TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/26 W119 2163801-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2021
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Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
IntG §10
IntG §9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W119 2163801-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA: Armenien, vertreten durch Rechtsanwälte Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16. 6. 2017, Zl 1105452800-160232904/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

A)

I. beschlossen:

Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides wird das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III und IV wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 9 und § 10 Integrationsgesetz wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

II. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 14. 2. 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab die Beschwerdeführerin an, dass sie die Grund- und Berufsschule besucht und danach als Krankenschwester gearbeitet habe. In Österreich würden sich ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und ihre beiden Enkel aufhalten. Sie sei seit dem Jahr 2010 verwitwet. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie an, dass ihr Sohn bedroht worden sei. Mehrere Personen hätten auch sie bedroht.

Am 15. 5. 2017 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und gab dort eingangs an, dass sie in Georgien geboren worden, aber im Alter von 16 Jahren nach Armenien übersiedelt sei. Sie habe mit ihrem Sohn in Jerewan gelebt. Zu ihrer Schulbildung befragt, gab sie an, zehn Jahre die Grundschule und danach dreieinhalb Jahre eine Fachschule besucht zu haben. In weiterer Folge habe sie fünfunddreißig Jahre als Masseurin gearbeitet. Ihre Tochter lebe in Armenien, sie habe die Universität besucht und unterrichte nun in einer Schule.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an, dass ihr Sohn wegen seiner Erkrankung um Medikamente angesucht habe, was ihm jedoch verwehrt worden sei. Es sei ihm nicht geholfen worden, anstelle dessen sei er geschlagen worden. Daraufhin sei er zu den Polizeibehörden gegangen und habe Anzeige erstattet. Ihr Sohn sei daraufhin sieben Tage nicht erschienen, worauf Personen bei ihr zu Hause gewesen seien und ihr vorgeworfen hätten, ihren Sohn zu verstecken. In weiterer Folge habe sie die Flucht angetreten.

Die Beschwerdeführerin legte Bestätigungen vor, wonach sie ehrenamtlich Physiotherapie und Massagen anbiete sowie, dass sie einen Deutschkurs A1.1 besuche.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16. 6. 2017, Zl 1105452800-160232904/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Armenien z<ulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Mit Verfahrensanordnung vom 19. 6. 2017 wurde der Beschwerdeführerin der Verein Menschenrechte Österreich amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 5. 7. 2017 Beschwerde.

Mit Schreiben vom 2. 8. 2019 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie ausführte, dass ihr Sohn an multipler Sklerose leide. Ihre Unterstützung spiele für ihren Sohn eine wichtige Rolle, weil ihre Schwiegertochter dazu nicht in der Lage sei. Weiters sei zu erwähnen, dass sich ihre Tochter nun ebenfalls in Österreich befinde. Somit habe sie keine familiären Anknüpfungspunkte in Armenien. Sie legte dazu ein Beiblatt zum Dienstleistungsscheck vor.

Mit Schreiben vom 22. 6. 2021 legte der nunmehrige rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen psychiatrischen Befundbericht, Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen, eine Einstellungsanfrage an das AMS samt Rückmeldung sowie zahlreiche Empfehlungsschreiben vor.

Am 29. 6. 2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm. Die Beschwerdeführerin legte zunächst eine Bestätigung, wonach sie nun das Gewerbe einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten samt Bestätigungen über den Eingang-Kassa-Ausgang betreibe sowie ein Schreiben ihres Partners sowie einen Angestellten-Dienstvorvertrag als Küchenhilfe vor.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an, dass ihr Leben im Fall einer Rückkehr bedroht wäre. Dies deshalb, weil sie in dem Krankenhaus, in dem sie gearbeitet habe, falsche Quittungen ausgestellt habe. Als ihr von der erkennenden Richterin vorgehalten wurde, warum sie diese Umstände nicht bereits beim Bundesamt angegeben hätte, entgegnete sie, dass dies in der Beschwerde stünde. Den Vorhalt, dass sich ihre Behauptung über die gefälschten Quittungen nicht im Beschwerdeschriftsatz befände, negierte sie.

Weiters führte sie an, sich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Sie lebe mit ihrem Sohn ihrer Schwiegertochter und drei Enkelkindern in einer gemeinsamen Wohnung. Da ihr Sohn an multipler Sklerose leide, müsse sie für ihn die alltäglichen Dinge verrichten, sie führe auch physiotherapeutische Übungen mit ihm durch. Sie besitze kein Sprachzertifikat. Die erkennende Richterin hält jedoch fest, dass eine Kommunikation mit der Beschwerdeführerin gut möglich ist. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, einen Partner zu haben, mit dem sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Er sei auch krank, sie verbringe viel Zeit mit ihm, könne aber nicht bei ihm bleiben, weil ihr Sohn ihrer Pflege bedürfe.

