TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/25 G307 2244450-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2244450-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Deutschland, vertreten durch RA Dr. Bernhard KETTL in 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 28.05.2021, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)     

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) XXXX zur Gz.: XXXX , vom XXXX .2019, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) darüber in Kenntnis gesetzt, dass dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am 30.09.2015 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden sei, dieser jedoch nunmehr eine Verurteilung im Bundesgebiet aufweise und verdächtigt werde, ein weiteres Delikt begangen zu haben. Demzufolge wurde das BFA gemäß § 55 Abs. 3 NAG um Mitteilung ersucht, ob ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet werde.

2. Mit Schreiben des BFA vom 20.01.2020 wurde der BF darüber in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund seiner wiederholten strafgerichtlichen Verurteilungen im Herkunftsstaat und in Österreich sowie zahlreicher Verwaltungsstrafen im Bundesgebiet die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedacht sei. Ferner wurde der BF über den Stand des Ermittlungsverfahrens informiert und zur Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.

3. Mit Schriftsatz vom 12.02.2020, beim BFA per E-Mail eingebracht am selben Tag, gab der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) eine Stellungnahme ab.

4. Mit weiterem Schreiben vom 29.07.2020 wurde der BF erneut über den Ermittlungsstand der belangten Behörde sowie über die in Aussicht genommene Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt. Zudem wurde er zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.

5. Mit per E-Mail am 14.08.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF durch seinen RV eine weitere Stellungnahme ab.

6. Mit Schreiben vom 06.05.2021, wurde dem BF erneut Parteiengehör eingeräumt und dieser unter Verweis auf die Beabsichtigung ein Aufenthaltsverbot gegen ihn zu erlassen zur Abgabe einer weiteren Stellungnahme aufgefordert.

7. Mit per E-Mail am 21.05.2021 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF durch seinen RV eine weitere Stellungnahme ab.

8. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem RV des BF zugestellt am 09.06.2021, wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den BF ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) sowie dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

9. Mit per Post am 07.07.2021 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

10. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, und langten am 16.07.2021 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik Deutschland, ledig, gesund und arbeitsfähig.

1.2. Der BF reiste erstmals im April 2013 ins Bundesgebiet ein und weist seither folgende Wohnsitzmeldungen in Österreich auf:

?        04.04.2013 bis 21.11.2014

?        22.12.2014 bis 16.06.2016

?        20.02.2017 bis 30.10.2017

?        seit 04.01.2018

Es wird festgestellt, dass sich der BF seit September 2015 durchgehend in Österreich aufhält.

1.3. Der BF führt mit der österreichischen Staatsbürgerin, XXXX , eine Beziehung, ist mit dieser seit 2018 verlobt und lebt mit ihr wie mit seiner Mutter in in XXXX im gemeinsamen Haushalt. Der BF und seine Verlobte beabsichtigen, in naher Zukunft die Ehe zu schließen.

1.4. Der BF ist seit 30.09.2015 im Besitz einer Anmeldebescheinigung „Arbeitnehmer“ und ging von 02.05.2014 bis 31.03.2016 sowie von 01.11.2015 bis 15.02.2016 unselbstständigen Erwerbstätigkeiten in Österreich nach:

Aktuell ist der BF seit 15.06.2020 bei der Firma XXXX , in XXXX als Angestellter beschäftigt.

Zudem ist der BF Gesellschafter der Firmen, XXXX , und XXXX und war von 02.01.2017 bis 31.01.2018 sowie 21.08.2018 bis 31.12.2020 selbstständig erwerbstätig.

1.5. In Österreich hält sich zudem der Vater des BF auf.

1.6. Der BF verfügt zudem über soziale Bezugspunkte in Österreich und halten sich Angehörige des BF in Deutschland und Großbritannien auf.

1.7. Der BF weist folge Verurteilungen in Österreich auf:

1.       LG XXXX zur Zahl XXXX , vom XXXX .2019, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2019, wegen des Vergehens der Verhetzung gemäß §§ 283 (1) Z 1, 283 (1) Z 2, 283 (2) StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von 6 Monaten unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes XXXX (Deutschland) zu Zahl XXXX , vom XXXX .2018.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe am XXXX .2018 in XXXX auf der allgemein zugänglichen Facebook-Seite einer Tageszeitung, deren Firmensitz in XXXX gelegen ist, öffentlich und auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, zu Hass gegen eine nach dem fehlenden Kriterium der Staatsangehörigkeit definierte Gruppe von Personen, und zwar Flüchtlinge, aufgestachelt und in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, die genannte Gruppe in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, indem er als Reaktion auf einen Beitrag der besagten Tageszeitung mit der Überschrift „Italien und Malta lassen Flüchtlinge nicht an Land“ ein Posting des Inhalts „Endlich mal Länder die durchgreifen, sowas braucht keiner Kanalratten sind mehr wert die ernähren sich von selber {tränenlachender Smiley}“ veröffentlichte.

