TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/26 W119 1414976-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W119 1414976-4/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (auch XXXX ) XXXX (auch XXXX ), geboren am XXXX (auch XXXX , auch XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.12.2019, Zl. 59613003 - 171319789 / BMI- BFA_SBG_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte I. und VII. zu lauten haben:

I. Der Ihnen mit Bescheid vom 02.08.2013, Zahl 09 13.366-BAS, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 und Absatz 2 Ziffer 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.

VII. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 5 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.10.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.10.2009 sowie seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 3.11.2009 und 4.3.2010 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, aus der Provinz Laghman zu stammen und der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem sunnitischen Glauben anzugehören. Seine Muttersprache sei Paschtu. Der Vater wäre an einem Herzinfarkt verstorben, die Mutter lebe in Laghman und werde von ihrem Bruder versorgt. Er selbst sei in der Heimat in einem Textilgeschäft sechs Monate lang Lehrling gewesen und habe zwei Jahre lang die Madrassa besucht. Zudem habe er im Gemüsegeschäft seines Onkels und im Agrarbereich gearbeitet.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.8.2010, Zl. 09 13.366-BAS, wurde dieser Antrag gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 negativ entschieden. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.5.2012, GZ C2 414976-1/2010/16E wurden in Erledigung der erhobenen Beschwerde die Spruchpunkte II. und III. dieses Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheids an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

In weiterer Folge wurden dem Bundesasylamt diverse Zeugnisse und Schulbesuchsbestätigungen des Beschwerdeführers übermittelt. Am 10.8.2012 wurde der Beschwerdeführer erneut vor der belangten Behörde einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5.10.2012 wurde daraufhin der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Unter der GZ B3 414.976-2/2012/8E behob der Asylgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 5.7.2013 und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Mit Bescheid vom 2.8.2013, Zl. 09 13.366-BAS, erkannte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2.8.2014 (Spruchpunkt II.)

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer sei ledig und lebe seit 2009 im österreichischen Bundesgebiet. Er sei immer im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen. Sein Lebensunterhalt werde zwar derzeit aus Mitteln der öffentlichen Hand bestritten, er habe sich aber zwischenzeitlich in Österreich gut integriert, spreche die deutsche Sprache und wäre nachweislich ernsthaft bemüht, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, was ihm jedoch aufgrund arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen verwehrt sei. Der Beschwerdeführer verfüge über ausreichende soziale Kontakte in Österreich, welche in Afghanistan nur mehr rudimentär vorhanden seien.

Afghanistan bzw. die internationale Staatengemeinschaft seien ernsthaft bemüht, den dort lebenden Menschen bzw. RückkehrerInnen eine beachtenswerte Lebensperspektive zu bieten. Im Fall des Beschwerdeführers sei aber zu bedenken, dass er minderjährig und sein Vater verstorben sei und er bereits seit mehreren Jahren im Ausland lebe. All diese Umstände zusammengenommen bedeuteten in der stark traditionell und patriarchalisch geprägten Kultur, dass sein neuerlicher Aufenthalt im Herkunftsstaat mit zahlreichen Hemmnissen einhergehen würde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) vom 22.7.2014, Zl. 791.336.608 – 1221129, wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 bis 2.8.2016 erteilt. Begründet wurde dies im Wesentlichen allgemein damit, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat iVm dem Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. seinem Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet würden.

Am 22.8.2016, Zahl: 59613003 – 1221129, wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz bis zum 2.8.2018 erteilt. Aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat und des Vorbringens bzw. Antrags des Beschwerdeführers habe das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden können.

Am 08.11.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen des Verdachts gemäß § 28a SMG verhängt.

Am 24.11.2017 leitete die belangte Behörde das gegenständliche Aberkennungsverfahren ein, weil eine sachlich-rechtliche Überprüfung des dem Beschwerdeführer im Jahr 2013 vor allem wegen seiner damaligen Minderjährigkeit zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten notwendig geworden sei. Ebenfalls am 24.11.2017 wurde das Aberkennungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zum rechtskräftigen Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen.

Am 28.12.2017 wurde bezüglich des Beschwerdeführers ein Abschluss-Bericht zu XXXX ): Verdacht auf § 27 Absätze 1 und 4 SMG, § 28a Abs. 2 Z. 2 SMG und § 28a Abs. 4 SMG sowie Verdacht auf § 12 iVm § 127 StGB.

Am 15.01.2018 erfolgte eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie Abs. 2 SMG.

Am 5.4.2018 erstellte das Bezirksgericht XXXX einen Protokollsvermerk und eine gekürzte Urteilsausfertigung ( XXXX ) hinsichtlich des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Geldstrafe von 140 Tagessätzen) – Rechtskraft 10.4.2018.

Am 13.11.2018 erfolgte ein Urteil des Landesgerichts XXXX Rechtskraft XXXX hinsichtlich des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 2 und Abs. 4 Z. 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie Abs. 2 SMG. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge dieses Urteils zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 4,5 Jahren verurteilt.

Am 26.3.2019 wurde der Beschwerdeführer daraufhin seitens der belangten Behörde in der Justizanstalt zur Einleitung seines Aberkennungsverfahrens niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab er im Wesentlichen zunächst an, gesund zu sein und keine physischen oder psychischen Probleme zu haben. Es gehe ihm gut und er benötige keinerlei Medikamente. Drogenersatzstoffe bekomme er derzeit nicht, zuletzt hätte er vor eineinhalb Jahren Drogen genommen. Er verfüge über zwei Deutschkursbestätigungen, die sich bei seiner Freundin befänden. Diesbezüglich wurde er aufgefordert, die Dokumente innerhalb von 14 Tagen dem Bundesamt vorzulegen.

