Entscheidungsdatum
17.09.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W222 2245417-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I.Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer hat am 25.07.2021 am Flughafen XXXX im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei den ersten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt.
Am 26.07.2021 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des XXXX die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei führte dieser aus, dass er aus Indien stamme, ledig sei und im Heimatland zwölf Jahre die Grundschule besucht habe. In Indien würde seine Mutter leben. Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in ein Mädchen verliebt gewesen wäre, welches zur Religionsgemeinschaft der Sikhs und zur Kaste der Jat gehört habe. Ihr Vater sei ein XXXX bei der Polizei gewesen und gegen ihre Beziehung gewesen, weshalb sie am 29.03.2020 für zehn Tage von zuhause weggelaufen seien. In diesem Zeitraum sei die Familie des Mädchens sehr oft bei der Familie des Beschwerdeführers gewesen und habe sie bedroht. Deshalb habe der Beschwerdeführer seine Freundin wieder nachhause geschickt und den Kontakt zu ihr abgebrochen. Ihr Bruder wolle ihn trotzdem umbringen und suche nach ihm. Aus diesem Grund habe er sein Dorf und in weiterer Folge auch sein Land verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.; die Familie der Freundin wolle ihn umbringen.
Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers nicht gestattet worden war, wurde dieser am 30.07.2021 im Rahmen eines Flughafenverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und im Heimatland 12 Jahre die Grundschule besucht habe. Sein Vater sei im Jahr 2014 verstorben. Seine Mutter habe von seinem Vater eine Pension erhalten, wovon sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Mutter gelebt hätten. Er sei in Indien keiner Arbeit nachgegangen. Die ersten zehn Jahre habe er bei seinen Großeltern gelebt, danach bis zum März 2020 in seinem Heimatdorf, danach 1,5 Monate in der Stadt XXXX und zwei Monate in XXXX . Er habe in seinem Heimatort gemeinsam mit seiner Mutter im Eigentumshaus gelebt. In Indien würde seine Mutter bei ihren Eltern leben. Darüber hinaus würden dort noch ein Onkel, eine Tante und ein Cousin mütterlicherseits leben. Er habe in Indien keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit gehabt. Er werde in Indien nicht gesucht und habe dort auch keine strafbaren Handlungen begangen.
Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):
„(…)
LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.
VP: Ich und meine Freundin sind in dieselbe Schule gegangen. Wir haben uns im Jahr 2018 kennengelernt. Wir hatten eine sehr schöne Beziehung von 2018 bis 2019. Die Tante des Mädchens erfuhr von unserer Beziehung. Sie erzählte es der Familie. Danach erfuhr auch ihr Bruder davon, ich habe meine Freundin angerufen und der Bruder hat abgehoben. Er verdächtigt seine Schwester und fragte sie, mit wem sie telefoniert. Sie sagte zu ihrem Bruder, dass sie nur mit einer Freundin telefoniert hat. Er verdächtigte seine Schwester weiter und er hat das Telefon von ihr für 2-3 Wochen bei sich behalten. Es war nicht möglich mit ihr zu sprechen. Nach einem Monat haben wir miteinander telefoniert. Ihr Bruder hat sie wieder verdächtigt. Er hat die Telefondaten von jemanden auswerten lassen. Danach hat der Bruder mich angerufen, er bedrohte mich. Ich habe seine Nummer blockiert. Er rief unter verschiedenen Nummern an und bedrohte mich mit dem Umbringen, er sagte mir, ich soll aufhören seine Schwester zu verfolgen und keine Beziehung mehr haben. Danach haben wir trotzdem gelegentlich miteinander telefoniert. Das war 2019. Im März 2020 haben wir beschlossen von zu Hause wegzulaufen. Wir haben es getan und sind weggelaufen. Meine Freundin verbrachte 10 Tage mit mir. Ihr Vater ist XXXX bei der Polizei, er hat immer wieder meine Mutter bedroht, deshalb schickte ich meine Freundin zurück. Da meine Mutter von dem Vater meiner Freundin unter Druck gesetzt wurde und bedroht. Danach bin ich nicht mehr ins Dorf zurückgegangen, da ihr Bruder nach mir suchte. Ich habe auch nicht mehr meine Freundin kontaktiert. Das ist alles.
