und dessen Umsetzung näher an internationale Standards heranzuführen, wurden nicht umgesetzt (OSCE 16.1.2020). Es ist ungesetzlich aber weit verbreitet, dass eine Person die Stimmen für die gesamte Familie abgibt (Eurasianet 28.2.2020) und auch bei den Wahlen am 1.3.2020 gab es Berichte, dass dies häufig vorkam (Eurasianet 2.3.2020; vgl. A+ 1.3.2020, Diplomat 3.3.2020, RFE/RL 1.3.2020). Die Sozialdemokratische Partei, die den Einzug ins Parlament nicht geschafft hatte, äußerte Vorwürfe der Ergebnismanipulation, da gemäß ihr vorliegenden Informationen die Partei auf dem zweiten Platz liegen würde (RO 2.3.2020; vgl. A+ 3.3.2020a, Akhbor 2.3.2020, Eurasianet 2.3.2020). Es wurde jedoch keine offizielle Beschwerde über das Abstimmungsergebnis eingereicht (Sputnik 2.3.2020).

Die Wahlen am 1.3.2020 wurden u.a. von der OSZE, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und dem GUS-Exekutivkomitee beobachtet (A+ 18.2.2020; vgl. AKI 18.2.2020, AKI 2.3.2020). Das GUS-Exekutivkomitee gab an, dass die Wahlen in Übereinstimmung mit der Verfassung und der Wahlgesetzgebung durchgeführt worden seien (A+ 2.3.2020b). Zuvor hatte die SCO-Beobachtermission die Wahlen als demokratisch bezeichnet (A+ 2.3.2020c). Die Zentrale Wahlkommission der Republik gab an, dass die Wahlen offen und transparent waren und keine Gesetzesverstöße festgestellt wurden (A+ 2.3.2020c). Die OSZE wird erst ca. acht Wochen nach dem Wahltermin einen Bericht veröffentlichen (OSCE 3.3.2020; vgl OSCE 2.2020).

Quellen:

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3.       Sicherheitslage

Die politische Lage ist insgesamt ruhig (AA 26.11.2019a). Spannungen im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen lassen sich beobachten (AA 26.7.2019). Die Hauptstadt Duschanbe ist relativ sicher (FCO 6.11.2019; vgl. Garda 30.11.2019). Die Kriminalitätsrate ist nicht sehr hoch (Garda 30.11.2019). Politische Proteste sind selten, kommen jedoch in isolierten Bergregionen vereinzelt vor (Garda 30.11.2019).

Die Mehrzahl der tadschikischen Anti-Terror-Aktivitäten im Inland richtet sich gegen Organisationen und Personen, die angeblich mit dem islamistischen Terrorismus in Tadschikistan in Verbindung stehen, aber die Regierung verhaftet auch Terrorverdächtige, die aus Afghanistan, Irak, Russland und Syrien zurückkehren (USDOS 10.2019). Nach Angaben des Generalstaatsanwaltes wurden im Jahr 2019 mehr als 1.060 Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus und Extremismus registriert, das sind 306 Fälle mehr als im Vorjahr (RO 26.1.2020). Bei der Bekämpfung von Extremismus wird nicht zwischen gewalttätigem und gewaltfreiem Extremismus unterschieden und eine sehr weit gefasste Kriminalisierung wird auch genutzt, um gegen alle Arten von Oppositionsgruppen vorzugehen (NBR 24.6.2019).

Offiziellen Angaben zufolge verließen etwa 2.000 tadschikische Bürger das Land, um sich in mehreren Ländern dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen (RO 30.12.2019; vgl. USDOS 10.2019). Mehrere hundert von ihnen sind bei Kampfeinsätzen in Syrien und im Irak gefallen, einige sind in ihre Heimat zurückgekehrt (RO 30.12.2019; vgl. USDOS 10.2019).

Die Situation an der Grenze zu Afghanistan ist angespannt (MSZ 24.2.2020). Es kommt vereinzelt zu Schusswechseln zwischen afghanischen Drogenschmugglern, tadschikischen Grenztruppen und der Drogenkontrollbehörde (BMEIA 8.10.2019; vgl. Eurasianet 12.4.2019). Der Drogenschmuggel durch Tadschikistan wird auf 30-50 % des BIP geschätzt (CIA 7.2.2020; vgl. NBR 24.6.2019). Der durch Korruption begünstigte Drogenhandel gilt als Sicherheitsbedrohung und als wichtige Finanzierungsquelle für terroristische Gruppierungen (Diplomat 25.9.2019; vgl TASS 21.5.2019, RtP 10.11.2019, NBR 24.6.2019) insbesondere in den nördlichen Provinzen Afghanistans (TASS 21.5.2019; vgl. RtP 10.11.2019, NBR 24.6.2019). Entlang der Schmuggelrouten durch Tadschikistan ist vermehrt Drogenhandel und Drogenmissbrauch festzustellen, was lokal die Kriminalität erhöht. Kriminalität im Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen wie Erpressung, Entführungen oder Schießereien ist in Tadschikistan jedoch relativ selten (Garda 30.11.2019).