Der Beschwerdeführer erklärte weiters, er habe einen Fremdenpass, jedoch keinen afghanischen Reisepass. Er wolle versuchen, Unterlagen, zum Beispiel betreffend seine Integration in Österreich, zu beschaffen.

Geboren sei er in der Provinz Laghman und werde nunmehr XXXX Jahre alt. Er sei ledig, habe aber eine feste Freundin. Vor seiner Inhaftierung hätte der Beschwerdeführer ungefähr zwei Jahre lang mit seiner Freundin zusammengelebt, einmal in der Woche komme sie ihn nunmehr in der Justizanstalt besuchen. Weitere Familiengemeinschaften oder familienähnliche Verhältnisse gebe es im Bundesgebiet nicht, auch keine finanziellen Abhängigkeiten. Er habe einige Freunde in Österreich, dabei handle es sich um Beziehungen, die nicht so lange gedauert hätten, zum Beispiel gebe es seine ehemalige Betreuerin und er habe noch immer Kontakt zu einer ehemaligen Deutschlehrerin sowie seinem Betreuer bei einem Projekt. Letzterer wolle nächste Woche auf Besuch kommen, sei bisher aber noch nicht erschienen.

In Afghanistan habe der Beschwerdeführer von Geburt an bis zum Jahr 2009 gelebt, zuletzt mit seiner Mutter und seinem Onkel. Sein Bruder sei leider schon gestorben, Schwestern gebe es keine.

Als der Beschwerdeführer verhaftet worden sei, sei der Kontakt zu den Familienangehörigen in Afghanistan abgebrochen. Die Telefonnummer habe er längst vergessen. Sein Onkel habe ein kleines Gemüsegeschäft, in dem auch der Beschwerdeführer im Alter von ca. 13 Jahren ausgeholfen habe, seine Mutter arbeite manchmal als Reinigungskraft in einer Wohnung. Er selbst befinde sich seit zehn Jahren in Österreich, sei hier in die Schule gegangen und kenne niemanden in Afghanistan. Freunde und Bekannte habe er aber schon dort, stehe jedoch nicht in Kontakt zu ihnen.

Weiters erklärte der Beschwerdeführer, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und ein bisschen Englisch und ein bisschen Russisch zu beherrschen. Er sei sunnitischer Moslem.

In Österreich habe der Beschwerdeführer am Flughafen und dann an einer sonstigen näher genannten Stelle gearbeitet und ca. € 1300 monatlich verdient. Auch habe er den Pflichtschulabschluss nachgeholt und Deutschkurse bis zum Niveau B1 absolviert.

Nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Rechtskraft vom 14.10.2015 habe der Beschwerdeführer im XXXX gearbeitet, sei dann ein Jahr in Therapie gegangen und habe ein halbes Jahr Tabletten bekommen. Danach sei er als Küchengehilfe und Abwäscher beim Flughafen tätig gewesen sowie in der Getränkeabteilung eines Supermarktes. In seiner Freizeit sei er Tormann in einer Fußballrunde, früher sei er in einem Fußballverein gewesen, jetzt nicht mehr. Er sei spielsüchtig gewesen, was als Hobby begonnen habe und dann zu einer Suchterkrankung geworden sei.

Legal gearbeitet habe der Beschwerdeführer beim Flughafen und bei einer Universalreinigung, zudem im Supermarkt und dann im XXXX . Überdies habe er Sozialhilfe und Arbeitslosengeld erhalten, in den 17 Monaten, in denen er sich in der Justizanstalt befinde, jedoch nicht mehr.

Seine frühere Wohnung habe seiner Freundin gehört, die sie gemietet hätte. Es habe sich um betreutes Wohnen gehandelt und er habe dort eigentlich nicht schlafen dürfen, wenngleich er jedoch den Betreuer der Einrichtung von früher gekannt. Eine eigene Wohnung habe er wegen seiner Spielsucht nicht gehabt.

An Therapiemaßnahmen im Gefängnis nehme er nicht teil, er hätte eine Absage bekommen. Einer Arbeit nachzugehen wäre nicht möglich, weil er U-Häftling sei. Nach seiner Freilassung wolle er den Führerschein machen, mit seiner Freundin zusammenziehen und in der Haft auch eine Lehre beginnen, als Maler oder Tischler.

Am 26.9.2019 erfolgte ein Urteil des Oberlandesgerichts XXXX unter der Geschäftszahl XXXX hinsichtlich des Urteils des Landesgerichts XXXX vom XXXX wonach der Berufung sowie der (implizierten) Beschwerde nicht Folge gegeben wurde.

Am 2.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer schriftlich die Möglichkeit eines Parteiengehörs eingeräumt und die fallrelevanten Auszüge aus dem aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation übermittelt.

Die diesbezügliche Stellungnahme langte am 13.12.2019 bei der belangten Behörde ein.