Im Anschluss an die Befragung der Beschwerdeführerin zog der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin in Absprache mit der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des Bescheides vom 16. 6. 2017 zurück und beantragte, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige und stammt aus Jerewan. Sie stellte am 14. 2. 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die Mutter eines Sohnes, dessen Verfahren sowie jenes seiner Ehefrau und seiner drei Kindern mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes in allen Spruchpunkten negativ beschieden wurde, wogegen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben wurden. Diesen wurde mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Beschwerdeführerin führt mit ihrem Sohn und dessen Familie ein Familienleben. Sie führt auch eine Beziehung zu einem österreichischen Staatsbürger, der sie zu ehelichen beabsichtigt.

Die Beschwerdeführerin besuchte in Armenien zehn Jahre die Grundschule und im Anschluss daran absolvierte sie eine Fachschule, um einer Tätigkeit als Krankenschwester nachgehen zu können. Danach machte sie auch eine Ausbildung zur Masseurin. In der Mongolei übte sie den Beruf einer Physiotherapeutin und Masseurin aus. Wenngleich sie zwar zahlreiche Deutschkurse besuchte, aber kein Sprachzertifikat verweisen kann, verfügt sie über Deutschkenntnisse, die in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht eine Kommunikation mit der Beschwerdeführerin in einem ausreichenden Maß möglich machten.

Die Beschwerdeführerin besitzt in Armenien keine Verwandten. Ihre Tochter sowie deren Familie halten sich mittlerweile ebenfalls in Österreich auf.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich bei Privatpersonen als Reinigungskraft tätig. Ihre Entlohnung erfolgt über Dienstleistungsschecks. Zudem übt sie nunmehr das Gewerbe der Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich einfacher Wartungstätigkeiten, aus. Überdies ist sie im Besitz eines Angestellten—Dienstvorvertrages.

Da der Sohn der Beschwerdeführerin an multipler Sklerose erkrankt ist, unterstützt die Beschwerdeführerin ihn bei den grundlegenden Dingen des Alltags. Durch ihre erlernte Tätigkeit als Physiotherapeutin ist es ihr möglich, mit ihrem Sohn entsprechende Übungen durchzuführen. Die Beschwerdeführerin legte zahlreiche Empfehlungsschreiben von Freunden und Bekannten vor, die sich für ihren Verbleib in Österreich einsetzen.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Namen der Beschwerdeführerin und der Staatsangehörigkeit werden anhand ihrer glaubhaften Angaben im Verfahren getroffen. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen gründen sich auf die im Verfahren vorgelegten Deutschkursbesuchsbestätigungen sowie aus dem Eindruck, den die erkennende Richterin im Zuge der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mit der Beschwerdeführerin geführten Kommunikation gewinnen konnte.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile über keine Anknüpfungspunkte in Armenien mehr verfügt, werden anhand ihrer eigenen glaubhaften Angaben im gesamten Verfahren getroffen.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Februar 2016 einen Asylantrag stellte und sich seither mehr als fünf Jahre im Bundesgebiet aufhält, erfolgt anhand des unzweifelhaften Akteninhaltes.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin über Familienmitglieder und einen Partner in Österreich verfügt, ergibt sich anhand ihrer eigenen glaubhaften, gleichbleibenden Angaben im Verfahren.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Österreich bei Privatpersonen als Reinigungskraft tätig ist, sie zudem das Gewerbe der Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich einfacher Wartungstätigkeiten, ausführt und im Besitz eines Angestellten—Dienstvorvertrages ist, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen inklusive zahlreicher Dienstleistungsschecks. Dieser Umstand zeigt deutlich, dass die Beschwerdeführerin bereits in den Arbeitsmarkt integriert ist und sich selbst erhalten kann.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin zahlreiche Empfehlungsschreiben von Freunden und Bekannten, die sich für ihren Verbleib in Österreich einsetzen, vorgelegt hat, ergeben sich anhand des unzweifelhaften Akteninhaltes. Die Feststellung hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus dem eingeholten aktuellen Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Zu A)

Spruchpunkt I.:

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Insoweit ist auf die diese Frage regelnden Vorschriften (unter Bedachtnahme auf die dazu ergangene Rechtsprechung) abzustellen (vgl. zu ausdrücklich im VwGVG angeordneten Konstellationen, in denen eine Verfahrenseinstellung vorzunehmen ist, § 16 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 VwGVG). Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung (u.a.) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 56 mwN). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047) hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl. Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5; die Einstellung in Beschlussform im Fall der Zurückziehung der Beschwerde bejahend auch Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Rz 7; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 112; Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4 232; Hengstschläger/Leeb, AVG², § 13 Rz 42; Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts³ Rz 191).

Aufgrund der in der Verhandlung vom 29. 6. 2021 erfolgten rechtswirksamen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des Bescheides des Bundesamtes vom 16. 6. 2017 ist das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des gegenständlichen Bescheides mit Beschluss einzustellen.