LA: Warum war die Familie des Mädchens gegen die Beziehung?
VP: Weil das Mädchen noch zu jung war. Sie wollten nicht, dass ihr Mädchen einen Hindu heiratet.
LA: Wie alt ist das Mädchen? Name des Mädchens?
VP: Sie heißt XXXX und sie war 19 Jahre alt. Auf Nachfrage, sie gehört der Kaste der Jat an und der Sikh Religion.
LA: Wie ist die Kastenstellung der JAT?
VP: Es ist auch eine höhere Kaste.
LA: Wann, wie und in welchem Zeitraum seien Sie bedroht worden?
VP: 2-3 Mal wurde ich telefonisch bedroht. In meinem Dorf haben sie nach mir gesucht, deshalb hat mich ein Dorfbewohner benachrichtigt und gesagt, ich soll nicht ins Dorf kommen. Es war auch 1-2 Mal die Polizei bei mir im Dorf. Auf Nachfrage, nicht bei mir zu Hause, sondern im Dorf.
LA: Sie sind nur 2-3 Mal telefonisch bedroht worden, sonst gab es keine Übergriffe gegen Sie?
VP: Nein, es gab sonst keine Übergriffe. Nur 2-3 Mal telefonisch.
LA: Wohin sind Sie mit ihrer Freundin gegangen?
VP: In der Stadt XXXX waren wir, danach sind wir nach XXXX 3-4 Tage und danach waren wir 5 Tage in der Stadt XXXX . Auf Nachfrage, wir haben bei einem Freund in XXXX übernachtet, auch in XXXX wohnten wir bei einem Freund.
LA: Seit das Mädchen zurück bei ihren Eltern ist, haben Sie keinen Kontakt mehr?
VP: Nein. Auf Nachfrage, sie lebt in XXXX . Auf Nachfrage, es ist 7km entfernt.
LA: Weiß von Ihrem Bekannten oder Mutter jemand etwas, wie es dem Mädchen geht?
VP: Nein.
LA: Gingen Sie zur Polizei wegen den Anfrufen?
VP: Nein. Auf Nachfrage, ich habe keinen Vater. Es ist niemand da, der mich unterstützt und meinen Onkeln väterlicherseits verstehe ich mich nicht gut.
LA: Die Brüder Ihres Vaters?
VP: Mein Großvater hatte Brüder und dessen Kinder nenne ich Onkel.
LA: Haben Sie versucht Hilfe von der Polizei zu bekommen?
VP: Nein.
LA: Seit wann haben Sie den Kontakt bzw. die Beziehung zu dem Mädchen abgebrochen/beendet?
VP: Seit April 2020 habe ich keinen Kontakt mehr.
LA: Von April 2020 bis zu ihrer Ausreise, gab es da Vorfälle?
VP: Ich war unterwegs XXXX , ich war an einer Bushaltestelle und es kamen Burschen mit einer Sichel in der Hand. Ich bin weggelaufen. Auf Nachfrage, sonst gab es nichts.
LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben.
VP: Ja.
LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?
VP: Nein.
LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.
VP: Anm. schweigen.
LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?
RB: Sie haben gesagt, Sie konnten nicht zur Polizei gehen, weil Sie keinen männlichen Verwandten haben. Sie sind erwachsen, warum konnten Sie keine polizeiliche Anzeige einbringen?
VP: Der Vater des Mädchens ist ein XXXX , es hätte nichts gebracht, wenn ich zur Polizei gegangen wäre. Auf Nachfrage, ich weiß die Abkürzung nicht.
RB: Ist die Polizeistation für beide Dörfer dieselbe?
VP: Ja.
