TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/7 W192 2245481-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2021
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Entscheidungsdatum

07.09.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W192 2245481-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Dr. Astrid WAGNER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2021, Zahl: 1133631905-190311997:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)              Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Serbiens, welcher seit dem 18.08.2016 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet ist. Am 18.11.2016 wurde diesem durch die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Behörde in Stattgabe seines Erstantrags vom 28.10.2016 der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG (Familiengemeinschaft) mit einer einjährigen Gültigkeitsdauer erteilt.

Mit am 23.08.2017 rechtskräftiger Entscheidung wurde der Erstantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung des erwähnten Aufenthaltstitels aufgrund bekanntgewordener Vorverurteilungen des Beschwerdeführers in Kroatien und in Deutschland im Rahmen eines nach § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § Abs. 3 AVG amtswegig wiederaufgenommenen Verfahrens gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG abgewiesen, da sein Aufenthalt öffentlichen Interessen widerstreiten und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

Der Beschwerdeführer hält sich seither weiterhin im Bundesgebiet auf. Er lebt hier im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin, welche er am 22.10.2016 vor einem österreichischen Standesamt geheiratet hatte, und seinem im Dezember 2017 im Bundesgebiet geborenen Sohn. Beide sind serbische Staatsangehörige und im Besitz des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU.“ Der Beschwerdeführer hat am 03.11.2016 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau A2 „sehr gut“ bestanden. Der Beschwerdeführer war von 19.01.2017 bis 18.06.2018 als Paketzusteller im Bundesgebiet erwerbstätig. Von 19.06.2018 bis 28.11.2018 war dieser als geringfügig beschäftigter Arbeiter erwerbstätig.

Mit Schreiben vom 03.11.2017 informierte die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers.

Am 19.12.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet polizeilich zur Anzeige gebracht und es erfolgte die Sicherstellung seines serbischen Reisepasses.

Am 05.03.2019 langte beim Bundesamt ein E-Mail des Beschwerdeführers ein, in welchem er auf sein aufrechtes Familienleben mit seiner Ehefrau und seinem Kleinkind sowie seinen Wunsch nach einem ordentlichen Lebenswandel verwies.

Am 27.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in deutscher Sprache im Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, sich von 2007 bis 2016 in Kroatien im Gefängnis befunden zu haben. Von 1993 bis 2001 habe er in Deutschland gelebt, wo er ab dem Alter von 13 Jahren die Schule besucht hätte. Mit 17 Jahren habe er dann Fehler gemacht und viele kleine Diebstähle begangen. Die Einvernahme musste in der Folge nach Mitteilung über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes abgebrochen werden, da der Beschwerdeführer nervlich nicht mehr in der Lage gewesen wäre, diese zu Ende zu führen.

In einer am 09.04.2019 beim Bundesamt eingebrachten Stellungnahme der nunmehr bevollmächtigten Vertreterin des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer intensive familiäre Bindungen zu seiner Ehefrau und seinem Sohn aufweise. Dieser sei in einem Transportunternehmen beschäftigt gewesen, welches ihn bei erteilter aufenthaltsrechtlicher Genehmigung gerne wieder einstellen würde, zudem habe der Beschwerdeführer eine Deutschprüfung erfolgreich abgeschlossen. Unter notwendiger Berücksichtigung des Wohls des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers würden die familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen bei weitem überwiegen.

Anlässlich seiner am 19.07.2019 fortgesetzten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertreterin und einer Dolmetscherin für die serbische Sprache zusammengefasst an, seine Mutter sei schwer krank und lebe in Deutschland, sein Vater sei Alkoholiker und lebe, ebenso wie seine Halbschwester, in Serbien. In Serbien habe er niemandem mehr, zu seinem Vater bestehe nur sehr wenig Kontakt. Der Beschwerdeführer habe in Serbien die Schule bis zur sechsten Klasse besucht, anschließend habe er seinen Schulbesuch in Deutschland fortgesetzt. Seit Oktober 2016 sei er verheiratet und habe einen 19 Monate alten Sohn. Seine Gattin habe einen unbefristeten Aufenthaltstitel, diese habe als Feinkostmitarbeiterin gearbeitet und sie hätten zunächst von den Ersparnissen aus dieser Tätigkeit gelebt. Aktuell schicke ihm seine Großmutter monatlich EUR 500,- bis 600,-, damit sie überleben könnten. Der Beschwerdeführer habe als Lieferant gearbeitet, seit der Geburt seines Kindes verbringe er seine Zeit mit diesem. Der Beschwerdeführer möchte seine Deutschkenntnisse verbessern und einen Ausbildungskurs zum Installateur machen, da er in diesem Beruf bereits gearbeitet hätte und ihn wieder ausführen wolle. In seiner Heimat Serbien hätte er nichts mehr und wäre aus seinem Familienleben gerissen; von strafrechtlicher oder politischer Verfolgung sei er in Serbien nicht bedroht.

