TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/10 W195 2202577-1

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Entscheidungsdatum

10.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W195 2202577-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.05.2018, XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 26.11.2020 und am 08.01.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde von XXXX wird insoferne stattgegeben als die Spruchpunkte II bis VI aufgehoben werden und XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 12.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er als Anhänger der BNP in seiner Heimat auf Grund der politischen Gesinnung von Mitgliedern der regierenden Awami League (AL) mit dem Umbringen bedroht und verfolgt worden sei. Da er sogar einmal misshandelt worden sei habe er die Flucht ergriffen.

I.2. Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 02.01.2018 gab der BF an, dass er am XXXX im Dorf XXXX in Bangladesch geboren wurde.

Zuletzt habe er in der Hauptstadt Dhaka bei seiner Tante gewohnt, sein Vater habe ihm dazu Geld gegeben. Momentan sei sein Vater jedoch arbeitslos.

Die Eltern (der Vater sei 80 Jahre, die Mutter 45 Jahre alt; andere Angabe später: der Vater sei 60 Jahre alt) und seine fünf Geschwister (drei Brüder, zwei Schwestern) würden (bis auf einen Bruder, der in Malaysia aufhältig wäre) in Bangladesch leben, ebenso wie ein Onkel väterlicherseits. Der BF habe keinen Kontakt zu seiner Familie, er habe auch keine Kinder und keine Beziehung. Sein Vater hätte „Probleme“ und würde deshalb nicht zu Hause leben.

Er sei sechs Jahre lang in einer islamischen Schule gewesen. Seinen Lebensunterhalt habe der Vater finanziert. Er habe Bangladesch 2011 per Flugzeug verlassen und sei über den Oman in den Iran, dann in die Türkei gereist. Dort habe er dreieinhalb Jahre in einer Kleidungsfirma gearbeitet, bevor er nach Europa aufgebrochen sei.

In Österreich sei er seit November 2015. Er habe mehrere Freunde und spielte in einem Fußballverein, habe aber jetzt keinen Kontakt mehr. Er mache einen Deutschkurs, spiele Kricket und schaue sich die Stadt an; er beziehe Grundversorgung von der Caritas. Er habe keine Beziehung und sei auch kein Mitglied in einem Verein.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass der Vater Mitglied der BNP gewesen sei. Der BF habe damals auch Fußball gespielt, für einen Klub der BNP. Als die Awami League 2006 an die Macht kam, hätten sie den BF und seine Freunde zu Hause aufgesucht und gemeint, sie sollten aufhören zu spielen. Da er sich geweigert habe, sei er geschlagen worden. Er sei dann von zu Hause ausgezogen, worauf sein Vater geschlagen worden sei. Als auch dieser die Wohnung verlassen hatte, sei der älteste Bruder geschlagen worden, welcher dann auch von zu Hause weggegangen sei, man wisse nicht, wohin.

Der BF sei in die Hauptstadt gefahren, er habe bei der Tante gewohnt und sein Vater habe ihm eine Telefonnummer für den Schlepper gegeben. Nach drei Monaten habe dann der BF überstürzt Bangladesch per Flugzeug verlassen und sei in den Oman geflüchtet.

Konkret nachgefragt führte der BF aus, dass er und die anderen Spieler am XXXX in eine Schlägerei auf dem Fußballfeld verwickelt waren. Danach, am XXXX hätten Mitglieder der AL das kleine Vereinsbüro zerstört und hätten die BNP-Mitglieder geschlagen. Mitglieder der AL seien auch zum Haus des BF gekommen und hätten ihn beim Abendessen gestört. Sie hätten ihn geschlagen und mit Messern eingestochen. Seine Mutter habe einen Herzinfarkt gehabt, weil sie den BF geschlagen hätten. Der BF sei daraufhin in der Nacht von seinem Vater nach Dhaka geschickt worden. Eine Anzeige habe der BF nicht getätigt. Tage später sei die Polizei gekommen und habe den BF gesucht, aber der Vater habe erzählt, dass er nicht wisse, wo er sei. Aber auch der Vater hätte nicht im Dorf weiterleben können und habe das Land verlassen.

Nachgefragt gab der BF an, dass er ebenso am 09.01.2010 im Basar bedroht worden sei. Es habe dort zwar keine Schlägerei gegeben, aber eine heftige Diskussion zwischen Anhängern der BNP und der AL.

I.3. In weiterer Folge legte der BF eine Bestätigung des behandelnden Arztes (Datum vom XXXX ) sowie ein Plakat „ XXXX der Jubo Dal mit verschiedenen Personenbildern vor. Diese Eingaben wurden einer Übersetzung zugeführt.