RB: Sie waren beide volljährig, konnten Sie beide nicht gemeinsam zur Polizei in XXXX gehen und eine Anzeige einbringen, dass Sie bedroht worden wären?
VP: Nein, meine Freundin hatte Angst. Nachgefragt, weil der Vater Polizist ist.
RB: Haben Sie aufgrund Ihrer Kaste jemals bei den staatlichen Behörden Probleme gehabt?
VP: Nein.
RB: Hatte Ihre Freundin aufgrund der Kaste oder Religion Probleme mit den staatlichen Behörden?
VP: Nein.
RB: Sie haben gesagt, Ihre Mutter wurde unter Druck gesetzt, dass Sie wieder heimkehren. Was hatte sie konkret zu befürchten, als Sie geflüchtet sind?
VP: Sie haben zu ihr gesagt, wenn das Mädchen nicht innerhalb von 2 Tagen nicht zurück ist, werden wir dich festnehmen.
RB: Haben Sie versucht wieder Kontakt mit dem Mädchen nach der Flucht aufzunehmen?
VP: Ja.
RB: Was haben Sie in Erfahrung gebracht?
VP: Sie ist am Leben. Auf Nachfrage, ich habe die Information von einem Dorfbewohner von ihr, er ging mit mir zur Schule.
LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundgebiet NICHT gestattet wird.
Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR – Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit am Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD – aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren – keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebund der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland.
VP wird im allgemeinen Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.
LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?
VP: Ja.
LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?
VP: Nein.
LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?
VP: Ich habe die Dolmetscherin gut verstanden.
LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
VP: Ja.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es hat alles gepasst.
(…)“
Am XXXX wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge UNHCR) gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.
Mit Schreiben des UNHCR vom XXXX wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde sei letztlich auch vom UNHCR geteilt worden, was sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben vom XXXX ergebe. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2021 Zahl: W169 2245417-1/3E gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer stellte am 31.08.2021 aus der Zurückweisungszone einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am 01.09.2021 erstbefragt. Dabei gab dieser an: „Ich habe keine neuen Fluchtgründe, dass was ich damals angab ist auch jetzt aufrecht. Ich möchte nicht zurück nach Indien, sonst habe ich nichts zu sagen.“ Auf die Frage, ob er alle Ausreise,- Flucht oder Verfolgungsgründe genannt habe, gab dieser an: „Ja, die habe ich bei meiner ersten Einvernahme genannt und es hat sich seither nichts geändert.“
Bei der Einvernahme am 02.09.2021 vor dem BFA, XXXX , gab der BF an, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe und auch keine Medikamente nehme. In weiterer Folge wurde ausgeführt:
„Ich habe keine neuen Fluchtgründe, dass was ich damals angab ist auch jetzt nach aufrecht. Ich möchte nicht zurück nach Indien, sonst habe ich nichts zu sagen.
„(…) LA: Möchten Sie dazu etwas angeben? Hat Ihnen jemand zu dem Folgenantrag geraten? Weshalb stellen Sie diesen?
VP: Neue Fluchtgründe habe ich nicht und es hat mir niemand zu dem Folgeantrag geraten. Auf Nachfrage, wir waren im Gefängnis und haben dort dann gesagt, wir wollen Asyl.
LA: Mit Gefängnis meinen Sie die Zurückweisungszone? Dies ist kein Gefängnis. Sie haben jederzeit die Möglichkeit nach Serbien auszureisen. Wir halten Sie nicht in Haft.
VP: Anm. VP nickt und sagt nichts dazu.
LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert?
VP: Ja habe ich und es wurde rückübersetzt und korrekt protokolliert.
LA: Nennen Sie mir bitte Ihren Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit.
VP: Mein Name ist XXXX , ich bin am XXXX in XXXX geboren und indischer Staatsangehöriger.
LA: Haben Sie einen Reisepass?
VP: Nein.
LA: Zu Ihrem Vorverfahren: Ihr Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter der Zahl: W 169 2245417-1/3E, am 25.08.2021 als unbegründet abgewiesen. Rechtskraft erwachsen mit 26.08.2021.