Mit dem gegenständlichen im Spruch genannten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 2.8.2013, Zahl 09 13.366-BAS, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und laut Spruchpunkt II. die mit Bescheid vom 22.8.2016, Zahl 59613003-1221129, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Der Beschwerdeführer habe nach Rechtskraft des Bescheides seine Aufenthaltsberechtigungskarte der belangten Behörde zurückzustellen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Im Falle des Beschwerdeführers beginne die Frist für die freiwillige Ausreise mit Entlassung aus der Strafhaft, sofern der Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits in Rechtskraft erwachsen ist (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei volljährig, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an, seine Muttersprache sei Paschtu. Er weise keine Minderheitenmerkmale auf. Sein Familienstand stehe fest. Der Beschwerdeführer habe sein Leben bis zu seiner Reise nach Europa im Jahr 2009 in der Provinz Laghman verbracht. Es stehe nicht fest, ob sein Vater und Bruder tatsächlich tot seien, er mit seiner Mutter seit mehreren Monaten keinen Kontakt pflege und auch mit der wiederverheirateten Schwägerin sowie dem Onkel mütterlicherseits keine Beziehung mehr habe. Seine Familienangehörigen lebten in ihrem Heimatdorf in Afghanistan sowie in Pakistan. Auch sei der Beschwerdeführer physisch und psychisch gesund, habe zwei Jahre lang in Afghanistan eine Koranschule besucht und sei mittlerweile in Österreich alphabetisiert worden. Es stehe nicht fest, ob der Beschwerdeführer tatsächlich keinerlei Berufsausbildung absolviert habe. Er habe praktische Berufserfahrung im Gemüsegeschäft seines Onkels, im Agrarbereich sowie sechs Monate lang als Textilgeschäftslehrling in Afghanistan gesammelt. Zudem sei er arbeitsfähig.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Rückkehrsituation führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass sein (ursprünglicher) persönlicher Ausreisegrund, die vorgebrachte Talibanbedrohung, nicht glaubhaft und zudem ohnehin nicht mehr aktuell sei. Ursprünglich sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen seiner damaligen Minderjährigkeit und Vulnerabilität zuerkannt worden. Mittlerweile sei er volljährig und keineswegs mehr vulnerabel. Auch leide er an keiner ein Rückkehrhindernis darstellenden Krankheit. Eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Laghman sei derzeit objektiv unzumutbar, jedoch bestünden in Mazar-e Scharif sowie in Herat zwei zumutbare Innerstaatliche Schutzalternativen. Höchstwahrscheinlich pflege der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Laghman und Pakistan Kontakt, die über Besitz sowie finanzielle Ressourcen verfüge, um ihn unterstützen zu können. Er selbst sei mittlerweile alphabetisiert und habe praktische Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen gesammelt. Somit sei er wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt sorgen.

Zum Privat- und Familienleben stellte die belangte Behörde fest, dass es keine Verwandten im Bundesgebiet gebe. Zudem bestünde keine besondere Österreichbindung. Den Kontakt mit seiner österreichischen Lebensgefährtin, einer seiner früheren Drogenabnehmerinnen, könne er nach seiner Rückkehr nach Afghanistan zum Beispiel telefonisch aufrechterhalten. Im Übrigen sollte zwischen ihm und seiner Lebensgefährtin längerfristig eine möglichst große räumliche Distanz hergestellt werden, um diese noch sehr junge Frau vor seinem schädlichen Einfluss und weiteren Drogenkäufen sowie -geschenken zu bewahren.

Im Bundesgebiet sei der Beschwerdeführer mehreren Arbeiten nachgegangen, wobei auffallend sei, dass seine bisherigen Beschäftigungsverhältnisse immer nur von kurzer Dauer gewesen seien und keinen stabilen Charakter aufgewiesen hätten. Auch sei der Beschwerdeführer kein Vereinsmitglied, bisher nie gemeinnützig tätig gewesen und es stehe nicht fest, dass er tatsächlich Deutschkurse sowie die Pflichtschule in Österreich absolviert habe. Derzeit lebe er ausschließlich von staatlichen Unterstützungsleistungen und befinde sich in Strafhaft.

Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Am 3.5.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Pashtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Dabei brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, dass seine Mutter noch beim Onkel mütterlicherseits in der Heimat lebe, ansonsten gebe es niemanden, die Schwägerin befinde sich in der Türkei. Einmal monatlich habe der Beschwerdeführer Kontakt zu seiner Mutter, die mit seinem Onkel im gemeinsamen Haushalt wohne. Letzterer habe einen Gemüsemarkt und bestreite davon seinen Lebensunterhalt. Das was er verdiene, würde auch gleich ausgegeben. In Laghman lebten zudem der Bruder des Vaters sowie die Schwester der Mutter und weitere Personen. Jener Onkel, bei dem seine Mutter lebe, habe auch Kinder, die sich in Rumänien befänden.

Vor seinem Gefängnisaufenthalt habe der Beschwerdeführer seine Mutter finanziell unterstützt, sie hätten das Geld im Haushalt ausgegeben.

Im Falle einer Rückkehr fürchte sich der Beschwerdeführer vor den Taliban, er wäre dann gezwungen zu ihnen zu gehen. Wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er keinerlei Befürchtungen. Er hätte jedoch elf Jahre im Ausland verbracht und bei einer Rückkehr würde ihm unterstellt werden, seine Religion aufgegeben zu haben. Dass er sich im Ausland aufgehalten habe, hätte jeder über Social Media erfahren können. Sollte er zurückkehren und überhaupt von den Taliban am Leben gelassen werden, müsste er gemeinsam mit ihnen gegen die Regierung kämpfen, was man Dschihad nenne.

Im Bundesgebiet führe er derzeit kein Familienleben und habe auch keine Beziehung. Jedoch sei er berufstätig und arbeite im Lager eines Supermarkts. Die heute anwesende Vertrauensperson habe ihn in jeder Hinsicht unterstützt und die Arbeit gefunden, für eine Unterkunft gesorgt und auch die Kaution bezahlt. Er habe diesen Mann durch eine afghanische Familie kennengelernt und dann nach der Entlassung aus dem Gefängnis angerufen. Derzeit lebe der Beschwerdeführer alleine in der Wohnung und pflege Kontakt zu seinem Bewährungshelfer, zu zwei bis drei afghanischen Familien und einem weiteren afghanischen Freund.

Außer den Deutschkursen habe er zwei Jahre die Schule besucht und den Pflichtschulabschluss absolviert. Freiwillig tätig gewesen sei er nicht, habe jedoch die Hubstaplerprüfung gemacht.