I.4 Nach der Übersetzung dieser Dokumente erging der Bescheid des BFA. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 30.05.2018, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Konkret wurde dargelegt, dass der BF sich bei der Darlegung der Ausreisedaten aus Bangladesch widersprochen habe; zum einen habe er bei der Ersteinvernahme wiederholt das Jahr 2015 angegeben, bei der Einvernahme im Jahr 2018 jedoch das Jahr 2011. Dies deshalb, weil auf dem vorgelegten XXXX angeführt sei. Es sei auf dem Plakat auch nicht der Name des BF angeführt und man könne nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei einer der abgebildeten Personen um den BF handle. Auch das handschriftlich, teilweise auf Englisch verfasste ärztliche Attest trage das Datum XXXX der Vorgang habe jedoch nach den Schilderungen des BF 2010 stattgefunden. Das Fluchtvorbringen sei insgesamt diffus und zeitlich unklar sowie in keiner Relation zur Bedrohungssituation.

I.5. Mit Schriftsatz vom 10.07.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – damals durch XXXX , Rechtsanwälte in Wien, vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, das BFA habe den Sachverhalt nicht gründlich ermittelt. Es habe keine amtswegige Sachverhaltsermittlungen, insbesondere keine Vor-Ort-Ermittlungen gegeben.

Es wurden die Anträge gestellt, de BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu, dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu gewähren sowie, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.6. Mit Schreiben vom 01.08.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.7. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 26.11.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.8. Am 23.11.2020 erfolgte die Vollmachtsauflösung seitens des rechtsfreundlichen Vertreters.

I.9. Am 26.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Da das Vollmachtverhältnis mit dem Rechtsanwalt aufgelöst worden war, wurde dies eingangs der Verhandlung besprochen. Der BF gab dazu an: „Ich wollte ja einen Anwalt, aber XXXX hat mir keinen beigegeben.“.

Der Rechtsanwalt habe € 1.000 verlangt, so viel Geld hätte der BF nicht (VS 2).

Der BF wurde während der gesamten Verhandlung im Sinne des § 13a AVG angeleitet, etwa durch detaillierte und umfassende Schilderung des Akteninhaltes sowie des Verfahrensganges (VS 2), des BFA-Bescheides sowie der Beschwerde, des Ablaufes der mündlichen Verhandlung (VS3f), Aufnahme zusätzlicher Unterlagen (VS 4), zB zusätzliche Aufforderung zur Aussage (VS 10), zum LIB (VS 21), sodass nach der Rückübersetzung der BF keine Veranlassung sah, gegen die Niederschrift irgendwelche Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit zu erheben (VS 22).

In der Einvernahme gab der BF an, dass er mit der Familie keinen Kontakt habe, um im Zuge der Nachfrage zuzugeben, dass er zwar nicht mit dem Vater spreche, mit dem Bruder aber schon, nämlich einmal pro Monat. Wiederum nachgefragt, ob er mit der Mutter spreche, verneinte dies der BF, um – wiederum nachgefragt, zuzugeben, dass er auch mit seiner Schwester telefoniere. Sein Bruder würde in Malaysia leben; mit seinen jüngeren Geschwistern würde er nicht telefonieren, aber mit seinem Schwager in Bangladesch (VS 6).

Hinsichtlich des Alters der Schwestern trat eine Divergenz zwischen der Einvernahme vor dem BFA im Jahr 2018 und dem BVwG auf (VS 7)

Er würde nicht wissen, wo sein Vater, ein Inder, lebe. Seine Mutter und die Geschwister würden vom älteren Bruder unterstützt werden.

Der BF habe „nicht viel gelernt“, er sei in die Koranschule gegangen; nachgefragt gab der BF an, dass er sechs Jahre lang zur Schule gegangen sei.

In Österreich habe der BF keine Verwandten.

Im Zuge der Verhandlung wurde festgestellt, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache fast nicht möglich war, der Sprachwortschatz ist extrem begrenzt, zumeist erfolgten lediglich Wortfetzen als Antwort, falls überhaupt eine gegeben wurde.

In weiterer Folge gab der BF an, dass er in einer Partnerschaft lebe. Er habe diesen Partner über einen Freund kennengelernt und kenne ihn seit ungefähr einem Jahr. Sie hätten Anfangs nur Nachrichten über Telefon ausgetauscht. Früher sei der BF in den Prater gegangen.

Das erste Mal hätte er den Freund vor drei Wochen getroffen, vor vier, fünf Tagen sei er bei ihm gewesen. Bisher habe er zweimal Kontakt gehabt.

Danach verwies der BF auf von ihm am Beginn der Verhandlung vorgelegte Fotos, auf denen u.a. auch der Freund zu sehen sei. Dieser habe ihm die Telefonnummer des Österreichers gegeben.

Gefragt, wie denn der „Lebenspartner“ heiße, antwortete der BF, „Einer heißt XXXX , der Bengale. Vom anderen habe ich den Namen vergessen, ich müsste nachsehen.“ In weiterer Folge zeigte der BF den Namen auf dem Handy: „Hallo XXXX . Ich heiße XXXX “.