Bleiben Ihre Fluchtgründe aus dem 1. Asylverfahren – welches bereits rechtskräftig entschieden wurde aufrecht? Bezüglich Ihrer Fluchtgründe (neue Fluchtgründe), hat sich was geändert? Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz/Folgeantrag?
VP: Ich habe keine neuen Fluchtgründe, meine alten sind nach wie vor aufrecht.
LA: Möchten Sie irgendwelche schriftliche Beweismittel vorlegen?
VP: Nein.
LA: Sie haben keine neuen Fluchtgründe, Ihre „alten“ Fluchtgründe sind nach wie vor aufrecht. Sie haben zudem keine Beweismittel, welche Sie nun in Vorlage bringen könnten. Ist dies korrekt?
VP: Ja, das ist korrekt.
LA: Über Ihre „alten“ Fluchtgründe wurde bereits entschieden. Man kann in Österreich nicht zweimal über dieselbe Sache entscheiden, wenn es schon eine negative Entscheidung bzw. auch eine Erkenntnis gibt, wo die Entscheidung bestätigt wurde. Möchten Sie dazu etwas sagen?
VP: Ich möchte nicht zurück.
LA: Sie haben keine neuen Fluchtgründe - weshalb haben Sie nun einen neuen Asylantrag gestellt?
VP: Ich habe keinen neuen Fluchtgründe.
LA: Sie würden nicht nach Indien abgeschoben werden, sondern nach Serbien zurückgeschoben werden.
VP: Ich möchte nicht nach Serbien. Ich habe hier um Asyl angesucht und möchte hierbleiben.
LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen zu Ihrem Fluchtgrund?
VP: Nein.
LA: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihrem Heimatland erwarten?
VP: Umgebracht. Auf Nachfrage, der Bruder von meiner Freundin.
LA: Dies haben Sie bereits in Ihrem 1. Verfahren vorgebracht und darüber wurde bereits negativ entschieden.
VP: Anm. keine Antwort.
LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig nach Serbien auszureisen.
VP: Will ich nicht.
LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?
RB: Nein, danke.
LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass die Einreise in das österreichische Bundesgebiet nicht gestattet wird – Sie bleiben weiterhin im Sondertransitbereich. Ihr Vorbringen wird überprüft.
Möchten Sie dazu etwas sagen?
VP: Bitte geben sie mir Asyl.
LA: Sie haben bereits einen negativen Bescheid.
VP: Warum geben sie mir kein Asyl.
LA: Sie haben keine Fluchtgründe, welche für einen Asylstatus sprechen würden.
VP: Anm. keine Antwort.
Weiterer Ablauf wird erklärt: Bescheid wird erstellt – innerhalb der Rechtsmittelfrist Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts – Zurückweisung durch die LPD
VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.
LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?
VP: Ich möchte nicht zurück.
LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas sagen/ergänzen?
VP: Es sitzen 15-20 Inder hier, warum bekommen wir kein Asyl. Wollen sie sagen, dass wir lügen.
LA: Nein, aber Ihre Fluchtgründe sind nicht für einen Asylstatus oder sonst. Schutzstatus. Wir haben Gesetzte in Österreich – Asylgesetz, wo genau definiert ist, wann man Asyl bekommt.
VP: Anm. VP schweigt.
LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?
VP: Ja, ich habe sie verstanden.
LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
VP: Ja.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es ist alles richtig protokolliert. (…)“
Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zahl: XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl u.a. aus: „(…) Sie beziehen sich im gegenständlichen Verfahrensgang nach wie vor auf Rückkehrhindernisse, welche bereits in Ihrem Erstverfahren XXXX abgehandelt wurden. In der Einvernahme vom 02.09.2021 gaben Sie befragt zu Ihren neuen Fluchtgründen an, dass Sie keine neuen Fluchtgründe hätten und Ihre alten nach wie vor aufrecht sein würden (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 5, vom 02.09.2021). Sie waren nicht in der Lage, neue Fluchtgründe zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz - Folgeantrag, darzulegen. Sie beziehen sich nach wie vor auf Ihre Fluchtgründe in Ihrem 1. Asylverfahren, welches bereits rechtskräftig abgeschlossen wurde. Das Bundesamt kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.