Mit Eingaben der bevollmächtigten Vertreterin des Beschwerdeführers vom 19.08.2019 und vom 12.08.2019 wurden insbesondere Nachweise über die Einkommens- und Wohnverhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau übermittelt.

Aus einem Bericht der LPD Wien vom 22.07.2020 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, einen Diebstahl begangen zu haben.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2021 wurde der Beschwerdeführer über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes in Kenntnis gesetzt und es wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu seinen aktuellen familiären und privaten Verhältnissen einzubringen.

In einer am 13.01.2021 eingebrachten Stellungnahme führte die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers aus, dass der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in Österreich liegen würde und das Familieneinkommen angesichts der Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau und der Unterstützung seiner Großmutter gesichert sei; die unterbliebene Ausreise des Beschwerdeführers im August 2017 sei in der Schwangerschaft und Unterstützungsbedürftigkeit seiner Ehefrau begründet gewesen. Der Beschwerdeführer kümmere sich hauptsächlich um seinen minderjährigen Sohn, da seine Ehegattin Vollzeit berufstätig sei. Ein Auseinanderreißen der Familie würde eine Traumatisierung des Minderjährigen zur Folge haben, welcher bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer fremduntergebracht werden müsste.

Mit Schreiben vom 14.05.2021 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer um Einbringung einer Stellungnahme zu seinen persönlichen Verhältnissen sowie zu seinen Aufenthalten in Deutschland und Kroatien und den dort erfolgten Verurteilungen.

Diesbezüglich wurde durch die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 21.05.2021 ausgeführt, dass es zutreffend sei, dass der Beschwerdeführer in Deutschland und Kroatien wegen Jugendstraftaten vorbestraft gewesen sei, allerdings seien diese Straftaten mittlerweile längst getilgt. Der Beschwerdeführer kenne seine Ehegattin seit seiner Kindheit, diese würden aus dem gleichen Ort in Serbien stammen. Eine Ausreise aus Österreich sei aufgrund des hier liegenden familiären Mittelpunktes des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen. Die bereits vorgelegten Unterlagen seien weiterhin gültig. Eine Ausreise des Beschwerdeführers würde dem Kindeswohl seines Sohnes entgegenstehen.

Am 11.06.2021 übermittelte die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers einen klinisch-psychologischen Befund betreffend den minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.), es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und es wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, ein dem Beschwerdeführer im Jahr 2016 erteilter Aufenthaltstitel nach dem NAG sei nach Bekanntwerden strafgerichtlicher Vorverurteilungen im August 2017 widerrufen worden; der Beschwerdeführer sei jedoch seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen und habe dadurch die österreichische Rechtsordnung missachtet. Dieser habe familiäre Bindungen zu seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Ehegattin und seinem im Dezember 2017 geborenen Sohn. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet von 19.01.2017 bis 18.06.2018 sowie von 19.06.2018 bis 28.11.2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, sei jedoch zuletzt nicht mehr im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen. Der Beschwerdeführer sei zwar in Österreich strafrechtlich unbescholten, jedoch sei dieser in Kroatien mehrmals gerichtlich wegen schweren Diebstahls, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten, verurteilt worden. Zudem würden auch in Deutschland Vorstrafen gegen ihn bestehen, deren genauere Bewertung mangels Rückmeldung der deutschen Behörden nicht möglich gewesen sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Serbien in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde und es sei diesem zumutbar, zwecks Beantragung eines Aufenthaltstitels vom Ausland aus, vorübergehend in den Herkunftsstaat auszureisen. Der Kontakt zu seiner Ehefrau und seinem Sohn könne durch elektronische Kommunikationsmittel sowie Besuche im Herkunftsstaat aufrechterhalten werden. Unter Berücksichtigung der familiären Bindungen des Beschwerdeführers sei von der Erlassung eines Einreiseverbotes abzusehen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers am 05.08.2021 eingebrachte Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebe in Österreich und es bestünde insbesondere zu seinem vierjährigen Sohn, für dessen Betreuung der Beschwerdeführer angesichts der Vollzeitberufstätigkeit der Kindesmutter vorwiegend aufkäme, eine innige Bindung. Die Ausreise sei angesichts der Schwangerschaft seiner Ehefrau und der Betreuung seines Sohnes unterblieben. Der Vorwurf der strafrechtlichen Verurteilung in Deutschland stelle eine Verletzung der behördlichen Ermessenspflicht dar, zumal diese bereits 21 Jahre zurückliegen würde und der Beschwerdeführer sich seither wohlverhalten habe. Der Beschwerdeführer sei sowohl in Österreich als auch in Deutschland unbescholten, da die Bewährungsfrist abgelaufen sei. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer sehr wohl gewichtige Gründe vorbringen können, die eine Ausreise und rechtskonforme Antragstellung im Ausland unzumutbar machen würden. Es sei mehrfach vorgebracht worden, dass eine Ausreise des Beschwerdeführers zu einer Traumatisierung seines Sohnes führen würde und die Ehegattin zudem keine andere Betreuungsmöglichkeit hätte. Die Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels elektronischer Kommunikationsmittel mit einem Kleinkind sei kaum möglich und es bestehe ein Recht auf persönlichen Kontakt zwischen Vater und minderjährigem Kind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister und dem Strafregister.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zu Spruchpunkt A)