Militant-islamistische Aktivitäten im Norden Afghanistans, jenseits der durchlässigen Grenze entlang des Flusses Pandsch, stellen eine Bedrohung für Tadschikistan dar (Garda 30.11.2019). Laut Russländischem Geheimdienst (FSB) versuchen IS-Kämpfer, vorwiegend Staatsbürger der zentralasiatischen Länder, die zentralasiatischen Staaten von den nördlichen Provinzen Afghanistans aus, zu infiltrieren (TASS 21.5.2019; vgl. RE 19.3.2018, Lenta 18.12.2019). Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre waren jedoch heimischer Natur, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hat wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben (BS 2018; vgl. Diplomat 20.11.2019, A+ 5.3.2020). Abgesehen von Einzelereignissen wie im August 2018, als im Gebiet Farchor bei einem Angriff von afghanischer Seite aus zwei Menschen getötet wurden (MSZ 24.2.2020; vgl. RFE/RL 22.11.2018) wird die Sicherheitslage Tadschikistans von der Aktivität von kriminellen Banden, die Verbindungen mit korrupten tadschikischen Sicherheitskräften haben, bestimmt (A+ 5.3.2020).

Die Regierung Tadschikistans unternimmt Schritte zur Sicherung der Grenze (USDOS 10.2019; vgl. RE 19.3.2018, RT 28.6.2019); Afghanistan ist zur Grenzsicherung nur bedingt in der Lage (A+ 5.3.2020). Jedoch sind die Mittel der tadschikischen Armee, externe Bedrohungen abzuwehren, beschränkt und sie ist stark auf Unterstützung aus Russland angewiesen (Garda 30.11.2019). Die Armee erhält Unterstützung aus Russland (RT 28.6.2019) und Kasachstan (Eurasianet 12.4.2019). China und Tadschikistan führen gemeinsame militärische Übungen durch. Die wichtigste Priorität für China ist die Abschreckung radikaler Kräfte an der Grenze zum Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang (CABAR 19.2.2020).

Der allererste jemals vom IS auf tadschikischem Staatsgebiet durchgeführte terroristische Vorfall geschah am 29.7.2018, als in Danghara vier ausländische Touristen gezielt getötet wurden (Spiegel 1.8.2018; vgl. AT 1.8.2018, CIA 7.2.2020, JF 7.9.2018), die mutmaßlichen Täter wurden in Folge von Sicherheitskräften liquidiert (AT 1.8.2018; vgl. JF 7.9.2018). Seither wurden noch drei Vorfälle unter Beteiligung des IS in Tadschikistan gemeldet (Novastan 9.11.2019). Die Gefängnisaufstände vom 7.11.2018 in Chudschand mit bis zu 50 Todesopfern (Diplomat 27.11.2018; vgl. Reuters 8.11.2018, Akhbor 6.11.2019) und vom 19.5.2019 in Wahdat mit mindestens 27 Toten wurden von Gefangenen angeführt, die wegen Verbindungen zum IS verurteilt worden waren (A+ 14.6.2019; vgl. BBC 20.5.2019, Akhbor 6.11.2019). Bei einem Angriff auf den Grenzposten Ischkobod an der Grenze zu Usbekistan wurden laut Angaben des IS zehn Grenzschützer bzw. gemäß offiziellen tadschikischen Angaben drei Beamte getötet. Laut offiziellen Angaben wurden 15 Angreifer getötet und fünf weitere verhaftet (Novastan 9.11.2019; vgl. Akhbor 6.11.2019). Unter den getöteten Angreifern waren Frauen und Kinder (FN 8.11.2019; vgl. A+ 26.11.2019, RO 10.12.2019). Die offiziellen Angaben zu den Hintergründen des Angriffes werden von einzelnen Quellen in Zweifel gezogen (RO 30.12.2019, RBC 6.11.2019, A+ 7.11.2019a, A+ 7.11.2019b, Eurasianet 8.11.2019).