Es ist daher bei einer Rückkehr davon auszugehen, dass Ihnen im Heimatland keine Bedrohungen, Haft etc. droht und Sie bei einer Rückkehr nach Indien mit keinen Problemen zu rechnen haben, zumal Sie auf legalem Wege mit Ihrem Reisepass Indien verlassen haben.
Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Sie aufgrund einer Asylantragstellung bei einer Rückkehr mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.
Sie sind ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, verfügen über Schulbildung. Sie sind arbeitsfähig und können Ihren Lebensunterhalt aus eigenem bestreiten. Sie und Ihre Mutter lebten in Indien von der Witwenpension, welche Ihre Mutter, aufgrund des Todes Ihres Vaters bekommen hat. Sie verfügen im Heimatland über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Sie befinden sich bei einer Rückkehr nicht in einer existenziellen Notlage.
Aus diesen Gründen waren die entsprechenden Feststellungen bezüglich der Gründe zu Ihrem neuen Antrag auf internationalen Schutz und zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr zu treffen.
Zur Lage im Heimatland hielt das BFA fest: „Die maßgebliche und Sie betreffende allgemeine Lage im Herkunftsland hat sich seit rechtskräftigem Abschluss Ihres Erstverfahrens nicht geändert.
Wie bereits ausgeführt wurden in Indien mit Stichtag 20.07.2021 31 144 229 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, sowie 414 108 Todesfälle bestätigt (WHO, 20.07.2021, https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports ).
COVID-19
Letzte Änderung: 21.05.2021
- Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugangs zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).
- Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).
- Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).
- Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).
- Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).
- Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).
- Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).
- Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).
- Quellen:
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021
? FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021
? GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021
? HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021
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? WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 28.05.2021
- Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).
- Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).
- Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).
- Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).
- Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).
- Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).
- Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).
- Indien und Pakistan
- Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).
- Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 1.2021; vgl. BBC 23.1.2018, DFAT 10.12.2020). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten "Line of Control (LoC)" haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).
- Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 1.2021). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 1.2021). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14. Februar 2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).
- Modi nutzte den Konflikt mit Pakistan zur politischen Mobilisierung im Wahlkampf 2019. Dadurch wurde die pakistanfeindliche Stimmung in Indien so stark angeheizt, dass eine erneute Annäherung Indiens an Pakistan immer schwieriger wird. Seit der Veränderung des Status von Jammu und Kaschmir haben die Verletzungen des Waffenstillstands am Grenzverlauf zwischen Indien und Pakistan ("Line of Control") deutlich zugenommen (bpb 29.4.2021).
- In einer Vereinbarung zwischen Indien und Pakistan mit dem Ziel "einen gegenseitig vorteilhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen", heißt es, dass nach längeren Verhandlungen die zuletzt bestehende Vereinbarung von 2003 über eine Waffenruhe "in Wort und Geist" ab dem 25. Februar 2021 umsetzen ist (Gov. o. I. 25.2.2021; vgl. SZ 26.2.2021).
- Indien und China
- Indien und China teilt eine 4.056 km lange Grenze (DFAT 10.12.2020). Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Nach wie vor gibt es zwischen Indien und China eine Reihe ungelöster territorialer Streitigkeiten, die 1962 zu einem kurzen Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten und zu mehreren Unruhen führten, darunter 2013, 2017 und 2020. Zusammenstöße zwischen Grenzpatrouillen an der 1996 vereinbarten "Line of Actual Control" (LAC), der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin sind häufig (DFAT 10.12.2020; vgl. FIDH 23.6.2020) und forderten am 15.6.2020 mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Dies waren die ersten Todesopfer an der LAC seit 1975. Von beiden Seiten wurden eine Reihe von Gesprächen auf politischer, diplomatischer und militärischer Ebene geführt. Die Situation bleibt jedoch festgefahren (DFAT 10.12.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in der letzten Zeit gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 1.2021).
- Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020).
- Indien und Bangladesch
- Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 1.2021a). In Nordost-Indien leben etwa 100.000 illegal eingewanderte Personen aus Bangladesch. Diese Einwanderer werden als ein erhöhtes Konfliktpotential wahrgenommen (BICC 1.2021). Auch bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 1.2021).
- Indien und Nepal
- Die Beziehungen zwischen Indiens zu Nepal haben sich im Laufe des vergangenen Jahres [2020] verschlechtert (HRW 13.1.2021), nachdem das nepalesische Parlament im Juni 2020 eine Aufnahme dreier umstrittener Grenzgebiete in das nepalesische geographische Kartenwerk abgesegnet hat. Die kratographische Erfassung der umstrittenen Gebiete ist eine Reaktion auf den Bau einer Straße durch eines der umstrittenen Gebiete durch Indien, von welchem in einer im November 2019 überarbeitete Karte als zu Indien gehörig ausgewiesen wurde (HRW 13.1.2021). Nepal ist für Indien von besonderer sicherheitspolitischer Bedeutung (GIZ 1.2021a). Indien unterstützt die nepalesische Regierung mit Waffen und Gerät in ihrem Kampf gegen die maoistischen Guerilla (BICC 1.2021).
- Indien und Sri Lanka
- Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis (GIZ 1.2021a). Indien belieferte in der Vergangenheit Waffen die LTTE ("Tamil Tigers") in Sri Lanka (BICC 1.2021). Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 1.2021a). Indiensetzt sich für einen Prozess der Versöhnung der ehemaligen Gegnerschaften des Bürgerkrieges in Sri Lanka ein (HRW 13.1.2021).
- Quellen:
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? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.3.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw12-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 11.5.2021
? BBC – British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382, Zugriff 22.7.2020
? BBC – British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019
? BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 23.3.2021
? bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (29.4.2021): Kaschmir, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 7.5.2021
? bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt: Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 18.3.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021
? EFSAS – European Foundatition for South Asia Studies, Topics Indo-Pak Relations, https://www.efsas.org/topics/indo-pak-relations.html, Zugriff 23.3.2021
? FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 6.8.2019
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? FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: De-escalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23.6.2020
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? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.3.2021
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? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201
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https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 22.7.2020
? SZ – Süddeutsche Zeitung (26.2.2021): Wenn plötzlich Frieden ausbricht, https://www.sueddeutsche.de/politik/line-of-control-kaschmir-indien-waffenruhe-pakistan-1.5219103, Zugriff 7.5.2021
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? Wagner, C. (2020). The Indian-Chinese confrontation in the Himalayas: a stress test for India's strategic autonomy.
(SWP Comment, 39/2020). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik
und Sicherheit. https://doi.org/10.18449/2020C39, Zugriff 22.10.2020
? WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 6.8.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 31.05.2021
- Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 23.9.2020). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 9.2020). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 23.9.2020). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 23.9.2020).
- Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 1.2021). Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 23.9.2020). Während die Bürger-und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatisti-sche Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsver-letzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entfüh-rungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hin-richtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer undreligiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 1.2021 vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, ÖB 9.2020).
- Menschenrechtsprobleme umfassen unter anderem Hinweise auf willkürliche Hinrichtungen, Verschleppung, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet. Gesellschaftliche Gewalt auf der Grundlage von Konfession und Kaste gibt nach wie vor Anlass zur Sorge. Muslime und Dalit-Gruppen aus den unteren Kasten sind auch weiterhin am stärksten gefährdet (USDOS 30.3.2021). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tief verwurzelte soziale Praktiken, nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 23.9.2020).
- In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein (USDOS 10.6.2020), Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 30.3.2021).
- Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 11.5.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 11.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020: Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031372.html, Zugriff 22.7.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/204812