2.1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder dieser durch das Verwaltungsgericht selbst festgestellt werden kann, sofern dies im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß Abs. 3 zweiter Satz kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. In diesem Fall ist die Behörde an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

2.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

2.2. Solche gravierenden Ermittlungslücken sind dem Bundesamt hier unterlaufen:

2.2.1. Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0301).

Wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 26.02.2019, E 3079/2018-17, ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg. 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu erörtern (vgl. hiezu VfGH 24.09.2018, E 1416/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen VfSlg. 19.362/2011). Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl. VfSlg. 18.388/2008, 18.389/2008, 18.392/2008). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg. 18.748/2009).

Zum einen sind die Auswirkungen einer Ausweisung auf das gemeinsame Familienleben von Ehegatten im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 16.702/2002, 19.180/2010). Einer durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme drohenden Trennung von Ehegatten muss im Rahmen der Abwägung Rechnung getragen werden (vgl. VfSlg. 18.392/2008, 18.748/2009).

Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung des Beschwerdeführers von einer Lebensgefährtin ist ebenfalls entscheidungswesentliche Bedeutung beizumessen (VfSlg. 18.393/2008). Der Umstand, dass eine Ehe in zeitlicher Nähe zur Asylentscheidung geschlossen wird, vermag die gebotene Abwägung der Auswirkungen einer Ausweisungsentscheidung auf ein existierendes Familienleben nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg. 19.180/2010).

Zum anderen sind die Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Familienleben zwischen Eltern und Kindern in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.06.1988, Fall Berrehab, Appl. 10.730/84 [Z 21]; 26.05.1994, Fall Keegan, Appl. 16.969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.02.1996, Fall Gül, Appl. 23.218/94 [Z 32]). Ferner ist es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl. VfSlg. 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.02.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl. 12963/87 [Z 72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein [potentielles] Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater siehe auch EGMR 15.09.2011, Fall Schneider, Appl. 17.080/07 [Z 81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führen (vgl. VfGH 28.02.2012, B 1644/2000 mit Hinweis auf EGMR 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99 sowie insbesondere EGMR 28.06.2011, Fall Nunez, Appl. 55.597/09; VfGH 12.10.2016, E 1349/2016).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für ein Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.362/2011; VfGH 25.02.2013, U 2241/2012; 19.06.2015, E 426/2015; 09.06.2016, E 2617/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 14.03.2018, E 3964/2017; 11.06.2018, E 343/2018, E 345/2018; 11.06.2018, E 435/2018). Der Verfassungsgerichtshof nimmt an, es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Kontakt zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könne (vgl. dazu VfGH 25.02.2013, U 2241/2012; 19.06.2015, E 426/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 11.06.2018, E 343/2018, E 345/2018).

Führt der Beschwerdeführer eine Beziehung und hat er ein gemeinsames Kind, muss dem im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung Bedeutung zugemessen werden (VfSlg. 18.748/2009; VfGH 27.02.2018, E 3775/2017).