Sein bengalischer Freund habe ihm empfohlen, sich einen Partner zu suchen, so habe er XXXX kennengelernt. XXXX würde im 15. Bezirk wohnen. Er würde in einem Büro beim Schwedenplatz arbeiten. XXXX würde den BF nicht unterstützen, er würde von XXXX kein Geld nehmen, manchmal Zigaretten, wenn sie gemeinsam rauchen (VS 11). Der Freund wisse noch nicht, dass der BF Asylwerber sei (VS 21).

Zum Wochenende würde der BF zum Fußball gehen oder Cricket spielen, ansonsten kochen.

Der BF lebt von der Grundversorgung, für Miete zahle er € 150, ca € 200 würden ihm monatlich bleiben. Sonst hätte er keine Einkünfte.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er „ein politisches Problem und ein sexuelles Problem“ habe.

Zu dem politischen Problem gab der BF an, dass er Mitglied der BNP gewesen sei. Man habe ihm auch eine Funktion geben wollen, aber dazu sei es nicht mehr gekommen (VS 13).

Er habe seit 2006 in einem Fußballklub gespielt, dieser Club habe der BNP gehört. Gefragt, was der Fluchtgrund gewesen sei, antwortete der BF: „Man hat mich sexuell gesehen. Leute der AL haben das mitbekommen. Der Club war von der BNP und der AL gemeinsam. Meine Gegner von der AL haben gesagt, dass das nicht im Land erlaubt ist. Ich wurde sexuell erwischt, mit meinem Freund, den ich dort kennen lernte. Große AL-Führer haben gesagt, es ist nicht erlaubt und mein Freund ist geflohen und ich bin geflohen.“ Gefragt, wann dies gewesen sei, meinte der BF nach einer längeren Nachdenkpause: „im Monat Februar 2010“. Man hätte ihn gemeinsam bei einem sexuellen Kontakt gesehen, der Clubraum sei in der Nacht von 10 Uhr bis 11 Uhr offen. Der Partner sei XXXX gewesen, ein Cousin väterlicherseits. Er hätte schon „von klein auf“ (VS 14) – später auf „ich war damals 16 Jahre“ (VS 15) - sexuellen Kontakt mit ihm gehabt. Einmal habe dessen Mutter sie erwischt und gewarnt, es nicht mehr zu machen (VS 15). Sie habe es auch den Eltern des BF erzählt, und seine Familie habe ihm gesagt, er solle sich den dem Jungen fern halten. Er habe nicht geantwortet, aber es gefiel ihm. Gott habe ihn so gemacht, „das habe ich ja nicht selber gemacht“ (VS 22). Mit seiner Familie habe er sonst nicht darüber geredet (VS 21).

Einmal gab es ein Fußballspiel zwischen den Mannschaften der AL und der BNP; da die BNP gewonnen habe, kam es zu einer Schlägerei danach. Man habe den BF sogar dann noch zu Hause aufgesucht und es sei zu „Schwierigkeiten“ gekommen. Wann genau das Spiel war, wisse er nicht mehr.

Gefragt, wieso Mitglieder der Al ihn und den Freund bei sexuellen Handlungen im Clubraum gesehen hätten, also dorthin gekommen seien, meinte der BF, es sei kein „TIN-House“, sondern ein altes, beschädigtes Haus gewesen, es stünde beim Fußballklub der BNP (VS 17), beantwortete der BF nicht. Der BF und sein Freund seien geschlagen worden, später seien noch Menschen zum BF nach Hause gekommen. Man habe ihm dann gesagt, dass er das Land verlassen müsse.

Gefragt, wann er das Land verlassen habe, meinte der BF: „2010, 2011. Ich glaube, ich weiß nicht mehr, was ich damals sagte, es müsste aber oben stehen.“ (VS 17).

Nachdem die Schlägerei passiert sei, „ich etwa um 9 bzw. halb 10 Uhr geschlagen wurde“, habe ihn sein Vater zur Tante nach Dhaka geschickt. Die Tante ließ ihn nicht bei sich, er sei zu einem Cousin gegangen. Danach sei er 14 Tage später illegal in den Oman gegangen (VS 17).

Gefragt, ob es eine Anzeige gegeben habe, meinte der BF, er wisse es nicht (VS 18). Die Polizei sei zum Haus gekommen, er wisse aber nichts von einer Anzeige, „ich habe keinen Kontakt ins Heimatland“ (VS 18).

Im Oman habe der BF Beziehung zu zwei Arabern gehabt, aber es sei dort auch nicht erlaubt. Er sei dann in den Iran gegangen, für vierzehn Tage, von dort in die Türkei, wo er „drei, dreieinhalb Jahre“ gelebt habe. Dort hatte er eine Beziehung zu einem Bengalen (VS 20).

Im Zusammenhang mit der folgenden Auseinandersetzung mit dem Länderbericht über Bangladesch wurde auch die aktuelle Corona-Pandemie und deren Auswirkungen besprochen. Der BF drückte dazu allgemein sein Mitgefühl für die ganze Welt aus; er hoffe, dass alle wieder gesund werden und dass es Gottes Wille sei.