Spruchpunkt II.:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin ist als armenische Staatsangehörige keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBL I Nr 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974 gilt.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Das bedeutet Folgendes:

Die Beschwerdeführerin hält sich seit über fünf Jahren in Österreich auf. Sie führt mit ihrem Sohn, dessen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in Österreich ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK, wenngleich deren Verfahren mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes in allen Spruchpunkten negativ beschieden wurden, wogegen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben wurden und diesen die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Zudem führt sie eine Beziehung zu einem österreichischen Staatsbürger, der sie auch zu ehelichen beabsichtigt.

Neben einem schützenswerten Familienleben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Abs 2 EMRK).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua gegen Lettland).

Die unbescholtene Beschwerdeführerin hat sich während ihres Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet von Beginn an um eine umfassende Integration bemüht. In dieser Zeit entwickelte der Beschwerdeführer auch ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht insbesondere im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu überzeugen vermochte. Seit ihrer Einreise besuchte die Beschwerdeführerin regelmäßig Deutschkurse. Ihre Deutschkenntnisse sind – wie sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte - mittlerweile so hinreichend, dass sie in der mündlichen Verhandlung Fragen problemlos auf Deutsch beantworten konnte.

Neben ihren guten sprachlichen Fähigkeiten hinterließ die Beschwerdeführerin zudem einen überaus positiven und engagierten Eindruck. Da ihr Sohn an multipler Sklerose leidet, unterstützt ihn die Beschwerdeführerin bei den Dingen des täglichen Lebens und führt auch aufgrund ihrer Ausbildung als Physiotherapeutin mit ihm die erforderlichen Übungen durch. Daneben ist sie als Reinigungskraft bei Privatpersonen tätig und betreibt nunmehr das Gewerbe der Hausbetreuung. Damit konnte sich die Beschwerdeführerin am österreichischen Arbeitsmarkt integrieren und somit ihre Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen.

Auch hat die Beschwerdeführerin ein intensives soziales Netzwerk geknüpft, wie aus den zahlreichen vorgelegten Empfehlungsschreiben zu ersehen ist. Aus diesen geht hervor, dass sich die Beschwerdeführerin besonderer Beliebtheit erfreut und sich sehr gut in die lokale Gesellschaft integriert hat.

Da die Angehörigen der Beschwerdeführerin nicht in Armenien leben, ist auch eine Bindung der Beschwerdeführerin an ihren Herkunftsstaat sehr abgeschwächt, was sich bereits durch ihr berufliches Engagement zeigt. Das bedeutet, dass es der Beschwerdeführerin in besonderer Weise gelungen ist, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.

Insgesamt kann im Falle der Beschwerdeführerin von einer sehr guten Integration ausgegangen werden. Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privatlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten exzeptionellen Umstände in einer Gesamtabwägung aller Umstände dennoch die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen erkennen lassen (vgl. VwGH 22. 2. 2005, 2003/21/0096; vgl. ferner VwGH 26. 3. 2007, 2006/01/0595, sowie VfSlg 17.457/2005). Die vom Bundesamt verfügte Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführerin nach Armenien ist angesichts der vorliegenden Bindungen unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Da die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist, ist ihr gemäß § 58 Abs. 3 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen. Da ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG, § 52 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien nicht mehr vor.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG ist eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ oder eine „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführerin zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob die Beschwerdeführerin das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitelt „Rot-Weiß-Rot Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

§ 11 Integrationsgesetz lautet:

Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.

Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolgt ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.

(4) Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 entscheidet der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.

(5) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 sowie die Kriterien für die Prüfung der Gleichwertigkeit werden durch Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.

(6) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit mit Bescheid entziehen, wenn die Integrationsprüfung nicht der Verordnung gemäß Abs. 5 entspricht. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Antragstellung zur Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig.

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Gemäß § 27 Abs. 1 IntG traten die §§ 7 bis 16 dieses Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 68/2017), mit Ausnahme von § 13 Abs. 2 mit 1. Oktober 2017 in Kraft. Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl. I Nr. 68/2017) lauten: Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,

[…]

Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen (§ 14a Abs. 6 NAG). Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl II Nr. 449/2005 bestimmt Folgendes: § 7 (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.

(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Nivau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF.

Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin zwar über Deutschkenntnisse, hat aber keine Zeugnisse über die bestandene Deutsch oder Integrationsprüfungen des ÖIF vorgelegt, weshalb vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 auszugehen und ihr eine „Aufenthaltsberechtigung“ zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu erteilen ist.

Aufgrund dessen ist Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Das Bundesverwaltungsgericht erteilt daher der Beschwerdeführerin aus diesem Grund mit konstitutiver Wirkung den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten (§ 54 Abs. 2 Asylgesetz 2005). Das Bundesamt hat der Beschwerdeführerin diesen Aufenthaltstitel in Kartenform auszustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel Integration mangelnder Anknüpfungspunkt Rechtsanschauung des VwGH Spruchpunktbehebung Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W119.2163801.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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