Als mildernd wurde das reumütige Geständnis gewertet.

2.       LG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2019, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2021, wegen des Vergehens des schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 (2) StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 6 Monaten sowie einer Geldstrafe im Ausmaß von 360 Tagessätzen zu je € 50,00 (= € 18.000,00) als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2018 in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2018.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe mit XXXX . in XXXX und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, XXXX . durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Vorgabe, XXXX . habe mit XXXX . einen aufrechten Vorvertrag für den Ankauf einer bestimmten Liegenschaft und unter Verschweigung des Umstandes, dass H. von diesem Vertrag aufgrund der Nichtleistung der vereinbarten Zahlungen durch Armin R. bereits im Oktober 2014 zurückgetreten war, zu nachgenannten Handlungen verleitet, die diesen bzw. ihm zuzurechnende Gesellschaften in einem € 5.000,00, jedoch nicht € 300.000,00 übersteigenden Ausmaß von insgesamt € 275.000,00 am Vermögen schädigten, und zwar:

1.       am XXXX .2016 zur Überweisung von € 35.000,00 an Stammkapital, das zur Bezahlung des BF verwendet wurde, und € 150.000,00 als Darlehen, das an XXXX R. weitergeleitet wurde, auf ein Konto der C. GmbH durch die I. Gmbh in Entsprechung der Gründungsvereinbarung über die Errichtung der C. GmbH;

2.       am XXXX .2017 zur Überweisung eines weiteren Darlehens von e 30.000,00 durch die I. GmbH auf ein Konto der C. GmbH;

3.       am XXXX .2017 als Kaufpreis für 8 % der Anteile an der C. GmbH zur Zahlung von € 60.000,00 durch Dieter H. persönlich auf ein Konto des BF;

Als mildernd wurden die Unbescholtenheit sowie der auffallende Widerspruch der Tat mit dem sonstigen Verhalten des BF sowie die Teilschadensgutmachung von € 125.000,00, als erschwerend das Handeln als Mittäter, die Tatwiederholung sowie die hohe Schadenssumme gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftagen begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Zudem weist der BF folgende Verurteilungen in Deutschland auf:

1.       AG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2012, wegen des gemeinschaftlichen Diebstahls sowie gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 200 Tagessätzen zu je € 15,00 (= € 3.000,00)

2.       AG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2013, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2013, wegen Betrug zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 15 Tagessätzen zu je €15,00 (= € 225,00)

3.       AG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2018, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2018, wegen Fahren ohne Führerschein, zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 40 Tagessätzen zu je € 25.00 - (= € 1.000,00)

4.       AG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2018, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2018, wegen Fahren ohne Führerschein, zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 70 Tagessätzen zu je € 40,00 (= € 2.800,00)

Es wird festgestellt, dass das Fahren ohne Führererschein in Österreich keinen gerichtlichen, sondern bloß einen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand darstellt.

1.8. Der BF weist zudem insgesamt 8 Verwaltungstrafen in Österreich, überwiegend wegen Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz und die Straßenverkehrsordnung auf. Einmal wurde der BF jedoch auch wegen eines Verstoßes gegen das Meldegesetz und die Gewerbeordnung belangt.