I.10. Am 03.12.2020 langte eine Stellungnahme des BF, nunmehr vertreten durch die XXXX ein. Darin wird festgehalten, dass der BF aus Kostengründen die Bevollmächtigung seines Rechtsanwaltes vor der Verhandlung am 26.11.2020 zurücklegte. Daraufhin habe sich der BF an die Organisation „ XXXX “ gewandt, welche Kontakt zur XXXX aufgenommen habe. Trotz Manuduktion iSd § 13a AVG durch das BVwG stelle der BF nunmehr nochmals den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Rechtsvertreters sowie die Einvernahme eines vom BF namhaft gemachten Zeugen.

I.11. Am 09.12.2020 erfolgte die Ladung der Verfahrensparteien zur Verhandlung vor dem BVwG für den 08.01.2020.

I.12. Am 11.12.2020 legte die XXXX mit Wirksamkeit vom 31.12.2020 ihre Vollmacht zurück.

I.13. Am 08.01.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF, nunmehr XXXX (Vollmacht in der Verhandlung mündlich erteilt sowie schriftlich am 08.01.2021 um 14Uhr37 übermittelt) eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF als auch der namhaft gemachte Zeuge befragt wurde.

Im Zuge der Verhandlung wurde nochmals auf die Niederschrift vom 26.11.2020 eingegangen. Der BF gab an, dass er dazu nichts mehr sagen wolle, „ich habe schon alles gesagt, es gibt nichts mehr zu sagen“ (VS 5).

Der sehr engagierte BFV verwies nochmals auf die Stellungnahme vom 03.12.2020 und ersuchte, dass man festhalte, dass die gezeigten Fotos - seinerzeit protokolliert als „Fotos mit teilweise homosexuellen Inhalt“ – „explizit sexuellen Inhaltes sind und den BF bei sexuellen Handlungen mit mindestens zwei unterschiedlichen Männern zeigen, auch mit dem Ex-Freund“. Ansonsten sei zur Verhandlung vom 26.11.2020 nichts weiter zu bemerken. (VS 3).

Der vom BF namhaft gemachte Zeuge wurde sodann aufgerufen und belehrt. Er gab an, in XXXX zu wohnen. Er kenne den BF seit ein paar Monaten, sie würden sich regelmäßig treffen, ein bis zweimal pro Woche, dazwischen über What’s App miteinander kommunizieren.

Es sei mittlerweile mehr als eine Freundschaft, es sei eine „Lebenspartnerschaft“. Eine „Lebenspartnerschaft bedeute für den Zeugen, „füreinander da sein, gegenseitig helfen. Ja. Das war es“.

Er habe zum BF sexuellen Kontakt, sie würden aber derzeit nicht zusammen wohnen, weil „wir kennen uns noch nicht so lange“. Er wisse vom BF das Geburtsdatum (aber nicht das Jahr), dass er in Bangladesch geboren sei, dass er seit ca knapp über fünf Jahren in Wien wohne, und er gerne bengalisch koche. Über die Familie des BF wisse er, „die sind in Bangladesch“, er wisse aber nicht, aus welchen Personen die Familie bestünde. Das gegenseitige „Verständnis ist doch sehr schwer, weil ich kein Englisch kann“, so der Zeuge, der auch nicht bengalisch spreche. Gefragt, wie er sich mit dem BF unterhalte, gab der Zeuge an: „Es gibt Google Übersetzung und so haben wir eben Kommunikation“.

Der Zeuge wisse nichts über die Fluchtgründe des BF. Der BF wollte darüber nicht reden. Der Zeuge könne sich nur „vorstellen“, dass der BF homosexuell sei und „das sei in seinem Heimatland nicht erlaubt“. Gefragt, ob er etwas über die Situation der Homosexuellen in Bangladesch wisse, meinte der Zeuge, es solle angeblich die Todesstrafe gelten, dies wisse er aber aus „homosexuellen Zeitschriften und da wird dies oft geschrieben“.

Der Zeuge könne sich vorstellen, dass er „in der nächsten Zeit, den nächsten Wochen und Monaten zusammenleben können – eine gemeinsame Wohnung“. Sie hätten auch über das Zusammenleben gesprochen. Er hoffe jedenfalls, dass der BF in Österreich bleiben könne.

Abschließend wurde der BF über die Situation der Homosexuellen in Bangladesch befragt, insbesondere, ob er die homosexuelle Szene in Bangladesch kenne. Diese kenne er nicht, es gäbe dort kein Büro oder Club oder so. Es gäbe auch keine Internetplattform für Homosexuelle, er wisse es nicht. Es gäbe dort keinen Verein oder so. Es sei nicht erlaubt, sondern verboten (VS 8, 9).

I.14. Mit Erkenntnis des BVwG vom 11.01.2021, XXXX , wurde die Beschwerde abgewiesen.