2.2.2. Die Behörde begründete die ausgesprochene Rückkehrentscheidung im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit der Illegalität des Aufenthalts des Beschwerdeführers, welcher seine Verpflichtung zur Ausreise infolge der Abweisung seines Erstantrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ im amtswegig wiederaufgenommenen Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit am 23.08.2017 rechtskräftiger Entscheidung missachtet hätte.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Missachtung der Ausreiseverpflichtung und die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall angesichts der im Bundesgebiet bestehenden familiären Bindungen unter Berücksichtigung der oben dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung für sich genommen nicht ausreichen würden, um eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer verhältnismäßig erscheinen zu lassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit knapp fünf Jahren ein aufrechtes Familienleben mit seiner in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten Ehegattin sowie dem im Dezember 2017 geborenen, ebenfalls zum dauernden Aufenthalt berechtigten, gemeinsamen Sohn führt. Der Beschwerdeführer lebt im gemeinsamen Haushalt mit den genannten Angehörigen und führt mit diesen ein reguläres Familienleben, wobei der Beschwerdeführer wesentlich an der Betreuung des dreijährigen Sohnes beteiligt ist, zumal die Kindesmutter einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht und so das Familieneinkommen erwirtschaftet. Der Beschwerdeführer (welcher ab dem Alter von 13 Jahren mehrjährig in Deutschland lebte) beherrscht zudem die deutsche Sprache und ging im Bundesgebiet im Zeitraum 2017/2018 einer Erwerbstätigkeit nach, wobei sein früherer Arbeitgeber ihm im Rahmen eines im Jänner 2019 abgeschlossenen Vorvertrages eine neuerliche Anstellung für den Fall der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung schriftlich in Aussicht gestellt hat.

Vor diesem Hintergrund wäre eine Aufenthaltsbeendigung unter Berücksichtigung des Kindeswohls des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers alleine aufgrund des fremdenrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers – wenn auch dieses im vorliegenden Fall nicht nur geringfügig ist, zumal dieser die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Verfahren nach dem NAG durch Verschweigen relevanter Tatsachen erschlichen hat und seiner Verpflichtung zur Ausreise in den folgenden Jahren beharrlich nicht nachgekommen ist – nicht als verhältnismäßig zu erachten.

Jedoch finden sich im Verwaltungsakt Anhaltspunkte auf vom Beschwerdeführer in anderen EU-Mitgliedstaaten begangene (schwerwiegende) Straftaten und sohin auf eine vom Beschwerdeführer möglicherweise ausgehende Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, welche eine Aufenthaltsbeendigung allenfalls trotz des aufrechten Familienlebens in Österreich notwendig machen könnte. Diesbezüglich enthält der angefochtene Bescheid jedoch nur ansatzweise Feststellungen, welche keine taugliche Grundlage für die Beurteilung einer allenfalls vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

Dass Straftaten nicht nur das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung erhöhen, sondern auch bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens zu berücksichtigen sind, kann schon deswegen keinem Zweifel unterliegen, weil in § 9 Abs. 2 Z 6 BFA-VG 2014 die "strafgerichtliche Unbescholtenheit" ausdrücklich als einer der dafür maßgeblichen Aspekte genannt wird (vgl. VwGH 06.04.2021, Ra 2021/21/0086).

Bei der Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (VwGH 20.08.2020, Ra 2019/19/0522).

Dem Verwaltungsakt lässt sich, wie auch im angefochtenen Bescheid ausgeführt, entnehmen, dass das Verfahren über den vom Beschwerdeführer am 28.10.2016 bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde eingebrachten Erstantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehegattin, welche er im Oktober 2016 im Bundesgebiet geheiratet hatte, infolge Bekanntwerdens mehrerer strafgerichtlicher Vorverurteilungen sowohl in Kroatien als auch in Deutschland amtswegig wiederaufgenommen wurde. Der Erstantrag des Beschwerdeführers wurde sodann im wiederaufgenommenen Verfahren wegen Vorliegens des Erteilungshindernisses des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG, wonach Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden dürfen, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet, abgewiesen. Dem aktenkundigen Schreiben der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde vom 03.11.2017 lässt sich entnehmen, dass in diesem Verfahren eine mit 23.08.2017 in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien ergangen sei.

Die Behörde verwies im angefochtenen Bescheid zwar auf das Vorliegen mehrerer gerichtlicher Verurteilungen wegen schweren Diebstahls in Kroatien, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe in Dauer von neun Jahren und zehn Monaten, sowie auf auch in Deutschland bestehende Vorstrafen. Nähere Feststellungen zu diesen Verurteilungen, insbesondere zu den zugrundeliegenden Tathandlungen, finden sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht und sind auch dem übrigen Inhalt des Verwaltungsaktes nicht zu entnehmen. Zwar findet sich im Verwaltungsakt eine Auflistung der sieben rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Kroatien, welche Datum, Art der Delikte und Strafmaß enthält; die nur aus der Nennung des Delikts bestehende "Kurzdarstellung" reicht für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose iSd. § 9 BFA-VG 2014 jedoch nicht aus (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062). Ebenso wenig lässt die bloße Zitierung des verwirklichten Straftatbestandes einen Schluss auf die Art und Schwere der Verwaltungsübertretung und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild zu (vgl. VwGH 23.04.2021, Ra 2020/21/0504 mwN.). Im Rahmen einer Gefährdungsprognose ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 02.03.2021, Ra 2020/18/0486). Dem Verwaltungsakt lassen sich weder die in Deutschland und Kroatien ergangenen Urteile entnehmen, noch findet sich sonst eine Darstellung der jeweiligen konkreten Tatumstände und es fand auch keine Erörterung seiner strafbaren Handlungen im EU-Ausland mit dem Beschwerdeführer selbst statt. Ebensowenig findet sich im Verwaltungsakt eine Ausfertigung des im Schreiben der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vom 03.11.2017 erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wiens, in welchem das Vorliegen eines Erteilungshindernisses festgestellt worden sei. Insgesamt lässt sich dem Verwaltungsakt daher nicht entnehmen, welche Handlungen des Beschwerdeführers insbesondere zur Verhängung der nicht unbeträchtlichen (Gesamt-)Freiheitsstrafe in Kroatien im Ausmaß von neun Jahren und zehn Monaten geführt hatten.

Unzutreffend ist im Übrigen die in der Beschwerde vertretene Ansicht, wonach lediglich eine bereits getilgte, 21 Jahre zurückliegende, Vorverurteilung aus Deutschland bestehen würde, der Beschwerdeführer sich seither wohlverhalten habe und demnach eine Aufenthaltsbeendigung (jedenfalls) außer Verhältnis stehen würde. Dem Akteninhalt lässt sich, wie angesprochen, entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Kroatien jedenfalls siebenmal rechtskräftig wegen Raubes und anderer schwerer Eigentumsdelikte verurteilt wurde und dort eine Haftstrafe in der Dauer von neun Jahren und zehn Monaten verbüßte, aus welcher er im März 2016, sohin erst kurz vor seiner Einreise ins österreichische Bundesgebiet, bedingt entlassen worden ist.

Dem generellen Verweis auf das mehrjährige Zurückliegen der Verurteilungen ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis zum Frühjahr 2016 durchgehend eine Freiheitstrafe in Kroatien verbüßt hat; nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (siehe VwGH 15.02.2021, Ra 2021/17/0006, mwN.). Angesichts der zahlreichen Vorverurteilungen vermag der etwas mehr als fünfjährige Zeitraum seit Entlassung aus der Straffheit in Kroatien, auch in Zusammenschau mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er künftig einen ordentlichen Lebenswandel anstrebe und seinem zwischenzeitlich begründeten Familienleben bzw. seiner Vaterschaft per se nicht als ausreichend erachtet werden, um ohne nähere Feststellung der Tatumstände einen Wegfall der von seiner Person ausgehenden Gefährdung annehmen zu können.

Es geht bei der Gefährdungsprognose nicht um die Frage der formellen Unbescholtenheit, sondern um das Gesamtverhalten des Fremden. Zur Begründung einer Gefährdung öffentlicher Interessen darf auch das einer getilgten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten berücksichtigt werden (vgl. VwGH 30.11.2020, Ra 2020/21/0355).

Zudem wäre angesichts der Hinweise auf Vorverurteilungen in diesen Ländern zu erheben gewesen, ob gegen den Beschwerdeführer allenfalls ein durch Deutschland oder Kroatien erlassenes Einreiseverbot mit Gültigkeit für den gesamten Schengenraum aufrecht ist.

Soweit der Bescheid darauf hinweist, dass nähere Feststellungen zu den Vorstrafen in Deutschland mangels Rückmeldung der deutschen Behörde nicht getroffen werden konnten, so enthält der Verwaltungsakt keinen näheren Aufschluss über eine entsprechende Anfrage bzw. Urgenz bei den deutschen Behörden. Ohne entsprechende Ermittlungsergebnisse wäre aber auch die Feststellung zum Vorliegen von Vorstrafen an sich nicht zulässig.

Im Verwaltungsakt finden sich zudem Hinweise auf eine unrechtmäßige Beschäftigung des Beschwerdeführers entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zumal dieser einerseits auch nach mit 23.08.2017 rechtskräftiger Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im wiederaufgenommenen Verfahren laut Versicherungsdatenauszug bis 28.11.2018 einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen ist und überdies auch der polizeiliche Abschlussbericht vom 22.07.2020 Hinweise dahingehend enthält, dass dieser einer unrechtmäßigen Beschäftigung nachgegangen sein könnte, zumal dort davon die Rede ist, dass der Beschwerdeführer einen Auftrag zur Montage einer Klimaanlage ausgeführt hätte.

Insgesamt enthält der angefochtene Bescheid demnach keine belastbaren Feststellungen hinsichtlich des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, welche die Beurteilung ermöglichen würden, ob angesichts seiner Straftaten und einer aus diesen resultierenden anhaltenden Gefährdung öffentlicher Interessen eine Aufenthaltsbeendigung trotz des im Bundesgebiet bestehenden Familienlebens geboten sein könnte.

Ergänzend ist festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid auch keine Feststellungen, welche eine Beurteilung dahingehend, ob eine Fortsetzung des Familienlebens des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn in Serbien möglich wäre, ermöglichen würden. Angesichts der serbischen Staatsangehörigkeit aller Familienmitglieder sowie des noch geringen Lebensalters des Sohnes, welcher bislang laut Vorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich durch die Eltern betreut wird und keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet hat, wäre eine solche zumutbare Möglichkeit der Fortführung des Familienlebens im gemeinsamen Herkunftsstaat nicht auszuschließen. Allerdings sind dem angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zum Grad der Integration der Ehegattin des Beschwerdeführers, insbesondere ihrer Aufenthaltsdauer, ihrer sozialen Verankerung und dem Vorhandensein von Bindungen in Serbien zu entnehmen, welche eine Beurteilung dahingehend zuließen, ob für diese eine Niederlassung in Serbien gemeinsam mit ihrem Ehemann und Sohn zumutbar wäre.

Unter Berücksichtigung der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehlen demnach im angefochtenen Bescheid die relevanten Feststellungen vollkommen. Die Behörde hat nur ansatzweise Ermittlungen zu den strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers in anderen EU-Mitgliedstaaten getroffen. Die Durchführung der relevanten Ermittlungen hinsichtlich der näheren Tatumstände sowie allenfalls bestehender Einreiseverbote (Konsultation mit den Behörden Deutschlands und Kroatiens) werden auf behördlicher Ebene rascher vorgenommen werden können.

2.2.3. Dass das Bundesamt es unterließ, nähere Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer im EU-Ausland verübten Straftaten zu treffen, stellt daher einen im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung besonders gravierenden Ermittlungsmangel dar, der die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit zum Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG rechtfertigt.

Denn mit Blick auf den skizzierten Hergang des Ermittlungsverfahrens geht das Bundes-verwaltungsgericht davon aus, dass das Bundesamt den Sachverhalt, welchen es für die Erlassung sämtlicher Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids als maßgeblich feststellte, im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt hat.

Indem die Behörde die näheren Umstände der Straftaten des Beschwerdeführers im EU-Ausland nicht erhoben hat, hat sie es unternommen, das ordnungsgemäße Ermittlungsverfahren gleichsam auf das Bundesverwaltungsgericht zu überwälzen. Die belangte Behörde wird zudem ergänzende Ermittlungen zum tatsächlich gelebten Familienleben, dem Kindeswohl und den Konsequenzen einer Rückkehrentscheidung für die Familie, gegebenenfalls durch neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers und der Kindesmutter, anzustellen zu haben.

Der angefochtene Bescheid ist sohin gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Rechtssache wird zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt zurückverwiesen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W192.2245481.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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