Die Landgrenzen zwischen Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan sind nicht vollständig deliminiert (CABAR 19.2.2020; vgl. Kurmanalieva 2.2019, FCO 6.11.2019). Es gibt bilaterale Gespräche zwischen den Staaten, um den Grenzverlauf festzulegen (Kurmanalieva 2.2019, AKI 7.2.2020, Diplomat 15.1.2020, A+ 15.3.2019, CPC 30.1.2020), auch auf Ebene der Staatsoberhäupter (CABAR 19.2.2020; vgl. Kurmanalieva 2.2019, AKI 7.2.2020, Diplomat 15.1.2020, A+ 15.3.2019). Im Jänner 2020 meldeten usbekische Behörden die Fertigstellung der Minenräumung ihres Abschnitts an der Grenze zu Tadschikistan. In der Frage der Grenzziehung zwischen Tadschikistan und Usbekistan wird allmählich eine vollständige Übereinkunft erwartet (CABAR 19.2.2020).

Die Situation an der tadschikisch-kirgisischen Grenze, insbesondere die Enklave Woruch im kirgisischen Gebiet Batken in Kirgisistan, stellt sich komplexer dar (CABAR 19.2.2020). Seit mehreren Jahren kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Grenzschutzbeamten und/oder Anwohnern beiderseits der Grenze (CABAR 19.2.2020, CPC 30.1.2020, GK 18.9.2019; vgl. Diplomat 15.1.2020, 24.kg 10.1.2020, RE 19.9.2019, RIA 22.7.2019, A+ 15.3.2019), teilweise auch mit Todesopfern (CPC 30.1.2020, GK 18.9.2019; vgl. A+ 15.3.2019, RIA 22.7.2019, RE 19.9.2019). Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten werden dadurch belastet (GK 18.9.2019; vgl. CABAR 19.2.2020). Im Februar 2020 einigten sich die beiden Staaten auf einen Gebietsaustausch, um die Deliminierung von 114 km Grenzverlauf um die Exklave Woruch verbindlich festzulegen (CPC 30.1.2020; vgl. AKI 24.2.2020).

Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den peripheren Regionen des Rascht-Tales und Gorno-Badachschan (BS 2018). In Chorugh, Autonome Region Berg-Badachschan, sind die Spannungen seit September 2018 gestiegen. Es kommt immer wieder zu Zusammenstößen zwischen einheimischen Jugendlichen und der Polizei, zuletzt wurde im Jänner 2020 eine Person verletzt (FCO 6.11.2019). Nach dem bewaffneten Konflikt zwischen den Sicherheitsbehörden und den Bewohnern von Chorugh im Sommer 2012 wurden Waffen, darunter auch Gewehre von Jägern, in der Region konfisziert. Da es in der Region Berg-Badachschan im Winter häufig zu Angriffen auf Menschen und Vieh durch Wölfe kommt (Winter 2018/19: zwei Todesopfer) stattet die Polizei Mitglieder des Jägervereins wieder mit Jagdgewehren zum Erschießen von Wölfen aus. In Dörfern, in denen es keine einheimischen Jäger gibt, wird ein 24-Stunden-Dienst durch Sicherheitsbeamte organisiert (A+ 10.1.2020).

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- USDOS - United States Department of State (10.2019): Country Reports on Terrorism 2018, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Country-Reports-on-Terrorism-2018-FINAL.pdf, S 182f, Zugriff 18.2.2020


4.         Rechtsschutz / Justizwesen

Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 11.3.2020, vgl. BS2018). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten, was den Einfluss und die politische Macht betrifft. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung oder dem Sicherheitsdienst (BS 2018; vgl. AA 26.7.2019). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 11.3.2020).

Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019). Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen. Die Gerichte verleihen jedoch den Aussagen der Staatsanwaltschaft weit mehr Bedeutung als jenen der Verteidigung (USDOS 11.3.2020).

Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 26.7.2019). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. In politisch heiklen Fällen ist effektiver Rechtsschutz nicht gegeben, da in diesen Fällen die verteidigenden Rechtsanwälte Gefahr laufen, unter Vorwänden selbst der Strafverfolgung unterzogen zu werden (AA 26.7.2019).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. In Folge sank die Zahl der Strafverteidiger im Land deutlich (USDOS 11.3.2020). Einflussreichen Personen ist es möglich, das Einleiten von Ermittlungen und die Verurteilung gegen ihnen missliebige Personen, z. B. wirtschaftliche Konkurrenten, orchestrieren zu lassen; die Zahl der unschuldig Verurteilten dürfte hoch sein (AA 26.7.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (26.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014279/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_Juni_2019%29%2C_26.07.2019.pdf, Zugriff 10.2.2020

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 13.2.2020

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2016057.html, Zugriff 12.2.2020

- USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/TAJIKISTAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020


5.         Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 26.7.2019).

Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (USDOS 11.3.2020; vgl. BS 2018).

Verhaftungen erfolgen in der Regel mit einer Begründung, aber Häftlinge und Gruppen der Zivilgesellschaft berichten häufig, dass die Behörden Anklagen gefälscht oder kleinere Vorfälle aufgebauscht haben, um politisch motivierte Verhaftungen vorzunehmen. Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 11.3.2020).

Die Sicherheitskräfte stehen nur teilweise unter der Kontrolle ziviler Behörden (USDOS 11.3.2020). Polizeibeamte sind u.a. verpflichtet, der Politik des Präsidenten von Tadschikistan treu zu sein und sie im Leben umzusetzen (A+ 3.3.2020c).

Quellen:

- A+ - Media Group Asia-Plus Tajikistan (3.3.2020c): ??? ?????? ???? ????? ?????????? ??????????? ???????? ??????????, https://asiaplustj.info/ru/news/tajikistan/society/20200303/kak-dolzhen-sebya-vesti-tadzhikskii-militsioner-otvechayut-dushanbintsi, Zugriff 4.3.2020

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (26.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014279/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_Juni_2019%29%2C_26.07.2019.pdf, Zugriff 10.2.2020

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 13.2.2020

- USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/TAJIKISTAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020


6.         Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter (USDOS 11.3.2020; vgl. IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019). Folter kann nach einer Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, mit zehn bis 15 Jahren Haft statt zuvor einer Geldstrafe geahndet werden (EU-EEAS 15.11.2019; vgl. USDOS 11.3.2020; IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019). Dennoch gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 11.3.2020; vgl. IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften [siehe dazu Abschnitt 9]. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge (AA 26.7.2019).

Mitglieder der NGO Coalition against Torture and Impunity in Tajikistan registrierten im Jahr 2017 66, im Jahr 2018 44 und im ersten Quartal 2019 elf neue Fälle von mutmaßlicher Folter, von der auch Frauen und Kinder betroffen waren. Angst vor Repressalien, fehlendem Zugang zu NGOs und mangelndes Vertrauen in das Strafrechtssystem hindern viele Opfer oder ihre Angehörigen daran, Beschwerden einzureichen (IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019).

Viele Täter von Folter und anderen Formen der Misshandlung erhalten Amnestien (IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019; vgl. AA 26.7.2019). Das Gesetz ermöglicht es, dass Folter- und Misshandlungstäter, die für Verbrechen mit geringer oder mittlerer Schwere verurteilt wurden, nach Versöhnung, Ablauf einer Verjährungsfrist oder tätiger Reue von der strafrechtlichen Verantwortung ausgenommen werden können (IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019).

Die Regierung möchte Folter bekämpfen (AA 26.7.2019). Am 19.4.2019 wurde das Programm zur Justizreform (2019-2021) verabschiedet, welches eine Stärkung der Grund- und Menschenrechte von Inhaftierten vorsieht (IPHR/CATITJ/HFHR 7.2019). Tadschikistan hat die Konvention gegen Folter und andere inhumane oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen der Vereinten Nationen (UNTC 18.2.2020a), aber keine dazugehörigen Zusatzprotokolle unterzeichnet. (UNTC 18.2.2020b,c).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (26.7.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014279/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_Juni_2019%29%2C_26.07.2019.pdf, Zugriff 10.2.2020

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 13.2.2020

- EU-EEAS - Europäische Union - Europäischer Auswärtiger Dienst (15.11.2019): EU-Tajikistan Human Rights Dialogue, https://eeas.europa.eu/delegations/india/70505/eu-tajikistan-human-rights-dialogue_en, Zugriff 5.3.2020

- IPHR/CATITJ/HFHR - International Partnership for Human Rights / NGO Coalition against Torture and Impunity in Tajikistan / Helsinki Foundation for Human Rights (7.2019): Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan’s Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, https://www.iphronline.org/wp-content/uploads/2019/06/Tajikistan-torture-submission-1.pdf, Zugriff 13.2.2020

- UNTC -

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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