I.15. Gegen diese Entscheidung erhob der BF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

I.16. Der Verfassungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 22.06.2021, XXXX die Entscheidung des BVwG vom 11.01.2021 und führte – zusammengefasst - aus, dass das BVwG in Hinblick auf die aktuellen Länderberichte und der Situation von Homosexuellen in Bangladesch auch zu prüfen hätte, ob dem BF in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe, oder ob eine solche Verfolgung gegebenenfalls in Hinblick auf Art 2 und 3 EMRK bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, aufzugreifen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Seine Identität steht nicht fest, die Namensangabe erfolgt lediglich zur Bezeichnung des BF.

Der BF ist in Bangladesch geboren und in seinem Heimatdorf aufgewachsen und hat zuletzt in Dhaka für einige Monate gewohnt. Er hat in seinem Heimatland die Schule besucht.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. In Bangladesch halten sich die Eltern und Geschwister des BF auf. Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt (widersprüchliche Aussagen des BF: „Es besteht kein Kontakt“ (BVwG VSI 5 und 18); es besteht Kontakt zum Bruder (BVwG VSI 6), es besteht Kontakt zur Schwester (BVwG 6), es besteht Kontakt zum Schwager (BVwG VSI 6); widersprüchlich auch vor dem BFA).

Der BF ist im November 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach.

Der BF gab vor dem BVwG erstmalig an, dass er homosexuell sei, seit kurzem stünde er in einer „Beziehung“ mit einem österreichischen Mann, dessen Namen er jedoch in der ersten Verhandlung vor dem BVwG am 26.11.2020 erst im Handy suchen musste.

Der dazu befragte „Lebenspartner“ gab, als Zeuge in der zweiten Verhandlung vor dem BVwG am 08.01.2021 befragt an, dass er mit dem BF, den er seit einigen Monaten kenne, ein homosexuelles Verhältnis habe; sie wohnen nicht zusammen; für ihn bestünde eine „Lebenspartnerschaft“, die er mit „gegenseitiger Unterstützung“ definiere. Der „Lebenspartner“ wisse nur, dass die Familie des BF in Bangladesch wohne, weitere Informationen über die Familie habe er nicht; der BF würde gerne bengalisch koche; über das Fluchtgeschehen wisse er nichts vom BF; sie würden sich primär über „Google-Übersetzer“ unterhalten, da der „Lebenspartner“ auch nicht englisch spreche.

Der BF ist kein Mitglied bei einem Verein (Aussage vor dem BFA 2018), nunmehr Mitglied der XXXX und engagierte sich dort.

Der 2015 eingereiste BF verfügt über äußerst geringe Deutschkenntnisse, der Sprachwortschatz ist sehr begrenzt.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Der BF hat vor dem BFA ausschließlich politische Gründe als Fluchtgrund angegeben, er habe „sonst keine weiteren Gründe“ (BFA, 2018).

Der BF wisse nicht, ob es eine Anzeige gegen ihn gäbe.

Auch in der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA hat sich der BF ausschließlich auf politische Fluchtgründe gestützt.

Der BF hat erstmalig in der Verhandlung vor dem BVwG am 26.11.2020 als Fluchtgrund – neben politischen Gründen - seine Homosexualität angegeben.

Festgestellt wird, dass der BF vor dem BFA eine vollkommen andere Fluchtgeschichte erzählte als vor dem BVwG.

Zu den angeblich politischen Fluchtgründen wird festgestellt, dass der BF anführte, dass es nach einem Fußballspiel im Dorf zwischen den Anhängern der oppositionellen BNP und der regierenden Awami League zu einer Schlägerei gekommen sei. Da er Kapitän der BNP Mannschaft gewesen sei, habe man auch vor seinem Haus randaliert. Der BF sei auf einem Plakat der BNP-Mannschaft 2010 zu sehen, er sei Mitglied der BNP gewesen.

Zu den angeblich homosexuellen Fluchtgründen wird festgestellt, dass der BF anführte, dass er im „Clubhaus“ des örtlichen BNP-Fußballklubs beim homosexuellen Verkehr mit seinem Cousin „um 10 Uhr bis 11 Uhr nachts“ von Mitgliedern der Awami League gesehen wurde. Er und sein Cousin seien dann geschlagen worden. Nachdem im Dorf die Schlägerei passiert sei habe ihn der Vater um 9 Uhr oder halb 10 Uhr nach Dhaka zur Tante geschickt.

Der BF behauptet, er habe mit 16 Jahren seinen ersten homosexuellen Kontakt zu seinem Cousin gehabt, dessen Mutter habe sie erwischt und es seiner Familie mitgeteilt, die ihn aufgefordert habe, dies zu unterlassen und sich vom Cousin fern zu halten.

Festgestellt wird, dass der BF hinsichtlich der homosexuellen Szene in Bangladesch nur sehr spärliche Kenntnisse hat.

Es wird festgestellt, dass der BF von staatlichen Autoritäten oder Institutionen in Bangladesch nicht verfolgt wird.