Die Sachbeschädigung und die Körperverletzung hätte er wegen seiner Spielsucht begangen, er habe damals sehr viel Geld verloren. Im Gefängnis habe er deswegen eine Therapie beantragt, die jedoch abgelehnt worden sei. Mittlerweile sei er nicht mehr spielsüchtig.

Vorgehalten, er habe Suchtmittel konsumiert und auch weitergegeben, gab der Beschwerdeführer an, er hätte mit Freunden angefangen, Drogen zu nehmen und mit der Zeit sei es immer mehr geworden. Eingenommen habe er Marihuana, später auch Kokain und Ecstasy. Weiterverkauft habe er die Drogen für seinen eigenen Konsum, er sei suchtkrank gewesen. Sein Antrag auf Therapie wäre im Gefängnis abgelehnt worden, er habe jedoch Schlaftabletten bekommen.

Seitens des Beschwerdeführervertreters wurden diverse Unterlagen vorgelegt:

B1 Zertifikat, zwei Jahreszeugnisse, Versicherungsdatenauszug, Bericht der Bewährungshilfe, Lebenslauf, Meldezettel, Dienstvertrag mit einer Reinigungsfirma (welche laut Angaben des Beschwerdeführers zu einer Supermarktkette gehört), Staplerführerausweis, Bestätigungsschreiben eines Vereins zur Flüchtlingshilfe und eine Integrationsförderung.

Da der Beschwerdeführer im Gefängnis habe arbeiten wollen, hätte er anfangs keine Tabletten bekommen, später habe er diese von anderen Insassen erhalten. Es handle sich dabei um „Reprotrin, Simsim und Praxen“. Mit diesen Tabletten habe er seine Sucht in den Griff bekommen, mittlerweile benötige er keine Medikamente mehr. Zuletzt habe er im Gefängnis Drogen genommen, die er auch von anderen Insassen erhalten habe, es habe sich dabei um Kokain gehandelt. Drogentherapie habe er nach seiner Entlassung keine gemacht, er nehme jedoch keine anderen Medikamente mehr. An Erkrankungen leide er ausdrücklich nicht.

Seitens des Beschwerdeführervertreters wurde angemerkt, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er nach der Entlassung gleich vom Verein Neustart betreut worden sei und im Zuge dieser Betreuung gewisse Aufgaben und Pflichten übertragen bekommen hätte, seine Drogenprobleme hinter sich habe lassen können.

Nach seiner Entlassung am 9.2.2020 sei der Beschwerdeführer umgezogen und habe mit der Zeit Personen kennengelernt, eine Arbeit gefunden, eine Unterkunft gehabt und es sei besser geworden. Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin habe der Beschwerdeführer keinen mehr. Im Gefängnis habe sie ihn ein paar Mal besucht.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der begleitende Bewährungshelfer des Beschwerdeführers (Vertrauensperson) als Zeuge einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, letzterer sei am 13.2.2020 bei ihm im Büro aufgetaucht, die Bewährungshilfe sei dem Beschwerdeführer auch angeordnet worden. Anfangs, von Februar 2020 bis Ende April 2020, habe der Beschwerdeführer alle drei Wochen erscheinen müssen, dazwischen habe es Telefonate gegeben. Seit Ende April bzw. Mai bis jetzt müsse er alle vier Wochen kommen. Der Bewährungshelfer sei auch zur Entscheidung gekommen, dass weniger die Notwendigkeit bestehe, sich öfter zu treffen. Es gebe ein Stufenprogramm.

Die vorzeitige Entlassung hätte sich tatsächlich bewährt, der Bewährungshelfer habe selten einen so verlässlichen und kooperativen Klienten gehabt. Alles was sie sich ausmachten, halte er ein. Als er im Februar zur Betreuung gekommen sei, habe die Corona Zeit begonnen, die physischen Besuche seien nicht mehr möglich gewesen und es sei daher immer wieder telefoniert worden, weil der Beschwerdeführer unbedingt eine Arbeit habe finden wollen, was ihm am 3.4.2020 als Leiharbeiter im Zentrallager einer Supermarktkette auch gelungen sei.

Der Bewährungshelfer sei beeindruckt vom Beschwerdeführer, der es trotz Coronakrise geschafft habe, fast ständig in Beschäftigung zu sein. Auch aktuell sei er seit rund drei Monaten durchgehend beschäftigt. Nach seiner Wahrnehmung tue der Beschwerdeführer alles, um ein normales Leben zu führen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Seine Vermutung sei, dass der Beschwerdeführer einfach aufgehört habe, Drogen zu nehmen. Leute, die es wirklich wollten, schafften es auch ohne Therapie, von den Drogen loszukommen. Nach seiner Wahrnehmung sei die Suchtproblematik in ihren Gesprächen nicht mehr vorhanden.

Es sei eine große Erleichterung für den Beschwerdeführer gewesen, dass er nach der ersten Arbeitsphase einen Arbeitslosenanspruch gehabt habe. Dennoch habe er sich auf der finanziellen Absicherung nicht ausgeruht.

Der Beschwerdeführer gab ergänzend an, die Wohnung, in der er lebe, gehöre einer anderen Person, er habe keinen Mietvertrag, sondern nur einen Meldezettel.

Ins Verfahren eingeführt wurden die aktuellen Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und dem Beschwerdeführervertreter hierzu eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

Am 4.5.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine E-Mail des Schulzentrums ein, in welcher der Pflichtschulabschluss des Beschwerdeführers bestätigt wird.

Am 6.5.2021 folgte die Stellungnahme zu den Länderberichten, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Situation in Afghanistan wegen des Abzuges der amerikanischen Streitkräfte verstärkt volatil und prekär sei und die Taliban sowohl in militärischer als auch in politischer Hinsicht andauernde Zugewinne erreicht hätten.