1.9. Der BF wurde von XXXX .2019 bis XXXX .2019 in einer Justizanstalt in Österreich in Untersuchungshaft angehalten.

1.10. Der BF wird von seinen Geschäftspartnern als ehrlich, ehrgeizig und kompetent beschrieben und wird dem BF zudem eine positive Entwicklung bestätigt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Insoweit oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Familienstand, Verlobter und der gemeinsamen Haushalsführung mit ihr wie mit seine Mutter, familiären Bezugspunkten in Österreich, Deutschland und Großbritannien, Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit, Gesellschaftereigenschaft in Bezug auf die oben genannten Unternehmen sowie zu den sozialen Bezugspunkten des BF in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Der durchgehende Aufenthalt des BF in Österreich seit September 2015 beruht auf dem konkreten und widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF in seiner Stellungnahme vor dem BFA, welches aufgrund der jeweiligen Wohnsitzmeldungen und Erwerbsmeldungen des BF in Österreich nachvollzogen werden kann. Insofern der BF darüberhinausgehende Wohnsitz- und Erwerbsmeldungen, insbesondere im Jahr 2014 in Österreich aufweist, ist festzuhalten, dass diese allein keinen Beweis für einen durchgehenden Aufenthalt des BF in Österreich bieten. Aufgrund der – ein regelmäßiges Pendeln erlaubender – Nähe des damaligen Arbeitsplatzes und Wohnortes des BF, konkret XXXX , zur deutschen Grenze (siehe dazu Google Maps) kann nicht unweigerlich allein aufgrund von besagten Meldungen in Österreich auf einen durchgehenden Aufenthalt in Österreich geschlossen werden. So hat der BF bis dato nicht behauptet, bereits seit dem Jahr 2014 durchgehend in Österreich aufhältig zu sein und letztlich in seiner Stellungnahme vom 12.02.2020 als Beweis für seinen durchgehenden Aufenthalt in Österreich auf seine am 30.09.2015 ausgestellte Anmeldebescheinigung verwiesen. Insofern war dem Vorbringen des BF entsprechend ein durchgehender Aufenthalt in Österreich beginnend im September 2015 festzustellen.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich samt den näheren Ausführungen zu den Taten des BF sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer jeweiligen Ausfertigung der oben zitierten Strafurteile und des Berufungsurteils des OLG XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .2021. Dem besagten Urteil des OLG XXXX kann zudem entnommen werden, dass die Verurteilungen des BF in Deutschland wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Österreich keinen strafgerichtlichen, sondern bloß einen verwaltungsstrafrechtlichen Straftatbestand darstellen (siehe dazu auch § 37 FSG).

Die Verwaltungsstrafen des BF in Österreich ergeben sich aus einem Auszug der Verwaltungsstrafdatenbank der BH Kitzbühel (siehe AS 53 und 55).

Die Verurteilungen des BF in Deutschland sind einer Abfrage des Europäischen Strafregister-Informationssystem ECRIS entnehmbar und konnten durch Abfrage des Zentralen Melderegisters die Wohnsitzmeldungen sowie die Anhaltung des BF in einer Justizanstalt in Österreich ermittelt werden. Aus dem oben zitierten Urteil des LG XXXX vom XXXX .2019, geht zudem hervor, dass es sich bei der oben genannten Anhaltung des BF in einer Justizanstalt um dessen Untersuchungshaft handelte.

Aufgrund der Abfrage des Zentralen Fremdenregisters konnte zudem der Besitz des BF einer am 30.09.2015 ausgestellten Anmeldebescheinigung festgestellt werden und sind die jeweiligen Erwerbstätigkeiten des BF in einem Sozialversicherungsauszug ersichtlich.

Durch Vorlage eines deutschen Reisepasses konnte der BF seine deutsche Staatsbürgerschaft nachweisen (siehe AS 411). Das besagte Reisedokument wurde am 02.03.2017 in der deutschen Botschaft in XXXX ausgestellt und wird darin vermerkt, dass der BF die deutsche Staatsbürgerschaft innehat. Ferner ist der Reisepass nach wie vor bis 01.03.2027 gültig. Anhand des Fehlens von Anhaltspunkten, dass das besagte Dokument gefälscht sein könnte, kann von der deutschen Staatsbürgerschaft des BF ausgegangen werden.

Die oben genannten Eischätzungen des BF durch seine Geschäftspartner kann jeweils einem Schreiben der XXXX , in XXXX , vom 30.03.2021 (siehe AS 613) und der XXXX , Steuerberatungsgesellschaft, in XXXX , vom 07.04.2021 (siehe AS 615) entnommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Deutschland ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.

für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.

als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1.         wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4.         eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“.

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Der BF hält sich seit September 2015, sohin seit mehr als 5 Jahren durchgehend in Österreich auf und ging seither wiederholt sowie geht aktuell Erwerbstätigkeiten nach. Demzufolge ist davon auszugehen, dass der BF mittlerweile ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht iSd. § 53a NAG erworben hat (Hinsichtlich der Anhaltung des BF in Untersuchungshaft im Zeitraum XXXX .2019 bis XXXX .2019 siehe EuGH C-378/12 vom 16.01.2014: wonach Haftaufenthalte (nur) aufgrund unbedingter Freiheitsstrafen vor Erreichen eines 5jährigen durchgehenden Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat die Kontinuität des Aufenthaltes unterbrechen und eine Addierung von Zeiten des Aufenthalts vor und nach der Inhaftierung verbieten).

Da vom BF, der aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG (vgl. dazu VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135) für Unionsbürger zu Anwendung.

3.1.4. „Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FrPolG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, beide idF FrÄG 2011, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

„Eine Ausweisung als Teil eines Aufenthaltsverbotes, das aus einer Ausreiseverpflichtung und der Verpflichtung besteht, innerhalb des festgelegten Zeitraums (oder auf Dauer) nicht zurückzukehren, stellt gegenüber dem Aufenthaltsverbot nicht ein Aliud, sondern ein Minus dar (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349; VwGH 20.12.2007, 2004/21/0328). Die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber dem Fremden hätte somit die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandserfordernisse für die Erlassung einer (von der erstinstanzlichen Entscheidung des BFA umfassten) Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 nach sich ziehen müssen. Die ersatzlose Behebung des auf § 67 FrPolG 2005 gestützten Aufenthaltsverbotes (ohne weitere Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 und damit ohne vollständige Erledigung des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens) widerspricht somit der Rechtslage.“ (vgl. VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0196)

3.1.5. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).
„Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.“ (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

3.1.6. Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 67 Abs. 1 iVm. § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet – tatsächlich und gegenwärtig – schwerwiegend gefährdet würde. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

3.1.7. Der BF weist unbestritten zwei Verurteilungen, einmal wegen des Vergehens des schweren Betruges zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einmal wegen des Vergehens der Verhetzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je € 50,00 in Österreich auf.

Zudem weist der BF vier, teils einschlägige Verurteilungen in Deutschland auf und wurde er ferner insgesamt 8 Mal verwaltungsstrafrechtlich in Österreich belangt.

Es steht außer Zweifel, dass das vom BF insgesamt gezeigte Verhalten eine Gefährdung öffentlicher Interessen darstellt. So hat zur Frage der Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, im Falle von Gewalt- und Eigentumsdelikten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474) der VwGH wiederholt Stellung bezogen, und eine dahingehende – maßgebliche – Gefährdung attestiert.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Verurteilungen des BF allesamt auf Straftaten die der BF bis zum Jahr 2018 begangen hat, er zuletzt zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen und einer Geldstrafe verurteilt wurde und sich seit seiner letzten Straftat am XXXX .2018 wohlverhalten hat. Letztlich stellte zudem das OLG XXXX im oben zitierten Urteil fest, dass das straffällige Verhalten des BF im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten steht. Ferner hat der BF Schadenswidergutmachung geleistet und stellt das – in Deutschland einen gerichtlichen Straftatbestand darstellende – Delikt des Fahrens ohne Führerschein in Österreich bloß einen Verwaltungsstraftatbestand dar und wurde der BF zuletzt im Jahr 2018 verwaltungsstrafrechtlich belangt.

Unter Berücksichtigung des seit dem Jahr 2018 durchgehenden Wohlverhaltens und der gezeigten Bemühungen der Schadensgutmachung, kann dem BF letztlich durchaus eine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Eine solche wird auch durch die positiven Entwicklungs-Einschätzungen der Geschäftspartner des BF gestützt. Sohin ist aus Sicht des erkennenden Gerichts aus aktueller Sicht nicht mit einem Rückfall des BF zu rechnen, sodass im Ergebnis keine aktuelle Gefährdung öffentlicher Interessen festgestellt werden kann, welche die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes notwendig machte.

Darüber hinaus weist der BF mittlerweile beinahe einen 6jährigen Aufenthalt in Österreich auf, währenddessen er überwiegend Erwerbstätigkeiten nachging und letztlich eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin einging. Ferner weist der BF familiäre und soziale Kontakte in Österreich auf, wobei seine Mutter im selben Haushalt mit dem BF lebt. Der soziale, familiäre und wirtschaftliche Lebensmittelpunkt des BF liegt seit mehr als 6 Jahren durchgehend in Österreich und weist der BF sohin ein schützenswertes Privat- und Familienleben iSd. Art 8 EMRK im Bundesgebiet auf, wenn dieses auch durch sein wiederholt straffälliges Verhalten letztlich eine gewisse Relativierung hinnehmen muss.

Das Verwaltungsgericht verkennt keinesfalls, dass die dem BF angelasteten Straftaten, insbesondere vor dem Hintergrund, teils einschlägiger Vorverurteilungen in Deutschland an sich in seiner Gesamtheit schwer wiegen. Nach Beurteilung des vom BF gezeigten Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sowie nach erfolgter Abwägung sich wiederstreitender öffentlicher und privater Interessen iSd. Art 8 EMRK, kommt das Gericht letztlich zum Schluss, dass sich die Verhängung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme (Ausweisung oder Aufenthaltsverbot) im konkreten Fall dennoch als nicht zulässig erweist.

Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze aufzuheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung EU-Bürger Gefährdungsprognose Interessenabwägung Privat- und Familienleben strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2244450.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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