Es wird festgestellt, dass der BF homosexuell ist.

Festgestellt wird, dass dem BF auf Grund seiner behaupteten sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität

Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangen Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 27.7.2019). Das Gesetz wird nicht aktiv angewandt. Gerichtsverfahren oder Verurteilungen von Homosexuellen sind nicht bekannt (ÖB 8.2019). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.7.2019).

Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 8.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).

Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 27.7.2019), auch wenn viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben. Obwohl sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 14.1.2020).

LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und online Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 6.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

HRFB - Human Rights Forum Bangladesh (22.6.2019): veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture: Stakeholders' Submission to the United Nations Committee against Torture, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014744/INT_CAT_CSS_BGD_35310_E.docx, Zugriff 6.4.2020

ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (3.2019): State Sponsored Homophobia 2019 (Autor: Mendos, Lucas Ramon), https://www.ecoi.net/en/file/local/2004824/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Identität des BF konnte seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden, der angeführte Name dient lediglich der Bezeichnung des BF.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und aufgewachsen in Bangladesch, seiner absolvierten Schulausbildung, seinem Familienstand und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen legte ebenso bereits das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.

Die im November 2015 erfolgte illegale Einreise des BF ist aktenkundig. Dass der BF in die Grundversorgung einbezogen und strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.

Dass der BF in Österreich Mitglied in einem Verein ist ergab sich erst in der Verhandlung vor dem BVwG.

Dass der BF über private Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, war seinen diesbezüglich getätigten Angaben erst im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zu entnehmen; diese privaten Anknüpfungspunkte ergeben sich aus einer Bekanntschaft mit einem homosexuellen Österreicher, welche erst einige Monate besteht.

Aus dem Beschwerdeschriftsatz lassen sich keine darüber hinausgehenden substantiierten Ausführungen dahingehend entnehmen. Ebenso wurden im Laufe des Verfahrens auch keine weiteren Stellungnahmen abgegeben bzw. Unterlagen vorgelegt, aus denen zusätzlich besondere Anknüpfungspunkte ableitbar wären. Dass der BF am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilnimmt – ausgenommen seine Mitgliedschaft bei XXXX - konnte mangels diesbezüglicher Angaben des BF bzw. der Vorlage von entsprechenden Unterlagen jedenfalls nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen ebenso auf dessen eigenen Angaben vor dem BFA bzw. dem Bundesverwaltungsgericht. Im Laufe des Verfahrens wurden auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF nachweisen würden.

II.2.2. Dem Fluchtvorbringen des BF, in Bangladesch verfolgt worden zu sein, sprach bereits das BFA die Glaubhaftigkeit ab. Diese Beurteilung ist nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden, das Fluchtvorbringen des BF ist unter Berücksichtigung der folgenden Erwägungen jedenfalls als nicht glaubhaft zu bewerten.

II.2.2.1. Dem BF ist es nicht gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um seine politischen und sexuellen Fluchtgründe im Herkunftsland darzulegen. Er hat – bezogen auf die politischen Gründe - vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht ein vages, abstraktes, unglaubhaftes und widersprüchliches Vorbringen dargelegt. Das darüber hinaus vorgebrachte sexuelle Fluchtvorbringen vor dem BVwG war, soweit es sich auf das Geschehen in Bangladesch bezog, ebenso unglaubwürdig und widersprüchlich.

In der Beweiswürdigung muss vorweg festgestellt werden, dass der BF sich selbst bei einfachen Fragen in Widersprüche verfing; dies begann schon damit, dass der BF in einer Verhandlung vor dem BVwG angab, dass er keinen Kontakt zur Familie habe, dann jedoch zugab, dass er mit dem Bruder Kontakt habe, weiters, dass er mit der Schwester Kontakt habe und auch, dass er zum Schwager Kontakt habe, um am Ende der Verhandlung wieder zu behaupten, als es um eine mögliche politische Anzeige ging, dass er gar keinen Kontakt zur Familie habe.

Negativ für die Glaubwürdigkeit des BF ist aber auch das Vorbringen von zwei gänzlich verschiedenen Fluchtgeschichten vor dem BFA und dem BVwG. Vor dem BFA brachte der BF ausschließlich politisch motivierte Fluchtgründe vor; dies behielt er auch noch in seiner Beschwerde aufrecht. Erst vor dem BVwG fügte der BF plötzlich homosexuelle Gründe zu seiner Fluchtgeschichte dazu.

Der Fluchtgrund der Homosexualität wurde vom BF weder vor dem BFA noch in der Beschwerde vorgebracht, obwohl er in weiterer Folge angab, dass dieser Fluchtgrund schon seinerzeit bestand, als der BF noch in Bangladesch lebte.

Der BF hat jedoch nicht vorgebracht, dass bezüglich des Fluchtgrundes „Homosexualität“ das Verfahren vor dem BFA mangelhaft war.