Der Beschwerdeführer habe in der Zeit, die er in Österreich verbracht habe, große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte entwickelt. Er sei ebenso arbeitsfähig wie arbeitswillig. In Afghanistan hätte er überhaupt keine Lebensperspektive und es bestünde realistisch die Gefahr, in eine existenzielle Notlage zu geraten.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Laghman geboren und wuchs dort bis zur Ausreise im Jahr 2009 im Familienverband auf. In der Heimat besuchte er zumindest zwei Jahre eine Koranschule, absolvierte sechs Monate eine Lehre in einem Textilgeschäft und erwarb im Gemüsemarkt seines Onkels sowie im Argrarbereich weitere Arbeitserfahrungen. Die Mutter und der Onkel des Beschwerdeführers befinden sich nach wie vor im Heimatort, der Onkel hat auch noch sein Gemüsegeschäft. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter, die er nicht mehr finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut. Auch im Bundesgebiet umgibt er sich neben seinem Bewährungshelfer/Vertrauensperson mit afghanischen Landsleuten.

Der Beschwerdeführer ist gesund, anpassungsfähig und arbeitsfähig.

Im Bundesgebiet gewann der Beschwerdeführer nach der letzten Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 weitere Berufserfahrungen hinzu und erwarb 2020 den Staplerführerausweis.

Das ÖSD-Zertifikat Deutsch B1 hatte er bereits 2015 erworben und 2012 den Pflichtschulabschluss nachgeholt.

Der Beschwerdeführer pflegt zwar die (vorgeschriebene) Beziehung zu seinem Bewährungshelfer, jedoch war er nicht ehrenamtlich tätig und ist kein Mitglied in Vereinen.

Enge persönliche Bindungen hat er im Bundesgebiet nicht, auch nicht mehr zu seiner ehemaligen Freundin, die – wie aus der Urteilsausfertigung des Strafgerichts hervorgeht – eine seiner Drogenabnehmerinnen war.

Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Der Beschwerdeführer war zwar zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung bereits volljährig, gewann jedoch mittlerweile an Alter, Lebens- und Berufserfahrung weiter hinzu, sodass mittlerweile die Voraussetzungen für die Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in einer Gesamtschau nicht mehr gegeben sind und dem Beschwerdeführer eine interne Fluchtalternative zur Verfügung steht.

Nach der letzten Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde der Beschwerdeführer zudem von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) XXXX

§ 109 (1u3) Z 1u3 StGB

§§ 125, 126 (1) Z 7 StGB

Datum der (letzten) Tat 29.01.2015

Geldstrafe von 300 Tags zu je 4,00 EUR (1.200,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von

150 Tags zu je 4,00 EUR (600,00 EUR) im NEF 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

zu XXXX

Unbedingter Teil der Geldstrafe vollzogen am 13.07.2016

XXXX

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

XXXX

Der bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe wird widerrufen

XXXX

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 11.10.2017

Geldstrafe von 140 Tags zu je 4,00 EUR (560,00 EUR) im NEF 70 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 22.11.2018

03) XXXX §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

§§ 28a (1) 5. Fall, 28a (2) Z 2, 28a (4) Z 3 SMG

Datum der (letzten) Tat 08.11.2017

Freiheitsstrafe 4 Jahre 6 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf XXXX

zu XXXX

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 08.02.2020, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

XXXX Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen

XXXX

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die ursprüngliche Herkunftsprovinz Laghman aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Wenn auch das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass der Beschwerdeführer noch relativ jung die Heimat verließ, so verbrachte er doch die prägenden Jahre dort, wuchs mit seiner Familie auf, besuchte zumindest zwei Jahre die Koranschule, war sechs Monate Lehrling in der Textilbranche, erwarb – wenn auch in jungen Jahren – Arbeitserfahrungen im Gemüsegeschäft seines Onkels und im Agrarbereich und umgibt sich auch im Bundesgebiet vorwiegend mit Landsleuten. Seine Muttersprache ist Paschtu.

Im Bundesgebiet holte er den Pflichtschulabschluss nach, machte den Staplerführerschein und erwarb - zwischen diversen Arbeitslosengeldbezügen – ausreichend Berufserfahrungen.

Seine in Laghman befindlichen Angehörigen unterstützt er seit seiner Haft nicht mehr.

Somit kann er insgesamt auch trotz der zurzeit durch die Coronpandemie erschwerten wirtschaftlichen Lage bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer alternativen Ansiedelung in der Stadt Herat/Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat/Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat/Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Stand 2. 4. 2021:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Afghanistan (Stand 02.04.2021, Schreibfehler teilweise korrigiert):

„[…]

COVID-19

Letzte Änderung: 31.03.2021

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation, bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https: //www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis. com/apps/opsdashboard/index.h tml#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.02.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium (Afghan MoPH) durchgeführten Umfrage hatten zwischen März und Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan Anzeichen und Symptome von COVID-19. Laut offiziellen Regierungsstatistiken wurden bis zum 02.09.2020 in Afghanistan 103.722 Menschen auf das COVID-19-Virus getestet (IOM 23.09.2020). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 14.01.2021; cf. UNOCHA 18.02.2021, USAID 12.01.2021, UNOCHA 19.12.2020, RFE/RL 23.02.2021a). Bis Dezember 2020 gab es insgesamt 50.536 [Anmerkung: offizielle] Fälle im Land. Davon ein Drittel in Kabul. Die tatsächliche Zahl der positiven Fälle wird jedoch weiterhin deutlich höher eingeschätzt (IOM 18.03.2021; vgl. HRW 14.01.2021).

Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19-Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen (BAMF 08.02.2021; cf. IOM 18.03.2021).

Die Infektionen steigen weiter an, und bis zum 17.03.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet (IOM 18.03.2021; WHO 17.03.2021), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird. Bis zum 10.03.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht (IOM 18.03.2021)

Maßnahmen der Regierung und der Taliban

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.09.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.03.2021; vgl. WB 28.06.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.03.2021; vgl. IOM 1.2021).

Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden (IOM 18.03.2021).

Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit [Anm.: März 2021] nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für eine Person, die unter der Schirmherrschaft der IOM nach Afghanistan zurückkehrt und eine vorübergehende Unterkunft benötigt, kann IOM ein Hotel buchen. Personen, die ohne IOM nach Afghanistan zurückkehren, können nur in einer Unterkunftseinrichtung übernachten, wenn sie fälschlicherweise angeben, ein Geschäftsreisender zu sein. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Wird dies durch die Exekutive überprüft, kann diese - wenn der Aufenthalt auf der Angabe von falschen Gründen basiert - diesen jederzeit beenden. Die betreffenden Unterkunftnehmer landen auf der Straße, und der Unterkunftsbetreiber muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen (IOM AUT 22.03.2021). Laut einer anderen Quelle gibt es jedoch aktuell [Anm.: März 2021] keine Einschränkungen bei der Buchung eines Hotels oder der Unterbringung in einem Teehaus, und es ist möglich, dass Rückkehrer und Tagelöhner die Unterbringungsmöglichkeiten nutzen (RA KBL 22.03.2021).

Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden. Weitere Gespräche über Spenden laufen mit China (BAMF 08.02.2021; vgl. RFE/RL 23.02.2021a).

Die Taliban erlauben den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 03.06.2020; vgl. Guardian 02.05.2020) und gaben im Januar 2020 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Mio. Dollar unterstützt wird. Nach Angaben des Taliban-Sprechers Zabihullah Mudschahid würde die Gruppe die über Gesundheitszentren durchgeführte Impfaktion „unterstützen und erleichtern“. Offizielle Stellen glauben, dass die Aufständischen die Impfteams nicht angreifen würden, da sie nicht von Tür zu Tür gehen würden (REU 26.01.2021; vgl. ABC News 27.01.2021, ArN 27.01.2021).

Bei der Bekanntgabe der Finanzierung sagte ein afghanischer Gesundheitsbeamter, dass das COVAX-Programm 20% der 38 Mio. Einwohner des Landes abdecken würde (REU 26.01.2021; vgl. ABC News 27.01.2021, ArN 27.01.2021, IOM 18.03.2021). Die Weltbank und die asiatische Entwicklungsbank gaben laut einer Sprecherin des afghanischen Gesundheitsministeriums an, dass sie bis Ende 2022 Impfstoffe für weitere 20% der Bevölkerung finanzieren würden (REU 26.01.2021; vgl. RFE/RL 23.02.2021a).

Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen, bei der zunächst Mitglieder der Sicherheitskräfte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Journalisten geimpft werden (RFE/RL 23.02.2021a). Die Regierung kündigte an, 60% der Bevölkerung zu impfen, als die ersten 500.000 Dosen COVID-19-Impfstoff aus Indien in Kabul eintrafen. Es wurde angekündigt, dass zuerst 150.000 Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft werden sollten, gefolgt von Erwachsenen mit gesundheitlichen Problemen. Die Impfungen haben in Afghanistan am 23.02.2021 begonnen (IOM 18.03.2021).

Gesundheitssystem und medizinische Versorgung

COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden (bis die Kapazitäten für COVID-Patienten ausgeschöpft sind). Staatlich geführte Krankenhäuser bieten eine kostenlose Grundversorgung im Zusammenhang mit COVID-19 an, darunter auch einen molekularbiologischen COVID-19-Test (PCR-Test). In den privaten Krankenhäusern, die von der Regierung autorisiert wurden, COVID-19-infizierte Patienten zu behandeln, werden die Leistungen in Rechnung gestellt. Ein PCR-Test auf COVID-19 kostet 300-500 Afghani (AFN) (IOM 18.03.2021).

Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 12.01.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, HRW 13.01.2021, AA 16.07.2020, WHO 8.2020). Bei etwa 8% der bestätigten COVID-19-Fälle handelt es sich um Mitarbeiter im Gesundheitswesen (BAMF 08.02.2021).

Während öffentliche Krankenhäuser im März 2021 weiterhin unter einem Mangel an ausreichenden Testkapazitäten für die gesamte Bevölkerung leiden, können stationäre Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts kostenfreie PCR-Tests erhalten. Generell sind die Tests seit Februar 2021 leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhalten haben, COVID-19-Tests durchzuführen. In Kabul werden die Tests beispielsweise im Afghan-Japan Hospital, im Ali Jennah Hospital, im City Hospital, im Alfalah-Labor oder in der deutschen Klinik durchgeführt (IOM 18.03.2021).

In den 18 öffentlichen Krankenhäusern in Kabul gibt es insgesamt 180 Betten auf Intensivstationen. Die Provinzkrankenhäuser haben jeweils mindestens zehn Betten auf Intensivstationen. Private Krankenhäuser verfügen insgesamt über 8.000 Betten, davon wurden 800 für die Intensivpflege ausgerüstet. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzen stehen für 10% der Betten auf der Intensivstation Beatmungsgeräte zur Verfügung. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult (IOM 23.09.2020). UNOCHA berichtet mit Verweis auf Quellen aus dem Gesundheitssektor, dass die niedrige Anzahl an Personen, die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen, auch der Angst der Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus geschuldet ist (UNOCHA 15.10.2020) wobei auch die Stigmatisierung, die mit einer Infizierung einhergeht, hierbei eine Rolle spielt (IOM 18.03.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, UNOCHA 18.02.2021, USAID 12.01.2021).

Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert (AAN 01.01.2020). Dem IOM Afghanistan COVID-19 Protection Monitoring Report zufolge haben 53% der Bevölkerung nach wie vor keinen realistischen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ferner berichteten 23% der durch IOM Befragten, dass sie sich die gewünschten Präventivmaßnahmen, wie den Kauf von Gesichtsmasken, nicht leisten können. Etwa ein Drittel der befragten Rückkehrer berichtete, dass sie keinen Zugang zu Handwascheinrichtungen (30%) oder zu Seife/Desinfektionsmitteln (35%) haben (IOM 23.09.2020).

Sozioökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt

COVID-19 trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei (USAID 12.01.2021; vgl. UNOCHA 18.02.2021, UNOCHA 19.12.2020). Die sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 beeinflussen die Ernährungsunsicherheit, die inzwischen ein ähnliches Niveau erreicht hat wie während der Dürre von 2018 (USAID 12.01.2021; vgl. UNOCHA 19.12.2020, UNOCHA 12.11.2020). In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Auswirkungen der Handelsunterbrechungen auf die Preise für grundlegende Haushaltsgüter haben bisher die Auswirkungen der niedrigeren Preise für wichtige Importe wie Öl deutlich überkompensiert. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben (IOM 23.09.2020; vgl. WHO 7.2020), wobei gemäß dem WFP (World Food Program) zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis...) um 18-31% gestiegen sind (UNOCHA 12.11.2020). Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark (AA 16.07.2020).

Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert: Nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht waren die Preise für Weizenmehl von November bis Dezember 2020 stabil, blieben aber auf einem Niveau, das 11% über dem des Vorjahres und 27% über dem Dreijahresdurchschnitt lag. Insgesamt blieben die Lebensmittelpreise auf den wichtigsten Märkten im Dezember 2020 überdurchschnittlich hoch, was hauptsächlich auf höhere Preise für importierte Lebensmittel zurückzuführen ist (IOM 18.03.2021).

Laut einem Bericht der Weltbank zeigen die verfügbaren Indikatoren Anzeichen für eine stark schrumpfende Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2020, was die Auswirkungen der COVID-19-Krise im Kontext der anhaltenden Unsicherheit widerspiegelt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (IOM 18.03.2021; vgl. WB 15.07.2020).

Es gibt keine offiziellen Regierungsstatistiken, die zeigen, wie der Arbeitsmarkt durch COVID-19 beeinflusst wurde bzw. wird. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hat, einschließlich des Arbeitsmarktes (IOM 23.09.2020; vgl. AA 16.07.2020). Die afghanische Regierung warnt davor, dass die Arbeitslosigkeit in Afghanistan um 40% steigen wird. Die Lockdown-Maßnahmen haben die bestehenden prekären Lebensgrundlagen in dem Maße verschärft, dass bis Juli 2020 84% der durch IOM-Befragten angaben, dass sie ohne Zugang zu außerhäuslicher Arbeit (im Falle einer Quarantäne) ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse nicht länger als zwei Wochen erfüllen könnten; diese Zahl steigt auf 98% im Falle einer vierwöchigen Quarantäne (IOM 23.09.2020). Insgesamt ist die Situation vor allem für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftssektoren von den Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ betroffen sind (IOM 23.09.2020; vgl. Martin/Parto 11.2020).

Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht, von denen viele bereits durch langanhaltende Konflikte oder wiederkehrende Naturkatastrophen ihre begrenzten finanziellen, psychischen und sozialen Bewältigungskapazitäten aufgebraucht hatten (UNOCHA 19.12.2020).

Die tiefgreifenden und anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die afghanische Wirtschaft bedeuten, dass die Armutsquoten für 2021 voraussichtlich hoch bleiben werden. Es wird erwartet, dass das BIP im Jahr 2020 um mehr als 5% geschrumpft sein wird (IWF). Bis Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote in Afghanistan auf 37,9% gestiegen, gegenüber 23,9% im Jahr 2019 (IOM 18.03.2021).

Nach einer Einschätzung des Afghanistan Center for Excellence sind die am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Sektoren die verarbeitende Industrie (Non-Food), das Kunsthandwerk und die Bekleidungsindustrie, die Agrar- und Lebensmittelverarbeitung, der Fitnessbereich und das Gesundheitswesen sowie die NGOs (IOM 18.03.2021).

Frauen und Kinder

Auch auf den Bereich Bildung hatte die COVID-19 Pandemie Auswirkungen. Die Regierung ordnete an, alle Schulen im März 2020 zu schließen (IOM 23.09.2020), und die CBE-Klassen (gemeindebasierte Bildung-Klassen) konnten erst vor Kurzem wieder geöffnet werden (IPS 12.11.2020). In öffentlichen Schulen sind nur die oberen Schulklassen (für Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren) geöffnet. Alle Klassen der Primär- und unteren Sekundarschulen sind bis auf Weiteres geschlossen (IOM 23.09.2020). Im Oktober 2020 berichtete ein Beamter, dass 56 Schüler und Lehrer in der Provinz Herat positiv getestet wurden (von 386 Getesteten). 35 bis 60 Schüler lernen in einem einzigen Raum, weil es an Einrichtungen fehlt und die Richtlinien zur sozialen Distanzierung nicht beachtet werden (IOM 18.03.2021). Kinder (vor allem Jungen), die von den Auswirkungen der Schulschließungen im Rahmen von COVID-19 betroffen waren, sahen sich nun auch einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber der Rekrutierung durch die Konfliktparteien ausgesetzt (IPS 12.11.2020; cf. UNAMA 10.08.2020). Die Krise verschärft auch die bestehende Vulnerabilität von Mädchen betreffend Kinderheirat und Schwangerschaften von Minderjährigen (UNOCHA 19.12.2020; cf. IPS 12.11.2020, UNAMA 10.08.2020). Die Pandemie hat auch spezifische Folgen für Frauen, insbesondere während eines Lockdowns, einschließlich eines erhöhten Maßes an häuslicher Gewalt (HRW 13.01.2021; vgl. UNOCHA 19.12.2020, AAN 01.10.2020). Frauen und Mädchen sind durch den generell geringeren Zugang zu Gesundheitseinrichtungen zusätzlich betroffen (Martins/Parto 11.2020; vgl. HRW 13.01.2021, AAN 01.10.2020).