Dem – rechtsanwaltlich vertretenen - BF waren zu dem Fluchtgrund „Homosexualität“ die von ihm behaupteten Tatsachen und Beweismittel bereits vor der Entscheidung des Bundesamtes zugänglich.

Der BF wäre in der Lage gewesen, dieses Fluchtvorbringen bereits vor dem BFA oder zumindest in der Beschwerde vorzubringen.

Da der BF es jedoch unterlassen hat, das Fluchtvorbringen zu seiner „Homosexualität“ im Verfahren vor dem BFA vorzubringen, war diesem Vorbringen nunmehr im Rechtsmittelverfahren wenig Glaubwürdigkeit zuzumessen, soweit es sich dabei um eine (bereits erfolgte, seinerzeitige) Verfolgung in Bangladesch drehte.

Der BF hat auch inhaltlich dazu Unglaubwürdiges vorgebracht. Er habe als 16 Jähriger – somit 2008 - erste homosexuelle Kontakte zu seinem Cousin gehabt und seien sie von dessen Mutter erwischt worden, welche dies der Familie des BF weitererzählt habe. Weitergehende Reaktionen auf die Wahrnehmung seiner Homosexualität, eigene Erfahrungen, seinen Umgang damit, blieb der BF schuldig zu schildern. Der BF habe jedoch – gegen den Wunsch der Familie - weiterhin Kontakt zu seinem Cousin gehabt, was dazu geführt habe, dass sie 2011 im Clubhaus des Fußballklubs der BNP von Mitgliedern des politischen Gegners bei homosexuellen Handlungen gesehen wurden. Dies sei zwischen 10 Uhr und 11 Uhr abends passiert (weshalb Mitglieder der AL beim Clubhaus der BNP waren konnte der BF nicht glaubwürdig erklären). An anderer Stelle jedoch gab der BF an, dass der Vater des BF – nach der Schlägerei – den BF zwischen 9 Uhr und halb 10 Uhr abends nach Dhaka zur Tante geschickt habe. Allein mit diesen widersprüchlichen Angaben wird deutlich, dass der BF kein homogenes Vorbringen erstattete, soweit es eine Fluchtgeschichte aus Gründen der Homosexualität betrifft. Darüber hinaus kennt der BF – trotz der Angaben in den Länderinformationen bzw. in der eigenen Stellungnahme des BF von Dezember 2020 – nicht die homosexuelle Szene in Bangladesch, insbesondere ist ihm nicht bekannt, dass es Internet-Plattformen gibt, dass es Vereine und Clubs gibt, die von homosexuellen Männern bevorzugt werden. Es ist zwar richtig, dass es homosexuellen Männern in Bangladesch bei weitem nicht so leicht möglich gemacht wird, ihre Sexualität auszuleben, aber dem BF sind die Rahmenbedingungen dazu, insbesondere in den großen Städten, nicht bekannt. Dies lässt vermuten, dass sich der BF während seiner Anwesenheit in Bangladesch tatsächlich nicht mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, was aber zu erwarten wäre, wenn er damals homosexuellen Umgang bevorzugt hätte. Auch aus der Stellungnahme des BF von Anfang Dezember 2020 wird detailreich auf die Problematik für homosexuelle Männer in Bangladesch verwiesen, jedoch kein unmittelbarer oder konkreter Bezug zum BF hergestellt.

Es muss aber auch konstatiert werden, dass der BF offensichtlich den Umgang zur homosexuellen Szene in Österreich gefunden hat und nunmehr regelmäßigen Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hat. Dies bestätigte der als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommene Mann, der sich als „Lebenspartner“ des BF verstand. Diese „Lebenspartnerschaft“, welche sich erst seit einigen Monaten entwickelt habe, ist aber bei weitem noch nicht als tiefgehend zu bezeichnen. Der BF und sein Sexualpartner wohnen nicht zusammen, sie unterhalten sich vorwiegend über Google-Übersetzungsdienst, weil der Österreicher kein Englisch spricht und der BF keine bzw. absolut unzureichende Deutschkenntnisse hat. Der „Lebenspartner“ weiß von der Familie des BF lediglich, dass diese in Bangladesch lebt; er kennt nicht einmal die Personen aus dem Familienverband. Er kennt auch keine Fluchtgeschichte oder Fluchtgründe des BF. Diese oberflächige Kenntnis des „Lebenspartners“ – der BF musste bei der Verhandlung vom 26.11.2020 auf dem Handy nachschauen, wie der Name seines „Lebenspartners“ lautet – zeigt wenig Tiefgang und muss die Fragilität dieser Beziehung in Anbetracht des unsicheren Asylstatus des BF von vornherein auch bekannt gewesen sein.

Der BF machte jedoch auch widersprüchliche Angaben zu seinen politischen Tätigkeiten in Bangladesch, wie das BFA bereits richtigerweise feststellte. Auch im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG blieb der BF eine glaubwürdige und nachvollziehbare Fluchtgeschichte aus politischen Gründen schuldig. Allein die Tatsache, dass der BF für einen Fußballklub, welcher der BNP „gehört“, als „Kapitän“ spielte und der BF nach der dritten Nachfrage sich entschloss, mitzuteilen, dass er Mitglied bei der BNP gewesen sei, deutet auf kein besonders ausgeprägtes politisches Engagement hin. Der BF gab auch an, dass er nicht einmal wisse, ob es überhaupt eine Anzeige gegen ihn (aus politischen Gründen) gäbe. Die offensichtlich problemlose Flucht aus Bangladesch in den Oman mit einem regulären Flug lässt ebenso auf ein geringes Verfolgungsgeschehen vor Ort schließen. Die vorgelegten Dokumente, welche bereits vom BFA auch einer Übersetzung zugeführt wurden, ergaben ebenfalls keinerlei schlüssige Hinweise auf eine politische Verfolgung, sodass von einer weiteren vor-Ort-Recherche Abstand genommen werden konnte.

Trotz Aufforderung konnte er seine politischen Fluchtgründe nicht konkretisieren und seine Geschichte nicht substantiieren, sondern reicherte er sie lediglich mit homosexuellen Fluchtgründen an.

Zusammengefasst hat der BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht kein konkretes und somit auch kein nachvollziehbares Vorbringen erstattet, sondern bloß höchst vage, unkonkrete und widersprüchliche Angaben gemacht.

Er hat keinerlei nachvollziehbare Details genannt und es ist aufgrund dieser Umstände davon auszugehen, dass sein Vorbringen rund um seine Fluchtgründe eine ausschließliche Konstruktion darstellt.

Es ist aufgrund der genannten Umstände davon auszugehen, dass sein Vorbringen jeglicher Realität entbehrt. Es ist dem BF nicht gelungen, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen bzw. hat der BF dazu auch keine begründeten Aussagen getätigt.

II.2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen vermochte der BF im Ergebnis daher nicht glaubhaft darzulegen, dass er Mitglied der BNP war und deshalb angegriffen wurde. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass auch auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen in Bangladesch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Mitgliedern der BNP-Partei (lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung) auszugehen ist.

II.2.2.3. Im Ergebnis ist dem BF hinsichtlich seines Fluchtvorbringens bereits auf Grund der oben aufgezeigten Gründe die Glaubwürdigkeit abzusprechen. In einer Gesamtschau der Ausführungen des BF zu seinen Fluchtgründen vermittelte dieser letztlich den Eindruck, eine individuelle Verfolgungsgefährdung seiner Person auf Grundlage von in Bangladesch bestehenden Zwistigkeiten zwischen politischen Parteien bzw. einer partiellen gesellschaftlichen Abscheu vor homosexuellen Menschen lediglich konstruieren zu wollen. Diese Beurteilung konnte allein auf Grund der vom BF vor dem BFA bzw. dem Bundesverwaltungsgericht getätigten (wenig substantiierten und teilweise widersprüchlichen bzw. nicht plausiblen Angaben) im Rahmen der freien Beweiswürdigung vorgenommen werden.

Auf Grund der in Österreich offensichtlich gelebten Homosexualität ist jedoch folgendes zu berücksichtigen:

Laut den aktuellen Länderfeststellungen (Stand Juni 2021) wird § 377 Strafgesetzbuch von Bangladesch zwar nicht aktiv angewandt, es aber als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen zu schikanieren. Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität ist in Bangladesch gesellschaftlich unmöglich und führt einerseits zur Ausgrenzung durch die dortige Gesellschaft und gesellschaftlichen Diskriminierungen. Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Dem BF, welcher Diskriminierungshandlungen im Falle seiner Rückkehr erwartet, droht daher in Bangladesch aufgrund seiner sexuellen Orientierung eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung.

II.2.3. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch und die darin angeführten Quellen. Das Länderinformationsblatt zu Bangladesch wurde dem Rechtsvertreter des BF vor Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. In den angeführten Länderfeststellungen wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal die Länderinformationen seitens des vertretenen BF unbestritten geblieben sind.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich die Umstände unter Berücksichtigung der vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation bisher nicht (wesentlich) geändert haben.

II.2.3. Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das dem BF im Beschwerdeverfahren in der aktuellsten Fassung erneut zu Stellungnahme übermittelt wurde – und den darin angeführten Quellen. Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.1. Zu A) I.:

II.3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist ein Flüchtling, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubhaftigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen – unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG – StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Wie der Beweiswürdigung (vgl. II.2.2.) zu entnehmen ist, ist es dem BF mit seinem Vorbringen nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation aus politischen oder homosexuellen Gründen aus früheren Ereignissen für seine Person glaubhaft zu machen.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF in seiner Heimat aus vergangenen Geschehnissen in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das BFA nicht zu beanstanden.

II.3.2.1. Zur Beschwerde und Aufhebung von Spruchpunkt II bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Dem BF, der keinen asylrelevanten Fluchtgrund in glaubwürdiger Weise darlegen konnte, war somit kein Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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