Bewegungsfreiheit

Im Zuge der COVID-19 Pandemie waren verschiedene Grenzübergänge und Straßen vorübergehend gesperrt (RFE/RL 21.08.2020; vgl. NYT 31.07.2020, IMPACCT 14.08.2020, UNOCHA 30.06.2020), wobei aktuell alle Grenzübergänge geöffnet sind (IOM 18.03.2021). Im Juli 2020 wurden auf der afghanischen Seite der Grenze mindestens 15 Zivilisten getötet, als pakistanische Streitkräfte angeblich mit schwerer Artillerie in zivile Gebiete schossen, nachdem Demonstranten auf beiden Seiten die Wiedereröffnung des Grenzübergangs gefordert hatten und es zu Zusammenstößen kam (NYT 31.07.2020).

Die internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Herat werden aktuell international wie auch national angeflogen, und auch findet Flugverkehr zu nationalen Flughäfen statt (F 24 o.D.; vgl. IOM 18.03.2021). Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit (IOM 18.03.2021).

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer im Rahmen der freiwilligen Rückkehr und Teilnahme an Reintegrationsprogrammen. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (STDOK 14.07.2020). Von 01.01.2020 bis 22.09.2020 wurden 70 Teilnahmen an dem Reintegrationsprojekt Restart III akzeptiert und sind 47 Personen freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt (IOM 23.09.2020). Mit Stand 18.03.2021 wurden insgesamt 105 Teilnahmen im Rahmen von Restart III akzeptiert und sind 86 Personen freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt (IOM 18.03.2021).

Politische Lage

Letzte Änderung: 31.03.2021

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Mio. (NSIA 6.2020) bis 39 Mio. Menschen (WoM 06.10.2020).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen, die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (CoA 26.02.2004; vgl. STDOK 7.2016, Casolino 2011).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (CoA 26.02.2004; vgl. Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015), und die Provinzvorsteher sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).

Im direkt gewählten Unterhaus der Nationalversammlung, der Wolesi Jirga (Haus des Volkes) mit 249 Sitzen, kandidieren die Abgeordneten für eine fünfjährige Amtszeit. In der Meshrano Jirga (House of Elders), dem Oberhaus mit 102 Sitzen, wählen die Provinzräte zwei Drittel der Mitglieder für eine Amtszeit von drei oder vier Jahren, und der Präsident ernennt das verbleibende Drittel für eine Amtszeit von fünf Jahren. Die Verfassung sieht die Wahl von Bezirksräten vor, die ebenfalls Mitglieder in die Meshrano Jirga entsenden würden, aber diese sind noch nicht eingerichtet worden. Zehn Sitze der Wolesi Jirga sind für die nomadische Gemeinschaft der Kutschi reserviert, darunter mindestens drei Frauen, und 65 der allgemeinen Sitze der Kammer sind für Frauen reserviert (FH 04.03.2020; vgl. USDOS 11.03.2020).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit gelegentlich kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzesentwürfen die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Parlaments. Gleichzeitig werden aber die verfassungsmäßigen Rechte genutzt, um die Arbeit der Regierung gezielt zu behindern, Personalvorschläge der Regierung zum Teil über lange Zeiträume zu blockieren, und einzelne Abgeordnete lassen sich ihre Zustimmung mit Zugeständnissen - wohl auch finanzieller Art - belohnen. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaftspflicht der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 16.07.2020).

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21.10.2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (USDOS 11.03.2020). Es ist geplant, die Wahlen in Ghazni im Oktober 2021 nachzuholen (AT 19.12.2020; vgl. TN 19.12.2020). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28.09.2019 statt (RFE/RL 20.10.2019; vgl. USDOS 11.03.2020, AA 01.10.2020).

Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.04.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.02.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.02.2020; vgl. REU 25.02.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hatte, war keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.02.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.02.2020; vgl. REU 25.02.2020). Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Gültigkeit von Hunderttausenden von Stimmen (DW 18.02.2020; vgl. FH 04.03.2020) waren nur noch 1,8 Mio. Wahlzettel berücksichtigt worden (FH 04.03.2020). Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Mio. bei einer geschätzten Bevölkerungszahl von 35 Mio. (DW 18.02.2020). Die umstrittene Entscheidungsfindung der Wahlkommission und deutlich verspätete Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses der Präsidentschaftswahlen vertiefte die innenpolitische Krise. Amtsinhaber Ashraf Ghani wurde mit einer knappen Mehrheit zum Wahlsieger im ersten Urnengang erklärt. Sein wichtigster Herausforderer, Abdullah Abdullah, erkannte das Wahlergebnis nicht an (AA 16.07.2020), und so ließen sich am 09.03.2020 sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.04.2020; vgl. TN 16.04.2020). Die daraus resultierende Regierungskrise wurde mit einem von beiden am 17.05.2020 unterzeichneten Abkommen zur gemeinsamen Regierungsbildung für beendet erklärt (AA 16.07.2020; vgl. NZZ 20.04.2020, DP 17.05.2020, TN 11.05.2020).

Diese Situation hatte ebenfalls Auswirkungen auf den afghanischen Friedensprozess. Das Staatsministerium für Frieden konnte zwar im März bereits eine Verhandlungsdelegation benennen, die von den wichtigsten Akteuren akzeptiert wurde, aber erst mit dem R

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten